Dr. Hermann Wiedtemann: Zur Geschichte der Lahrer Stadtbibliothek


Dr. Hermann Wiedtemann: Zur Geschichte der Lahrer Stadtbibliothek - Der Altvater - Heimatblätter der "Lahrer Zeitung", 1954 - I


Der der Vollendung entgegengehende "Pflug"-Umbau und die damit zusammenhängende würdigere Unterbringung der Stadtbibliothek sei Anlaß, einmal in einem Ueberblick die Entwicklung dieser Lahrer Bücherei darzustellen, die sich seit mehreren Jahrzehnten bemüht, ihre Aufgabe als kulturelle Institution zu erfüllen.

Bei dieser Darstellung muß berücksichtigt werden, daß bis 1934 in Lahr zwei öffentliche Büchereien nebeneinander bestanden, in diesem Jahre aber die ältere Schillerbibliothek in die auf Jamms testamentarische Stiftung zurückgehende Stadtbibliothek aufging. Deshalb soll hier in einigen Fortsetzungen über beide Bibliotheken nacheinander berichtet werden.

1. Die Schillerbibliothek (1859 - 1934)

1859 wurde auch in Lahr der 100. Geburtstag Schillers festlich begangen. Am Abend des 9. November versammelte man sich auf dem Schutterlindenberg, und Wilhelm Schubert hielt die Feuerrede. Im Kasinosaal gab der Lahrer Singkreis ein Konzert, in dem Schillers "Lied von der Glocke" zum Vortrag gelangte. Am Morgen des 10. November bewegte sich unter der Teilnahme von Behörden, Vereinen und Schulen ein Festzug durch die geschmückte Stadt zum "Neuen Weg", der von Bürgermeister Langsdorff in Schillerstraße umbenannt wurde. Die Festrede hielt Gymnasiumsdirektor Gebhardt. Ein Feuerwerk beschloß den festlichen Tag.

Ueber ihn hinaus hielten, außer dem Straßennamen, der aus diesem Anlaß gegründete Schillerverein und seine Bibliothek das Gedenken wach. In den am 8. Januar 1860 beschlossenen Statuten dieses Vereins fand das folgendermaßen seinen Ausdruck:

"§ 1. Zum bleibenden und in stets neuem Segen wiederkehrenden Gedächtniß Friedrich Schillers, dessen hundertjähriges Geburtsfest am 10. November 1859 gefeiert wurde, gründen heute die unterzeichneten hiesigen Bürger und Einwohner durch Annahme vorliegender Statuten unter Hinweisung auf die Verhandlungen, welche vor dem 10. November d. J. in verschiedenen Sitzungen des Fest-Komitees stattgefunden haben, einen Verein zur Errichtung einer Schiller-Bibliothek, welche vorzugsweise bestimmt ist, der Jugend im früheren wie im reiferen Alter unentgeltliche Gelegenheit zur Belehrung und Unterhaltung zu bieten ..."

§ 14 bestimmte, daß das gesamte Vermögen des Vereins im Falle einer Auflösung der Stadtgemeinde zufalle".

Unterzeichnet waren die Statuten von K. Kroell als Vorstand, J. G. Meyer als Bibliothekar, K. Haas als Rechner, F. Schulderer als Schriftführer, ferner von H. Caroli, J. Kaiser, J. Leser, K. A. Wäldin, W. Schubert und M. Schauenburg. Am 4. April 1860 konnte der Vorstand der Schillerbibliothek dem Lahrer Gemeinderat berichten, daß die Arbeiten soweit gediehen seien, daß mit dem Entleihen von Büchern begonnen werden könne. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß die Beteiligung "an diesem populären Unternehmen" recht erfreulich war. Es waren Bücher angeschafft und gebunden worden. Damit aber waren die Einnahmen des Schillervereins nahezu erschöpft, so daß es ihm nicht möglich war, aus eigenen Mitteln auch einen Raum für die so geschaffene Bibliothek zu mieten. Der Vorstand ersuchte deshalb den Gemeinderat, ihm für ihre Aufstellung einstweilen kostenlos einen Raum zur Verfügung zu stellen. Er schlug dafür ein Zimmer im neuen Schulhaus vor, in dem sich nur ein Kasten zur Aufbewahrung alter Instrumente und Musikalien befand. Da jede Woche nur einmal Bücher ausgegeben werden sollten, werde der Schulunterricht darunter nicht leiden.

