Geschichte des Hauses und Landes Fürstenberg aus Urkunden und den besten Quellen II
von Dr. Ernst Münch Aachen - Leipzig 1830


Erstes Kapitel S. 1 ff.

Die Jugend und die ersten Kriegsttaten Graf Wilhelms von Fürstenberg. Verhältniß zu seinem Bruder Friedrich, als Mitregent der Fürstenberg’schen Landschaften.

Wilhelm von Fürstenberg, älterer Sohn des Grafen Wolfgang, welcher unter Marimilian I. eine so glänzende Rolle gespielt, und Bruder Friedrichs, welcher die besondere Gunst Karls V. besaß, wurde im Jahre 1492, am Tage nach der Erscheinung des Herrn, geboren und zu Haslach getauft und gefirmelt.(1)

Seine Jugend verstrich unter manchen seltsamen Abentheuern, welche die Sage unter dem Volke, wie unter seinen Waffenbrüdern eifriger, als die Geschichte, aufbewahrt hat; und bereits zeigte sich in dem Knaben, was dereinst von dem Manne erwartet werden durfte.(2)

Kaum 10 Jahre alt, wurde er nach Freiburg im Breisgau zu einem gewissen Priester Nikolaus, Magister der freien Künste, geschickt, welcher sofort über seine Studien, wie über sein sittliches Betragen genaue Aufsicht tragen sollte. Der Pfaffe, von mehr Gutmüthigkeit als Verstand, ließ sich den jungen Herrn äußerst angelegen seyn und unterwarf ihn der strengsten und unmittelbarsten Aufsicht; allein der feurige Geist in dem Jüngling Vertrug sich mit solcher Beschränkung seiner Freiheit nicht, und er wußte auf sehr humoristische Weise längere Zeit alle Anstrengungen seines Lehrers zu vereiteln, bis derselbe, zu Aufrechthaltung des kleinen Restes von Lehreransehen, genöthigt wurde, seiner sich gänzlich zu entschlagen und den Eltern ihn zurückzugeben.(3)

Wilhelm murde sofort zum Behufe seiner weitern Erziehung nach Burgund geschickt, wo er, sobald die Jahre nur zureichten, in Kriegsdienste trat, indem das Waffenhandwerk mehr, denn alles Übrige, ihm zusagte. Bald erwarb er sich durch ungewöhnliche Kühnheit, durch ein männliches Äußere bei geringen Jahren, und durch frühe Einsicht in alle Beziehungen des Kriegshandwerkes, großen Ruhm.

Damit verließ er den Saal. Die Rathsherren lachten seiner Einfalt und ließen für diesmal die Sache auf sich beruhen. Als jedoch Graf Wilhelm das Spiel von Neuem und zwar noch stärker und wilder trieb als zuvor, so sah sich der Magistrat veranlaßt, in Verbindung mit dem Rektorat der Hochschule, eine neue Untersuchung vorzunehmen.

Meister Nikolaus, abermals vorgeladen, wurde der Länge nach aller jener Dinge berichtet, welche den Gegenstand der Beschwerde des Tages bildeten. Man gab sich Mühe, ihn dahin zu vermögen, daß er doch nicht blindlings glauben, sondern mit eigenen Augen sich überzeugen möchte, ob der Graf denn auch wirklich in seinem Bette liege. Er verstand sich dazu, wiewohl mit Widerstreben. Als nun nach einigen Tagen Wilhelm vermeinte, alles sey wieder vergessen und beschwichtigt, schlich er zur Nachtzeit sich, wie gewöhnlich, aus dem Hause und zu seiner Gesellschaft. Diesmal aber kam der Pfaff zu seinem Verstande wieder, denn er ging wie sonst zu dem Bette des Grafen und riß, nachdem er die oben erwähnte Antwort auf seine gewöhnliche Frage erhalten, die Decke weg, besah den Jungen und überzeugte sich von dem Betrug. Der unglückliche Pylades wurde hart gezüchtigt, der junge Graf aber, als er von seinem nächtlichen Spaziergange in die Wohnung sich zurückschleichen wollte, von dem Tiefzürnenden gar nicht mehr eingelassen. - Also meldet mit gemüthlicher Laune die Zimmern’sche Chronik, welche der Schwank nicht wenig erfreut.

Denn obgleich kaum 14 Jahre alt, waren dennoch alle physischen und geistigen Fähigkeiten bereits in ihm wunderbar entwickelt, und sein Vater hatte die tröstliche Hoffnung, daß Wilhelm den alten Reichthum des Geschlechtes durch Heldensinn vermehren würde, während sein anderer Sohn, Friedrich, mehr zu ruhiger Verwaltung des ihm einst andvertrauten Landes und zu diplomatischer Wirksamkeit in Angelegenheiten von Kaiser und Reich - nach dem Beispiel vieler seiner Vordern - sich hinneigte. Wilhelm, durch seine Persönlichkeit vielen jungen Männern seiner Zeit überlegen, war in den Herzen der Frauen, wo er hinblickte, siegreich. Vor allen aber fesselte ihn die Gestalt der schönen Gräsin Bonna von Neufchatel und Blamont; er warb um sie und erhielt ihre Hand und mit derselben ein sehr beträchtliches Heirathsgut.(4) Kaiser Maximilian I. gab ihm die Erlaubniß, die Reichspfandschaft Ortenderg mit 24.000 rheinischen Gulden hiefür als Widerlage zu verschreiben.(5) (1506.)

Mehrere Jahre verlebte er mit dieser seiner Gemahlin zu Elincourt; als jedoch sehr frühe der Tod sie ihm entrissen, verließ er jene Gegenden, welche immerfort an den theuern Verlust ihn erinnerten, und er vertauschte seine Güter, meist um die Hälfte des Werths, an den reichen Wechsler Gabriel Salamanka(6) und zog nach Straßburg, wo er ein eigenes Haus in der sogenannten Judengasse besaß. Hier und in Ortenberg wohnte er abwechselnd und führte, seine Herrschaften in der Ortenau und im Kinzinger Thale von da aus verwaltend, "ein wunderbarlich seltsames Regiment".(7)

Im Jahre 1510 wurde der Graf zum Landvogt in der Ortenau ernannt, und erhielt, gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich, vom Kaiser die Bestätigung aller jener Rechte und Freiheiten, welche seine Vorfahren, zumal Graf Wolfgang sein Vater, vom Reiche genossen.

Darunter gehörte namentlich die Vergünstigung, weder selbst, noch durch das Organ seiner Diener, Amtsleute und Unterthanen, vor dem kaiserlichen Hofgericht zu Rottweil, oder irgend einem andern fremden Land- und westphälischen Gerichte auf geschehene Vorladungen erscheinen zu dürfen. Selbst Ächter und Aberächter sollten sie befugt seyn zu enthalten.(8) Es scheint, daß er gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich einige Zeit nachher in Spanien verweilt und Karl (V.) freundlich seiner sich angenommen habe.(9)

In Gesellschaft der Herren von Zimmern und anderer Verwandten des Hauses ist der Graf um diese Zeit oftmals bei fröhlichen, wie bei Trauerfesten mehrfach gesehen worden.

Auch die Mutter, Elsbeth, deren jovialer Geist auf ihn übergegangen zu seyn schien, während der denkendere Friedrich mehr nach des Vaters Ernst sich bildete, hat er Von Zeit zu Zeit besucht.(10)

Wilhelm widmete sich nunmehr um das Jahr 1512 dem Kriegsdienste des Kaisers, welcher schon früher ihn zum Rath und Hauptmann in der Ortenau bestellt hatte;(11) und erhielt noch in demselben Jahre den Befehl, mit 16 gerüsteten Pferden und einem Edeln sich zum Reichsheer zu stellen, um den Feldzug wider die Venetianer mitzumachen, welchen übermüthigen Republikanern Maximilian Untergang geschworen hatte. Es scheint, daß der Graf während desselben, wenn auch nicht eben glänzende Thaten vollführt, doch aber des Kaisers besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den Ruhm vielen persönlithen Muthes sich erworben habe.

Über sein ferneres Thun und Treiben vom Ende dieses Krieges bis 1514 fehlen beinahe alle Nachrichten. Es ist aber wahrscheinlich, daß sein Leben während dieser Zwischenzeit einen rein bürgerlichen Charakter trug; daß er bei süßem Liebesspiel(12) und im Umgange mit ritterlichen Freunden die träge Flucht der Stunden beflügelte. Blos eine kleine Fehde mit Michael Bozheim, entstanden aus unbekannter Veranlassung und ohne besonderes geschichtliches Interesse, beschäftigte ihn eine Weile auf ernstere Art. Ein Vergleich schlichtete endlich den Handel. Bis Austrag der Sache verpflichteten sich beide Theile, ferner wider einander nichts vorzunehmen.

Die Entscheidung selbst wurde zwei Bevollmächtigten des Kaisers, Christian Schenk von Limburg und Hans von Landau, Schatzmeister, übertragen.(13)

Der Graf, so leichtsinnig er bisweilen die Einkünfte der bereits besessenen Herrschaften veschleuderte, war gleichwohl wieder auf das Gesammtinteresse des Hauses und auf Erwerb neuer Besitzthümer sorglich bedacht. So brachte er das Dorf Unadingen, nebst Zehnten, Frohnen, Gefällen und Kirchensatz, von Barbara Von Almenshofen und deren drei Söhnen, Philipp, Oswald und Ludwig, käuflich an sich; ferner das Dorf Mauchen und das Schloß Grünburg, sammt dem dazu gehörigen Weiher; und zwar alles dies für die Summe von 3.572 Gulden.(14)

Solches geschah im Jahre 1513. In eben demselben ward ihm auf kaiserlichen Befehl die Raigerhut übertragen und zu Bestrafung der Frevler uneingeschränkte Vollmacht ertheilt.(15)

Wichtiger, als die oben erwähnte Fehde mit Bozheim, war die Irrung zwischen Graf Wilhelm und Jörg Staufer von Blassenstaufen, welche im Jahre 1514 sich entsponnen. Die schändliche Untreue eines Vasallen und Dieners, auf welchen Wilhelm das größte Vertrauen gesetzt, veranlaßte sie. Der Graf hatte Jörg Staufern, herzoglich würtemberg'schen Vogt in Kirchheim, auf dessen dringendes Ansuchen, in seine Dienste aufgenommen und zum Amtmann oder Schloßvogt der wichtigen Veste Wartenberg ernannt. Allein das gute Verhältniß währte nicht lange.

Der Staufer - wir wissen nicht aus welchem Grunde - vielleicht auf Antrieb Herzog Ulrichs, seines ehemaligen Herrn, der nach der Hohen-Krähen Gelüsten trug, lieferte, als der schwäbische Bund, von welchem Graf Wilhelm selbst ein Mitglied war, jenes berüchtigte Raubschloß belagerte,(16) ohne Wissen und Willen seines Herrn, alles Geschütz und Pulver, so auf dem Wartenberg gestanden, dem von Friedingen und den übrigen Belagerten geradezu in die Hände; ja, um das Maaß des Frevels zu füllen und, da er den Bruch mit dem Grafen für unvermeidlich sah, mit so reicher Beute als möglich, zu scheiden, plünderte er die ihm anvertraute Burg selber rein aus und flüchtete sich sofort. Diese That entflammte das Gemüth des Grafen eben so sehr zur Rache, als sie ihm persönlich großen Nachtheil drohete. Es betrachtete der schwäbische Bund eine Zeitlang das Geschehene als Wilhelms eigenes Werk, und Kaiser Max verwies ihm die Sache auf das Bitterste. Wenig fehlte es, und Fürstenberg wäre zu aller erlittenen Einbuße noch geächtet worden; endlich gelang es ihm, Kaiser, Stände und Bund von dem wahren Zusammenhang der Sache zu überzeugen. Er sann nun auf Züchtigung des Verräthers; aber derselbe rüstete sich zu Fuß und zu Roß eifrig zum Widerstande. Von beiden Seiten wurden kleine Sträuße bestanden und Gefangene eingebracht. Weiteres geschah jedoch nichts.

Endlich legte sich Herzog Ulrich von Würtemberg in die Sache und trachtete, durch Wilhelms Verwandten, den Grafen Christoph von Werdenberg, dieselbe zu mitteln. Lienhard von Reischach und Dieterich Späth wurden an denselben abgesendet. Sie ritten mit ihm nach Geisingen, um die nöthige Verhandlung über den Vergleich zu pflegen. Mittlerweile hatten die Fürstenberg’schen den Wartenberg wiederum besetzt und Verschiedene Anhänger Staufers gefänglich abgeführt.

Die Abgeordneten des Herzogs entwarfen eine Richtung und übersandten sie beiden Theilen. Jörg Staufer nahm sie an; des Grafen Meinung wurde erst abgewartet. Von beiden Seiten sollten die Gefangenen nach Sigmaringen abgeliefert und daselbst gegeneinander ausgewechselt werden.

Der Graf von Werdenberg hatte im Namen seines Schwagers diesen Artikel ohne Weigerung zugegeben; allein die Amtsleute des Letztern, in Folge erhaltener geheimer Befehle, weigerten sich, die auf dem Fürstenberg Verhafteten ihrerseits loszulassen. Darüber führte Christoph bittere Beschwerde, da seine Ehre mit in dem Spiel war, und bearbeitete demnach seinen hartnäckigen Sippen zu gütlichem Vergleich, welcher schon bei einer Zusammenkunft zu Müllheim, in Beiseyn der Edlen Wolf von Homburg und Jörg von Roggenbach, entworfen worden war.(17)

Ehe wir nunmehr zu den bedeutenden Lebensmomenten Grafen Wilhelms, zumal zu seinen Kriegsthaten in französischen und kaiserlichen Diensten, übergehen und zu dem, was er außer diesen beiden Verhältnissen im teutschen Reiche sonst wohl Denkwürdiges vollbracht, wird es nicht unzweckmäßig seyn, gleich hier im Zusammenhange eine Übersicht der häuslichen Verhältnisse und all dessen zu geben, was jener in Bezug auf die Herrschaftsrechte an den Fürstenberg’schen Besitzungen während seines Lebens unternommen und vollführt hat.

Seit dem Tode Wolfgangs, ihres Vaters, hatten beide Brüder die Landgrafschaft Baar gemeinschaftlich regiert. Die Herrschaften im Kinzingerthal waren ihrer Mutter, Elisabeth von Solms, für Lebensdauer als Witthum, übertragen. Nunmehr aber, am 10. Mai 1515, überließ Friedrich seinem Bruder alle ihnen Beiden gemeinschaftlich zugefallene Besitzungen.(18)

Es schien jedoch diese allzu starke Großmuth bald ihn gereut zu haben, denn schon nach 2 Jahren tritt er wiederum neben Wilhelm als Mitregent in Urkunden auf. Vielleicht sah er die Nothwendigkeit ein, bei dem Hange Wilhelms zu unsteter Lebensweise, wenigstens für einen Theil der alten Stammherrschaft nach Kräften Sorge zu tragen.

An U. L. F. Himmelfahrt erschienen beide Brüder vor dem Landgerichte zu Fürstenberg, welchem Alexander Rösch, Ritter Konrad von Schellenberg, Junker Jakob von Schaumburg, Georg von Roggenbach, Junker Georg Stähnlin von Stockburg, Hans von Brunickhofen, Friedrich Münch von Rosenberg und Kaspar Neesen von Neidingen beisaßen.

Vor diesen wurde ein neuer Vertrag geschlossen, laut welchem Graf Wilhelm seinem Bruder Friedrich die Regierung über das gesammte Erbland zurückgab und sich blos ein Einkommen von 3.000 Gulden rheinisch vorbehielt.(19)

Auch dieser Vergleich dauerte nicht über sieben Jahre. Schon vor unvordenklicher Zeit besaßen die Fürstenberger das im Amte Haslach gelegene Schloß Heidburg sammt dem gehörigen Maiergut und überließen solches 1351 pfandschaftlich, jedoch mit Vorbehalt der Wiederlösung um 350 Mark Silber, an Frau Elisabetha Sozin zu Freiburg. In der Folge kam das Schloß an die Tübinger, die Klingenberge und Falkensteiner. Fürstenberg sann schon 1368 auf Wege, dies Besitzthum wieder einzulösen, und führte auch am Pfandschilling bereits einen Theil. (125 Mark Silber.)

Man suchte später auch die weitern Rückstande einzulösen; allein die zwischen den Inhabern der Pfandschaft, sowohl hinsichtlich der Lösesumme, als der Gerichtsbarkeit und Jagd-Gerechtsame zu Heidburg, erwachsenen Irrungen erschwerten diesen Akt viele Jahre hindurch, bis endlich Graf Wilhelm ins Mittel trat und 1519, gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich, Schloß und Veste, nebst Zugehörden, von Sigmund von Falkenstein um 3.322 Gulden durch Kauf an sich brachte.(20)

Wir finden den Grafen zunächst nun bei dem feierlichen Einzuge Wilhelms von Honstein, Bischofs zu Straßburg, in diese Stadt, im Oktober 1507; die Hanau und die Bitsch wohnten gleichfalls bei.

Es trug Wilhelm die Wappen der Familie des Prälaten, zur Linken desselben, vor; neben ihm trug Graf Reinhard von Zweibrücken das Fähnlein der Landgrafschaft Unter-Elsaß.(21) Als das Jahr darauf der Abt Von Gengenbach, Philipp von Eselberg Schritte machte, um von Rom die Erlaubniß zu erwirken, daß das Kloster in ein weltliches Stiffverwandelt werden dürfe, schirmte Wilhelm als Kastvogt die alten Rechte desselben und nahm den neuernden Vorsteher gefangen.(22) Gemeinschaftlich mit Herzog Ulrich von Würtemberg, besuchte er 1510 den Reichstag zu Augsburg. Wer die Grafen Heinrich, Felix und Wolfgang zu Fürstenberg gewesen sind, welche Crusius dem Wormser Reichstage Vom Jahre 1521 beiwohnen läßt, ist schwer zu begreifen, da die zwei erstern dieses Namens gar nicht existirten und der dritte längst gestorben war.(23) Man ersieht also hieraus, wie wenig sich oft auf die Glaubwürdigkeit jenes zu verlassen sey.

Im Jahre 1520 belehnte der Graf Johann von Hornberg mit einem Lehen zu Schnelliugen.(24) Zwei Jahre später endigte der mit Friedrich geschlossene Erbvergleich. Wilhelm fand in den vorbehaltenen 3.000 fl. sein Auskommen nicht, daher eine neue Theilung, Dienstag nach St. Mathias 1522, vorgenommen werden mußte. In derselben erhielt er das Amt Neustadt und Neu-Fürstenberg nebst Zugehörde, sodann die Dörfer Kirchdorf, Thana, Wolterdingen, Beucken, Eschingen, Asen und Heidenhofen; überdies den Zoll zu Villingen, Emmingen und Sundhausen; den Hof Herzogenweiler, das Vieh auf dem Spitalhofe, viele Geld- und Fruchtgefälle und endlich eine gewisse Strecke Wildbannes.

Dagegen behielten beide Brüder sich gemeinschaftlich vor: a. die Klöster in der Grafschaft Fürstenberg; b. Stadt und Schloß Fürstenberg sammt dem Landgerichte und den Bergwerken, den Weiher bei Donaueschingen und die Reichspfandschaft Ortenau.

Doch ward auch hierüber die alleinige Regierung Wilhelmen, als dem ältern Bruder, überlassen.(25) Es ist diese spätere Theilung ganz besonders aus der Ursache merkwürdig, weil durch sie die zwischen Heinrich und Wolfgang im Jahre 1491 vorgenommene erneuert und das Familien-Fidei-Kommiß bestätigt worden.(26)

Übrigens hatte es auch bei dieser neuesten Theilung nicht für immer sein Verbleiben; vielmehr überließ Wilhelm an Friedrich, Mittwoch Vor Mariä Auffahrt 1525, alle die zuletzt ihm zugefallenen Herrschaften und behielt sich blos die Pfandschaft Ortenau vor.(27) Als Herr von Ponte-Boyle verpfändete er int Jahre 1539 an Hamaut de Braseby und Philibert Rhalinda jene Herrschaften mit den meisten Rechten und Gefällen auf die Dauer von 12 Jahren gegen eine Summe von 4.000 Sonnenkronen in Gold.

Einige Gerechtsame nur behielt er während dieser Zeit sich vor.(28) Ebenso fand die Verpfändung der Herrschaft Liel an die Stadt Basel im Jahre 1521 statt;(29) ferner der Tausch mehrerer Leibeigenen in Obereschach an andere des Herrn Wolfgang zu Maasmünster, Komthurs zu Villingen, (1524) durch Jost Münch Von Rosenberg, seinen Obervogt, in der Baar vorgenommen.(30)

Als im Jahre 1540 seine Mutter Elisabeth starb, fielen auch die Besitzungen im Kinzinger Thale den beiden Brüdern heim. Sie schlossen darüber einen Vergleich; Wilhelm empfieng die Herrschaft Hausen, die Stadt, mit allen Flecken, Thälern und Zubehörden, ebenso alles Silbergeschirr und allen Hausrath.(31)

Noch erwähnen wir der Belehnung der Jakob Stelze, Michael Schiner und Michael Weber zu Schwendi, mit dem Hof- und Fischwasser daselbst, vom Jahre 1541;(32) ebenso der des Peter Ehrmann zu Peyersbrunn mit den Harzwäldern von Rippoltsau;(33) ferner der für Graf Gangolf von Hohen-Geroldsegg, gemeinschaftlich mit Rudolf von Sulz an Markgraf Philipp zu Baden, für eine Schuld des Erstern, geleisteten Bürgschaft.(34) Sie setzte Wilhelmen in große Verlegenheit, da Gangolf mit Entrichtung seiner Verbindlichkeit über Gebühr zögerte und der Markgraf dringend nun die Bürgen und Selbstzahler dafür anging, trotz des Umstandes, daß die Grafen Wilhelm und Rudolf seine Ohme waren.(35)

Es wird hier wohl am geeignetsten Orte seyn, auch den Vertrag anzuziehen, welcher im Jahre 1540 zwischen Wilhelm von Fürstenberg und Ludwig Weltheim zu Balburg, durch die Bemühungen Bernhards von Eberstein, Kämmerers des Stiftes zu Straßburg, der Grafen Jakob zu Zweibrücken und Bitsch und der Herren Jakob Sturm, Hans Knoblaucher, Wolf von Jogenheim und Wolf Zorn, zu Blozheim geschlossen worden ist, nachdem wegen wechselseitig gegen einander vorgenommenen Pfändung heftige Irrungen Statt gefunden hatten.(36)

Endlich bemerken wir das Vermächtniß des Schenkenzells an Hans von Heideck, welches Friedrich von Fürstenberg jedoch in der Folge zu vollziehen sich weigerte.(37)

Wir haben diese Herrschafts- und Lehenverhältnisse, so wie die übrigen finanziellen Punkte aus verschiedenen Jahren der Regierung Wilhelms von Fürstenberg gleich zusammengestellt, theils um die Ubersicht davon zu erleichtern, theils um den Lauf der reingeschichtlichen Begebenheiten nicht durch Dinge von untergeordnetem statistischem Interesse zu unterbrechen, und wir wenden nunmehr unsere Aufmerksamkeit ungetheilt wieder unserm Helden zu, in seinem kriegerischen und politischen Leben und Treiben.

Siebentes Kapitel

Die Reformation im Kinzinger Thal und ihr Ausgang. — Wilhelms Theilnahme am Schmalkaldischen Bunde. - Große Gefahr des Hauses Fürstenberg wegen des Grafen Wilhelm - S. 112 ff.

Wilhelm hatte zwar, wie obbemerkt, gleich im Beginn der großen Religionswirren für die Sache der Reformation besondere Neigung gefaßt und seine Abneigung gegen Pabst und Priesterthum bei mehrern Anlässen kund gegeben; eben so waren seine Verbindungen mit Sturm und Hedion kein Geheimniß geblieben; doch scheint er der Glaubensumwälzung erst später freien Lauf in dem Gebiete seiner Herrschaft gelassen zu haben. Über die nähern Umstände fehlen uns die Nachrichten; doch wissen wir bestimmt, daß er im Jahre 1537 förmlich zur augsburgischen Konfession sich bekannt hat; erst mit dem Jahre 1541 zeigt sich urkundliche Spur.(38)

Das Kinzingerthal huldigte bereits völlig der lutherischen Lehre; doch fanden auch die damals von beiden Parteien gleich sehr gehaßten Wiedertäufer in einzelnen Gegenden großen Anhang. Als unter den Neugläubigen selbst über die Ausbildung des Lehrbegriffes und die Organisation der Kirche vielfache Mißverständnisse und Irrungen Statt fanden, versammelten sich die Pfarrer der gesammten Herrschaft zu einem Kapitel in Haslach.

Den Bedürfnissen, wie den Gebrechen aller einzelnen Kirchen, im Kinzinger Thale wie in der Ortenau, sollten sie nachspüren, - also hatte der Graf ihnen selbst befohlen. Unter die Maßregeln, welche hier für nöthig gehalten wurden, gehörten besonders nachstehende:

1. von Zeit zu Zeit solle eine Untersuchung sämmtlicher Kirchen durch Dr. Sturm, oder einen andern Bevollmächtigten des Grafen vorgenommen und die eingeschlichenen Unordnungen verangezeigt werden;(39)

2. den Entwurf einer christlichen Ordnung, von der Hand des Grafen selbst, hielt man für eben so nützlich, als nothwendig; die Versammlung erklärte sich jedoch zu Abfassung desselben unfähig;

3. mehrere Pfarrkirchen, welche ihrer Diener entblöst, und durch die das Volk trostlos und verwildert geworden, sollen zu Ehren gezogen und neuerdings mit Seelsorgern versehen werden;

4. viele Prädikanten leiden Mangel an persönlichem Unterhalt und Besoldung; dies ist gleich unwürdig, als ungerecht, wenn man von ihnen redliche und anständige Dienste fodert;

5. der Graf soll auf die abermalige Erscheinung der Wiedertäufer aufmerksam gemacht und zu Bekämpfung ihres Unwesens bestimmt werden;(40) da manche Kirchen der Prediger noch entbehren, so wird es dem Betruge leicht, Mißbrauch mit dem Sakramente und mit den über allerlei Punkte noch nicht hinlänglich aufgeklärten Unterthanen zu treiben; darum ist es

6. nothwendig, daß der Graf die Kirchengewalt übernehme und die Kirchenzucht handhabe. Dies ist um so nöthiger, als es selbst an Leuten nicht gefehlt hat, welche, von eigenthümlichem Frevel angetrieben, dessen Grund sie umsonst im heil. Evangelium gesucht, Ehebündnisse mit Personen allzu naher Verwandtschaft, oft wider den Willen der Eltern, eingegangen.

Um Gottes Zorn von dem Ganzen abzuwenden, möge der Graf dafür sorgen, daß die Unbußfertigen, Verstockten, Hinlässigen und Liederlichen zu den heil. Sakramenten nicht ohne vorhergegangene Ermahnung und Erfahrung zugelassen werden möchten. Der Fall, daß Leute dieses Schlages mit wahren Christgläubigen sich einschwärzten, ereigne sich nicht selten. Das Kapitel erklärte, daß es, nach dem Beispiel anderer christlicher Obrigkeiten, nichts Sehnlicheres, als Ordnung und Einhelligkeit im Kirchenhaushalt wünsche, zum Preis der Gottheit und zur Erhebung der Gläubigen. Doch thue die größte Beförderung Noth. Diese Beschlüsse und Vorschläge wurden Graf Wilhelm alsbald übersandt.(41)

Derselbe ließ sich's sehr angelegen seyn, sie ins Werk zu führen. Er veranstaltete Kirchenuntersuchungen, regelte die Besoldung der Pfarrer, Helfer und Schullehrer, welche aus besondern Gefällen bestritten wurden. Der Amtleute, Schultheißen und Räthe kräftige Mitwirkung beförderte seine Absicht. Die Reformation machte immer größere Fortschritte und Wilhelm unterließ nichts, ein Werk aufrecht zu halten, welches er recht eigentlich als das seine betrachtete.(42)

Sein System machte in ganz Schwaben großen Eindruck, brachte aber im Innern seiner Familie und der verwandten Häuser mannigfache Entzweiung hervor, wie wir gleich darauf hören werden.

Während dieser Zeit knüpfte er mit Fürsten, Rittern und Städten seiner Bekanntschaft, welche zum Schmalkaldischen Bunde gehörten, die alten Unterhandlungen wieder an, überzeugt, daß ein Feldherr, wie der Graf, ihnen nicht anders, als sehr erwünscht seyn werde.

Bei der Versammlung der Mitglieder derselben, welche im Jahre 1545 noch zu Frankfurt gehalten worden ist, erschien sein Abgeordneter mit besondern Vollmachten;(43) derselbe dankte zuerst, im Namen seines Herrn, für die Verwendng des Bundes bei dem Könige von Frankreich, zu Gunsten seiner Befreiung; darauf entwickelte er der Versammlung, daß Graf Wilhelm bereits vor etlichen Jahren den Unterthanen und Zugewandten des Herrn Evangelium öffentlich habe predigen, die Mißbräuche in der Kirche zu christlicher Besserung richten und, der augsburgischen Konfession gemäß, reformiren lassen. Derweil er dann mit Ihren Fürstlichen Gnaden und Freundschaften in der Religion aller Dinge einig, so wäre er mit sonderm Willen geneigt, dem christlichen Vereine und Bündniß derselben verwandt und zugethan zu seyn, damit die Ehre des Allmächtigen desto mehr gefördert und die Verkündung seines seligmachenden Wortes desto stattlicher gehandhabt und in seinen Herrschaften erhalten werde. Da er jedoch im verwichenen Jahre durch unvorhergesehenen Zufall in die Hände und Bande der Feinde kaiserlicher Majestät und des Reiches gekommen, und zum Behufe seiner Ledigung sich und seine Unterthanen an Geld gänzlich entblößen müssen, so könnten die Stände des Bundes leichtlich ermessen, daß weder er, noch seine Unterthanen, in gegenwärtigem Augenblick mit Geld besonders ersprießlich und hülfreich seyn könnten.

Damit jedoch die von der Verständnis nicht dächten, er wünsche den Ständen bloß beschwerlich und nicht auch dienstlich seyn, so erbietet er sich, auf den Fall, daß es - was der allmächtige Gott verhüten wolle - über den streitigen Religions-Angelegenheiten zu Fehden und Kriegshandlungen kommen sollte, oder auch sonst in allen Dingen, wo man seiner Mitwirkung gebrauchen könnte, mit ganzer Seele zu dienen, ja selbst in eigener Person an der Spitze seiner Unterthanen auszuziehen, und Leib und Leben an die Sache des Bundes zu setzen. Als Vergütung hiefür begehrt er blos, um seine Unterthanen nicht frisch wieder plagen zu müssen, die gewöhnliche Besoldung, trotz des Umstandes, daß die Stände selbst ihm früher eine noch größere Summe angeboten. Er verhofft, da er, ohne Ruhm zu melden, in Kriegshandlungen Reputation und Erfahrung sich erworben, der christlichen Verständniß mehr mit seinem Leib und Blut, denn mit seinem Gut nützlich zu werden, und bittet somit um förmliche Aufnahme in den Bund, für sich und seine Herrschaften, so wie eine bestimmte Anstellung als Feldobrister desselben.(44)

Wir finden nicht, in wiefern Wilhelms Anerbieten gewürdigt und in welche Verhältnisse derselbe mit dem Schmalkaldischen Bunde getreten ist. Nirgends erscheint er unter den Anführern der Protestanten in dem so unglücklichen, als schmachvollen Kampfe, welcher durch die Verschmähung des besonnenen Rathes Sebastian Schertlins eine so schlechte Wendung, allen Erwartungen entgegen, genommen hat.

Höchst wahrscheinlich traten die alten Irrungen mit dem Landgraf von Hessen, welche schon im April des Jahres 1539 auf der Versammlung zu Arnstadt die Unterhandlungen Wilhelms mit dem Bunde gestört, hindernd zwischen die gewünschte Annäherung, für die der Herzog Ulrich rastlos gearbeitet hatte. Diesmal war es vielleicht der Zwist mit dessen Sohne Christoph, der ebenfalls kein inniges Verhältniß zu Stande kommenließ, oder wenigstens so viel bewirkte, daß dem Grafen kein Befehlsstab ersten Rangs über die evangelischen Heerhaufen angeboten wurde. Schon in Italien kamen, aller Wahrscheinlichkeit nach, Prinz Christoph, damals mit seinem Vater entzweit, und Graf Wilhelm in allerlei unsanfte Berührungen mit einander, zumal da Letzterer, im Interesse seines Freundes, des Herzogs, den flüchtigen Sohn vielleicht hie und da an höhere Pflichten gemahnt haben mochte; später setzten sich auch in Frankreich und Teutschland die Verdrießlichkeiten fort. Jeder bezüchtigte den Andern, daß er ihm seine besten Leute verführe. Der Diener des Grafen mißbrauchte häufig den Namen des Prinzen, und gebehrdete sich als Geschäftsträger desselben. Hieraus entstanden mannigfache Mißverständnisse und Verlegenheiten. Christoph erhob bei dem Herzog von Lothringen bittere Klage über Wilhelms Benehmen; dessen Diener aber, über eine neuerliche Handlung vorgefordert, erklärte, der Prinz habe ihm mit dem Strange gedroht. Solches erregte den heftigsten Zorn des Grafen, so zwar, daß er Von Paris aus an Christoph schrieb: "Es würde am ehrlichsten seyn, wenn der Prinz an den Hof käme und den König um Erlaubniß zu einem Zweikampf bäte." Christoph antwortete stolz und höhnisch, erklärte aber, dem Wunsche des Grafen recht gern willfahren zu wollen. Der Zweikampf wurde durch die Bemühungen gemeinschaftlicher Freunde vereitelt; doch währete die Feindschaft fort, bis zum Tode Wilhelms.(45)

Die Ursache der Irrungen mit Philipp Von Hessen haben wir schon oben angeführt. Das alte Mißverständniß hatte noch im Jahr 1545 sich nicht gelöset, zu großem Leidwesen der einsichtsvollern Fürsten des Bundes, welche gern den Grafen als obersten Feldhauptmann ihrer Truppen gesehen hätten. Vermuthlich trat hier der Landgraf entgegen, und es wurde dafür Sebastian Schertlin gewählt. Wilhelm wußte des Kaisers Macht, wie die Kräfte des Bundes wohl zu würdigen, und, mit dem Geize einiger Fürsten vertraut, sagte er deßhalb den Schmalkaldischen bei einer Gelegenheit frei und offen: "Lieben Herren und Freunde: Ich laß mir Euere Kriegsrüstung und Anschläg’ wohl gefallen; aber Kaiser Karle, Euer (Wider) Parthei ist ein Kriegsfürst nit uf einen Sommer, sonder im Fall der Nott uf etliche Jar, mit dem Ihr zu schaffen werdet gewinnen!" - "Nicht mehr mochten sie damals," sagte die Zimmern’sche Chronik, "aus ihm bringen, als wollt er sagen: es ist Bubenwerk mit Euch; Ihr werdet keinen Stand thun, und letztlich mit Schaden und Schanden müssen abziehen."(46) ·

Es unterstützte also Wilhelm die Sache der Protestanten nur(47) von fern, oder in untergeordneten Verhältnissen, jedoch immerhin thätig genug, um des Kaisers Unwillen in hohem Grade zu erregen.(48)

Dieser Unwille verwandelte sich nach und nach in förmliche Ungnade, welche nicht nur Leid und Gut Graf Wilhelms, sondern selbst den schuldlosen Bruder Friedrich zu erfassen drohte. Warnungen von besorgten Freunden bereiteten auf ernste Dinge vor, und es galt somit, um jeden Preis das aufgeregte Gemüth des Kaisers zu versöhnen, welcher durch den glücklichen Ausgang des Schmalkaldischen Bundes ohnehin siegestrunkener, hochfahrender und strenger, als je, geworden war und keine Schranke, weder seiner Macht noch der Mäßigung, mehr kannte. Friedrich, mit den politischen Verhältnissen und des Kaisers Denkungsweise, so wie mit dem reizbaren Wesen seines Bruders genau bekannt, fürchtete alles und sendete daher den biedern Jost Münch an Wilhelm ab, um ihn zur Besonnsenheit und Vorsicht zu bestimmen. Derselbe vollzog auch seinen Auftrag auf das Genaueste, zeigte dem Grafen klar den Stand der Dinge, und fand ihn und seine Gesinnung des Namens und Stammes der Fürstenberger würdig. Wilhelm erklärte: wenn sein Bruder Friedrich, wie es ihn sein festes Vertrauen und der Inhalt des übermachten Briefes hoffen lasse, ihm getreu bleibe, so sollten sowohl er, als dessen Kinder deß genießen. Er ersuchte demnach jenen, sein Fürsprecher heim Kaiser werden zu wollen und die Ungnade von ihm zu wenden, auf daß er nebst Land und Leuten in Frieden gelassen werde.

Daß er den Kaiser während des Schmalkaldischen Feldzuges wohl sehr beleidigt, kann er nicht in Abrede stellen, doch war er bereits entschlossen, um sicheres Geleit zu werben und noch während des Krieges bei Sr. Majestät sich zu stellen; als eine Krankheit ihn überfiel und an seinem Vorhaben ihn hinderte. Der Graf berief sich auf seine frühern Dienste, auf seine Schicksale in Frankreich, auf den großen Schaden, welcher ihm hieraus erwachsen und auf keinerlei Weise vergütet worden sey. Zur Aussöhnung mit dem Kaiser erklärte er sich willig, nur wünschte er, daß sein Bruder sicheres Geleit ihm erwirke, um die erforderlichen Schritte ohne Gefahr thun zu können. Sogar seine Herrschaften und Schlösser war er bereit, Graf Friedrich abzutreten, unter der Bedingung, "daß bis zum allgemeinen Religionsfrieden, an welchem der Kaiser dermal arbeite, die Einwohner in Ausübung ihrer Religion nicht gestört würden; ferner daß er den Ertrag seiner Güter lebenslänglich fortbeziehe, und die Amtleute ihn, wie bisher, Ihro Gnaden nennen und regieren lassen wollten."

Jost Münch betrieb die Gewährung dieser Punkte eifrigst, besorgte die Angelegenheiten im Kinzinger Thale selbst und zeigte sich mit Rath und That für Aufrechthaltung der Ehre des Hauses Fürstenberg bemüht.(49)

Mittlerweile wurde die Vermittlung des Bischofs Erasmus, so wie der Gemeinde zu Straßburg nachgesucht, und beide zeigten sich willig zu dem kitzlichen Geschäfte. Der Amtmann zu Ortenberg war zwischen ihnen und den gräflichen Brüdern der Vertraute Unterhändler.(50)

Die Sache Verzog sich bis in den Sommer und täglich mehrte sich für Fürstenberg die Gefahr. Der Kaiser hatte über das wälsche Gesinde Wilhelms großes Mißtrauen geäußert; nicht weniger über das Schicksal der Ortenau, gegen welche man fortwährend eine französische Intrigue thätig glaubte. Einige unvorsichtige Reden des Grafen über den Kaiser und das Interim hatten dem Verdachte neue Nahrung gegeben. Friedrich klagte vertrautern Freunden bitterlich, wie sehr überall der Argwohn lauere, alles der Mißdeutung fähig und die Ungnade höhern Orts heut zu Tage so leicht sey. Dieser Umstand wehre ihm dermal alle Wege, so gern er auch das Beste in der Sache thun möchte. Ja er bangte sogar für das Schicksal des Hauses Fürstenberg. Sehr wichtig war ihm vor allem der Wiederbesitz des Lehenbriefes über das Kinzinger Thal. Er hatte ihn einst zu Worms seinem Bruder für einen gemeinschaftlichen Zweck anvertraut, und nun wußte er nicht mehr, ob Wilhelm, ob der Pfalzgraf, damals kaiserlicher Kommissair, ihn zuletzt behalten. In den gegenwärtigen Umständen hieng äußerst viel von dieser Urkunde ab. "Es hat" - schrieb er an Jost Münch - "Fürstenberg ein Bad übergethan; Gott wolle, daß es nicht für sich gehe, denn ich werde vielfältig gewarnt. Hiemit steht's im alten Recht."(51) Friedrich begnügte sich nicht damit, durch Sippen und Freunde seinen Bruder zur äußersten Vorsicht und schleunigen Unterwerfung unter die Gewalt der Umstände zu stimmen, sondern er beschwor ihn selbst hiezu in so freund-brüderlichen, als nachdrücklich-ernsten Schreiben.

Besonders handelte es sich um die Sicherheit von Ortenberg, für welche Wilhelm noch immer nicht hinreichende Bürgschaft geleistet hatte. Eines dieser Schreiben, durch Inhalt und Ton charakteristisch und anziehend, so wie zugleich treues Gemälde der Lage der Dinge in dieser Zeit und der Gesinnungen Friedrichs, in Hinsicht auf das allgemeine Familieninteresse von großer Wichtigkeit, lautete also:

"Wohlgeborner, freundlicher, lieber Bruder!

Euch seyen meine willigen Dienste zuvor! Auf die gestrige Werbung, so Jost Münch, laut meines gegebenen Unterrichts, von wegen Bewahrung des Hauses Ortenberg, an Euch gethan, hab' ich zur Wiederantwort von ihm verstanden, daß Ihr kaiserlicher Majestät Schreiben erwarten wollt. Nun hab' ich Euch aber hievor schon zu verstehen gegeben, was Gefahr und Verderben für Stamm und Namen Fürstenberg darauf steht, und daß sich aus beider Regenten(52) Schreiben keines andern zu versehen ist, denn daß sie ihre Befehle durchsetzen und länger nicht verziehen werden. Derohalben dringt mich hohe, unvermeidliche Nothdurft, entweder das Haus in Verwahrung zu nehmen, oder Eurer und Eurer Sache miteinander mich zu entschlagen, der k. k. Majestät solches anzuzeigen und für meine Person mich zu entschuldigen. Denn sollte der Kaiser in Erfahrung bringen, daß Ihr das Haus noch inne habt, so würden Rechtserbieten nichts erschießen, sondern jener würde geradezu Eure Verwirkung zur Hand nehmen, und nicht allein die Pfandschaft, sondern auch das Kinzinger Thal einziehen. Dazu würde mir auch der Handel selbst, nämlich daß ich die Sache bisher vertreten, und kaiserliche Majestät Auftrag anders nicht, als ich that, vollzogen habe, nicht allein die höchste Ungnade und den

Verlust von Land und Leuten zuziehen, sondern auch meiner Ehre den größten Nachtheil und meinem Leibe Gefahr bringen; Ihr selbst aber dürftet ebenfalls für Leib und Gut wenig zu befürchten haben. Um nun diesem und anderm vorzusehen, geht meine brüderliche Ermahnung und freundliche Bitte nochmals dahin, Ihr wollet zugeben, daß auch ich eine Besatzung in das Haus lege. Diese soll gemeinschaftlich uns verpflichtet seyn, und Euch selbst gegen jedes Leid schützen. Vertrauet mir und glaubt sicherlich, daß ich diese Sache nicht darum begehre, um Euch einen Heller oder Pfennig zu entziehen, sondern blos damit Gut, Stamm und Namen vertheidigt werden.

Ihr wißt, und es hat sich im Werke befunden, daß ich Euch nie etwas veruntreut; Ihr sollt auch ferner mich nie anders, denn als einen getreuen Bruder erfinden. Darum bitt ich Euch nochmals so zum Höchsten, ganz brüderlich und freundlich, dieweil Stamm und Name Fürstenberg in größerer Gefahr nun steht, als sie je bei Menschen Gedächtniß gestanden, Ihr wollet die Sache Euch zu Herzen führen, Eures und meines Geschlechts Schutz, Ehre Und Wohlfahrt bedenken, und dem an Euch deshalb gesandten Diener mit willfährig-brüderlicher Antwort begegnen. In diesem Falle bin ich, Leib, Gut und Blut für Euch hinzugeben, von Herzen begierig. Gedenkt auch bei Euch selbst, daß ich, so ein ungnädiges Schreiben vom Kaiser zukommen sollte, nicht mehr den Beistand leisten kann, wie jetzt, indem ich zu Bewahrung meiner Häuser und zu Vertheidigung Leibs und Guts mehr als genug für mich selbst zu schaffen haben würde."(53)

Zu diesen dringenden Vorstellungen hatten den Grafen besonders zwei Mandate des Kaisers bewogen, welche derselbe, bereits unterm 4. Julius dieses Jahres, theils an Friedrich selbst, theils an die Stände des Reiches, erlassen hatte.

Das Betragen Wilhelms, zumal seine Theilnahme an dem Schmalkaldischen Feldzug, wurde darin streng gerügt, und demselben förmlich mit der Reichsacht gedroht. Friedrich hatte den gemessensten Befehl, der Person seines Bruders sich zu versichern, und ohne besondere Erlaubniß des Kaisers ihn nicht aus seiner Aufsicht zu lassen.(54)

Daher kämpfte nun das Gefühl der Bruderliebe und der Freundschaft einen harten Kampf mit höherer Pflicht und dem Gesetze der Selbsterhaltung für sich und die Familie im Allgemeinen; daher auch der oben mitgetheilte Vorschlag wegen der Besatzung in Ortenberg, wodurch Friedrich Gehorsam gegen den Kaiser mit dem eigenen, Gefühle zu vereinigen suchte.

Die Angelegenheiten Wilhelms, ja der Gesammtfamilie, hatten sich noch verschlimmert durch die Hartnäckigkeit, womit Ersterer an den vorgenommenen Reformen im Kinzingerthal und Ortenau hing, und womit die protestantischen Prediger der Annahme des Interims sich weigerten. Graf Friedrich, welcher aus Überzeugung und Klugheit die Ansichten des Kaisers von der Unlauterkeit der Motive der Reformation völlig theilte, hatte die religiösen Neuerungen stets nur mit Unwillen betrachtet, aber über des Bruders Entschlüsse durchaus nichts vermocht. Als er jedoch, vermocht durch des Kaisers Drohungen und den Drang der Umstände, die Verwaltung der Herrschaften Wilhelms an sich gezogen, fanden die Prädikanten in Wilhelms Person nur noch einen schwachen Beschützer, in Friedrich aber einen mächtigen Gegner. Er beschloß, das Interim um jeden Preis durchzusetzen und die Neupriester nach und nach gänzlich zu verdrängen, sey es durch Überredung, oder Gewalt.

Die Städte des Kinzingerthales setzten zwar beharrlichen Widerstand entgegen, und erklärten, das Interim und die alten Zeremonien nur unter der Bedingung sich gefallen zu lassen, daß man die reine Lehre des Evangeliums ihnen nicht entziehe und den Genuß des Sakramentes unter beiderlei Gestalten forterlaube; auf solche Weise werde man, bis zu Eröffnung eines allgemeinen, freien und christlichen Konziliums, sich gedulden und tragen, was die römische kaiserliche Majestät aus friedliebendem Gemüth dem Reiche zur Beruhigung einstweilen geordnet habe. Allein sie fühlten wohl, daß man etwas Weiteres suche.

Herr Jost Münch, der Vielgetreue, war auch diesmal der erkorne Unterhändler. Er entledigte sich der Aufträge Friedrichs mit großer Geschicklichkeit, Besonnenheit und Mäßigung. Nur Graf Wilhelm ward durch ihn nicht wankend gemacht und er erschwerte ihm seine Sendung sehr. Mit großer Empfindlichkeit bemerkte der alte Krieger, welcher die Ohnmacht seiner dermaligen Lage allzu bitter im Innern fühlte: "Er sehe wohl, daß jedermann vom Glauben abfallen wolle." Die Briefe, welche Herr Münch von Zeit zu Zeit nach dem Heiligenberg gesendet, und in welchen er sowohl über den Gang der Unterhandlungen berichtete, als seine eigene Überzeugung in der Sache aussprach, enthalten viel Interessantes zur Charakteristik jener Zeit.

Die Meßartikel hatten stets den schwierigsten Punkt gebildet. Die Neupriester verhießen, als erstes Zugeständniß, wider das Interim nirgends zu predigen; aber die Messe könnten und wollten sie nicht lesen. Sie beriefen sich auf K. Majestät Verordnung und des Reiches Abschied, welche beide ihnen Anderes nicht auferlegten.

Friedrich entschloß sich nunmehr zu gewaltsamer Ausweisung der Prediger. Sie verwahrten sich zuerst gegen die harte Maßregel; sodann riefen sie des Grafen Mitleid und Wilhelms Verwendung an, und baten um Frist. In strenger Winterszeit, mit Frau und Kind, könnten sie unmöglich in das Elend wandern. Man dulde ja im Kinzingerthal die Juden, warum nicht auch sie?(55)

Graf Friedrich bestand auf unbedingter Annahme des Interims und wiederholte seine Drohungen. Münch übergab einem Ausschuß der Prediger diesen Bescheid. Nunmehr überreichten sie ihm eine lange Beschwerdeschrift mit vielen Beilagen; ihre Weigerung der Annahme des Interims in mehrern Punkten war ausführlich darin entwickelt. Allein der Abgeordnete erklärte, daß er seinem Herrn mit diesem Geschreibsel nicht beschwerlich fallen wolle und begehrte eine kurze Darstellung ihrer eigentlichen Beschwerden. Er übersandte sie an Friedrich und suchte inzwischen mehrere der Störrigsten einzeln zu bearbeiten. Allen Disputationen über die Sache selbst suchte er auszuweichen. Münch rieth gleichwohl dem Grafen, einige der Bedeutendern zu sich selbst einzuladen und wegen der Messe zu anderer Überzeugung persönlich zu bereden. Die Weigernden sollten sodann erst ausgewiesen werden. Doch hatte er Menschlichkeit genug, auch in diesem Falle für sie um Frist bis Anbruch des Frühjahrs zu erbitten.(56)

Der Vorschlag fand Beifall; inzwischen stellte der Graf den Priestern sämmtliche Verrichtungen ein, besetzte verschiedene Stellen mit Meßpriestern, oder auch wohl mit Mönchen, die aus den Klöstern der Nachbarschaft hererbeten wurden.(57) Der Schaffner zu Wolfach erhielt geschärften Auftrag zu genauer Wachsamkeit für Verhinderung des Einflusses der Prädikanten und zu eifrigen Bemühungen für die Rückbekehrung der verirrten Seelen im Kinzingerthal. Kindtaufen, Einsegnungen der Ehen und Versehung mit den Sterbesakramenten sollten durchaus nicht zugegeben werden, da das Interim nichts davon enthalte, und er, der Graf, sich nicht erlaube, dasselbe lange zu deuteln. Fern sey von ihm, - schrieb er Herrn Jost - sich in irgend etwas zu vertiefen; deshalb ziehe er die Anfrage an höherm Orte vor. Inzwischen sey es sein Wille, daß man im Kinzingerthal in die Sache sich schicke, damit kein Aufsehen geschehe, ihn keine Vorwürfe träfen und die über der Herrschaft schwebende Gefahr gehoben werde. Hinsichtlich der persönlichen Behandlung der Neupriester verwies er auf das Beispiel von Würtemberg, welches ebenfalls sich dem kaiserlichen Willen habe fügen müssen,(58) und auf des Kaisers ernsten Willen, die vorläufige Abstellung der Predigten der Neupriester in ganz Teutschland durchzusetzen.