So fand denn die Schillerbibliothek zunächst in der Volksschule Aufnahme und entfaltete, wie aus den Akten hervorgeht, eine "gedeihliche Thätigkeit". Aber auf die Dauer wurden die Verhältnisse für sie in der Schule unhaltbar. Der Verwaltungsrat, dem zwölf Jahre später u. a. Friedrich Geßler, Direktor Fehrle und Kaufmann Stoeßer angehörten, wandte sich deshalb im Oktober 1872 an den Gemeinderat mit der Bitte, der Bibliothek einen geeigneteren Raum zuzuweisen. Sie befinde sich jetzt mit ihren drei Schränken in einem Klassenzimmer. Der Schulstaub sei den Büchern schädlich, die Schränke könnten nicht genügend gelüftet werden, und außerdem stehe das Zimmer nicht jederzeit zur Verfügung. Die Bestände der Bibliothek seien teils aus eigenen Mitteln des Vereins, teils aus Geschenken beträchtlich vermehrt worden. Ihre Unterbringung in den bisherigen Schränken sei unmöglich. Es könne aber in dem Raum kein weiterer Schrank aufgestellt werden. Es erscheine deshalb "als zeitgemäß, an eine geeignetere Aufstellung der Bibliothek überhaupt zu denken. Eine solche würde sich am Besten dadurch bewirken lassen, daß ein eigenes passendes Local angewiesen würde, in welchem die Bücher frei auf Schäften aufbewahrt wären". Das Schreiben, das wohl Direktor Fehrle zum Verfasser hatte, begründete sein Anliegen an den Gemeinderat mit der Feststellung, die bis zum heutigen Tag für jede Volksbücherei gilt: "Es läßt sich nun gewiß nicht leugnen, daß die Erhaltung und Unterstützung eines so gemeinnützigen Unternehmens entschieden im Interesse der Stadtgemeinde liegt. Eine ungezählte Menge hiesiger Einwohner, besonders der mittleren und untern Stände, schöpft Erholung und Belehrung aus den geistigen Schätzen, welche die Bibliothek bereits bietet und immer mehr zu bieten verspricht. ... Wenn darum der Verwaltungsrath der Schillerbibliothek mit gegenwärtiger Darstellung sich an den Gemeinderath wendet, so geschieht dies in der Ueberzeugung, daß die vorgetragene Angelegenheit den Werth einer öffentlichen ohne Zweifel an sich trägt und deshalb auch eine wirksame Unterstützung der städtischen Behörden verdient." Man erlaube sich deshalb, das Wohlwollen und die Aufmerksamkeit der Lahrer Gemeindekollegien für die Sache der Bibliothek in Anspruch zu nehmen. Die Gemeindebehörde würde damit "an einem nicht unwichtigen Theile des Gemeindewohles ihre freundliche Theilnahme beweisen und sich den weitesten Kreis hiesiger Bewohner zum Danke verpflichten".

Der damalige Gemeinderat beschloß, dieser Bitte "bereitwilligst" zu entsprechen, sobald die erforderlichen Räume vorhanden seien, was in nächster Zeit der Fall sein dürfte.

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Im Januar 1876 berichtete der Verwaltungsrat der Schillerbibliothek in einer Eingabe an den Gemeinderat über den Stand der Bibliothek, daß sie jetzt 2055 Bände umfasse. Die Mitgliederzahl belaufe sich auf über 350, "meist Familienväter aus fast allen Ständen und Berufsarten", die für sich und ihre Angehörigen von der Gelegenheit, gute Bücher zu entleihen, eifrigen Gebrauch machten. Auch an Unbemittelte, denen die Beitragsleistung zu schwer fiele, würden Bücher ausgegeben. Die Tatsache, daß wöchentlich einige hundert Bände ausgeliehen wurden, beweise, "daß die Bibliothek für eine sehr große Anzahl hiesiger Einwohner ein wahres Bedürfniß ist". Zu dessen Befriedigung aber genüge der Umfang der Bibliothek nicht mehr. Außerdem seien bei der häufigen Benutzung die Bücher sehr bald reparaturbedürftig oder müßten durch neue Exemplare ersetzt werden. Diese Ausgaben aber könne der Schillerverein aus seinen Beiträgen allein nicht mehr bestreiten. So sei der weitere Ausbau der Bibliothek gehemmt, und sie könne mit dem steigenden Bedürfnis nicht Schritt halten. Der Gemeinderart wurde deshalb um eine jährliche Unterstützung gebeten. Dabei möge dieser berücksichtigen, daß der Schillerverein nur das allgemeine Beste im Auge habe und daß eine solche Unterstützung seiner Bibliothek kein nutzlos gebrachtes Opfer sei, sondern zum Segen der Einwohnerschaft gereiche. Es wurde vorgeschlagen, ihr diese Unterstützung möglicherweise aus den Zinsen der Jammschen Stiftung zur Gründung einer städtischen Bibliothek in Form eines jährlichen Beitrags zukommen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß man sich über die Art der zu gründenden Stadtbibliothek anscheinend noch nicht klar war. Denn der Verwaltungsrat bemerkte, daß sie, soviel ihm bekannt sei, "nicht eigentlich eine öffentliche (Bibliothek) mit Ausleihung der Bücher werden" solle. Bezüglich der Schillerbibliothek aber wurde darauf hingewiesen, daß auch sie in gewissem Sinne eine städtische Bibliothek sei, da sie aus der Initiative der Bürgerschaft entstand und Eigentum der Stadtgemeinde werde, wenn die Mitgliederzahl einmal unter 20 sinke.