All dies meldete Herr Jost, so schonend als immer nur möglich, dem Grafen Wilhelm. Man zog von Zeit zu Zeit den Dr. Ludwig Gremp zu Rathe, und wirkte auf zwei Prädikanten, welche bei Graf Friedrich sich gestellt, mit ziemlichem Erfolge ein; es scheint, daß sie selbst zum Meßlesen sich verstanden. Der eine von ihnen wurde nach Haslach geschickt und über dessen Wiedereinsetzung mit dem Bischof von Straßburg, in dessen Sprengel die Pfarrei lag, so wie mit Graf Wilhelm Abrede gepflogen.

Übrigens machte später Friedrich dem Schaffner Vorwürfe, daß er seine Vollmacht aus Mißverständniß überschritten habe, und die Neupriester in alle Verrichtungen, außer dem Predigen, wieder einzusetzen seyen.(59) Nichts desto weniger sah er sich bei der übergroßen Verachtung jener Leute gegen die Messe, und bei der standhaften Weigerung, mehrere der abgeschafften Zeremonien wieder einzuführen, in die Nothwendigkeit versetzt, sie dennoch ihrem Schicksal zu überlassen, aus Furcht vor dem ohnehin sehr erbitterten Kaiser. Sämmtliche Prädikanten wurden demnach hinter einander durch katholische Priester ersetzt, und ihre spätern Bemühungen bei der Herrschaft und ihren Gerichten um Wiedereinsetzung, waren nutzlos;(60) man suchte auch die letzten Spuren des Protestantismus in diesen Gegenden zu vernichten und neue Keime desselben zu verhindern.(61)

Friedrichs Besorgnisse über des Kaisers Gesinnung hinsichtlich der Mißgriffe seines Bruders waren nicht ohne Grund gewesen, und nicht umsonst hatte er alles aufgeboten, das Interim in dem Kinzingerthal und in der Ortenau durchzuführen, da die Zögerung bereits das vorhandene Mißvergnügen gesteigert hatte.(62)

Man hielt das Haus Fürstenberg vielseitig für verloren, wenn nicht thätige Freundeshülfe und Friedrichs besonnene Mäßigung es retten würden. Mehrere Haufen Kriegsvolk, in Diensten beider Grafen, zerstreuten sich alsbald, nachdem der Inhalt jener Mandate kund geworden. Doch zeigten sich in der politischen Weltlage selbst bald wiederum Trost und Auswege. Der Kaiser, obgleich vom Podagra sehr gepeinigt, ging mit einem neuen Feldzug wider die Türken schwanger. Dazu bedurfte er große Geldsummen, und man hielt demnach dafür, besagte Mandate seyen mehr als Schreckschüsse zu betrachten, damit eine Sühne in Geld erfolge, denn als ernstgemeinte Äußerungen rächerischen Fürstenzornes. Man wendete sich daher während des neuen Reichstages zu Augsburg an den Kaiser mit Zeichen reuigen Gehorsams, und Karl wies die Unterhandlungen nicht von sich.(63) Böcklin Von Böcklinsau hatte sie eröffnet. Noch wirksamer handelte Hans Christian Hofer, Geheimschreiber des Grafen Friedrich. Derselbe wurde an den Abt von Weingarten und Ochsenhausen gesendet, um die Verwendung desselben bei dem Bischof von Arras, Perenot Granvella, zu erwirken.

Die Macht der goldenen Schlüssel wohl erkennend, zog man auch zu schnellerer Erledigung der Sache den kaiserlichen Geheimschreiber Paul Pfinzing, durch eine kleine Verehrung, in’s Interesse. Granvella, den Fürstenbergern jederzeit sehr gewogen, erfüllte alle Wünsche Friedrichs und des Vermittlers von Weingarten, welcher in Wahrheit sein Bestes hiezu gethan hat. Die kaiserliche Ungnade wurde zurück genommen und auch sonst das Wohl der Familie dadurch gewahrt, daß alle willkührliche Verschenkungen und Verpfändungen von einzelnen Herrschaften, welche Wilhelm, als das älteste Glied, "in seiner Kleinmüthigkeit" sich erlaubt haben mochte, für nichtig und null erklärt wurden.(64) Der Graf Wilhelm hatte jedoch diesen Ausgang der Dinge nicht mehr erlebt. So viele Leiden des Körpers und der Seele zugleich hatten auch eine Natur, wie die seinige, endlich überwältigt, und er war noch im Jahre 1549, Mittwoch vor St. Bartholomä, zu Ortenberg gestorben. Die Leiche wurde zu Haslach beigesetzt.(65)

Sein Leben selbst schildert am getreuesten seinen Charakter. Offen, stolz und großmüthig, sparsam und freigebig, wie die Verhältnisse es mit sich brachten; wild im Kampfe, liebenswürdig im Umgang;(66) witzig und geistreich, ohne Anflug von Gelehrsamkeit, tollkühn und gefahrliebend, herausfordernd und sarkastisch ohne Rückhalt, Charaktern gegenüber, die ihm nicht zusagten, gewann und verlor er abwechselnd die Herzen der Menschen.

An große Verhältnisse mit Fürsten und Feldherren, Staatsmännern und Gelehrten ersten Ranges gewöhnt, konnte er sich in’s Kleinliche und Gewöhnliche des gesellschaftlichen Lebens nicht finden, und wurde nicht selten darüber mißkannt. An der Diplomatik im eigentlichen Sinne trug er nicht das mindeste Behagen, wiewohl er ihre Sprache gut handhabte, und ihre Manieren, selbst bis zur Verschmitztheit, wenn es seyn mußte, nachzuahmen verstand. Die vielfachen Veränderungen seiner Lebenslage und der Wechsel der Herren, welchen er diente, hat den Vorwurf der Unbeständigkeit auf ihn gebracht, und etwas zweideutig erscheint uns sein Charakter allerdings in den französischen Verhältnissen und in jenen mit Hessen, Würtemberg und dem Schmalkaldischen Bunde. Übrigens zeigte sich seine politische Moral nicht schlimmer, als die des Churfürsten Moritz, Philipps von Hessen und mancher andern Feldherrn jener Zeit, welche die Periode des Übergangs von der alten teutschen zur modernen Art, und somit vielfach unlauter, war.

Er war Kriegsmann im vollen Sinne des Wortes, mit allen Tugenden und Gebrechen dieses Standes.(67) Die Schranzen verspottete er gern und unerbittlich; daher vieler Mächtigen unversöhnlicher Haß gegen ihn.

Mehr befaßte er sich mit gelehrten Männern, welche als Geschichtsschreiber und Redner, als Politiker und Theologen seine Kriegskenntniß bereicherten, seinen natürlich guten Vortrag bilden halfen, seine Neugierde befriedigten und seine religiösen Zweifel leiteten. Denn, obgleich geschworner Feind der Priester nach gewöhnlichem Schnitte, trug er dennoch an Untersuchungen, die die höchsten Wahrheiten des Lebens betrafen, großen Gefallen, und selbst im Gewühl des Kampfes vergaß er die frommen Männer Sturm, Hedio und Andere ihres Gleichen nicht.

Wenn auch ohne eigentliche gelehrte Bildung, hatte er doch, durch den Umgang mit geistreichen oder gründlichen Gelehrten, sich eine allgemeine Kenntniß des Wissenswürdigsten eigen gemacht, und in neuern Sprachen brachte er es weiter, als die meisten damaligen Ritter. Nicht nur schrieb er das Französische sehr gewandt, sondern er drückte sich darin, wenn er es sprach, selbst am Pariser Hofe und in vornehmen Zirkeln, so zierlich aus, daß der König und seine Großen geschworen hätten, er sey ein geborner Franzose.(68)

Die Gefühle des Herzens übten über ihn eine große Gewalt. Die allgemeine Sitte der Zeit, vom Pabste bis zum Bettelmönch, und vom Kaiser bis zum geringsten Bürger, mag auch ihn entschuldigen, da, wo zu ängstliche Splitterrichterei Anstoß nehmen möchte.

Seine männliche Schöne machte ihn zum Sieger allenthalben, wo er auftrat.(69) Die Lust, der er - wie selbst der fromme und gelehrte Erasmus von sich gezeugt hat - diente, ohne ihr Sklave zu seyn, entnervte ihn keineswegs für die strengen Geschäfte des Krieges, noch für die Pflichten als Regent seiner Herrschaften.(70) Man rühmte seine Treue als Freund, und die Stärke seines Gefühls für die, welche seinem Herzen nahe waren.

Unter diesen nennen wir die Grafen Christoph Froben von Zimmern und Bernhard von Eberstein oben an. Er vermittelte gern ihre und ihrer Sippen Zwiste mit andern Edlen, wie dies besonders einst zwischen den Zimmern und Landenbergern der Fall war.(71) Übrigens hinderte ihn dies alles nicht, auch die besten Freunde oft aus schelmische Weise zu necken, ohne daß das gute Verhältniß dadurch gebrochen wurde.(72)

Viel gab ihnen der Versuch Wilhelms, die Landwirthschaft zu treiben, Stoff zum Lachen, und er wurde dadurch für seinen Muthwill gegen sie wiederum bezahlt. Als in Straßburg und in der Umgegend eine große Viehseuche herrschte, und allgemeiner Mangel an Fleisch einriß, gedachte der Graf, dem Übelstande abzuhelfen. Er beschloß, sich selbst Vieh auf seinen schönen Höfen bei Straßburg und Ortenberg zu halten, und nach seiner Nothdurft Kälber zu ziehen. Deshalb ließ er durch seine Meyer ungefähr ein Dutzend Kühe kaufen, und war nun der süßen Hoffnung, in kurzer Frist an die hundert Kälber zu erhalten, indem er bis dahin der festen Meinung gewesen war, daß das gleiche Verhältniß, wie bei den Tauben, Statt finde, und jede Kuh monatlich einige Junge werfe. Als er jedoch von dem Unhaltbaren seines Planes näher unterrichtet worden, gab er die Landwirthschaft ohne Säumen wieder auf und lachte herzlich mit über den komischen Irrthum.

So geringsügig und unbedeutend diese Züge auch erscheinen mögen, so werfen sie doch auf die Einfachheit des Charakters, die noch bei den Edlen jener Zeit oft sich zeigte, einiges Licht, und verdienen als Beiträge zur Geschichte ihres Privatlebens hier eine Stelle.(73) Der Kontrast zwischen dem gewaltigen Treiben eines in Feldschlachten und an Höfen der Großen berühmt gewordenen Mannes und der Kindlichkeit des Gemüths, welche sich bei oberzählten Schwänken und bei dem letztberührten launigen Vorgang wiederspiegelt, ist gewiß nicht ganz ohne Interesse. Viele Gefahren hatte Wilhelm von Fürstenberg durch seines Lebens wechselreichen Gang seinem Hause gebracht; manche Handlungen können auch von warmen Verehrern nicht ganz entschuldigt werden; aber er war es dennoch wiederum, der den alten Ruhm der Fürstenberger in weiten Landen strahlend gemacht und auf jeden Fall ein großes Andenken hinterlassen hat. Unter den Heldenrittern seiner Nation und den bewährtesten Feldherren jener Zeit, unter den Frundsbergen, Sickingen, Schertlin, Truchses und Nassau nimmt er eine der ersten Stellen ein.

Noch in späten Jahren waren Panzer und Helm, die er getragen, Gegenstände der Verehrung, und Kaiser Ferdinand I. selbst bemühte sich, in deren Besitz zu kommen,(74) um sie seiner Sammlung von Reliquien berühmter Helden einzuverleiben.

Anmerkungen:

1.) Kinzingerthal-Lagerbuch, Nro. 280.  
2.) Die Zimmern’iche Chronik sagt von ihn in dieser Beziehung: "wie man gemeinlichen spricht, was zu einer Neßlen werden (soll) das prinnt flux: solche geschwinde und ebentheurige Art hat in diesem jungen Grauen sich zeitlichen erzeigt."  
3.) Der Graf mußte, damit keiner seiner Schritte unbewacht bliebe, in Nikolaus eigener Kammer schlafen. Er fand aber Mittel, zu entkommen. Sobald die Nacht anbrach, stellte er sich schlaftrunken und ging zu Bette. Hier wechselte schnell mit ihm ein Junge aus der Stadt, welchen er eigens als Gesellschafter unterhielt. So oft nun der Priester in das Schlafgemach trat und den Pflegegefohlenen mit der gewohnten Frage anrief: Guilielme, dormis? gab der Stellvertreter, nach Verabredung, zur Antwort: Ita, Domine! Während demnach Meister Nikolaus der tröstlichen Meinung war, der Graf liege im tiefsten Schlummer, erging sich derselbe mit einem Schwarm junger Edler und lustiger Gesellen in den Straßen der Musenstadt. Mancherlei Muthwille wurde da verübt und mancher ehrbare Bürger durch das lustige Volk dermaßen geneckt, daß der Rath von Freiburg selbst sich in die Sache legte und den alten Lehrer aus die Gefahren aufmerksam machte, welche ihm durch das unruhige Wesen des jungen Grafen persönlich droheten. Meister Nikolaus nahm diese Warnung mit einiger Empfindlichteit auf, weil überzeugt von der völligen Unschuld seines Schützlings, und sprach zu dem Rathe, welcher ihn vorgefordert : "Beim heiligen Gott, Ihr Herren, Ihr thut da meinem jungen Herrn unrecht. Jede Nacht liegt er in meiner Kammer; und weil ich dies ganz gewiß weiß, so kann ich dasjenige nicht glauben, was man ihm nachredet."  
4.) Nach einer Urkunde, die im Staatsarchive zu Freiburg im Uechtl. verwahrt wird und in welcher Graf Felix von Wardenberg-Heiligenberg und Graf Wilhelm von Fürstenberg den Schultheiß, und Rath zu Freiburg um ihren Schutz angehen, erscheinen diese beiden Herren als Gemahle der Töchter Grado's von Neuenburg in Burgund, Gutta und Elisabeth. Eine dieser beiden muß daher als identisch mit Gräfin Bonna betrachtet werden. - Hdschtl. Mitthl. des Grafen v. Mülinen.  
5.) Urkund d. d. Linz, den 16. Januar 1506. (Nro. 281 im fürstlichen Hauptarchiv zu Donaueschingen.)  
6.) Nachmals zum Grafen von Ortenberg erhoben; der finanzielle Nothhelfer jener Zeit für viele größere und kleinere Fürsten, Ritter und Städte.  
7.) Zimmern’sche Chronik.  
8.) Urkunde d. d. Augsburg, 3. Mai. F. F. H. A. Nro. 280.  
9.) Sandoval Vida de Carlos V. I.  
10.) Zimmern’sches Msept. Rubr. G. Wolfgang.  
11.) Dekret d. d. Insbruck, 18. Juni 1511.  
12.) Davon die Zimmern’sche Chronik allerlei, freilich nicht ohne Übertreibung, zu melden weiß.  
13.) Urkunde d. d. 10. Dezember 1512 F. F. H. A. Nro. 284.  
14.) Urkunde d. d. Donnerstags vor St. Thomas 1513. F. F. H. A. Nro. 285a.  
15.) Dekret d. d. 26. Januar. F. H. A. Nro. 285b.  
16.) S. darüber K. Walchners Geschichte ber Stadt Ratolphzell, III. Bd. 3. Kap.  
17.) Über diesen Handel zeugen nachstehende Aktenstücke: Kompromiß des Grafen zu Fürstenberg und des Herrn von Staufen an H. Ulrich von Würtbg. zur Entscheidung ihres Streites, d. d. Freitag nach Jubilate 1514. Jörgs von Staufen Brief an H. Ulrich von Würtemberg. Klagpunkte Grafen Wilhelms wider Jörg von Staufen. Schreiben Grafen Christophs von Werdenberg an Grafen Wilhelm von Fürstenberg, d. d. Freitag nach Auffahrt 1514. Schreiben Jörg Staufers an H. Ulrich von W., d. d. Dienstag nach Exaudi 1514. F. H. A. Nro. 286. Handlung in Irrungen und Spennen entzwischen Herrn Grafen Wilhelm zu Fürstenberg und Jerg Stoferen von bloßen Stoffen ec. d. d. Stuttgardt, 29. September 1514. F. H. A.  
18.) Urkunde d. d. 10. Mai. F. F. H. A. Nro. 288.  
19.) Urkunde Nro. 289. F. F. H. A.  
20.) Urkunde Nro. 290. F. H. A. Hist. N. Sylv. III. p. 405. Ebenso Merk, genealogische Beschreibung (Hdlschft.). Später (1541) wurde diese Besitztum an Jost. Münch pfandschaftlich überlassen.  
21.) Guillimann Commentar. de Episcop. Argent. p. 437.  
22.) Brusch. Mscpt. (Crus.) III. 9. 16.  
23.) Crusius. P. III. C. 10. C. 10.  
24.) Urkunde F. H. A. 291.  
25.) Urkunde im F. F. H. A. Nro. 292.  
26.) Merk, Genealogische Beschreibung, Mscpt.  
27.) Urkunde F. H. A. Nro. 293.  
28.) Französische Urkunde, d. d. strasbourg, 28. juillet 1539. Im F. H. A. (Auf Pergament) höchst interessantes Aktenstück.  
29.) Ochs, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel. Bd. V S. 362. Der Rath sandte einen Vogt dahin und war noch 1524 im Besitz der Herrschaft.  
30.) Vill. Joh. Arch. Urkunde. Von Baumgärtner mitgetheilt.  
31.) Urkunde F. H. A. Nro. 295.  
32.) Urkunde F. H. A. 296a.  
33.) Urkunde F. H. A. 296b.  
34.) Urkunde, d. d. a. 1511.  
35.) Schreiben Mkgf. Philipps, d. d. Freitag nach Judic. 1523. (F. H. A.)  
36.) Urkunde d. d. 6. Oktober 1540 F. H. A.  
37.) Zimmern’sche Chronik.  
38.) Mosheim, Geschichte der Kirchenverbesserung. Leipz. 1773. S. 169. N. p.  
39.) Es ist davon die Rede: "wie gar unzüchtig es hie und da zugehe und den Kirchen Schimpf, Spott und Ungehorsam zugefügt werde."  
40.) So unduldsam benahmen sich Leute, die für ihr eigenes Daseyn noch immer zu kämpfen hatten.  
41.) Aktenstück des Don. Haupt-Archivs.  
42.) Bevelch-Zettel d. d. St. Joh. Bapt. 1542, und Mandat. visitat. eccles. Vall. Kinzing. d. a. 1546 (O. H. A.)  
43.) Instruktion Wilhelms, Grafen zu Fürstenberg, für seinen Gesandten bei der Versammlung der protestantischen Stände zu Frankfurt, d. a. 1545.  
44.) Instruktion d. d. Haslach, 22. Dezember 1545. (F. H. A.)  
45.) Sattler. III. 126.  
46.) Zimmern’sches Msk.  
47.) Der Catal. Exercituum Caroli V. v. Nicol. Mameranus, den wir erst bei der Korrektur dieses Bogens zur Hand bekamen, sagt ausdrücklich: Graf Wilhelm von Fürstenberg sey drei Tage lang im Lager der Schmalkalder gewesen, mehr als Zuschauer, denn als Kämpfer.  
48.) Sattler (III.) schlägt mit Recht den Verlust eines so berühmten Kriegers für den Bund sehr hoch an und theilt die Ansicht, welche schon Herzog Ulrich in Betreff dieser Sache gehegt. Eine so trotzige Seele, wie Wilhelm, an der Spitze jener kriegerischen Anstrengungen wider den Kaiser, hätte vielleicht dem Ganzen eine andere Wendung gegeben.  
49.) Schrb. Jost Münch's an G. Fried. von Fürstenberg d. d. Haslach, 25. Febr. 1547 (48).  
50.) Konzept von zwei Briefen : 1. des Bischofs an Graf Friedrich, d. d. 23. Januar 1548; 2. ebendesselben an die 13 geheimen Räthe der Stadt Straßburg. Von demselben Datum.  
51.) Schrb. Fried. v. Fürstenberg an Jost Münch, d. d. 15. Fbr. 1548. (F. H. A.)  
52.) Karls und Ferdinands!  
53.) Schrb. Fried. von Fürstenberg an seinen Bruder, Graf Wilhelm d. d. Offenb. Mont. nach quasi modo geniti 1549.  
54.) Beide sind in Original zu Donaueschingen vorhanden.  
55.) Schrb. Fried. von Fürstenberg an J. Münch, vom 11.·Juli 1548; J. Münch's an Fried. von Fürstenberg, vom 27. desselb. M.; Schreiben an G. Wilhelm, vom August 1548.  
56.) Schreiben J. Münch’s.  
57.) Schrb. an F. von Fürstenberg, d. d. Mont. n. St. Luc. 1548.  
58.) Schrb. Fr. von Fürstenberg an den Schaffner zu Wolfach, 7. Januar 1549.  
59.) Schrb. Jost Münch’s an Graf Wilhelm vom 15. Juni 1549. und Fried. von Fürstenberg an J. Münch, 26. Juni 1549.  
60.) Schrb. Fried. von Fürstenberg an Jost Münch vom 15. März 1549. - Beschwerden der Kinzing Thal-Priesterschaft an das Fürstenberg’sche Hofgericht, vom 15. Mai. Andreas Kügelers untertn. Suppl. an die Fürstenberger Vormundschaft ec. ec. vom Jahre 1575.  
61.) Schrb. Joachims an Graf Heinrich.  
62.) Über die Nöthen wegen Ortenberg, der neapolitanischen Garde des Interims und wegen anderer Dinge giebt nachstehendes Schreiben Friedrichs an Jost Münch klaren Aufschluß:

"Friedrich Graue zu Fürstennberg Heiligenberg vnnd Werdennberg, Landgraff jn Bare ec."

"Vnnsern gunstig gruoß zuvor lieber getreuwer. Dein schreiben des daten denn ersten July, habenn wir alles Innhaltz verstanden, vnnd erstlichs das du habest zu Wolffach noch etlich Rechnung vnd Brieff gefunden, die du achtest der sachenn zu guetem dienen werden, habenn wir gerrn gehoert. Dieweil nun sich dise Hanndlung, Auch wie der zubegegnen, vber lanndt zeschreibenn vnd zehandlen ein vergebne arbeit ist, sonder psonnlich beratschlägdt werden mueß, Derhalbenn wir jn willens fürderlich ein tag fürzenemen, wie du auß hiebeiliegennden Zedel vernemen wurdest, Wir hetten auch dhein zwivell, wenn es gegen vnsers glichen were, wir wolten was erhalten, Derohalbenn von nötten, das alle ding ordennllich zesamen gesuecht, wenn wir zesamen komenn, das sollichs beihanden seig, khann man desto statlich davon reden.

"Es ist auch vnnser Rhat vnd guetbedunnkenn, sobald als die hanndlung beihannden, ein oder zwen gelertenn Doctor die sachenn gründlich zuerlernen vnnd einen Rhatschlag zemachen, damit man bescheidenlich vnnd gründtlich zehandle wisse, Vnnd daneben nichts destowenig sich mit der Reytung zethon gefast mach, damit nicht verabsaumpt, Denn wir jn vorhabens ein Bottschafft zu der keng. Mt. gen Wien zeschickenn vnnd allen menschlichen vnd miglich vleiß fürwennden ob die vnerhörte ablosung gemiltert werdenn möcht, Wie du dann nach Lanngß, so wir zesamen komen, vernemen würdest, vnnd sich vber lanndt nit schreibenn last.

"Es wer auch großtlich vonn nöten, Das man bey der Statt Straßburg ansuechte vnnd bäte jm Faal das Gott glukh geb, vnd die kenig. Mt. die Losung fallen welt lassen, vnnd den pfandschilling zusteigern bewilgen wollen. Ob sye Zehen thauset gulden, ein zu biß man solchs vffpringen möcht, daher lihen wölten, Dann es gar khurz zugen wurd, Darumb dann vnnser brueder vnnd wir sye gnugsamlich versehen wölten.

"Dann so die losung beschä, das onzwivell gemelter Statt Straßburg, Auch vnnserm tochtermann Graff Philipsen vonn Hanauw, Offennburg, Gengenbach, vnd Zell jm Harmerspach vnnd andern In der nachparschafft nit wenig beschwerlich sein wurde, Derohalben zubedenncken, wie man dieselbenn vmb Hilff vnnd Rhat Ansprechen möchte, denn vns’s erachtens, sye vns Fürstennberg Dein die kenig. Mt. zu nachpurn habenn vnndt leiden möchte.

"Sovil die Neapolitanischen Reiter jn der gmeinschafft Ortnauw der Armen Lanndschafft zu großenn nachtheill daligen, Derohalbenn bey der keng. Mt. anzehaltenn, das sye sich mit den Armen leuten gepürlich hielten. Alsbald wir erfarenn das sye dahin gewölt, haben wir nit vnnderlassen, sonder vffs vlissigist, nit allein das sey sich nachpürlich hielten, sond sye gar hinweg zepringen ernstlich angehalten, was vnns derohalbenn für antwurt werdenn, ist leuchtlich zu·gedenncken, Dann dieweil den Französch gesindt vorhannden, ist noch ergersts zubesorgen, welches wir hievor vnnsern prued gnugsamlich verwarnet, vnnd weg zethonn vermant, aber nye nichs mögen erhaltenn, Dieweil nun vnser brueder Im selbs nit helffen will, wie möchten dann wir helffen, Tragen fürsorg, wo nit anders gehanndelt, Das die letzt Irrung beßer werd, dann die erst, wollet aber nochmals durch ander mittl ernstlich anhalten. Als wir vnnsern abscheid von key. Mt. unserm allergst Herrn genomen, haben Ir key. Mt. vnns bevolhen, die so sich Inn die Neuwe Confession begeben, zuermanen, widerumb Inhalt vnd vermög des Reychs abschids, das Interim anzenemen, Ernstlich aufferlegdt, vnnd Ir key. Mt. fürderlichen, wie sich dieselbenn haltenn wollen, vnnd was gehandelt würdt Ir key. Mt. nach lengs Bericht thonn.

"Daruff schickenn wir hiemit drey gedruckhte Intrime, eins euch Ampleuten beyhannden zubehalten, das ander in das kintzgenthal, vnd das Dritt jn die Landvogte Ortnauw sollch zuuerkunden unzerichten vnd jn das werckh ze fueren, Vnnd sich glichfermig der gehorsamen Stenden vnnd vnnderthonen des Reychs zumachen, wie dann vns nit zwivelt sich die als gehorsam zehaltenn vnd zethon woll wissen, Daruff vuns beger Du vnd die Andere Ampleut wollen sollchs ernstlich versehen, vnd volstrecken, vnd vnns fürderlichen, was gehanndelt, vnd wie sich die all erzeigen, gründlich zuschreiben Damit wir der Rö. key. Mt. vnnserm aufferlegdtem Beuelch nach, bericht thon mögen vnnd vns derhalben khein vnfleiss zugemessen werd, Das alles habenn wir Dir unserm brued anzezeigen vnd helffenn zuvolstrecken, nit bergen wellen, Dann Dir gne willen zuerzeigen seind wir wolgeneigdt Daten Heylgenberg den 11. July Anno 1548.

F. G. z. Fürstenberg

(aus dem F. H. A.)  
63.) Schrb. Böcklins von Böcklinsau an Fr. von Fürstenberg, d. d. 18. Januar. 155#.  
64.) Schrb. H. Chr. Hofers an Paul Pfinzing, d. d. 23. Januar 1551; Schrb. des Abtes zu Weingarten an G. Fried. zu Fürstenberg, d. d. 26. Januar e. a. (F. H. A.)  
65.) Merk, Geneal. Beschrbg.  
66.) " Ce comte, qui passait pour un des hommes aussi bien faits et aussi hardis qu’il y en eût en Allemagne. Nov. XVII. de Marguerite de Navarre."   
67.) Alle Zeugnisse stimmen in einem nicht gewöhnlichen Lobe hier überein. Auch die Zimmern’sche Chronik, welche von seinen Trefflichkeiten und Schwächen ein getreuen Verzeichnis liefert, sagt von dem "wunderbarlichen und verrümpten Grafen": "Er hat einen wunderbarlichen Sinn zu Kriegshandlungen gehabt, und ein sonders Ufmerken zu allem, so zu dem Krieg dienstlich seyn möcht." Und an einem andern Orte: "Wir haben in viel Jahren in deutscher Nation keinen martialischern Menschen, und der alle Eigenschaften eines Kriegsmanns an ihme gehabt, die zu loben seyn, gleichwie er; gleichwohl er auch seine Mängel darneben, wie dann bei den Militärischen gebräuchlich."
"Vigoureux et disposé" nennt ihn die XVII. Novelle; "Estimé, bon et vaillant oapitaine" der Hr. v. Brantôme. Auch möge Hircaus Äußerung: "Quand le comte Guillaume vint en France, j'aurais en plus de peur de son épéc que de celle des plus braves Italiens qui étaient à la cour" auch hier noch einmal, als am qeeignetsten Orte, stehen.  
68.) Zimmern'sche Chronik.  
69.) Zimmern'sche Chronik.  
70.) Nach Paul Jovius und Brantôme (II. S. 3 - 4) hätte er einen Sohn, vermuthlich außerhalb der Ehe, erhalten. "Paul Jove" - also plaudert der Pasquillant aller Frauen und der Verläumder vieler Männer - "parle d’un certain Vulcan, fils du comte du Furstemberg, qui fut tu é à la bataille de Cerizoles. Je ne scay s’il estoit fils de ce comte Guillaume, dont nous parlons: mais il avoit pris ou son parain pour luy, an nom estrange, Vulcan. Plusieurs Italiens et aucuns Allemans se plaisent aussi à prendre des noms antiques, de ces braves Romains, dont j’en nommerois une infinité; mais ils n’en prennent nullement de Saturne, Jupiter, Bachus, Mars, Pluton, Radamante et d’autres dieus controuvez. Cettu y-cy pourtant se nomma Vulcan, comme du nom de Mercure, il en est veu en France; mais c’estoit un nom de place et seigneurie, mais non pas un nom de Baptisme. Je croy que ce nom de Vulcan et le surnom de Furstemberg n’eussent gueres servy, ny l’un ny l’autre à le sauver, s’il fust tombé vif entre les mains de Francois. Pour le Vulcan, c’estoit pour faire peur aux petits enfans et pour celuy de Furstemberg, il estoit trop bay et en horreur aux Francois; se souvenans des maux que ce nom avoit apporté en France; et qu’eux mesmes peut-estre en avoient souffert. S’ils le prirent en vie ou s’ils le depescherent aussi-tost: ou bien s’il demeura mort au combat, cela est incertain; mais ils eurent de la joye de le voir estendu par terre. Ainsi se font les vengeances." Ja wohl, Herr von Brantôme!  
71.) Zimmern’sches Mscpt.  
72.) Die Chronik erzählt einen drolligen Vorfall mit Graf Bernhard von Eberstein. Diesem ließ er eines Tages, als er auf seine Einladung zum Mahl nicht erschien, durch zwei Diener die Schienbeine recht tüchtig zerreiben. Dennoch kamen sie bald darauf wieder in dem Pfarrhof zu Ottersweier zusammen, in der Absicht, sich zu versöhnen. Da sie Nachts in eine Kammer gelegt wurden, so sann Wilhelm auf einen neuen Schwank. Er fand neben seinem Bette zwei Körbe voll Eier. Aus dem einen versah er sich reichlich und zerwarf Bernhard von Eberstein so lange damit, bis derselbe, zur Nothwehr gezwungen, mit dem andern Korbe sich bewaffnete und volle Rache nahm. Der Pfarrer wehklagte anfänglich, wurde aber für seinen Verlust entschädigt. Doch hatten die beiden Herren sich selbst das meiste Leid zugefügt, denn ihre Kleider trugen also sehr die Farbe der nächtlichen Waffen, daß sie den Ritt nach Straßburg aufgeben und nach Hause kehren mußten, um gänzlich sich umzukleiden.  
73.) Wenigstens ebenso gut, als viele Verrichtungen und Lebensmomente des Junker Hans von Schweinichen.  
74.) Mehrere Originalschreiben im Fürstenberger Haupt-Archive zu D. zeugen hiefür.  

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Das Gengenbacher "Bergle" von Joseph Göppert, Niederwasser - Badische Heimat 58, 1978 S. 211 - 224


"Kastelberg" erinnert an castellum (befestigtes Lager der Römer). Zur Planung der Römerstraße durch das Kinzigtal (Straßburg - Rottweil a. N.) gehörte auch das BergleEs ist ein merkwürdiger Buckel, das Bergle, noch etwas höher als die 75 Meter des Kirchturms, und jede Blickrichtung zeigt es in anderer Gestalt, aber die Sonne hat es gern - im Sommer flattiert sie ihm mit dem ersten Augenblick und bleibt ihm treu, bis sie jenseits der Rheinebene verschwinden muß - und die Kurgäste haben es gern und die Frommen und alle, denen der prächtige Erdenwinkel zu Füßen des Bergles ans Herz gewachsen ist. Diesen merkwürdigen Buckel kennt man im Grund nur flüchtig, und so wollen wir ihn etwas genauer anschauen, seine Lage, seine Geschichte, seine geistige Welt. Zu diesem Behelf kann man in Archiven und Büchern studieren, man kann aber als Anfänger einfach diesen Aufsatz in die frische Luft mitnehmen, aufs Bergle, und entweder den direkten, aber steilen "Stäffeleweg" wählen oder einen der geruhsamen, aber umständlichen Wege, die Mühe wird belohnt durch Landschaft und Geschichte.

I. Der Blick vom Bergle

Vis-a-vis, über dem Kinzigtal drüben, geht der "Südliche Schwarzwald" zu Ende. Er steigt vom breiten Steinfirst (602 m) über die Windeck (416 m) zum Bellenwald und dann zur Rheinebene hinab, und dort präsentiert uns bei Sicht der flache Horizont das Straßburger Münster. Elgersweier, die Hochäuser Offenburgs und das beginnende Ortenberg lenken den Blick herüber zu den Reben und zum Schloß, das freilich im Stil der letzten Jahrhundertwende prangt, als Burg der Ortenauer Vögte zeigte es sich einfacher und wehrhafter. Ab Ohlsbach ziehen lange Bergrücken nach Osten, bis sie mit ihren engen Tälern am Waldriegel der Moos anstoßen. Das Bergle selbst, Ende eines solchen Grates, in sich ein kleiner Komplex, geht mit seiner Nordseite ohne Verschnaufpause steil hinab ins Oberdorf, während sich ostwärts die sanfte Senke bis zur Eckkapelle jäh zum Rempeneck hinaufschwingt. Die Südseite neigt sich in die breite Bucht der Schneckenmatt, und der südwestlich aufsteigende Hang "Kastelberg" bietet über den Haigerach hinüber dem Kloster die "Stirn". Der Platz wird beherrscht von einem mächtigen Kreuz aus rotem Sandstein und mahnt eindringlich zum Frieden; die Eintragung der Kriegsschauplätze, an denen Gengenbacher gefallen sind, zeigt die ganze Sinnlosigkeit eines Weltkrieges.

Bahn, Kinzig und Straße ziehen die Linien des Tales nach. Wie schräg gestellte Kulissen trennen bewaldete Hänge kleine Buchten. Die breite Mündung des Harmersbaches stoppt diese Regelmäßigkeit. Seit 1950 wagt sich auch die Stadt über die Brückenhäuser hinaus ins freie Feld; ihr Südrand "erfreut" mit der Einmaligkeit eines Fabrikschornsteins. Die Industrie findet sich im Nordwesten zusammen unter Schonung des Mutterhauses der Franziskanerinnen (kleiner Kirchturm), des Krankenhauses, des Friedhofes (wuchtiger Turm der Martinskirche) und des locker bebauten Nollens. Wie auf einem Reißbrett läßt sich von oben die rings ummauerte alte Reichsstadt einsehen. Die Stadttürme, das Rathaus (freilich von rückwärts), am meisten aber die ehemalige Benediktinerabtei mit dem Geviert ihrer Bauten und ihrem herrlichen barocken Turm treten stark hervor.

Die ausgezeichnete Lage gibt dem Bergle seine Bedeutung.

II. Aus der Geschichte des Bergle und seiner Kapelle

"Kastelberg" erinnert an castellum (befestigtes Lager der Römer). Zur Planung der Römerstraße durch das Kinzigtal (Straßburg - Rottweil a. N.) gehörte auch das Bergle. Wahrscheinlich war auf dem Gipfel der Votivstein "J. O. M."(1) eines Baebius und seiner Söhne (Landesmuseum Karlsruhe); klar liegt ein Münzenfund am Südwesthang, Nähe Kindergarten. Die weite Streuung römischer Funde in Gengenbach und nächster Umgebung verhindert bis jetzt die Festlegung eines zentralen Platzes.

Gengenbach vom Berglesrain
Gengenbach vom Berglesrain

Nach dem Sieg der Franken über die Alemannen entstand eine Martinskirche. Das Bergle taucht nicht auf.

Im Gebiet des späteren Benediktinerklosters erinnern Einzelheiten an irische Mönche, z. B. wird als erster Patron der Kapelle der den Iren vertraute Apostel Jakobus d. Ä. genannt. In köstlicher Mischung von Latein und Deutsch schreiben Urkunden 1289 und 1294 von der "capella s. Jacobi in monte Castelberg". 1681 bemühen sich Abt Placidus Thalmann und sein Prior Hieronymus Ziegler um eine Totalreparatur des Heiligtums. Nur ein Großteil der Nordwand bleibt; durch die neuen Wände entsteht ein größerer, lichterer Raum. Gleichzeitig beauftragen sie den Holzschnitzer Johannes Schupp und den Faßmaler H. C. Tober, Schwiegervater des Schupp, alles Villinger, für eine Jakobusstatue. Es wird ein wetterharter Pilger mit Hut, Muschel und Stab(2). Auch ein Bischof wird bestellt, ebenfalls bei Schupp, mit Mitra, Rochett, Pluviale und Krummstab, das Antlitz vergeistigt. Ein barocker Kupferstich der Abtei nennt ihn Apollinaris. Gemeint ist der Glaubensbote für Ravenna, gemartert um 200. Wir begegnen ihm in Sant’ Apollinare in Classe und in Sant’ Apollinare nuovo. Niederrotteil / St. Michael (Kaiserstuhl) beherbergt ebenfalls Jakobus und Apollinaris. Diese Kirche gehörte ursprünglich zur Abtei St. Gallen; irische Tradition wäre nicht ausgeschlossen. Von Patrick, dem Apostel der Iren, ginge der Weg über Germanus von Auxerre, der höchst wahrscheinlich Patricks Lehrer war(2a), nach der Kaiserstadt Ravenna, wo Germanus oft in den Sorgen Galliens vorsprach.

Gengenbach, ehemalige Abtei mit Kirchturm und "Bergle" - Foto: Joseph Göppert
Gengenbach, ehemalige Abtei mit Kirchturm und "Bergle" - Foto: Joseph Göppert

Zur vollen Parallele fehlt unserem Bergle St. Michael. Wir finden ihn am gleichen Höhenzug, aber hinten im Haigeracher Tal, rechts auf einem Hügel, in der Michaelskapelle. Etwas weiter, vom jetzigen Waldparkplatz bergauf, heißt es "Im alten Gengenbach". Da treffen sich auf einer Waldwiese zwei Bächlein; das linke geht an den alten Erzgruben vorbei, und aus dieser Ecke kommen wohl Namen und Wappen Grengenbachs: der springende Salm im sprudelnden Bach unterhalb der Gänge; freilich die Stollen sind verschüttet und kein Lachs wagt sich mehr den "sauberen" Rhein herauf. Für die Bindung Michael - Iren bietet in der Ortenau das Patronat des Erzengels Michael über die Abteikirche Honau das Beispiel.

Zur Bau- und Kunstgeschichte der Jakobus- und der Hl. Grabkapelle  arrowRight

1520 lesen wir - ohne Abschaffung des bisherigen Titels - eine neue Bezeichnung: "kirch uff dem berg ... die sant Einbettenberg genannt wird". Mit Einbeth allein läßt sich wenig anfangen, aber "Einbeth, Warbeth, Wilbeth" kann für konstruktive Phantasie gefährlich werden. Gewiß kannten die Germanen drei Nornen, die Kelten drei Schicksalsfrauen, die Griechen drei Parzen, die Römer drei "matronae", aber um das geht es hier nicht, auch nicht: um die drei Märtyrerinnen Fides, Spes, Caritas (Kloster Eschau), sondern um drei in Straßburg beigesetzte Jungfrauen (Kirche Alt-Sankt-Peter). Die Verehrung der heiligen Einbeth greift weit um sich (u. a. Schweiz, Niederrhein, Bayern, Südtirol), aber nie und nirgends bestritt man der Straßburger Kirche das Grab dieser Heiligen(3). Vielleicht standen sie in Kontakt mit der Hl. Aurelia, der in frühmerowingischer Zeit in Straßburg eine kleine Kirche geweiht war, aber nicht mit Ursula(4). Des Merkens wert ist, daß es wohl den Einbethenberg gibt, aber nicht Einbeth als Patronin. Einmal hat es zwar den Anschein eines Patronates, 1681, als Abt Placidus von der Kapelle "der hl. Jungfrau Einbeth und der Märtyrerinnen Perpetua und Felizitas" schreibt. Daß es nicht als Patronat gemeint war, zeigt das damals bestellte Altarbild: Oben Dreifaltigkeit, darunter rechts Perpetua und ihr Sohn, links Felizitias und ihr neugeborenes, fest eingewickeltes Kind, dazwischen Bergle und Abtei im Zustand von 1681, aber nichts von Einbeth. Die großen zeitlichen Lücken der Einbethverehrung in Gengenbach erklären sich aus dem Kontakt der Abtei mit Straßburg, besonders ab 1438 nach dem Erwerb eines Klosterhofes in der Straßburger Kalbsgasse; z. B. um 1500 zeichnete die Stadt Straßburg Wunder der heiligen Jungfrauen auf(5), Gengenbach nennt Einbeth 1520; 1646 belebt eine Übertragung der Reliquien die Verehrung in Straßburg, in Gengenbach 1681.

Perpetua und Felizitas haben am 7. März 203 als Mütter ihr Martyrium erlitten(6). Der Bericht darüber gilt als zuverlässig. Die beiden Blutzeuginnen gaben weder dem Berg noch der Kapelle je ihren Namen. Junge Mütter liebten das Altarbild, vor allem die zwei Kinder, obschon der Martyriumsbericht erwähnt, die Kinder seien durch Angehörige und Bekannte gut versorgt worden.

Von der hl. Einbeth beherbergt das Bergle keine Statue und kein Gemälde. Zu den aus Holz geschnitzten Werken der Barockzeit gehören noch: der hl. Joseph mit Jesuskind, der am besten zum kräftigen Berglewind paßt; er steht fest im Sturm. Antonius von Padua gehört ganz dem Heiligen Kind, das er tragen darf. Ein Werk Schupps? Barock ist auch das Kreuz im Chorbogen und - später - das Kreuz im Gebälk der Vorhalle, noch barock; vielleicht Winterhalter?(6a)

19 Jahre nach der Erwähnung von Einbeth datiert ein Stein in der Nordmauer. 1539 liegt aber in der Zeit der Straßburger Bemühungen, Gengenbach protestantisch zu machen, liegt in der Nähe des Katechismus der Gengenbacher Prädikanten und liegt in der Zeit größten Niedergangs der Abtei: Arbeit am Bergle im Jahre 1539 bleibt Rätsel.

1717(7) ließ Pater Prior Cölestin Weipert, Verwalter der Berglekapelle, am Weg vom Oberdorf herauf die Stationen der "Sieben Schmerzen" errichten. Mitten zwischen ihnen, am Sattel, der Oberdorf und Schneckenmatt trennt, steht die Eckkapelle mit dem Kreuz und dem hl. Dominikus. Als Abschluß des Stationenweges, nördlich der Kirche, lädt eine winzige, jetzt demolierte Kapelle ein: im Vorraum ein Ölbild der Kreuzigung (zerstört) und links hinter einem ganz niedrigen Zugang das Heilige Grab, darin die holzgeschnitzte Figur des Heilands, an der Wand gemalte Engel mit Spruchband, das Ganze beleuchtet durch das rote Glas oben in einer Rundöffnung der Westwand.

Selbstverständlich kommt das Bergle nicht unberührt durch die Spannungen zwischen Kloster und Stadt. Es findet sich freilich auch mancher Anlaß zum Schmunzeln. So erfahren wir vom guten Pater Coelestin, der einen "Wald Bruder" oben anstellen will, aus "der Reichs Statt Gengenbach Raths Protokoll ab dato 22. May 1719": "Weillen Herr P. Prior ein friedliebend mann und die Wahlfahrt in besten Ruhm zu bringen suchet", wird ihm der Wald Bruder genehmigt, so lang dieser sich wohl hält. "In praesentia Herrn R. Schultheißen" soll er die Verhaltensvorschriften erfahren, "insonderheit daß er keinen Einzigen Menschen bey sich beherbergen solle, widerig fahls alle tag feuerabend sein solle."

Daß 1747 eine Außenkanzel angebracht wird, läßt sich ungezwungen als Zeichen verstehen, daß die Wallfahrt blühte. Dabei dürfen wir nicht vergessen: das Bergle war nicht die einzige Wallfahrt der Abtei Gengenbach. Ihre Sorge galt genau so der großen Wallfahrt "Maria zu den Ketten" in Unterharmersbach an der Grenze zu Zell a. H., heute noch lebendig. Dann gibt es wieder Gezänk, vor allem wegen des "Warthers und Meßners" in der "Capella Mariana Montana" (so die Stadt am 7. III. 1768 an den Straßburger Weihbischof). Zehn Tage später schreibt es der Abt in schlichteren Worten: "unsere lieben Frauen Capell auf dem Bergle genannt". Auch wenn die Reichsstadt ein deutsches Konzept aufsetzt, weil sich das Kloster nicht genügend um die Gottesdienste auf dem Bergle sorge, wird es kompliziertes Deutsch: "Die Liebfrauen Wahlfahrt das Berglein auf dem ehedessen sogenannten Einbethenberg ligt ohndisputierlich in der Reichs Statt gengenbachischer Jurisdiction, jedoch disputierlich ob der Platz und berg allmend oder des Closters Gengenbach aigenthum seye."

Wie die Wirklichkeit aussah für das Bergle vor und nach der Aufhebung des Klosters, zeigen die in den Verkündbüchern angesagten Gottesdienste. Davon Stichproben: 18. Jahrhundert und bis 1808 einschließlich lesen wir regelmäßig für die Woche nach dem Passionssonntag: "Am Freytage gehen wir um 8 Uhr mit der Procession auf das Bergle". Einmal dazu der Hinweis: "man wird sowohl dort wie auch in der Pfarrkirche schon früher beichten können". Ab 1809 kommt nichts mehr vom Bergle. Dann tauchen wieder Messen auf dem Bergle auf - an beliebigen Tagen. 1860 am Schmerzensfreitag "H. Meß auf dem Bergle für Paul Harter von Bermersbach". 1862 sind am Montag, Donnerstag und Freitag der Passionswoche Berglemessen, 1877 und 1878 in dieser Woche keine einzige Messe, wohl aber gelegentlich während des Sommers. Der vorgefundene Sachverhalt: ab 1809 gibt es für die Gottesdienste auf dem Bergle keine feste Regel mehr; 1877 und 1878 lassen sich erklären durch die Arbeiten für die 1874 begonnene Auffrischung der Kapelle; Gottesdienste waren möglich bei größeren Arbeitspausen. 1874 beginnt Zimmermeister K. Weber mit einem neuen Dielenboden für die Kapellenbühne, dann kommen Reparaturen. 1879 erhält Bildhauer Albert Schultze, Schwetzingerstr. 3, Mannheim, den Auftrag, einen neuen Altar für die Jakobskapelle zu schnitzen. 1880 werden die Arbeiten für die (gewesene) Vorhalle vergeben, ebenso die Arbeiten zur Außenrenovation. Im neuen Gebälk der Vorhalle wird ein sicher dem vorhergehenden Jahrhundert entstammender Kruzifixus angebracht (vgl.(6a)).

Kapelle mit Hl. Grab (neben der "Berglekapelle")
Kapelle mit Hl. Grab (neben der "Berglekapelle")

Diese Erneuerung brachte den Gengenbachern zwei Kümmernisse:

1. Die Fenster. Das Erzb. Bauamt wehrt sich dagegen, daß man "kaum im Gebetbuch lesen kann". Es sei "starke Übertreibung". Bauinspektor Williard sah als seine Aufgabe, "im Contrast mit einer überaus glänzenden, prachtvollen Natur ein stimmungsvolles, Sammlung und Andacht förderndes Innere zu schaften", Das Licht müsse sich auf den neuen, "in besten Renaissance-Formen gehaltenen Altar" beziehen.

"Der Chor ist von den mit blanken Butzenscheiben verglasten Fenstern mit ungebrochenem hellem Licht übergossen; im Gegensatz hierzu verbreiten die mit kräftigen farbigen Cathedralglasteppichen geschlossenen Langhausfenster jenes milde angenehme Dämmerlicht, welches dem beschaulich Insichversenken des Gebets so förderlich ist. Rein physisch betrachtet, wird das ausgeruhte Auge die Capelle mit neugestärkter Empfänglichkeit für die Reize der umliegenden herrlichen Landschaft verlassen". Als "Einwohner von Gengenbach" sind eigens die Gemeinderäte genannt. Das Nein zu den Fenstern saß derart tief in der herrschenden Schicht, daß - nach der auch nicht geraden hellen Rückführung der Abteikirche aus dem Barock in die Romanik unter Stadtpfarrer Theodor Burger - in einer der ersten Sitzungen des Stiftungsrates unter Stadtpfarrer Ignaz Bloeder für das Bergle die Einsetzung heller Fenster im Langhaus am 6.10.1915 beschlossen wurde.

2. Das Altarbild. Am 21.5.1880 richtet der Gemeinderat eine Beschwerde an den katholischen Oberstiftungsrat mit dem Hauptpunkt: Langweilerei des Erzb. Bauamtes. Am 5.8.1881 richten auch Stadtpfarrer Schuler und die Stiftungs Commission Beschwerde und Bitte an die gleiche Adresse. Zum "fünften Male" ergeht vom Oberstiftungsrat am 30.8.1881 ein Schreiben an das Bauamt mit Erwartung, daß "binnen längstens 10 Tagen" die Sache erledigt sei. Die Antwort Willards datiert vom 10.9.1831. Es scheint, daß jetzt auch die Fassung des Altares durch Dekorationsmaler E. Schwarzmann, Karlsruhe, in Gang kommt. Am 30.12.1881 wird ihm der vereinbarte Lohn angewiesen. Die Sorge um ein neues Altarbild geht inzwischen einen aus den Akten nicht ganz ersichtlichen Weg. Am 24.1.1881 schreibt Pfarrer Schuler dem Erzb. Bauamt, Professor Götz in Karlsruhe sei nach Mitteilung von Frau Manz bereit, unentgeltlich die Herstellung eines Altarbildes für die Berglekapelle zu übernehmen, um seinem Heimatort ein Andenken zu widmen. Schuler ist damit einverstanden. Er regt an, das Bauamt möge mit Professor Götz Rücksprache nehmen. Als Gegenstand des Bildes schlägt er den Kirchenpatron, den hl. Jakobus den Älteren, vor. Am 30.1.1881 gibt Pfarrer Schuler an Prof. Götz seiner Freude Ausdruck über dessen Bereitwilligkeit, dankt, teilt mit, daß Inspektor Williard vom Bauamt gern mit ihm ins Einvernehmen treten wolle, und daß der Apostel Jakobus Kirchenpatron sei.