Der Gemeinderat bewilligte daraufhin "zur Kostenbestreitung und Hebung" des Vereins einen jährlichen Zuschuß für die Bibliothek, der im Bedürfnisfall angewiesen werden sollte. Eine Summe wurde nicht festgesetzt, und es scheint, daß es auch bei einer einmaligen Zuwendung blieb. Denn der Verwaltungsrat führte in einem Schreiben vom 7. November 1883, also etliche Jahre später, aus, daß es die 1876 zugewendeten 200 Mark der Bibliothek ermöglicht hätten, die in jenem Jahre erforderlichen größeren Ausgaben für die Instandhaltung zu bestreiten, der Verwaltungsrat sich aber in den folgenden Jahren bemüht habe, mit den aus den Beiträgen fließenden Mitteln auszukommen. Das sei nur möglich gewesen, indem man sich auf ein Minimum an Neuanschaffungen beschränkte und die Reparaturarbeiten verzögerte. Eine gründliche Revision habe nun eine solche Masse von schadhaften Büchern festgestellt, daß die eigenen Mittel zur Deckung der Kosten nicht ausreichten. Man bat um erneute Unterstützung von seiten der Stadt. Hinzugefügt wurde die dringliche Bitte, "wenn immer es einem verehrlichen Gemeinderathe thunlich erscheint, noch etwas für Anschaffung neuer Werke geneigtest zulegen zu wollen". Es blieb aber bei der Bewilligung von 200 Mark zur Unterhaltung bzw. Instandsetzung. Und im Oktober des folgenden Jahres sah sich Theodor Leser als Vorstand der Schillerbibliothek wiederum genötigt, um einen Zuschuß zu bitten. Er wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß seit dem Bestehen der Jammschen Stadtbibliothek die freiwilligen Beiträge sehr zurückgegangen seien, während die Benützung der Schillerbibliothek nach wie vor sehr rege sei. Das sei der beste Beweis, "wie sehr dieselbe einem vorhandenen und gewiß sehr löblichen Bedürfnis entspricht". Theodor Leser ging dabei auf den Unterschied der beiden nun nebeneinander bestehenden Bibliotheken ein und äußerte sich darüber folgendermaßen: "Da die Jammsche Stadtbibliothek mehr Werke ernsten Genres' und der höheren Literatur pflegt, womit dem Unterhaltungsbedürfniß der Mehrzahl des Schillerbibliothek-Publicums wenig entsprochen ist, und da überdies eine noch stärkere Frequenz der Stadtbibliothek auch gar nicht im Intereße der Erhaltung der dortigen Werke liegen möchte, - so glauben wir, daß unsere Schillerbibliothek um so mehr ein Recht hat fortzubestehen und sich zeitgemäß weiter zu entwickeln, als sie seit den bald 25 Jahren ihres Bestehens des Guten sicherlich viel gewirkt hat." Es wurde jedoch diesmal lediglich ein Zuschuß von 100 Mark bewilligt, und die Bitte mußte Jahr um Jahr wiederholt werden. Es sei nicht im einzelnen aufgeführt, wie angespannt die Lage heständig blieb.