Das Altarbild wird dann jahrelang nicht mehr erwähnt. Pfarrer Schuler erkrankt und stirbt (1887). Pfarrverweser wird der Vikar, dann Benefiziat in Gengenbach, Engelbert Jung. Pfarrer Schuler hat ihn mit der Renovation des Frauenchörles beauftragt (Nordseite der ehemaligen Abteikirche). Die Sammlung für diese Aufgabe kommt nicht recht in Schwung. Jung begründet: a) die schlechten Erträge der Jahre 1887 und 1888; b) Mißtrauen der Leute infolge der "unglücklichen Restauration der Jakobskapelle auf dem Bergle", sie "wollten zuerst etwas Rechtes sehen, bevor sie in die Tasche griffen".

Als Berater nennt er "Canonikus Straub in Straßburg" und "Direktor Götz in Karlsruhe", Den Auftrag erhält "Maler und Bildhauer Simmler"(8). Jung hat sicher vom Vorschlag des Herrn Götz fürs Bergle gewußt, aber er schweigt. Schon am 4.9.1811 hat ein Johann Bapt. Mayer in einem Brief an den Herrn "Oberamtrath" zu Gengenbach die Anregung gegeben, ein Inventar der Jakobskapellen-Stiftung anzulegen. 1825 bis 1845 gibt es so etwas, aber weder Altarbild noch Muttergottes sind darin aufgeführt, wohl aber "Muttergotteskleider", i. G. neun, z. T. kostbar und mit Schleier. Geht es um die Pietà, dann mag sie etwa wie das Gnadenbild zu Todtmoos i. Schw. oder zu Marienthal i. E. ausgesehen haben. Freilich wäre auch eine stehende Maria mit Jesuskind oder eine Immakulata denkbar, wir erfahren aber nichts. Wahrscheinlich hat von 1881 an der neue, schöne, aber leere Rahmen den Altar geschmückt, vorher das Bild von 1681.

Vermutlich stammt aus dem Ende des 19. Jahrhunderts die aufrecht stehende Mutter Anna, Maria auf dem Arm, mit dem religiös erziehenden Fingerzeig und der eigenartigen Kopfbedeckung. Gearbeitet nach einem Nazarener Vorbild? Von einem Grödnertäler Schnitzer? Moroder? Eine Stiftung Stadtpfarrer Burgers liegt nahe: am 11. März 1895 starb seine Schwester Anna Burger.

Ein Datum der Einsetzung des neuen Altarbildes (Direktor Götz, Karlsruhe) konnte nicht gefunden werden. Später als 1900 kann es nicht gewesen sein.

Manchen Älteren wird noch in Erinnerung sein, wie die Kapelle ab 1901 geordnet war: am Altar das Madonnenbild von Götz (Maria mit dem erhobenen Jesuskind, inmitten eines Lilienfeldes und vor einem jungen lichten Wald mit leichtem Morgen- oder Abendrot im Himmel), links Apostel Jakobus, rechts Bischof Apollinaris. Am Chorbogen rechts St. Joseph und in einer Nische (Südwand) der hl. Antonius; am Chorbogen links die hl. Anna, daneben (Nordwand), etwas über Augenhöhe vor einem mit Renaissanceornament schlicht dekorierten Brett die Schmerzensmutter. Von der ersten oder zweiten Bank her konnte man gut mit dem Bild reden.

Am 9. Mai 1908 schreibt Geistl. Rat Stadtpfarrer Theodor Burger ein Gesuch an das Erzb. Ordinariat Freiburg um Erlaubnis, seiner Pfarrgemeinde als Andenken sieben Stationen zu den sieben Schmerzen Mariä zu widmen. Die Ausgabe von etwa 4.000 Mark wolle er aus eigenen Mitteln stiften. Er hält den Weg vom Oberdorf zum Bergle für außerordentlich geeignet, da er frei ist von Fuhrwerken, nicht sehr begangen, und so könne mancher, der sich vor seinen Mitmenschen scheut, ein Kreuzzeichen zu machen, auf diesem abgelegenen Weg neu beginnen. Die Genehmigung traf am 21. Mai 1908 ein. Die Ausführung der Reliefs übernahmen die Gebrüder Moroder (Firma Simmler) Offenburg, jedes 75 cm hoch, 54 cm breit und 10 cm tief, aus weißem Sandstein. Den roten Sandstein, der in einer Nische das Relief aufnahm, lieferte Steinhauermeister Carl Glauner in Gengenbach. Der frühere Gengenbacher Vikar, jetzt Superior Msgre und Päpstlicher Ehrenkämmerer Karl Mayer in Freiburg hielt am Sonntag, 4. Oktober 1908, die Einweihung mit Festpredigt.

Am vorausgehenden Freitag schrieb der "Kinzigbote": "Die Pfarrgemeinde wird ihrem trotz der Fülle der Jahre noch unermüdlichen Pfarrer, der zudem sämtliche Kosten aus eigenen Mitteln bestritten hat, gewiß warmen Dank wissen und diesen Dank am besten durch fleißigen Besuch der Stationen zur eigenen Erbauung praktisch betätigen".

Joseph mit Jesuskind. Gengenbach, Bergle. - Foto-Weltz
Joseph mit Jesuskind. Gengenbach, Bergle. - Foto-Weltz

Pfarrverweser Wintermantel und anschließend Stadtpfarrer Ignaz Bloeder mühten sich, die Stationen schön zu erhalten. Daß gegenwärtig, wo Gewalttätigkeit gilt, die Stationen am Bergleweg völlig unberührt bleiben, dürfen wir nicht erwarten. Die Schäden sind aber nicht so, daß man den Stationsweg nicht mehr beten könnte. Der Weg selber ist momentan ein echter Bußweg, gar nicht geeignet für kontemplative, in sich versunkene Seelen.

Nach Anbringung der hellen Fenster, bereitete immer noch das Altarbild von 1900 Kummer. Die gute und leicht verständliche Malerei begeisterte viele; vielen aber ging es gar nicht ein, daß die Mutter, die ein so wunderschönes Kind trägt, verschämt auf den Boden schaut; sie meinten, das Bild wäre "gestellt". 1953 holte man wieder das Altarbild von 1681. Der Rahmen von 1880 war viel zu hoch, den Zwischenraum schalte man mit Brettern zu und stellte die schmerzhafte Muttergottes davor. Das unausgeglichene dieser Lösung leuchtete ein. Ebenfalls 1953 schuf Ruth Schaumann, München, für das Gengenbacher Bergle Tafelbilder der acht Seligkeiten, nach Matthäus 5. Den Auftrag zu dieser Bergpredigt gab Frau Ch.-Fr. Vorbeck, um eine Anregung ihrer verstorbenen Mutter Frau Franziska Vorbeck zu verwirklichen, eine Hilfe für das von Ruth Schaumann betreute Kinderheim. Die Bilder wurden an den Wänden des Langhauses aufgehängt.

Stadtpfarrer Helmut Eberwein gab 1969 / 71 dem Bergle neue Pracht. Die Außenrenovation beseitigte vor allem den fremdartigen Staffelgiebel und änderte die Vorhalle auf der Westseite. Ein bisher an Fronleichnam gebrauchter barocker Altartisch mit sehr schönem Aufsatz, in dessen Mitte eine Nische für die Pietà das rechte Maß hat, wurde auf aparten Glanz gebracht. Hier befindet sie sich jetzt vor einem modernen Strahlenkranz. Ruth Schaumanns acht Tafelbilder wurden im Halbkreis um den Altar gestellt, rechts etwas verdeckt durch die hl. Anna auf hohem Postament. Die Tafeln sind nicht sehr groß, deshalb erschwert die durch eine kräftige Kordel gebotene Distanz des Beschauers von den Bildern das Erkennen des Dargestellten. An der Wand des Chorbogens sehen wir rechts den hl. Apollonaris, links den hl. Jakobus, in einer Nische der Südwand den hl. Joseph. Oben im Scheitel des Bogens ein Kruzifix und das Wappen des Abtes Placidus mit dem Hinweis auf die Renovation von 1681.

Wahrscheinlich wären zu Lebzeiten unseres lieben Franz Engesser noch einige Dinge fester fundiert worden als bei diesen Versuchen eines Pfadfinders im Pfarrarchiv.

III. Die religiöse Welt der Berglekapelle

Als ersten Namen, den die Kapelle und die ganze Anhöhe trägt, erfuhren wir Jakobus. Es geht um den Jacobus, zu dessen Grab eine der großen Wallfahrten des Mittelalters führte. Gengenbach liegt aber nicht an einer dieser Wallfahrtsstraßen. Es muß also das Wesen des Jakobus sein, was hier angezogen hat: der Wanderer, der Pilger. Die frühesten Boten, die Iren, hatten eine intensive Neigung zum Wandern und zum Apostel, der als Zeichen seines Wanderns über die Meere die Muschel trug. Es waren wohl nicht die Bergwerkler und Bauern im "alten Gengenbach", die gerne gewandert wären, es waren die Bringer der christlichen Botschaft. Merkwürdig ist, daß man diesen Heiligen an solch weithin sichtbarer Stelle geehrt hat: ein Licht auf dem Leuchter; und daß man ihm als zweiten den Apollinaris an die Seite gab, wiederum einen Glaubensboten, um den die Iren von früh an wußten.

Was wir Handfestes vom christlichen Bergle wissen, führt weit zurück. Vorher gibt es einige solide Spuren der Römer, während wir die Kelten auf dem Bergle nur mit Genehmigung dichterischer Phantasie vorfinden.

Auf dem gleichen Breitengrad wie Gengenbach ragt am Westhang des Rheingrabens 500 m über die Talsohle ein "Berg der Zuflucht", der ein wuchtiges Zeugnis aus vorchristlicher, ja vorrömischer Zeit zeigt, die "Heidenmauer", die in 10 km Länge mit gewaltigen Steinblöcken eine Fläche von 100 Hektar gegen anstürmende Feinde zu schützen vermochte. "Berg der Zuflucht"! Dann "Hohenburg", die Burg der Herzöge des Elsaß! Heute: "Odilienberg"! Durch ihr Leben, ihr Leiden, ihre Klostergründung mit dem "immerwährenden Gotteslob" und durch ihre große Sorge um leibliches wie seelisches Leid schuf Odilia in tieferem Sinn einen Berg der Zuflucht. Es dauerte über 700 Jahre, bis Verwirrung das Klosterleben still legte. Prämonstratenser hielten durch bis zur Französischen Revolution. Dann wurde das Heiligtum reihum verschachert. 1853 legten Männer des Elsaß ihrem Bischof den Kaufpreis auf den Tisch. 1932 kam nochmals eine Verinnerlichung: Der Bischof und die Männer beschlossen - vor schicksalschweren Jahren - für diesen Berg die stete Anbetung des Allerheiligsten seitens der Männer.

Die Schicksale des Odilienberges stehen als gewaltiges Fresko vor uns. Ihm gegenüber ist das Berg"le" berechtigt. Obschon wir da ebenfalls ein schmerzliches Auf und Ab erfahren, so bleibt es doch "en miniature".

Der Odilienberg kennt auch den Heiligen Jakobus, "Saint-Jacques", etwas oberhalb Niedermünster, am Osthang. Die Überlieferung bringt Karl den Großen damit in Verbindung und das Kreuz, das in der Krypta von Niedermünster aufbewahrt wurde.

Der Mensch in seinem Unterwegs, der "Homo viator" steht über der Frühzeit von Berg und Bergle. Gleichzeitig auch: Berg der Zuflucht. Die heilige Einbetha von Straßburg und die Märtyrerinnen Perpetua und Felizitas, die Jungfrau und die Mütter, voll aus dem Glauben lebend, gaben dem geistlichen Bild einen lebensnahen Zug.

Im Unsicheren bleibt das Hereinkommen der Schmerzensmutter in die Berglekapelle. Am Beginn hören wir nichts von Maria. Das Gnadenbild selbst ist gotisch. Aber die Überlieferung schweigt von einer "Bergle-Muttergottes". Festes erfahren wir erst 1681 / 82, als im Anschluß an die Renovierung unter Abt Placidus ein kaiserlicher Notar, Georg Friderich Dornblüeth, den Berglemesner Hans Adam Häfner, 67 Jahre alt, seit 40 Jahren "Mösner", in Anwesenheit des Reichsschultheißen Johann Bender vernimmt, was er wisse von wunderbaren Gebetserhörungen.

Jakobus, Gengenbach, Bergle - Foto-Weltz
Jakobus, Gengenbach, Bergle - Foto-Weltz

Das Protokoll stammt vom 24. VIII. 1682. Da ist die Begebenheit von einem "lutterischen Schmidt" und seinem 9 bis 10 Jahre alten "Meidlin" das "weder stehen noch gehen könne", das "ihm schon etlichmahl gesagt, wenn es in dem Kirchlin auf dem Berg währe", würde es gesund werden. Häfner habe ihm geraten, daß er einer armen Frau ein Trinkgeld versprechen und ihr das Kind zum Hinauftragen geben solle. Der Vater folgte dem Rat. Bei dem Mittagsmahl ... sei der Vater hereingekommen: " ... da seht, ihr Herren, das ist moi Kindt, so noch heut vormittag weder stehen noch gehen können, jetzt kann es gehen, wohin es will".

Kreuz der ehemaligen Vorhalle
Kreuz der ehemaligen Vorhalle

Wir finden eine Erzählung von einem "Priester aus dem Schweitzerland", und von der Elisabetha Emmelin und ihrer 1 1/2 Jahre alten "Maria Cleophi" und von Margaretha, der ehelichen Hausfrau Georg Syberts im Rauhkasten, ihrem Sohn Lorentz und seinem Großvater Michell Wußler.

Der Bericht, den Johann Sennerich (Name schwer lesbar!) gab, sei hier wiedergegeben:

"Als er im verwichenen schwedischen Krieg auf und davon nach Haus gehen wollte, sei eine Partie von Soldaten ihm begegnet. Denen zu entfliehen, habe er sich in das Kirchlin aufm Berglin retiriert und sey gantz in das Thürmlin hinauf über die Klöckglin gestiegen ... Die Soldaten seyen gleich ihm nach auf das Kirchlin gekommen, darinnen ein Wachtfeuer angezündet und darumbher gesessen, haben auch außerhalb des Kirchlins Schiltwacht gehalten; da sey er in augenscheinlicher Leib- und Lebens-Gefahr gewesen, denn so er sich hätte sehen lassen, würden sy ihn umb etwaß von ihm zu erfahren oder zu bekommen, sehr übel tractirt und wohl gar ums Leben gebracht haben. Wäre er aber sitzen geblieben und sy die Klöckhlin hätten leuthen wollen, hätten sy ihn, weil er gantz in der enge und auf den jochen der glöckhlin gesessen, wo er sich nirgents hin hat regen können, vertruckht. In solcher Angst undt Gefahr habe er sein Zuflucht zu Gott undt siner lieben Mutter Maria genohmen, sy umb assistentz angerufen, undt ein opfer in dises Kirchlin abzulegen versprochen. Über dises hin sey die forcht zimblich bey ihm verschwunden, undt habe er sich gantz still von dem thürmlin herunder begeben auf die Kirchenbühne, die Schueh ausgezogen, heimblich die stegen herunder geschlichen undt neben dem wachtfeur undt den soldaten vorbey, zum Kirchlin hinauß gesprungen. Vor dem Kirchlin draußen habe ihn gleich ein schiltwacht zu pferd angeschrauwen, undt als er kein andtworth gegeben ihme nachgeeihlt. Er habe aber bald das gestrüpp erreicht, durch welches die reutterwacht ihm nicht nachfolgen können, daß er also ihnen unverhofter weiß entkhommen undt sich durch den Wald glücklich salvirt habe".

In der Mitte des nächsten Jahrhunderts spricht - wie wenn es immer so gewesen wäre - die Stadt von der "Capella Mariana Montana" und der Abt von "Unserer Lieben Frauen Capell auf dem Bergle". Es fehlt aber der Hinweis auf die Pietà. Daß es sich um die Schmerzensmutter handelt, zumindest "auch" (falls ein zweites Marienbild anzunehmen wäre, vgl. Marienthal im Elsaß), erfahren wir durch die Gottesdienste: Prozession aufs Bergle und dort hl. Messe am Schmerzensfreitag!

Das erste große Zeichen der besonderen Liebe zur Mutter des Herrn unter dem Kreuz stellt für die Gesamtkirche das "Stabat mater" ("Christi Mutter stand mit Schmerzen ... ") dar, wahrscheinlich von dem Juristen, dann Franziskanerbruder Jacopone da Todi, gestorben 1306. Sehr früh nahm die Mystik das Mitgehen mit der schmerzhaften Mutter intensiv auf, auch am Oberrhein. Bestimmt ging es dem Schnitzer des Berglebildes weder um klassische Schönheit noch um Verzerrung im Schmerz, sondern wohl einzig um die schmerzvolle Zwiesprache, ja Einheit in der Hingabe des Sohnes und seiner Mutter. Unser Bild will nicht repräsentieren, sondern helfen, daß wir hineinfinden in ihr "Ja", - unabhängig davon, wie die frühere Fassung unserer Pietà aussah.

Nicht eigentlich Bedenken, aber eine leise Frage bringt das Frauenchörle: das Heilige Grab zeigt am rechten Eckpfeiler den Stifter, Abt Konrad von Müllheim, - kniend als Beter, Relief, zur Ostwand der Kapelle gerichtet. Auf was hin ist er ausgerichtet? In der Barockzeit wohl auf das große, an Form und Format dem Bild im Josephschörle entsprechende Gemälde der Beweinung (jetzt im Kirchturm). 1888 kam an dessen Stelle die neugotische Stiftung der Brüder Oreans mit der Pietà von Simmler. Aber vor dem Barock? Die Schmerzensmutter vom Bergle, sicher älter als das Hl. Grab!, an der Ostwand, über dem Altar? Dann wäre die Bezeichnung Frauenchörle (Frau = Liebe Fraue = Maria) begründet und stünde in sinnvollem Zusammenhang mit dem Hl. Grab.

Von dem Erneuerer der Kapelle, dem Abt Placidus, 1681, wissen wir, daß er mit aller Kraft die Verehrung des Erlöserleidens zu fördern suchte. Zu diesem Ziel gründete er eigens eine Bruderschaft. Die Schmerzensmutter als Mitte der Wallfahrt aufs Bergle würde sich vollkommen in seine geistige Welt einfügen, die viel Verwandtes mit der damals neu aufblühenden Liebe zum durchbohrten Herzen des Herrn aufweist. Das Kreuz in der Vorhalle mit den steil erhobenen Armen(9) und dem ergreifenden Antlitz erinnert an das Antlitz des großen Kruzifixus oberhalb der Martinskirche (nur sind die Arme waagrecht), ein Anstoß in der Richtung der Bruderschaft! (Vgl. Anm. 6a)

Solche Überlegungen um die Andacht zum Erlöserleiden in Verbindung mit der Andacht zur Schmerzensmutter finden einen starken Ausdruck im Stationsweg des Paters Cölestin, der auf das Bergle hinaufführte, 1717. Vom Aussehen und vom Fertiger der einzelnen Haltepunkte wissen wir nichts. Das Ganze scheint sowohl äußerlich wie auch in der Erinnerung untergegangen gewesen zu sein, denn der große Schaffer Pfarrer Theodor Burger erwähnt gar nichts, daß es schon einmal so etwas gegeben habe; ihm ist es seine eigenste Idee und seine Sehnsucht, seine Pfarrgemeinde an die Schmerzensmutter zu binden, und er vertraut, es werde seiner Gemeinde eine "Herzensfreude" werden, so wie er es als seinen "Herzenswunsch" bezeichnet.

Die Berglemesse in der Frühe eines jeden Montags gehörte noch weit in das 20. Jh. hinein zu den Selbstverständlichkeiten des Gengenbacher Sommers. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Tag um Tag um 12.30 Uhr bei der Schmerzensmutter der Rosenkranz gebetet; die Franziskanerinnen gelobten, wenn ihr Mutterhaus gut durch den Krieg komme, am Fest der sieben Schmerzen Mariae (15.9.) jeweils auf dem Bergle die hl. Messe mitzufeiern, - bis heute eingehalten. Auch an manchen Freitagen finden Gottesdienste statt. Der Mittwoch gehörte eine Zeit hindurch der Eucharistiefeier der Akademie. Neu ist die Hervorhebung des Annafestes durch Eucharistiefeier auf dem Bergle; damit mag auch die imponierende Aufstellung ihrer Statue zusammenhängen.

Antlitz Jesu am Kreuz der ehemaligen Vorhalle
Antlitz Jesu am Kreuz der ehemaligen Vorhalle

Vom Wort Gottes her orientiertes Leben - auf dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und des fortdauernden grauenhaften Terrors - ist der letzte geistliche Zuwachs in der Berglekapelle: das Werk Ruth Schaumanns. Es wird durch den Goldgrund dem nur-natürlichen Bereich entzogen. Wie die Bilder sprechen, erhellen und trösten, geht dem auf, der sich zum Betrachten Zeit läßt. Wir bieten kurze Lesehilfen, aber nicht Ersatz für das eigene Nachdenken.

I. Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.

Mit durchbohrten Händen lädt Jesus ein. Er weist aufwärts. Ihm zu Füßen kauert ein Kind, bei dem an den Dornen zwei Rosen erblühen. Die Knienden haben leere Hände; in die Schale des Stehenden fallen Tropfen. Von Christus kommt der Heilige Geist, der Vater der Armen.

II. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.

Die heimkehrenden Kundschafter tragen den Reichtum des Landes Kanaan. Im Gebirge bewegt sich eine mächtige Streitmacht, doch über der Ruhe des Vordergrundes schwebt der Engel des Friedens.

III. Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.

Zwei Frauen, eine mit Salbgefäß, suchen am Friedhof vorbei den Toten. Der Engel vor der dunklen Höhle: "Jesus lebt!" Das gilt der Sehnsucht der Knienden, der verhärmten Mutter wie dem vertrauenden Kind, dem Griff der jungen Frau zum brechenden Herzen und gilt dem helfenden Hirten.

Pietà, Gengenbach, Bergle - Foto-Weltz
Pietà, Gengenbach, Bergle - Foto-Weltz

IV. Selig sind, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden.

Über der Stadt Gewitter und Blitz. Durchbohrte Hände halten Waage und Schwert. Irdische Gerechtigkeit?? Das klare Antlitz und die gebundenen Hände des Mädchens, die kniende Witwe, ihr Kind, der an Fuß, Hand und Haupt Verwundete, das entsetzte Mädchen, das Kind mit der Rute, der erbitterte Mann, der Häftling, der Kette und Kugel schleppt, die dunkle Murter: sie hungern nach Gerechtigkeit.

V. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Vom Kreuz geht der Strahl auf den Dienst der Barmherzigkeit am Bettler, an den Vögeln, am Blinden, am Kind der jungen Mutter, an den Kranken in dem am Kreuz befestigten Zelt: " ... mir getan".

VI. Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Um das Licht des Kindes in der Krippe zu erleben, entscheidet nicht, ob jemand alt, ob im Schwung der Kraft, ob bereit zum gemeinsamen Weg oder ob einsam dienend, ob im Kreis der Geschwister helfend oder ob beschaulich lebend; es entscheidet die unvermischte Klarheit des Innersten, des Herzens, des Gewissens.

VII. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.

Links rostet Kriegsgerät. Das Lamm mit der Siegesfahne - auf dem Felsen - zieht alle an: die zaghafte Mutter und ihr Kind mit dem friedlichen Spielzeug, das Ehepaar, den Jungen, der die Schale an die Felsenquelle hält, den dankbaren Greis, den zum Lamm hin offenen Mönch und die aus der Ferne schauenden Menschen.

VII. Selig sind die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich.

Sie sind ausgerichtet auf den mit Dornenkrone, Mantel und Schilfrohr Verspotteten: die "Magd des Herrn", der Gefesselte, die Frau in den Flammen - alle drei durch das Schwert verbunden -, dann der Mann mit den Ketten, die Frau zwischen Dornen, von deren Hals ein Strang aufwärts geht; der Mann mit dem Dornenkranz ums Haupt, mit Pfeilen, Rute, Geißeln, dessen Fuß auf der gefährlich sich aufrichtenden Schlange steht, - und all dies vor dem ins Grenzenlose führenden Hintergrund.

Vieles - in den Seligpreisungen und in den Bildern - erinnert an die Strophe im Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi (gest. 1226):

"Gepriesen seist du, mein Herr, um derentwillen, die verzeihen aus Liebe zu Dir und Schwachheit ertragen und Trübsal. Selig, die dulden im Frieden, denn Du, o Höchster, wirst sie einst krönen".

Anmerkungen:


1.) Jovi Omnipotenti Maximo: Jupiter, dem allgewaltigen und höchsten Gott (geweiht). Vgl. Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, VII. Band Kreis Offenburg 1908, S. 349.  
2.) Herzlichen Dank für den Hinweis des Herrn Rektor H. Brommer, Merdingen, auf die Villinger Verwandtschaft.  
2a.) Patrick, Confessio Nr. 9: Die Schilderung der "anderen" paßt ausgezeichnet auf Germanus v. Auxerre. Vgl. Frühes Mönchtum im Abendland Bd. II, S. 53 - 96: Constantius von Lyon, Das Leben des Germanus von Auxerre; übersetzt und erklärt von Karl Suso Frank 1975.  
3.) Archiv für elsässische Kirchen-Geschichte, 12. Jg., 1936: Medard Barth, Der Kult der hl. drei Straßburger Jungfrauen Einbeth, Worbeth und Vilbeth, S. 57 - 106. Die umfassende Arbeit läßt sich nicht ersetzen.  
4.) Luzian Pfleger, Kirchengeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter. 1941 S. 15. - Barth a. a. O. S. 69.  
5.) Barth a. a. O. S. 70 nach dem Straßburger Stadtarchiv.  
6.) Albert Ehrhard, Die Kirche der Märtyrer, 1932, S. 49 f.  
6a.) Obwohl in Schädelform und Körperbau anders, erinnert das jetzt vom Pfarramt Gengenbach verwahrte Kreuz in der Intensität des Ausdruckes und in der Art des Schnitzens an den aus Stein gehauenen Kruzifixus in der Grabkapelle der Familie v. Bender oberhalb der Martinskirche.  
7.) Kunstdenkmäler VII S. 427.  
8.) Von dieser Firma stammt der neugotische Altar und seine Pietà im Frauenchörle der jetzigen Pfarrkirche. Nachfolger: Gebrüder Moroder aus dem Grödnertal.  
9.) Peter Paul Rubens, Der Münchener Kruzifixus, Stuttgart 1967. Einführung von Erich Hubala (= Reclams Werkmonographien Nr. 127), S. 8 - 12, 14 - 19, 26 - 29. Professor Dr. Ewald Vetter, Heidelberg, sei für den Hinweis herzlich gedankt.  