Am 31. Dezember 1890 war der Vorstand erneut genötigt, Vorstellungen zu erheben. Er sah sich in der Zwangslage, zu bitten, entweder das weitere Bestehen der Bibliothek nun durch eine regelmäßige Jahressubvention zu ermöglichen oder aber die Bibliothek in irgendeiner Form "auf die Stadt zu übernehmen". Er appellierte dabei an den Gemeinderat u. a. mit folgenden Sätzen: "Die Stadt Lahr hat ein hohes moralisches Interesse daran (,) die Schillerbibliothek vor dem allmäligen Zerfall zu bewahren, denn der größte Theil der Mitglieder der Anstalt zählt zu den unteren Klassen des Volkes, und diesen lesebedürftigen Mitmenschen anstelle der überall leicht käuflichen, ja oft umsonst zu habenden staats- und gesellschaftsunterwühlenden socialdemocratischen und ähnlichen Schriften - eine gute herz- und gemüthbildende Lecture billig und leicht zugänglich zu machen, das ist gewiß eine eines Opfers werthe dankund segensreiche Aufgabe einer um das Gemeinwohl besorgten Stadtvertretung..... An verehrl. Stadtrath stellen wir daher neuerdings das eingangs dieses bereits erwähnte höfl. Ersuchen, den Fortbestand der Schillerbibliothek auf irgendeine Art zu ermöglichen ..." Unterzeichnet ist diese Vorstellung von Theodor Leser, Karl Schnitzler, Bingert, Finkenbeiner, F. Schöpfer z. Löwen, Fortwängler, Robert Kaufmann, Otto Flüge und August Caroli. Sie wurde unterstrichen durch einen Aufruf an die Öffentlichkeit in der "Lahrer Zeitung" vom 4. Januar 1891. Der Stadtrat aber beschloß am 13. Januar lediglich, der Schillerbibliothek einen Zuschuß von 200 Mark aus der Stadtkasse zu bewilligen und ihr die "abgängigen Bücher der Stadtbibliothek" zukommen zu lassen. Erst auf eine weitere Anfrage wurde eine jährliche Zuwendung beschlossen und zugestanden.

In seiner Eingabe vom 31. Dezember 1890 hatte der Vorstand auch darauf hingewiesen, daß die Herren Caroli und Spitalverwalter Meurer an zwei Tagen in der Woche die Bücherausgabe besorgten und jeder dafür eine Entschädigung von 100 Mark erhalte. Das erschien dem Stadtrat ein zu hoher Personalaufwand. Er beschloß daher im September 1892, vom Schillerverein zu wünschen, daß diese beiden Bibliothekare ihrer Stellung enthoben würden und dafür ein jüngerer Lehrer gegen eine Vergütung von höchstens 50 Mark eingestellt werde. Im August 1893 ist dann im neuen Büchereiverzeichnis auch nur noch ein Bibliothekar (Hauptlehrer Friedrich Holoch) aufgeführt und die Ausgabezeit auf wöchentlich eine Stunde beschränkt.

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Im Sommer 1894 wurde die Schillerbibliothek verlegt, da das Schulhaus am Marktplatz, in dem sie untergekommen war, abgebrochen werden sollte. Der Stadtrat wies ihr den bisherigen Raum der Volksküche in der alten höheren Töchterschule (Marktstr. 32) zu. Im Januar 1895 kam dazu ein Lesezimmer, das während der Wintermonate täglich von 1/8 8 bis 10 Uhr abends und sonntags von (1?) bis 10 Uhr unentgeltlich für jedermann geöffnet war. Neben den Lahrer Tageszeitungen wurden Fachblätter und eine Anzahl unterhaltender und illustrierter Wochen- und Monatsschriften, ferner die Schauenburgschen Volksbücher und geeignete Werke aus der Bibliothek selbst aufgelegt. Schon nach einigen Tagen berichtete die "Lahrer Zeitung", daß sich dieses Lesezimmer eines sehr regen Besuchs erfreue. Im ersten Monat wurden 890 Besucher gezählt. Von April bis November blieb das Lesezimmer geschlossen, am 1. Dezember aber wieder geöffnet.