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Über hundert Jahre ununterbrochener Bergbau in der Grube Clara, Oberwolfach von Franz Hahn - Die Ortenau 2000, S. 577 ff.


Ein historisches Jubiläum war im Jahre 1998 zu begehen: 100 Jahre ununterbrochener Bergbau in der Grube Clara war zu verzeichnen. Dieser erfolgte anfangs unter Mitwirkung, sehr bald jedoch schon in Eigenregie der Firma Sachtleben.

Die Verbindung dieser Firma zum Bergbaubetrieb der Grube Clara setzte zu einem Zeitpunkt ein, als für die Leitung Hans Freiherr von Verschuer verantwortlich zeichnete.

Das Bergwerkseigentum lag schon immer im Besitz der fürstlich fürstenbergischen Standesherrschaft in Donaueschingen. Der Beginn der mehr als hundert Jahre dauern sollenden Abbauperiode ist mit dem am 30. Mai bzw. 1. Juni 1898 abgeschlossenen Pachtvertrag zum Abbau von Schwer- und Flußspat in der Grube Clara gleichzusetzen. Als Pachtzins wurde eine Gebühr von 40 Pfennig pro Tonne geförderten Schwer- und Flußspats festgelegt. Für andere Mineralien behielt sich die Standesherrschaft das Recht vor, diese als ihr Eigentum gegen eine verhältnismäßige Erstattung der Förderkosten in Anspruch zu nehmen.

Am 3. Juli 1899 erfolgte die Gründung der "Schwarzwälder Barytwerke H. von Verschuer & Cie, GmbH" zu Wolfach. Diese Gesellschaft übernahm u. a. den am 1. Juni 1898 geschlossenen Pachtvertrag. Durch die Beteiligung einiger reicher Schweizer an dieser Gesellschaft konnte der kleine Betrieb auf fester, finanzieller Grundlage arbeiten.

Der frühere Betrieb bewegte sich in den obersten Regionen des Vorkommens auf dem Benauer Berg im Rankachtal als Tagebau. 1901 arbeitete der Betrieb etwa in der Mitte des hohen und steil abfallenden Berges. Im Gangstreichen (dieses gibt die geographische Ausrichtung des Ganges wie z. B. SE-NW für Südost nach Nordwest an) war zu diesem Zeitpunkt ein Stollen angesetzt, der bis dato eine Länge von 160 Metern erreicht hatte und den Gang in seiner ganzen Mächtigkeit überfuhr.

1901 verkaufte H. von Verschuer von seinem Geschäftsanteil je 10.000 Mark an die Kommanditgesellschaft Sachtleben & Cie. zu Schöningen und an die Gewerkschaft Michel zu Herborn. Auch die Schweizer Anteile wurden an diese beiden Firmen übertragen, so daß von dem Stammkapital in Höhe von insgesamt 100.000 Mark ein Betrag von 52.000 Mark von der Firma Sachtleben und 48.000 Mark von der Gewerkschaft Michel gehalten wurden. Verschuer blieb weiterhin Geschäftsführer. Ihm gehörte zu diesem Zeitpunkt auch die im Hesselbach bei Oberkirch befindliche Flußspatgrube.

Abb. 1: Stollenmundloch 3. und 4. Sohle mit Bremsberg (1907)
Abb. 1: Stollenmundloch 3. und 4. Sohle mit Bremsberg (1907)

Am 6. Dezember 1904 erfolgte eine Änderung der Firmenbezeichnung in "Schwarzwälder Barytwerke GmbH". Zum 1. Juli 1905 beendete Verschuer die Geschäftsführung. Die Nachfolge übernahm Louis Schulte.

1906 gingen die Papier- und Zellstoffabriken AG Wolfach in Konkurs. Ihre Grundstücke und nahezu alle Gebäude wurden von dem Barytwerk zu einem Gesamtpreis von 160.000 Mark übernommen. Vorgesehen war, den Schwerspatmühlenbetrieb hierher überzusiedeln und zu erweitern. Nach umfangreichen Baumaßnahmen konnte Ende 1908 der Betrieb der neuen Mühle an ihrem heutigen Standort aufgenommen werden.

Bereits im September 1906 beabsichtigte Sachtleben, auch den Anteil der Gewerkschaft Michel zu übernehmen. Am 30. Mai 1907 wurde mitgeteilt, daß die Barytwerke in den alleinigen Besitz der Firma Sachtleben, bzw. der in nächster Zeit firmierenden "Gewerkschaft Sachtleben" übergegangen seien. Die Gründung dieser "Gewerkschaft Sachtleben" erfolgte im Juli 1907.

Zu Beginn des Jahres 1907 gab Dr. Sachtleben grünes Licht für den Bau einer Drahtseilbahn. Ihre Länge beitrug, horizontal gemessen, 2930 Meter bei einem Gefälle von 335 Metern. Das Förderquantum betrug 100 t pro Tag. Bei einem Wageninhalt von 0,75 hl = 200 kg folgte demnach alle 72 Sekunden ein Wagen. 24 Stützen waren zu errichten.

Abb. 2: Seilbahn mit Verladung und Tagesbruch
Abb. 2: Seilbahn mit Verladung und Tagesbruch

Die Beladestation war ebenerdig, die Entladestation 6 m hoch, beide in Holz. Der Antrieb an der Entladestation erfolgte durch einen Pferdegöpel. Die Seilbahn wurde am 17. Januar 1908 in Betrieb genommen. Ihre Fertigstellung hatte sich durch starken Frost hinausgezögert. Auch eine neue Bremsbergbahn bei der Beladestation war zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt, so daß der Aufnahme des Betriebes nichts mehr im Weg stand.

Die Begehung der Grube Clara durch den Großherzoglichen Bergmeister am 17. Juli 1908 führte für diesen zu dem Ergebnis:

"Bei der heute vorgenommenen Revision der Grube Clara habe ich den gesamten unterirdischen Betrieb in anerkennenswert gutem Zustand gefunden."

Das erste Lastauto verkehrte zwischen dem Barytwerk und der Verladestelle am 11. März 1912. Es hatte 40 PS und zusammen mit dem Anhänger eine Tragfähigkeit von zehn Tonnen.

Ein neuer Vertrag mit der fürstlichen Standesherrschaft Fürstenberg wurde am 27. November 1912 geschlossen. Die Standesherrschaft verzichtete für 99 Jahre auf die Ausübung des Rechts zur Ausbeutung der Grube Clara auf Schwerspat und Flußspat und überließ dieses Recht der Gesellschaft für die gleiche Zeitdauer. Die Gesellschaft bezahlte hierfür eine einmalige Abfindungssumme.

Abb. 3: Beim Transport des Trockenofens (1908)
Abb. 3: Beim Transport des Trockenofens (1908)

Die gesamte Belegschaft bestand im Januar 1913 aus 31 Arbeitern und einem Beamten. Von den Arbeitern waren 23 unter Tage beschäftigt.

1916 erfolgte der erste Kauf eines werkseigenen LKW. Dieser stammte aus der Schweiz und mußte zur Einweisung und Einarbeitung für ein Jahr zusammen mit dem Chauffeur bezogen werden. Autowerkstätten im heutigen Sinne gab es nicht. Sämtliche am Fahrzeug auftretenden Mängel oder Probleme waren durch den Chauffeur zu beheben.

Am 16. August 1920 erfolgte die Eintragung der "Schwarzwälder Barytwerke Schulte & Co.; Kommanditgesellschaft in Wolfach" in das Handelsregister. Unter dieser Firrnenbezeichnung wurde das bis dato unter der Firma "Schwarzwälder Barytwerke GmbH" geführte Geschäft fortgesetzt. Persönlich haftender Gesellschafter war Louis Schulte; alleinige Kommanditistin die Gewerkschaft Sachtleben AG. Die neue Gesellschaft trat in den Pachtvertrag über die Grube Clara mit der Fürstenbergischen Kammer ein.

Zu Beginn der zwanziger Jahre zählte die Belegschaft einschließlich eines Aufsichtsbeamten 37 Mann. 1926 wurden letztmals Pferde zum Spattransport eingesetzt. Ab dem gleichen Jahr firmierte Sachtleben mit der Bezeichnung "Sachtleben Aktiengesellschaft für Bergbau und chemische Industrie, Wolfach (Baden)".

Nach 1926 wurde die Produktion in der Mühle bis auf 65 t Leistung pro Tag angehoben. Der Absatz war insbesonders wegen des neu einsetzenden Ölspatbedarfs sehr gut. Ölspat stellt dabei eine Bezeichnung für Schwerspat dar, der früher für Erdölbohrungen (heute für Bohrungen allgemein) Verwendung fand. Er diente dabei mit anderen Beimischungen als Bohrspülung.

Die Spatgewinnung erfolgte weiterhin durch Firstenbau. Bei dieser Abbautechnik wird unter einem bestehenden Gang im Abstand von einigen Metern ein weiterer Gang aufgefahren. Danach erfolgte der Abbau des Gangbereiches über dem unteren Gang (der Firste) durch Bohrungen von Sprenglöchern von unten nach oben.

1933 wurde die damals noch herrschende Kurzarbeit von drei Tagen in der Woche abgeschafft und voll gearbeitet. Ein 20-Pfennigstück aus Aluminium als Firmennotgeld wurde 1934 von Sachtleben Wolfach herausgegeben. Ab 1934 firmierten die Barytwerke mit "Sachtleben Aktiengesellschaft für Bergbau & chem. Ind., Zweigniederlassung Wolfach".

Auch noch im Jahr 1937 erfolgte die Förderung von Hand durch Schleppen bis zur Beladestation der Drahtseilbahn. Der Transport vom 5. Stollen nach der Beladestation sollte künftig mittels Bremsberg durch einen elektrischen Förderhaspel betrieben werden.

Louis Schulte verstarb am 26. Juli 1937 plötzlich infolge Herzschlages. Julius Nippels setzte die Direktionsgeschäfte fort. Im Zuge des Vierjahresplanes war man daran, einen neuen tiefen Stollen zum Spatgang zu treiben.

Am 6. Juni 1939 fand der erste Verkauf von optischem Flußspat an die Leitzwerke in Wetzlar statt. Im gleichen Jahr besichtigte der NS-Ministerpräsident Walter Köhler die Grube Clara.

Bei der Mobilmachung am 26. August 1939 wurden von den rund 90 Belegschaftsmitgliedern 22 zum Kriegsdienst eingezogen, von denen 11 nicht mehr zurückkamen. Der Export wurde weitgehend lahmgelegt. Dafür wuchs der Bedarf der Farbenfabriken für die Herstellung von Tarnfarben ebenso wie der der Munitionsanstalten für die Herstellung von Übungsmunition. Diese wurde mit Schwerspat gefüllt. Dadurch wurde der Sprengpunkt am Ziel oder bei der Flakmunition in der Luft besonders wirkungsvoll.

Im Dezember 1940 wurde die neue Mühle umgebaut. Die dadurch erreichte Leistungserhöhung betrug 30%. Die Mühle konnte nun täglich in maximal drei Schichten 100 bis 120 Tonnen Mahlspat produzieren.

1943 galt der Bergbaubetrieb als vordringlich kriegswichtig, d. h. der Betrieb durfte nicht eingeschränkt werden, da die Lieferungen zu erfolgen hatten.

Am 13. März 1945 erfolgte ein Luftangriff von zehn Jagdbombern auf das Werk in Wolfach. 20 Bomben richteten schwere Schäden im Umfang von ca. 200.000 Reichsmark an. Die Aufräumungsarbeiten waren im Oktober soweit durchgeführt, daß der Mühlenbetrieb wieder notdürftig aufgenommen werden konnte.

Abb. 4: Diesellokomotive bei der Schwerspatförderung
Abb. 4: Diesellokomotive bei der Schwerspatförderung

Am 1. März 1946 wurde der Betrieb der französischen Dienststelle "Sidérurgie Mines" in Baden-Baden unterstellt. Unter französischer Aufsicht ergab sich für Sachtleben Wolfach die Bevorzugung, daß als sogenannter "Prioritätsbetrieb" Zulagen in Form von Lebensmitteln, Rauchwaren usw. gewährt wurden. 1948 endete die französische Aufsicht.

1948 und 1949 wurden die Wiederinstandsetzungsarbeiten an den fliegergeschädigten Gebäuden fortgesetzt. Die Produktion konnte langsam gesteigert werden. Erst Ende des Jahres 1950 erreichte der Export wieder die Größenordnung wie zuvor in Friedenszeiten. In diesem Jahr wurden auch die Vorarbeiten für die neue naßmechanische Aufbereitung geleistet.

Am 31. Dezember 1950 trat Direktor Nippels in den Ruhestand. Als Nachfolger wurde Louis Ferdinand Schulte von der Direktion in Köln eingesetzt und zum 1. Januar 1951 als Werksdirektor ernannt.

Am 3. September 1951 wurde die neue naßmechanische Aufbereitungsanlage angefahren. Aufgrund der neuen Anlage wurde der Betrieb in die Lage versetzt, für Ölspat ein spezifisches Gewicht von 4,2 zu garantieren.

Auf der Grube erfolgte im September 1954 die Inbetriebnahme einer neuen Diesellokomotive.

Abb. 5: Frauen am Sortierband
Abb. 5: Frauen am Sortierband

Eine neue Kläranlage war im Oktober 1956 fertiggestellt. Im Dezember 1959 begannen die Vorarbeiten für die Anlage zur "Lose-Verladung" in Silowaggons und zur Absackung mittels Ventilsack-Packmaschine.

Der Verwendungszweck des Schwerspates von 1960 sei nachfolgend mit seiner Verwendung von 1938 verglichen:

1938 lag eine Aufteilung vor von

55% Farbspat
32% Ölspat (Bohrspat)
8% Kohlespat
5% Heeresspat

Dieser stand 1960 eine Struktur gegenüber von

47% Farbspat
40% Fußbodenindustrie
5% Ölspat
4% Kunststoffindustrie
3% Glasindustrie
1% Papierspat

Abb. 6: Unter Tage (1963)
Abb. 6: Unter Tage (1963)

Der Ausfall des ausländischen Ölspatmarktes wurde durch den Bedarf der neu entwickelten Fußbodenindustrie kompensiert. Während 1938 der wertmäßige Export noch 73% betrug, hielt er 1960 nur noch 24% der Gesamtproduktion. Die Ursache lag im Wegfall der Ölspatexporte und im Ausfall des englischen Marktes.

Am 30. August 1961 erfolgte im Rahmen einer Manöverübung der Bundeswehr die Sprengung eines Schornsteins auf dem Gelände der Aufbereitung.

Für den 27. August 1962 war ein Brand im Mühlengebäude zu verzeichnen. Brandursache war ein heißgelaufenes Lager eines Materialtransportbandes. Der Schaden betrug etwa eine Million Mark.

Bis 1963 wurden alle bergmännischen Arbeiten von Hand mit Kratze, Schippe und Trog ausgeführt. Die erstmalige Einführung von Schrapperbetrieb erfolgte 1963. Bei dieser Technik wird das untertägige Haufwerk mittels einer motorbetriebenen Seilwinde aus dem Gang in eine Rolle (Sturzloch) befördert.

Als 1967 der Seilbahnbetrieb eingestellt wurde, waren die Übertageanlagen vom Schwarzenbruch (4. Stollen) ins Rankachtal (9. Sohle) verlegt worden. Die Förderung gelangte danach per Grubenbahn durch den Rankachstollen nach Übertage und weiter per LKW durch das Rankachtal nach Wolfach. In der fast sechzigjährigen Betriebszeit hatte die Seilbahn ungefähr eine Million Tonnen Schwerspal befördert.

Abb. 7: Louis Schulte nach der Hauer- und Schießhauerprüfung (9.5.1964)
Abb. 7: Louis Schulte nach der Hauer- und Schießhauerprüfung (9.5.1964)

Im September 1969 wurde das Richtfest für das neue Zechenhaus gefeiert.

Von 1973 bis April 1974 wurde die Übertagerampe vom Niveau des Zechenhausplatzes im Niveau der 9. Sohle bis zur 12. Sohle aufgefahren. Bei einem Gefälle von ca. 15% erschließt die Rampe bei einer Länge von 1200 Meter rund 150 Meter Teufe. Zur Vorrichtung des Ganges mußte in den folgenden Jahren eine wendelförmige Zu- bzw. Abfahrt zwischen der 9. und 12. Sohle aufgefahren werden, die spiralförmig angelegt, bei einem Gefälle von 1:7 und einer Länge von 70 Metern pro Umdrehung eine Höhe von zehn Metern erschließt, so daß im Abstand von jeweils zehn Metern der Gang querschlägig aufgefahren werden kann.

Ab 1974 fanden die hangenden, flußspatführenden Gänge verstärktes bergbauliches Interesse. Ab 1978 sollte in der Aufbereitung Wolfach auch Flußspatkonzentrat hergestellt werden können.

Am 11. Juli 1975 galt ein herzliches "Glückauf" für "sachte Zeiten" Direktor Louis Ferdinand Schulte, der nach 25-jähriger Dienstzeit und dem Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand ging.

Die BaSO4-Flotation (Schwerspataufbereitung mit flüssigen und chemischen Mitteln) erhielt bei einer Kapazität von 27.000 t / Jahr und einer Schwerspatqualität > 98% BaSO4 ihre Inbetriebnahme am 4.12.1975; die CaF2-Stufe der BaSO4-Flotation am 29.11.1976.

Im Oktober 1976 wurde an der Wogetsrampe angesetzt. 1978 kam erstmals Magerbetonversatz zur Anwendung. Ab dem 24.1. des gleichen Jahres wurde Füllstoffspat aus CaF2 gewonnen.

Der Durchschlag der Wendel mit der 9. Sohle war im November 1980 zu verzeichnen. Die Inbetriebnahme einer Abwasserkläranlage erfolgte 1981. Mit der Auffüllung des Tagesbruches wurde begonnen. Der 1978 begonnene Bau einer zweiten Stufe der Schwertrübeanlage übernahm im Mai 1982 seine Funktion. 1984 lag unter Tage ein Personalstand von 43 Arbeitern und drei Angestellten vor. Der Fahrbahnbau der Rampe erfolgte von der 12. zur 13. Sohle. Das Diagonaltrum, das eine Ost-Südost streichende Scherzone im Nordwestteil der Lagerstätte bildet und diagonal zu den eigentlichen Fluß- und Schwerspatgängen verläuft, wurde von über Tage aus prospektiert.

Da durch den technischen Fortschritt neue Produkte wie Chemiespat (CH 1177) entwickelt werden konnten, wurde der Beschluß gefaßt, eine neue Schwerspatflotation zu bauen. Ihre Inbetriebnahme erfolgte 1986.

Mit der Inbetriebnahme der Big-bag-Anlage im Mai 1989 wurde eine variable Sackbefüllung je nach Kundenwünschen zwischen ca. 200 kg bis 1,3 Tonnen ermöglicht.

1991 wurde mit der Auffahrung der Südwendel von der 12. zur 14. Sohle begonnen. Ebenso mit der Auffahrung der Nordwendel von der Teilsohle 14.2 zur 13. Sohle. Der 1987 begonnene Bau einer zentralen Steuerung der Mahl- und Trocknungsanlage war im Februar 1991 abgeschlossen. Damit wurde hier Einmannbetrieb ermöglicht.

Seit 1993 wird aus Wirtschaftlichkeitsgründen anstelle des Füllstoffes Zement Wirbelschichtasche zum Versatz verwendet. Eine Siloanlage für Flugaschen wurde gebaut.

Zur Gewinnung von Flußspat aus dem Schwerspatgang wurde 1996 die Flotation um eine zusätzliche Reihe von Flotationszellen erweitert. Die Inbetriebnahme war am 1.12.1996 mit einer Kapazität von 50.000 t / Jahr. Ebenfalls in diesem Jahr wurde die Rampenauffahrung wieder aufgenommen. Seit Dezember 1996 wird auch Silberkonzentrat aus der Grube Clara produziert. Anläßlich der Silberkonzentratproduktion im Jahr 1997 erfolgte die Herausgabe eines Ausbeutetalers in Silber durch die Sachtleben Bergbau Services GmbH, Wolfach.

Heute finden wir einen hochtechnisierten Betrieb vor. Alle Voraussetzungen für weitere Kapazitätsausweitungen sind geschaffen. Den gestiegenen Qualitätsansprüchen der Kundschaft wird auch in Zukunft Rechnung getragen werden. Eine Zertifizierung nach DIN ISO 9002 soll herbeigeführt werden.

Nun ist es naheliegend, daß in ciner Region, in der derartige Bergbauaktivitäten wie in der Grube Clara zu verzeichnen sind, bergbaugeschichtlich und mineralogisch Interessierte sich zusammenfinden. So ist auf den offiziellen "Geburtstag" des "Verein der Freunde von Mineralien und Bergbau Oberwolfach e. V." am 6. November 1986 hinzuweisen. Die Vereinszeitschrift "Der Erzgräber" enthält Beiträge über die Mineralien und den Bergbau des Schwarzwaldes. Neben der Veröffentlichung mineralogischer Forschungsergebnisse und bergbaugeschichtlichen Betrachtungen wird auf alles Wissenswerte auch in mineralogischer Hinsicht eingegangen.

Abb. 8: Gediegen Gold von der Grube Clara (Bildbreite 2,2 mm)
Abb. 8: Gediegen Gold von der Grube Clara (Bildbreite 2,2 mm)

Eine weitere Vereinsaufgabe ist die Erhaltung von Stufen bedeutender Mineralien des Schwarzwaldes. Bereits 1989 wurde auch zu diesem Zweck das Bergbau- und Mineralienmuseum in Oberwolfach, in dem ausschließlich Mineralien des Schwarzwaldes mit dem Schwerpunkt "Grube Clara" ausgestellt sind, seiner Bestimmung übergeben. 1998 konnte nach umfangreichen Umbaumaßnahmen eine Erweiterung der Museumsfläche auf das Doppelte vorgenommen werden. Ein Novum stellt ein maßstabsgetreues Modell der Grube Clara dar, das mit hohem Aufwand in jahrelanger Detailarbeit erstellt wurde.

Ein besonderes "Schmankerl" stellt die Präsentation der Micromounts dar. Micromounts sind Mineralbildungen, die aufgrund ihrer geringen Größe nicht oder nur ungenau mit dem bloßen Auge wahrgenommen werden können. Die überwiegende Anzahl der über 320 Mineralienarten (Nehengesteinsmineralien nicht mit eingeschlossen) der Grube Clara kann besichtigt werden. Viele Mineralarten wurden erstmalig im Zusammenhang mit der Grube Clara beschrieben.

Literatur:

Hahn F., Würtz R. (1994): Der Betrieb der Grube Clara unter der Firma Sachtleben (1. Teil). In: Erzgräber, 8. Jg. Heft 2, 54 - 64.
dgl. (1996): Ebenda 10. Jg. Helt 1, 13 - 52
dgl. (1996): Ebenda 10. Jg. Heft 2, 81 - 96
dgl. (1997): Ebenda 11, Jg. Heft 1. 1 - 14
dgl. (1997): Ebenda 11. Jg. Heft 2, 45 - 64
dgl. (1998): Ebenda 12. Jg. Heft 1, 1 - 14

Abbildungen 1 - 7: Archiv Fa. Sachtleben, Wolfach, 8: Slg. und Foto Verfasser

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Neue Erkenntnisse zur Bau- und Kunstgeschichte der Jakobus- und der Hl. Grabkapelle auf dem Bergle zu Gengenbach von Juliana Bauer - Ortenau 2000, S. 315 ff.


"... In den Krypten unter den Altären des seligen Jakobus..."

Pfarrer Helmut Eberwein gewidmet Mannigfaltig sind die Abhandlungen, Berichte und Erwähnungen, die sich, teils historisch und religiös erläuternd, teils poetisch, um das Gengenbacher Bergle und seine kleinen Heiligtümer ranken. Daten und Fakten ihrer langen Geschichte werden aufgereiht, aneinander gereiht, wiederholt, umspielt von den zur Sprache gewordenen Bildern einer rebenbewachsenen Landschaft, wie sie Besucher und Einheimische gleichermaßen lieben.

Die Jakobuskapelle - Der erste Bau

Die Kapelle St. Jakobus zeigt sich heute wieder im wesentlichen in der Gestalt, wie sie in den Jahren 1681 / 82 neu erbaut wurde. Ihre Geschichte führt jedoch über Jahrhunderte zurück zu einem Vorgängerbau, von dem bislang nicht mehr als frömmigkeitsgeschichtliche und bauliche Einzelheiten tradiert sind.

Allgemeiner Überlieferung zufolge wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine Kapelle auf dem über Gengenbach nordöstlich sich erhebenden Hügel erbaut(1), der bereits den Römern nicht nur ein wichtiger strategischer Punkt, sondern auch eine heilige Stätte war.(2) Das bisher früheste gesicherte Datum für die Existenz der Kapelle, die dem Apostel Jakobus geweiht wurde, ist das Jahr 1289. In einer Abschrift aus dem 15. Jh. ist uns ein Dokument jenes Jahres erhalten, in dem Papst Nikolaus IV. u. a. die "Kapelle St. Jakobus auf dem Kastellberg mit allen Rechten und Zugehör" als Besitz der Abtei Gengenbach bestätigt.(3)

Weitere, sowohl für die Frömmisgkeits-, als auch die Baugeschichte aufschlußreiche Details erhellt eine im Original bewahrte Ablaßurkunde vom 30. Mai 1294. Darin gewährt der von dem Straßburger Bischof Konrad ermächtigte Bischof von Toul / Lothringen gleichen Namens den gläubigen Pilgern nicht nur einen Ablaß von vierzig und hundert Tagen - vielmehr bezeugt das Dokument die, ebenso durch den Touler Bischof vorgenommene Weihe eines Altars "in den Krypten unter den Altären des seligen Jakobus ... Zu Ehren der glorreichen Jungfrau Maria, des seligen Johannes des Evangelisten, der heiligen Perpetua und aller Heiligen"(4).

Abb. 1: Jakobuskapelle Gengenbach, Außenansicht mit Eingang, nach der Restaurierung von 1969 / 71
Abb. 1: Jakobuskapelle Gengenbach, Außenansicht mit Eingang, nach der Restaurierung von 1969 / 71

Demnach verwundern die verschiedenen Patrone des kleinen Gotteshauses nicht mehr, die in den späteren Jahrhunderten neben dem heiligen Jakobus immer wieder auftauchen.(5)

Für die Baugeschichte der Kapelle ist nun jene Aussage von Bedeutung, die von Krypten spricht - eine Aussage, die bislang unbekannt oder gar unerkannt blieb und daher in keiner der bisherigen Veröffentlichungen Erwähnung findet. Somit beleuchtet sie einen neuen baulichen Aspekt des ersten Kirchleins. Von welcher Art die genannten Krypten jedoch waren, bleibt (noch) im Dunkeln. Wahrscheinlich handelte es sich um zwei kleine Räume unter Chor und beginnendem Schiff(6), die wohl ein einfaches Tonnengewölbe aufwiesen. Möglich wäre aber auch ein einziger Raum mit ein oder zwei Gängen gewesen(7) - archäologische Grabungen würden hier konkrete(re) Antworten zu geben wissen.

Eindeutig indessen geht aus dem Urkundentext die religiöse Bedeutung der Krypten hervor, in denen mit der Errichtung eines Altars ein zusätzlicher Andachtsraum für die Gläubigen geschaffen wurde. Der an erster Stelle der Gottesmutter geweihte Altar dürfte der Ursprung für die sich auf dem Bergle entwickelnde Marienverehrung gewesen sein, wie sie nicht nur Briefe und Verkündbücher aus der späteren Zeit des zweiten Baus, sondern vielmehr noch die 1717 errichteten Wegstationen der Sieben Schmerzen Mariens bezeugen und in der Skulptur der Schmerzensmutter, die den Mittelpunkt der heutigen Kapelle bildet, seit wohl mehr als dreihundert Jahren verkörpert wird.(8)

Abb. 2: Auszug aus der Ablaßurkunde von 1298
Abb. 2: Auszug aus der Ablaßurkunde von 1298

Über das ursprüngliche Aussehen des ersten Baus und dessen über die Jahrhunderte hinweg anzunehmenden Veränderungen gibt es keinerlei Hinweise. Eine Protokollbeschreibung, die Wingenroth für die letzten Jahre vor dem Neubau zitiert, erwähnt wenige Charakteristika des Kapelleninnern: ein dunkles Langhaus mit unregelmäßig angebrachten Fenstern, einen etwas helleren Chor und eine "Küche" oder einen beheizbaren Raum.(9) Die vergrößerte Abbildung der auf dem oben erwähnten Kupferstich dargestellten Kapelle (vgl. Anm. 5, Abb. 4) vermittelt immerhin einen Eindruck von deren Äußerem nach einer mehr als dreihundertjährigen Geschichte. Sie zeigt das schlichte Kirchlein mit flacher Chorwand, in der zwei Fenster erkennbar sind (drei sollen es gewesen sein), zwei Doppelfenstern wie auch zwei Strebepfeilern auf der Langhausseite und einem Dachreiter. Der kleine Vor- oder Anbau — wohl neben dem Eingang gelegen - könnte dort eine "Küche" vermuten lassen.

Der zweite Kapellenbau

Mit der unter Pfarrer Helmut Eberwein 1969 / 71 durchgeführten, umfassenden Restaurierung des zweiten Kapellenbaus, bei der architektonische, das Äußere verfremdende Elemente der 1870 / 80er Jahre sowie die überladene Innenausstattung beseitigt wurden, näherte man sich dem Gebäude in seiner frühbarocken Ursprünglichkeit von 1681 / 82 wieder stark an. Der damalige Abt Placidus Thalmann (1680 - 96) ließ einen nahezu kompletten Neubau errichten - genaue Angaben zu Größe und Aussehen lassen sich den erhaltenen Richtlinien, die dem Gengenbacher Maurer Daniel Johann in zwölf Punkten an die Hand gegeben wurden, entnehmen.(10)

Abb. 3: Altarbild in der Bergle-Kapelle mit den Hl. Felicitas und Perpetua
Abb. 3: Altarbild in der Bergle-Kapelle mit den Hl. Felicitas und Perpetua

Die alte Kapelle wurde bis auf die Grundmauern abgetragen, einzig die Nordwand ließ man stehen.(11) Wichtig war den Bauherren vor allem ein in der Grundfläche größerer Raum, denn "erstlich solle daß Kirchlein umb 12 biß 13 Schuh erweitert (werden) alßo daß solches in der breite... inwendig 30 Schuh und außwendig sambt den beiden Mauren 35 Schuh, in der Länge biß an den Chorbogen inwendig 42 Schuh ... alß in allem ... in der Länge zusamen 75 Schuh..."

Abb. 4: Die erste Jakobuskapelle (Detail von dem Brendel’schen Kupferstich von 1612)
Abb. 4: Die erste Jakobuskapelle (Detail von dem Brendel’schen Kupferstich von 1612)

Bezüglich der Höhe orientierte man sich an jener des "alten gemäuer(s)" - und damit an "24 Schuh". Für die Stärke des Fundaments wurden 3 Schuh vorgegeben, die Mauer sollte sich bei der Hochführung jedoch auf 2 1/2 Schuh verjüngen.

Abb. 5: Die Jakobuskapelle 1682 / 89 (Detail von Abb. 3)
Abb. 5: Die Jakobuskapelle 1682 / 89 (Detail von Abb. 3)

Unter Berücksichtigung eines jeden Bau- und Raumteils werden die Maßangaben detailliert aufgeführt. Eingefügt sind im weiteren Erläuterungen zu Form und Material einzelner Bauglieder.(12) So werden "bachen steine" zum Ausbau der Triumphbogenlaibung sowie der Fensterlaibungen in Giebel und südlicher Langhausmauer verwendet, mit "sauberen... 8 eggige(n) Ziegelblatten" aber die erste Stufe der dreigestaffelten Chortreppe belegt.(13) Einen neuen Holzbelag erhielt der Fußboden unter dem Gestühl, wohingegen jener des Chors lediglich aufgebrochen und "mit den vorig Steinblatten" wieder frisch ausgelegt wurde.

Abb. 6: Bergle-Kapelle auf einem Handwerkerbrief, Ende 18. Jh.
Abb. 6: Bergle-Kapelle auf einem Handwerkerbrief, Ende 18. Jh.

Exakt werden Anzahl und Form der Fenster genannt. Von den "3 fenster(n) ob der Thür am giebel" sollten zwei nur Blendfenster und "gantz rund" sein, jenes direkt über der Empore aber "in oval formb".(14) Die zwei Ellipsenfenster im Chor, in der Baubeschreibung als "oval fenster ... in dem Chörlin" betont, wurden während der Restaurierung von 1969 / 71 wieder freigelegt. Desgleichen erhalten sind die "6 fenster in der Langen Mauren ... 3 auff jeder seitte"(15) wobei die beiden östlichen der Belichtung des fünfseitigen Chores dienen.

Abb. 7: Jakobuskapelle, Innenansicht
Abb. 7: Jakobuskapelle, Innenansicht

In seiner Grundstruktur wiederhergestellt wurde damals der ursprüngliche Eingang. Nach der Entfernung des Staffelgiebels und der historistischen Vorhalle erhielt die dreistufige Treppe ihr "Vortächlin" zurück, welches die auf dem ehemaligen Altarbild dargestellte Kapelle ausdrucksvoll veranschaulicht (Abb. 5).(16) Das doppelgeschossige Dachreitertürmchen mit glockenförmigen Dächern büßte im Lauf des 19. Jhs. jedoch für immer seine barocke Gestalt ein - ihm folgte ein schutzblechummanteltes mit einem schlichten Zeltdach.

Abb. 8: Hl. Grabkapelle, Außenansicht, nach der Restaurierung von 1997 / 98
Abb. 8a: Hl. Grabkapelle, Außenansicht, nach der Restaurierung von 1997 / 98

Besondere Erwähnung finden schließlich Seitenaltäre und Choraltar. Sie wurden abgebrochen, hernach aber wieder "sauber gesetzt", neu aufgemauert und mit "den Altarsteinen helegt".(17) Die Umkleidung und Verzierung des Choraltars hält eine Akte vom 11. Juli 1682 fest - ein Schreiner mit Namen "Hanß Jacob Feißt" wurde mit dieser Aufgabe betraut.(18)

Abb. 8b: Hl. Grabkapelle, Außenansicht, nach der Restaurierung von 1997 / 98
Abb. 8b: Hl. Grabkapelle, Außenansicht, nach der Restaurierung von 1997 / 98

Der Altar sollte wohlproportioniert und mit reichem Bild- und Ornamentschmuck ausgestattet sein. Zwei Bildtafeln in Oval- und Rechteckform sollten, von "Cieraden außschweiffung", d. h. von Schweifwerkornamentik und von "zwo schön gewundenen Säulen" gerahmt, die Schauseite schmücken. "Neben" diesen "sollen zu ... zwey geschnitzelten bildern einen feinen proportionierlich gesimbs oder Postament ...", überfangen von sitzenden oder halb liegenden Engeln und Puttenköpfen. An oberster Stelle aber war der Name Jesu "in der Sonne" anzubringen - ein Symbol für Christus als Ursprung des Lichts. Das Oval war mit den Wappen des Abtes und des "Gottshauß(es)" sowie der Jahreszahl 1682 auszuzieren.(19) Die gesamte Arbeit mußte sauber ausgeführt werden.

Abb. 9: Mauerfragmente unter dem Altar i. d. Hl. Grabkapelle, Aufn. während der Restaurierung 1997 / 98
Abb. 9: Mauerfragmente unter dem Altar i. d. Hl. Grabkapelle, Aufn. während der Restaurierung 1997 / 98

Die Beschreibung weist auf einen volkstümlich geprägten, doch durchaus mit Stilelementen des Frühbarock ausgestalteten Altar hin, der noch Anklänge an die Spätrenaissance hat. Charakteristische Merkmale zeigen sich in der genannten Oval- bzw. Ellipsenform (vgl. auch die Chorfenster), dem Schweif- oder Rollwerk wie auch den Engelsköpfen. Ende des 19. Jhs. erhielt der Altar eine Neufassung durch einen Karlsruher Dekorationsmaler; eine neue Bildtafel löste jene von 1682 ab.(20) Im Zuge der schon mehrfach erwähnten Restaurierung von 1971 fand ein reich geschnitzter, bunt gefaßter Altar in der Manier eines ländlichen Barock seine zentrale Stelle im Chor.(21)

Nach der Fertigstellung 1682 hatte man die St. Jakobskapelle lediglich weiß getüncht.(22) Zu dieser Schlichtheit kehrte man 1971 zurück, lockerte diese jedoch bei der letzten Renovierung, die Pfarrer Udo Hildenbrand 1992 ausführen hieß, durch eine zurückhaltende, dem Innenraum angemessene Ornamentfreskierung auf.

Abb. 10: Unverputzte Hl. Grabkapelle, Aufn. während der Restaurierung 1997 / 98
Abb. 10: Unverputzte Hl. Grabkapelle, Aufn. während der Restaurierung 1997 / 98

In einem zarten Rotpastell wurde eine allgemeine Wandgliederung durch Fenster- und Sockelrahmung sowie durch Lisenenfelder und raumvortäuschende Nischen mit Muschelwerk vorgenommen, letzteres dem im Barock beliebten Architekturillusionismus nachempfunden und somit den frühbarocken Charakter des Gotteshauses unterstreichend (Abb. 7).

Die Heilig-Grab-Kapelle

Nördlich der Jakobuskapelle steht am Abhang ein weiterer kleiner Kapellenbau: die Hl. Grabkapelle. Das einfache Haus mit Walmdach und säulenbemalten Außenfassaden wurde durch eine 1997 / 98 durchgeführte Restaurierung vor dem Zerfall bewahrt und zu einem zusätzlichen schmucken Kleinod des Kapellenensembles auf dem Bergle.(23)

Bei der Grabkapelle handelt es sich in Teilen um einen zweiten, in Teilen um einen dritten Bau, von denen der ältere zeitlich parallel zu jenem von St. Jakobus errichtet wurde.(24) Über den ersten Bau weiß diesselbe Überlieferung, welche die Errichtung der Hauptkapelle in den Anfang des 13. Jhs. datiert: "...(hat ... ein Abt ... ) ... auf dem Platz, wo der heidnische Altar stund, ein Grab des Erlösers mit einer kleinen Kapelle ... (erbauet)."(25) Konkretes jedoch läßi sich in keinen Akten finden.(26) Allgemein verbreitete sich im abendländischen Kulturraum seit Ende des 11. Jhs. vermehrt die Sitte, im Gedenken an das Grab Christi und in der "Nachbildung" der Jerusalemer Grabeskirche entsprechende Bauten zu errichten.

Abb. 11: Grabkammer Engelfresko und Christusskulptur, 1716 - 18
Abb. 11: Grabkammer Engelfresko und Christusskulptur, 1716 - 18

Die Tradition läßt sich in Westeuropa bis ins 18. Jh. hinein verfolgen - eine Neubelebung erfuhr sie vor allem seit der zweiten Hälfte des 17. Jhs. durch die Jesuiten. Typisch für die meisten, in jener Zeit entstandenen kleinen Kapellenbauten ist ihre Zweiteilung in einen Vorbau und eine (hintere) Grabkammer, in der sich ein Sarkophag oder ein "Grabtrog" mit einer liegenden Christusfigur befindet.(27)

Abb. 12: Engel, Detail der Wandmalerei
Abb. 12: Engel, Detail der Wandmalerei

In dieser Traditionslinie steht die Hl. Grabkapelle auf dem Bergle. Ihre beiden Bauteile, Vorraum - der zugleich Altarraum ist - und Grabkammer, wurden, wie erwähnt, in zwei Bauphasen errichtet. Die sehr niedere Kammer, mit einem Tonnengewölbe ausgestattet(28), stammt aus den Jahren 1681 / 82, während das Sanktuarium ein Bau aus dem frühen 18. Jh. ist.(29) Im Gegensatz zur Jakobs- wurde die kleine Grabkapelle 1681 "gratis undt in Frondienst" von "Fuohrleuten und Handarbeitern"(30) aufgebaut. Daher ist es nicht verwunderlich, daß die vorwiegend aus Bruchsteinen hochgezogenen Mauern in ihrem Verbund z. T. massive Fundamentstörungen aufweisen (Abb. 10).(31) Mit dem Neuaufbau des Altarraums sowie mit Ausbesserungen der Grabkammer beauftragte man in den Jahren 1716 - 18 "... Michael Natterer (den) abhießßigen Maurer."(32)

Abb. 13: Hl. Grabkapelle, Altarraum
Abb. 13: Hl. Grabkapelle, Altarraum

Er verlieh der Kapelle barocke Elemente: Eingang und Fenster des Vorraums erhielten eingezogene Rundbogenformen, ein Fenster von gleicher Form wurde in die Nordwand der Grabkammer eingebrochen, die bis dahin nur einen Okulus, d. i. ein kleines Rundfenster, besaß.

Die zusätzliche Lichtquelle hatte ihren konkreten Sinn. Nun war es den Pilgern möglich, die neue Christusskulptur, in einen "Grabtrog" aus Sandstein gebettet, sowie die neue Malerei in Augenschein zu nehmen. Die Wand über dem liegenden Christus hatte ein unbekannter Maler aus Offenburg im Rahmen der gesamten Neuerungen zwischen 1716 - 18 mit einem Fresko geschmückt.(33) Dieses zeigt überlebensgroße Engelsgestalten, die um den toten Christus trauern, ein Motiv, welches in der Bildkunst seit dem 12. Jh. bekannt ist und seit der italienischen Frührenaissance (Giotto, 1304 / 06) vermehrt auf Passionsdarstellungen auftritt.(34) Die ursprüngliche Malerei ist etwa zu einem Drittel erhalten, große Teile weisen Ergänzungen aus einer früheren Restaurierung von 1971 auf.(35)

Die Skulptur des toten Christus wurde zeitgleich mit dem Fresko von einem "bildthawer von kippenheimb" geschaffen.(36) Nachforschungen ergaben, daß es sich hierbei nur um den Schweizer Daniel Muckhensturm handeln konnte, den bisher einzig nachweisbaren Bildhauer jener Jahre in Kippenheim / Lahr. Er war dort zeitweise von 1712 - 30 ansässig und hatte für verschiedene Orte im Umkreis Aufträge ausgeführt.(37) Über den Künstler, der von 1702 - 05 in Schlettstadt tätig war, wo er sich verheiratete und das Zunft- und Meisterrecht erwarb, ist kaum etwas bekannt.(38) Nach einem Streit um das Arbeitsrecht mit dem Bildhauer Franz Hauser, dem Stiefbruder Philipp Winterhalders, hatte er Schlettstadt verlassen. Von seinen Werken sind außer der Gengenbacher Christusfigur und einem steinernen Kruzifixus in Wyhl a. K.(39) vermutlich keine weiteren erhalten; auch liegen andere seiner Aufenthaltsorte im Dunkeln.

Bei der Skulptur der Hl. Grabkapelle handelt es sich um eine Vollrundplastik aus Lindenholz. Sie wurde mehrfach farbig überfaßt, wobei die letzte, inzwischen verschmutzte Schicht eine Ölfarbfassung zeigt.(40) Könnten die oberen Schichten abgenommen und die erste, anzunehmende Kasein-Ei-Tempera-Fassung freigelegt werden, so käme nicht nur das sicherlich sehr feine Inkarnat der Figur wie überhaupt die ganze Schönheit der ursprünglichen Arbeit eines Bildschnitzers zutage, vielmehr wäre dann auch eine genaue kunsthistorische Zuordnung der stark restaurierungsbedürftigen Skulptur möglich.

Der im Kapellenvorraum errichtete Altar dürfte aus der ersten Hälfte des 18. Jhs. stammen. Durch die feine Marmorierung des Holzes, eine Imitationstechnik, die im 18. Jh. sowohl in der Kirchen- als auch in der Möbelmalerei verbreitet war, erfuhr das Stück eine Aufwertung. Die Ausschmückung des Antependiums mit christologisch-marianischer Blumensymbolik, auf dessen Grund das Monogramm der Mater Dolorosa den Mittelpunkt bildet, steht in sinnfälligem Kontext zur Errichtung der Bildstationen der Sieben Schmerzen Mariens. Wahrscheinlich war der Marienaltar, auf dem seit der letzten Restaurierung eine Terracottafigur der Pietà ihren Platz fand(41), von Anfang an als Höhepunkt des Prozessionsweges gedacht.

Danken möchte ich den folgenden Personen für ihre Auskünfte, Hilfe und Unterstützung: Frau Lilith Stromeyer-Sutter (Stadtarchiv Gengenbach), sowie den Herren Johannes Berger (Restaurierung u. Kirchenmalerei Bad Krozingen), Prof. Hermann Brommer (Merdingen), Pfarrer Helmut Eberwein (Gengenbach), Pit Hartmann (Gengenbach), Eugen Lang (Gengenbach), Bruno Lehmann (Gengenbach), Richard Schill (Erzbischöfl. Bauamt Freiburg). Prof. Louis Schlaefli (Bibliothèque du Grand Seminaire, Straßburg), und Dieter Weis (Ettenheim). Weiterhin danke ich den zuständigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Archives Départementales du Bas-Rhin, Straßburg und des Generallandesarchivs. Karlsruhe.

Allgemeine Literatur zu Gengenbach und dem Bergle:

Brommer, Hermann: Gengenbach. Kirchen und Kapellen. München / Zürich, 1989 (4. Aufl), 1994 (5. Aufl.)
Ders.: Gengenbach. Kirchen und Berglekapelle, Lindenberg / Allgäu, 1999.
Eberwein, Helmut (Hrsg.}: Die acht Seligpreisungen. Bilder von Ruth Schaumann in der Bergle-Kapelle. Gengenbacher Kostbarkeiten, Bd. 2. Gengenbach, 1991.
Gengenbach. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang, begl. v. Brommer, H. / Eberwein, H. / u. a. München / Zürich, 1988.
Gengenbach. Ein Streifzug durch Geschichte und Gegenwart. Hrsg. Stadt Gengenbach. Gengenbach, 1990.
Göppert, Joseph: Das Gengenbacher Bergle, In: Badische Heimat 58 / 2, Juni 1978.
Kast, Augustin: Stadtgeschichtliche Forschungen, 4 Bde., Bearb. v. Glatz, A. Stadtarchiv Gengenbach.
Klein, Kurt: Der Kinzigtäler Jakobusweg. Waldkirch, 1994.
Schaaf, Paul: Gengenbach. Vergangenheit und Gegenwart. Konstanz, 1960.
Wingenroth, Max: Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden. 7. Bd. Kreis Offenburg. Tübingen, 1908.

Anmerkungen:

1.) Vgl. das Gesuch des Abtes Bernhard M. Schwörer an den kurfürstlich badischen Geheimrath vom 4. Sept. 1803. In: IX Kirchenbaulichkeiten 1803 - 55, St. Jakobuskapellenfond, Pfarrarchiv Gengenbach, Blatt I.  
2.) Eine dort entdeckte Säule eines Jupitertempels befindet sich im Museum im Ritterhaus in Offenburg.  
3.)"... Nicolaus Ep(isco)pus ... capellam sancti Jacobi in monte Castelberg cum omnibus juribus et pertinenciis suis ... Anno MCCLXXXIX pontificatus sui 2° ...", siehe: Kopialbuch Nr 627, 16, GLA (= Gencrallandesarchiv) Karlsruhe.  
4.) "... altare quod constructu(m) est in capella beati ap(osto)li Jacobi ... sita in monte dicto Castelberg in criptis sub altares beati Jacobi ... in chr(is)to patre fratre Cunrado ... Tullen(si) Ep(iscop)o ... consecratu est in honore gloriose virginis Marie / beati Joh(ann)is evangeliste / s(an)cte P(er)petue / beati B(e)n(e)dicti ...", siehe: Urkunde Nr. 1137, 30. Mai 1294, Gengenbach /Reichsstifts- / Kirchenordnung 30 / 66, GLA Karlsruhe.
Was die Hauptaltäre der ersten Kapelle betrifft, so erwähnt Wingenroth zwei. Sie befanden sich jeweils im Chor und unter dem Triumphbogen (siehe: Wingenrorh, Max: Kunstdenkmäler des Großherzostums Baden. Beschreibende Statistik. 7. Bd.. Kreis Offenburg. Tübingen, 1908, 424).  
5.) So sind z. B. die Heiligen Perpetua und Felicitas als Schutzpatroninnen von Stadt und Bergle auf einem Kupferstich von 1612 dargestellt (siehe: Gengenbach. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang begleitet von H. Brommer, H. Eberwein, R. End, B. Lehmann, K. H. Templin / München / Zürich, 1988, 11); ebenso zeigt das ehemalige Altargemälde von St. Jakobus Perpetua und ihre Herrin als Patroninnen von Bergle und Abtei (siehe die Krönung Mariens mit den Hl. Perpetua und Felicitas, St. Jakobuskapelle, Gengenbach, Abb. 3: siehe auch Anm. 20). Johannes / Ev, hingegen tritt nicht mehr in Erscheinung. Zum Patronat Mariens s. u. (= siehe unten).  
6.) Dies würde sich beispielsweise mit Wingenroths Zitat zur Lokalisierung der Jakobusaltäre decken (siehe Anm. 4, Wingenroth). Vgl. hierzu Krypten in romanischen Kirchenbauten am Oberrhein. In: Will, Robert: Romanisches Elsaß. Würzburg, 1982. Zu nennen wären u.a.: St. Fides in Schlettstadt, deren Krypta - hier unter der Vierung - aus zwei kleinen Räumen besteht, 227, die chemalige Abteikirche in Andlau, deren weiträumige Hallenkrypta unter Chor und Vierung ebenfalls aus einem vorderen und hinteren Raum besteht. 242 - letztere jedoch sehr kunstvoll gestaltet.  
7.) Siehe Anm. 6, Will, 300. Das Beispiel einer solchen Krypta, die zudem von kleinem Ausmaß und tonnengewölbt ist, findet sich in den Doppelkapellen in Neuweiler / Zabern.  
8.) Vgl. hierzu Göppert, Joseph: Das Gengenbacher Bergle. In: Badische Heimat, 58 / 2, Juni 1978. Göppert zitiert u. a. aus einem Brief des Abtes Jakob Trautwein (1763 - 92) die Worte "unsere lieben Frauen Capell auf dem Bergle ...".
Die um 1380 entstandene Pietà fand seit 1971 ihren Platz auf einem barocken Altar (s. u.). Ihre lokale Herkunft ist gleich ihrem zeitlichen Erscheinen in der Jakobuskapelle ungeklärt, sie dürfte sich aber seit Ende des 17. Jhs. dort befinden.  
9.) Siehe Anm. 4, Wingenroth. 424: ... ein "hypocaustum seu culinam ..." wird genannt, was unmißverständlich auf eine Verpflegung der Bergle-Wallfahrer hinweist, St. Jakobus bei Gengenbach war m. S. eine der Pilgerstationen auf dem Ost-West-Weg nach Compostela, lag die Stadt doch, als Umsteigeplatz eine Rolle spielend, an der im frühen 13. Jh. ausgebauten Fernhandelsstraße, der sogenannten Königsstraße von Süd-Osten nach Westen.  
10.) Vgl. Der Maurer Arbeith an dem New Vorhabenden gebäu des Kirchlins oder Cappellen auff dem Berglin gegen M. Daniel Johann dem Maurer alhier Anno 1681, 5 Seiten. In: Gebäu oder Erweiterung der Kapelle oder Kirchlein auff dem Berglein in anno 1681. Domänenverwaltung Gengenbach, Kirchenbaulichkeiten. Die Unterhaltung der Kirche auf dem Kastellberg, 1520 - 1769. Abt. 409 / Fasc. 822, Nr. 4, GLA Karlsruhe. Die Richtlinien, die mit einem "Kostenvoranschlag" abschließen, wurden im Auftrag des Priors und Pfarrherrn Hieronymus Ziegler am 27. März 1681 unterzeichnet.  
11.) Siehe Anm. 10, Punkt 1. Die Beschreibung des Abbruchs der einzelnen Bauteile ist an einigen Stellen durch stückweise Beschädigung der ersten Seite unterbrochen.  
12.) Siehe Anm. 10, Punkt 3 - 8. Die Beschreibungen zu den Formen und Materialien sind stellenweise allerdings recht ungenau.  
13.) Unter "bachen steinen" sind die gebrannten, unbearbeiteten Tonziegel zu verstehen, während es sich bei den "sauberen" Ziegelplatten zweifelsfrei um glatt bearbeitete oder glasierte Tonplatten handelte. Der Boden von Langhaus und Chor wie auch die Treppenstufen (heute alle) sind mit Sandstein belegt.
Neben Ziegelsteinen werden, vor allem für die Mauer der Längsschiffe, auch Quader, d. h. bearbeitete Natursteine, genannt.  
14.) Heute weist die Giebelseite nur noch ein Fenster auf; indessen zeigt eine Zeichnung von 1860 die beschriebene Giebelfassade (siehe Anm. 5, Gengenbach, 11).  
15.) Siehe Anm. 10, Punkt 8. Die hohen, von Anfang an für den Neubau eingeplanten Rundbogenfenster werden an früherer Stelle als "Lange fenster" bezeichnet.  
16.) Siehe Anm. 5, Die Krönung Mariens. Vgl. hier auch der barocke Dachreiter, der noch Ende des 18. Jhs. auf einer Grafik auftaucht (vgl. Abb. 6). In der ersten Zeit befand sich auch ein Eingang in der Südwand des Kirchenschiffs. er wurde später zugemauert - leichte Nahtstellen sind gegenwärtig unter dem Verputz zu erkennen.  
17.) Siehe Anm. 10 Punkt 5. Die Bauakte spricht von zwei "äußeren" Altären, die sich links und rechts des Triumphbogens befanden, sowie vom Choraltar: den Sockel des letzteren setzt man bei der genannten Restaurierung wieder frei. Dieser ist vom jetzigen Altar verdeckt, die Seitenaltäre wurden bei der gen. Restaurierung entfernt (Mitteilungen vorn Pfarrer Helmut Eberwein).  
18.) Vgl. Der Schreiner Arbeit deß Choraltars auff dem Berglin, 2 S. In: siehe Anm. 10.  
19.) Bei dem "Wappen des Gotteshauses" konnte nur das Wappen der Abtei gemeint sein. Dieses zeigt einen doppelköpfigen Adler mit Herzschild, das einen Wellenschrägbalken mit zwei Fischen umfängt.
Was das Wappen des Abtes (Thalmann) betrifft. so hängt ein Exemplar noch heute über dem Scheitel des Chorbogens.  
20.) Siehe Anm. 8, Göppert und Ann. 5, Ältarbild Krönung Mariens. Das seit 1902 an der Nordwand hängende Gemälde war laut Überlieferung die erste Bildtafel des Choraltars von 1682 (vgl. auch Brommer, Hermann: Gengenbach. Kirchen und Kapelle, München / Zürich 1994, 19). Das Bild stellt ein unschätzbares Dokument zur Ansicht der Jakobuskapelle unmittelbar nach ihrem Neubau sowie der Abteikirche vor 1689 dar (Abh. 3).  
21.) Die überlieferte Aussage, es handle sich bei dem Altar um ein Stück aus der Werkstatt des Gengenhacher Barockbildhauers und -bildschnitzers Philipp Winterhalder (1667 - 1727), müßte noch eingehender erforscht werden.  
22.) Siehe Anm. 10, Punkt 12.  
23.) Ein drittes Kapellchen ist die sogenannte Eckkapelle, die an der Wegekreuzung unterhalb der südöstlichen Ecke der Jakobuskapelle steht (s. u. Anm. 32).  
24.) Siehe Anm. 4, Wingenroth, 425. Wingenroth nennt parallel zur Jakobuskapelle "das Kapellein außerhalb des Kürchleins ...".  
25.) Siehe Anm. 1, Blatt 2. Abt Schwörer spricht weiterhin von einer Weihe der Grabkapelle im Jahr 1294. Wurde sie mit solcher Verspätung geweiht? Oder doch erst 1294 erbaut bzw. erneuert?  
26.) Ob die unter dem Vorraum der jetzigen Kapelle erhaltenen Mauerfragmente von einer frühen Kapelle stammen oder lediglich Reste von dem ersten Altarraum von 1681 darstellen (s. u.), müßte untersucht werden (Abb. 9). Vgl. Akten zur Restaurierung der Hl. Grabkapelle 1997 / 98, Erzbischöfl. Bauamt, Freiburg / Br. sowie Mitteilungen von techn. Leiter Richard Schill, Erzbischöfl. Bauamt, Freiburg.  
27.) Vgl. zu Hl. Grabkapellen v. a. Dalman, Gustav: Das Grab Christ: in Deutschland. Leipzig 1922 und Kirschbaum, Engelbert. Braunfels, Wolfgang (Hrsg.): Lexikon der christlichen Ikonografie. Rom-Freiburg-Basel-Wien 1968 - 1976, Bde. 1 - 8. hier: Bd. 2, Stichwort: Grab, Heiliges.  
28.) Im deutschen Sprachraum war es nicht unüblich, die in der Barockzeit entstandenen Hl. Grabkapellen mit einem Tonnengewölbe, das für Typik und Funktion dieses Raumes angemessen schien, zu versehen (siehe Anm. 27, Dalman).  
29.) Eine Baunaht zwischen Kammer und Vorraum verweist auf den Neuanbau des Altarraums (Mitteilungen von Restaurator Johannes Berger, Bad Krozingen und Richard Schill, Erzbischöfl. Bauamt, Freiburg).
Erhaltene Rechnungsbelege von 1716 - 18 sprechen zudem im Zusammenhang mit der Errichtung der Sieben Prozessionsstationen ("der siben Capellen auff dem Berglinsweg") u. a. von der "auffbawung ... (des) hl. grab", (... 1716, 1717, 1718 ... Specification deßjenigen, waß zur Erbawung der siben Cappellen auff dem Berglinsweg auf- gelegt worden, Blatt 2, Domänenverwaltung Gengenbach, Kirchenbaulichkeiten. Abt. 409 / Fasc. 822, GLA Karlsruhe.  
30.) Siehe Anm, 4, Wingenroth, 425.  
31.) Siehe Anm. 26, Akten, Mitteilungen Siche auch Anm. 4, Wingenroth, 425 / 27. Dieser stellt die Kosten von Jakobus- und Grabkapelle einander gegenüber. So betrug die Summe für erstere 1.356, für "das Kapellein" aber nur 15 florin.  
32.) Siehe Anm. 29, Rechnungsbelege. Natterer erbaute m. S. auch die Eckkapelle, die dieselbe Eingangsform aufweist, wie die Grabkapelle. In den obigen Rechnungsbelegen wird immerhin "dem Maurer für die dritte Cappelle auffzubauen" 12 fl. bezahlt. Blatt 5. Die Eckkapelle birgt, gleich der Jakobuskapelte, ein wertvolles Kruzifix von Philipp Winterhalder, welches in letztgenannter unterhalb des Chorbogenscheitels hängt.  
33.) Siehe Anm. 29. Die Rechnungen nennen 5 fl. 9ß, die "dem Mahler von Offenburg für ... daß hl. grab zu mahlen" bezahlt wurden, Blatt 4. Die Forschungen nach dem Namen des Künstlers blieben bislang ergebnislos.  
34.) Siehe Anm, 27, Kirschbaum, Bd. I, Stichwörter: Beweinung Christi, Engel. Auf der Kreuzigungs- und Grablegungsdarstellung seiner großartigen Freskenzyklen in der Cappella degli Scrovegni in Padua verleiht Giotto als erster Künstler den Engelsgestalten starke menschliche Gefühle. Dies gelang auch dem volkstümlichen Maler aus Offenburg und seinen Restauratoren: der linke der beiden Engel verharrt ausdrucksvoll in einem Klagegestus (Abb, 11, 12).  
35.) Mitteilungen von Restaurator Johannes Berger, Bad Krozingen.  
36.) Siehe Anm. 29, Rechnungsbelege: "... dem bildthawer von kippenheimb für die bildnußs Christj in dem hl. grab bezahlt 10 fl.", Blatt 4.  
37.) Vgl. u. a.: Rechnung von 1712 mit Beilage Nr. 22 vom 27.4.1713 "für ein Neues Mutter Gottes bildt in die Kirchen nach ... Kipperheimb ... dem bildhauer Daniel Muckhensturm ... 16 fl". Die Rechnungen von 1719 / 20 nennen Bildhauerarbeiten zu einem Altar in der "Dundenheimer Capellen", für die Kirchen in Mahlberg und Friesenheim. In: Heiligenfondsrechnungen der Geistlichen Verwaltung des Badischen Oberamtes Mahlberg f. d. Jahr 1712, 62 / 908, GLA Karlsruhe.
Mitteilungen von Dieter Weis, Ettenheim.  
38.) Vgl. Brommer, Hermann: Schlettstadter Bildhauer des 18. Jhs. In: Annuaire de la Socrété des Amis de la Bibliotheque de Séléstat, 1974, 20.  
39.) Mitteilungen von Prof. Hermann Brommer, Merdingen und Dieter Weis, Ettenheim.  
40.) Mitteilungen von Restaurator Johannes Berger, Bad Krozingen.  
41.) Die Pietà ist ein Werk des 20. Jhs. und stammt aus dem Mutterhaus der Franziskanerinnen in Gengenbach.  

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Niggelturm (Niklasturm) Gengenbach


Gengenbach Niggelturm - der Niggelturm, zwischenzeitlich auch Niklausturm genannt, ist das bedeutenste Bauwerk im Zug der Befestigungsanlagen. So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt? Am Ende eines Fototages in Gengenbach und auf dem Wege zum Bahnhof wollte ich noch kurz wissen, warum man den Niggel von keiner Seite bodenständig beschauen kann.

Da liegt gegenüber der alten Post ein schmaler Eingang - darüber der Aushänger des Narrenmuseums - und ein kleines Gässchen führt nun tatsächlich in den Niggel.

"36 Meter, 132 Stufen - Der Niggelturm ist einer von fünf Türmen, die sich entlang der alten Stadtmauern um die ehemalige Freie Reichsstadt verteilen. Er ist 36 Meter hoch, und um die Balustrade im obersten Stockwerk zu erreichen, muss man über 132 Treppenstufen steigen" schreibt dazu das Narrenmuseum. In der tat in meinem Alter und meiner körperlichen Einschränkung ein "harter Weg" - ein Weg allerdings, den es sich trotz aller Mühen lohnt zu gehen.

Beim Erreichen der Balustrade wird man von einer wunderschönen Aussicht über das Städtchen überrascht und gewinnt auf einmal Einblick in die mittelalterliche Stadtstruktur, welche sich auf dem Fußweg in den Gassen so nicht erschließen lässt.

Der Niggelturm, zwischenzeitlich auch Niklausturm genannt, ist das bedeutenste Bauwerk im Zug der Befestigungsanlagen. Im 13. Jahrhundert errichtet, erhielt er beim Umbau 1582 die heutige Forrn. Er diente sowohl als Wehrturm, als auch als Gefängnis. Im Jahre 1875 verkaufte die Stadt den Turm und das Gefängniswärterhaus an Hutmacher Dippel für 120.00 Mark, der Keller und Erdgeschoß des Turmes um 1.200 Mark an die danebenliegende Brauerei Bühler weiterverkaufte. Dippel riß alles im Turm, selbst das 'Niet- und Nagelfeste' heraus und verkaufte es. Selbst vor dem sogenannten "Armsünderglöckle" im Turmhelm machte er nicht halt. Heute ist der Turm wieder ganz im städtischen Besitz. (aus: europese-bibliotheek.nl - in alten Ansichten)

Es ist der Niggelturm und seines Zeichens nichts geringeres als der schönste badische Wehrturm. Bauten dieser Art, zunächst immer trutzig und abweisend, nahmen hier und da durchaus Anlass auch zur Anbringung von Schmuckelementen. Alleine dass ein Wehrturm am Ende vor allem dem kunstvollen Ausdruck verpflichtet ward ist ausgemachte Seltenheit und deutet auf eine selbstbewusste wie vermögende Bürgerschaft. So der Niggelturm. Der Unterbau stammt noch aus dem 14. Jahrhundert, der achteckige Aufsatz und der Umgang mit reizvollster gotischer Umwehrung dagegen ergänzten zwei Jahrhunderte später. Wohl hat das Gebäu seine Bulligkeit nicht verloren, der Aufsatz aber wurde mit einer Sorgfalt bedacht, die eher an die Spitze eines Kirchturmes gemahnt. Das überhaupt bringt den entscheidenden Effekt, jene sich eigentlich widersprechende Verbindung - Wucht und kunstvolle Ausbildung. Der Niggelturm übrigens, auch das merkwürdig genug, stand als ein Wachturm innerhalb der Stadtmauern und er wurde wohl noch im 19. Jahrhundert ganz umbaut, so dass man ihn in seiner ganzen Länge nicht mehr erfassen kann. Das ganze nimmt sich den lustigen Eindruck, als sei ein Riese von Zwergen nicht nur ganz umzingelt sondern förmlich gefangen gesetzt. (badischewanderungen.de - Siddhartha Manuel Finner, Dipl. Ing. Architektur)

Historische Ortsanalyse:


Markant auf Höhe des alten westlichen Stadteingangs und hier als Eckturm der Stadtbefestigung bzw. des vormaligen Offenburger Tores stehender hoher Massivbau aus Bruchstein, dieser bis auf die Gliederungselemente (Eckquaderung, Brüstung, Gewände) verputzt; über quadratischem Unterbau mit Schießscharten errichtet und von einem oktogonalen Aufsatz mit Umgang mit Maßwerkbrüstung sowie geschweiftem Zeltdach mit Laterne bekrönt; der Zugang zum Turm erfolgt über den Hof des Anwesens Hauptstraße Nr. 39; an der ehemals stadtauswärts gewandten Südwestseite Sandsteintafel mit Gengenbacher Wappen (Fisch und Adler, bez. 1582); die ältesten Bauteile aus der Zeit um 1400 stammend und nachträglich erweitert bzw. umgebaut, u. a. 1582 sowie um 1700 (Dach und Laterne), zudem 1978 / 79 größere Instandsetzungsarbeiten und 1982 Eröffnung des "Narrenmuseums". Der Turm als Teil des im 13. / 14. Jahrhundert errichteten Befestigungssystems (§ 28 Sachgesamtheit Stadtmauer und Graben) und als wichtige, die südwestliche Stadtansicht prägende bauliche Dominante ist von hohem Zeugniswert für die Stadtgeschichte und Stadtgestalt. (Denkmalpflege BW - Historische Ortsanalyse Gesamtanlage Gengenbach, Ortenaukreis)

Zweieinhalb Jahrhunderte lang dienten die nach außen wie nach innen vielfältigen Befestigungsanlagen Gengenbachs zu Schutz und Schirm von Kloster und Bürgerschaft. Doch den Kriegsstürmen des 17. Jahrhunderts waren auch sie nicht gewachsen. Die schwerste Leidenszeit des Dreißigjährigen Krieges bildete das Jahr 1643 mit der Besetzung der Stadt durch die Truppen des Herzogs Bernhard von Weimar, die bei ihrem Abzug die drei Tortürme in Brand steckten und einige Rondelle auseinandersprengten. Dies sollte aber nur der Auftakt sein, denn im pfälzischen Erbfolgekrieg mußte auch Gengenbach das Schicksal aller dem Rheine entlang gelegenen befestigten deutschen Städte teilen. Im Zuge der Verwüstung der Ortenau im Jahre 1689 wurde Gengenbach so gründlich zerstört, daß "alle Gebäu sammt dem Kloster und der Kirchen völlig abgebrannt, daß nit ein einzigs Häusle in der Stadt stehen geblieben...". Um den Verteidigungswillen der Stadt weitgehend zu brechen, wurden an verschiedenen Stellen breite Breschen in die Stadtmauer gelegt, die niemals mehr geschlossen worden sind. Denn die weitere Entwicklung der Kriegstechnik nahm der Stadtmauer ihre eigentliche Bestimmung. So wurden zwar im Rahmen des Wiederaufbaues der Stadt und des Klosters an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, welchem wir mit dem Turm der Klosterkirche einen der schönsten Barocktürme, die es überhaupt gibt, zu verdanken haben, auch die Tortürme wiederhergestellt und mit Dächern versehen; aber die Stadtmauern gerieten langsam in den Zustand der Vergessenheit, zumal da sie an vielen Stellen mit Wohnhäusern überbaut wurden, während Zwinger und Glacis [strategisches Vorfeld] zu Nutzgärten verwendet worden sind.

Ein flüchtiges Beschauen der Stadt läßt daher ihre Befestigungen kaum mehr gewahr werden. Indessen zeigt schon der Stadtplan, daß im Verlauf der Straßenzüge, der Häuserreihen und ihrer Baufluchten die Befestigungsanlagen allermeist noch ablesbar sind. Biegt man beim Wandern durch die Stadt von den Hauptstraßen einmal ab, um die bescheideneren Seitenstraßen und die fast verborgenen Gassen zu sehen, dann wird man sich plötzlich bei der Vielzahl vorhandener Mauerreste und in den Hofräumen, die den Maßen des alten Zwingers entsprechen, der Mächtigkeit der Stadtbefestigung erst richtig bewußt. So erkennt man hinter den Wohnhäusern auf der Südseite der Goldschmiedegasse, die erst nach einer schweren Feuersbrunst im Jahre 1789 den Namen "Feuergäßle" erhielt, den Zwinger mit der heute von Efeu übersponnenen Zwingermauer, vor der sich der ummauerte Wall entwickelte, mit dem Abflußgraben und mit der inneren Stadtmauer, an deren Stelle heute die Wohnhäuser stehen. Fast noch einprägsamer aber ist das Bild des Zwingers bei den Hintergebäuden der Grundstücke entlang der Hauptstraße in der Nähe des Niklasturmes. In zwei skizzenhaften Gegenüberstellungen zeigen wir den Zwinger zur Zeit des ausgehenden 14. Jahrhunderts und in seinem heutigen Zustand. Hier empfinden wir das Bedauerliche, daß an keiner Stelle der Inneren Stadtmauer der Wehrgang in seiner einfachen Holzkonstruktion mit Satteldach als bekrönendem Bauelement mehr vorhanden ist, wie es in dem unweit gelegenen Zell am Harmersbach noch der Fall ist. Der Wehrgang auf der Zeller Stadtmauer zeigt, wie auch die Gengenbacher Stadtmauer etwa ausgesehen haben muß; Otto Linde hat im Jahre 1907 für das Wingenroth’sche Kunstdenkmälerwerk die Stadtmauern beider Städte untersucht und maßgerecht aufgenommen und dabei die Ähnlichkeit der beiden Anlagen festgestellt.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Stadt Gengenbach sich entschließen könnte, diesem Stück Zwinger beim Niklasturm durch Bereinigung des derzeitigen unschönen Zustandes und Anlegung einer einheitlichen Grünfläche wieder sein ursprüngliches Aussehen zu geben. Denn selten kann heute noch in einer mittelalterlichen Stadt die Verteidigungsanlage in solch imponierender Größe vor Augen geführt werden, wie gerade an dieser Stelle des Zwingers. Es wäre das eine Ergänzung der großartigen Leistungen, welche die Bürgerschaft jüngst zur Wiederherstellung ihres historischen Stadtbildes aufweisen kann. Hoch über die Dächer der Altstadt ragt der Niklasturm empor. Er soll erst Ende des 14. Jahrhunderts errichtet worden sein im Zusammenhang mit dem Bau der großen Stadtbefestigung zum Schutze ihrer exponiertesten Stelle an der Südwestecke der Stadt, wo sie mit allen Mauern und dem Zwinger im rechten Winkel umbiegen mußte, um scharf nach Norden weiterzuziehen. Sein schweres Buckelquadermauerwerk weist jedoch eigentlich auf eine frühere Erbauungszeit hin. Der Turm stand hart in der Ecke der Inneren Stadtmauer und hatte mehrerlei Aufgaben zu erfüllen. In seinem mächtigen quadratischen Unterbau befanden sich die Stadtgefängnisse. Über dem Turmschaft baut sich ein zweigeschossiger Achteckturm mit steilem Pyramidendach auf, dessen reiche architektonische Gestaltung dem Meister des Marktbrunnens vor dem Rathaus Ende des 16. Jahrhunderts zuzuschreiben ist und welcher die zweite Aufgabe des Turmes leicht erraten läßt, Repräsentant der Stadt Gengenbach für alle aus der Richtung Offenburg zu Pferd, mit dem Wagen oder zu Fuß Ankommenden zu sein. Es darf nicht vergessen werden, daß zu jener Zeit der späterhin alles überragende barocke Kirchturm der Abtei noch nicht vorhanden war und somit der Niklasturm der erste Turm war, den die talaufwärts Reisenden zu Gesicht bekamen. Deshalb ist die nach der Straße zu schauende Achteckseite des unteren der beiden Turmgeschosse mit einer reichgeschmückten Wappenkartusche geziert, welche über den Insignien des Reiches und der Stadt folgende Inschrift trägt:

WOL DER STAT DIE GOTT VOR AV
GEN HAT VND AVF IHN BAVT DIE WIRT
NIMMERMER BERAVBT ANNO 1582 JAR

Bekrönt wird dieses Geschoß von einer Maßwerkbrüstung mit noch aus der Gotik entlehnten Fischblasenmustern, welche auf einem Rundbogenfries aufsitzt. Der Kuriosität halber darf nicht verschwiegen werden, daß nach dem Zwinger zu sich an der Außenwand des unteren Geschosses der quasi in freier Luft schwebende Aborterker für den Türmer befand, der heute noch erhalten ist. Das obere Achteckgeschoß tritt um etwa 70 cm hinter das untere zurück, um hinter der Maßwerkbrüstung einem Umgang Platz zu machen, von dem aus der Türmer allabendlich sein "Laufher" ins Land hinausrufen mußte, um auf das baldige Schließen der Stadttore aufmerksam zu machen. Über dem zweiten Achteckgeschoß erhebt sich eine hohe steile Achteckpyramide, die in der Barockzeit nochmals eine kleine Laterne mit Zwiebelhaube erhalten hat. Alles in allem aber lag die Hauptaufgabe des Turms im Schutze des unmittelbar neben ihm liegenden Offenburger Tores. Wie schon erwähnt, ist dieses Tor selbst der Abreißwut des vergangenen Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Die Erinnerung an seine architektonische Gestalt wird nunmehr durch ein Bild aufrecht erhalten, welches am Hause "Bühler" (dem jetzigen Haus Pfannkuch) an der Ecke Hauptstraße und Bundesstraße 33, also am Beginn des Altstadtbezirks, angebracht worden ist. Das von den Werkstätten V. Metzger, Überlingen, in Sgraffito-Technik geschaffene Bild stellt das Tor in Schrägansicht dar mit einem zur Zeit des Herbstens in die Stadt einfahrenden Weinfässergespann, ein Hinweis darauf, daß die Stadt einst ihren Wohlstand unter anderem auch dem edlen Rebengewächs zu verdanken hatte. Warum soll nicht auch einmal auf die Ausdrucksweise der Romantik zurückgegriffen werden? Dieses Haus "Bühler" steht mit einer Traufseite auf den Substruktionen der Inneren Mauer. Noch heute ist in seinem Keller die Quaderung zu sehen. (aus: Die Stadtbefestigungen von Gengenbach - Von Martin Hesselbacher, Freiburg i. Br. Bd. 3 Nr. 3 (1960): Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg – Organ der Staatlichen Ämter für Denkmalpflege )

Narrenmuseum im Niggelturm


Hauptstr.39
77723 Gengenbach
telefon 07803-930143
fax 07803-930142
email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Preise:
blueCircle Erwachsene 3,00 Euro
blueCircle Kinder von 6-14 Jahre 1,00 Euro
blueCircle Gäste 2,50 Euro
Öffnungszeiten
blueCircle Mo 15:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Di 15:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Mi 14:00 Uhr - 17:00 Uhr - April bis Oktober
blueCircle Mi 15:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Do 15:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Fr 15:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Sa 12:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent
blueCircle Sa 14:00 Uhr - 17:00 Uhr - April bis Oktober
blueCircle So 11:00 Uhr - 17:00 Uhr - April bis Oktober
blueCircle So 12:00 Uhr - 18:00 Uhr - Im Advent

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