Am 14. November 1896 wird von einer Generalversammlung der Schillerbibliothek im "Rappen"-Saal berichtet, bei der Theodor Leser als Vorsitzender über die Tätigkeit und den Zustand der Bibliothek berichtete. Lebhafte Zustimmung fand der Vorschlag, daß der Schillerverein in Zukunft öffentliche Vortragsabende veranstalten solle. Es wurde als Vorsitzender Theodor Leser, als Bibliothekar Hauptlehrer Holoch, als Rechner Kontrolleur Finkenbeiner wieder- und als Schriftführer Fabrikant Schnitzler neugewählt. Beisitzer wurden Stadtrat Frank, Fabrikant Kiefer, Rentner Th. Kramer, Fabrikant Morstadt, Fabrikant Karl Nestler und Rektor Dr. Sütterlin. Der einzige noch lebende Mitbegründer, Medizinalrat Kroell, wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt. Auf Beschluß dieser Generalversammlung wurde an den Stadtrat die Bitte gerichtet, zur reicheren Ausstattung des Lesezimmers und der dringend erforderlichen Vervollständigung der Bibliothek einen weiteren Zuschuß zu gewähren, wobei der Vorstand seinen früheren Vorschlag wiederholte, der Schillerbibliothek die Eintrittsgelder der Stadtbibliothek zu überlassen. Das geschah unter der Bedingung, daß die Schillerbibliothek der unentgeltlichen Benützung durch das Publikum zugänglich gemacht werde. Das wurde dadurch herbeigeführt, daß die Mitgliedschaft in der Bibliothek von der im Schulerverein unabhängig gemacht wurde.

Auch weiterhin war manche Schwierigkeit zu bewältigen. So machte 1906 die Einrichtung des stets gut besuchten Lesezimmers Sorge. Es wurde dem Stadtrat vorgetragen, daß es dringend eines neuen Ofens bedürfte, da der jetzige baufällig und beinahe feuergefährlich sei. Ferner sei das Lesezimmer früher mit Stühlen der Aula ausgestattet gewesen, jetzt aber seien alte und wackelige Bänke hereingestellt worden, deren Sitze und Beine gleich schadhaft seien. Es wurden daraufhin die Bänke repariert. Ofen und Stühle sollten in den Voranschlag für 1907 aufgenommen werden.

Die Schillerbibliothek nahm - stellen wir immer wieder fest - ihre Aufgabe sehr ernst. So wurde z. B. der Erlös aus den bei der zum 150. Geburtstag Schillers veranstalteten Feier im Stadttheater verkauften Programmen als Grundstock für die Einrichtung einer Jugendbibliothek verwendet, "um damit noch mehr als bisher schon der Verbreitung von Schundliteratur entgegenwirken zu können". Wiederholt erfahren wir von Vorträgen, die veranstaltet wurden, darunter auch solche mit Lichtbildern.

Im April 1912 brachte der Bibliotheksvorsitzende Theodor Leser im Bürgerausschuß zur Sprache, daß der Bibliotheksraum viel zu klein sei. Für seine Erweiterung schlug er vor, daß das Zimmer der Schulzahnklinik, die vielleicht anderweitig untergebracht werden könne, hinzugenommen werde. Das Stadtbauamt erhielt deshalb im Juli von Oberbürgermeister Dr. Altfelix den Auftrag, die Möglichkeiten zu überprüfen. Es wurde erwogen, die Zahnklinik in die Friedrichschule zu verlegen. Aber auch damit war die Platzfrage nicht gelöst, wie aus einem Schreiben an den Stadtrat vom 18. Oktober 1912 hervorgeht. Darin wird berichtet, daß sich ergeben habe, daß das der Bibliothek am Schloßplatz eingeräumte Zimmer bei weitem nicht mehr ausreiche. Eine große Zahl von Büchern sei auf einem Schaft inmitten des Zimmers untergebracht, und unter deren Gewicht habe sich der Fußboden über dem Spritzenraum bedenklich gesenkt. Außerdem könnten einige hundert Bücher überhaupt nicht mehr in die Schäfte eingereiht werden. Der zugedachte Raum der bisherigen Zahnklinik aber sei mit Rücksicht auf den Platz, der bei dem Durchbruch einer Türöffnung auf beiden Seiten verlorengehe, ebenfalls zu klein. Es wurde deshalb vorgeschlagen, von dem bisher als Lesezimmer verwendeten Raum den vorderen, nach dem Schloßplatz liegenden Teil zur Bibliothek hinzuzunehmen, eine Holz- oder Gipswand einzuziehen und mit einer Schaltertüre zu versehen. Damit könne wenigstens für einige Zeit den Bedürfnissen der Bibliothek Rechnung getragen werden.

In diesem Zusammenhang tauchte der Plan auf, die Schillerbibliothek in den "Pflug" zu verlegen. Eingang und Lesezimmer waren in der Lindenstraße vorgesehen, die Bibliothek im Raum der heutigen Volksküche. Die Kosten dafür aber erschienen dem Stadtrat zu hoch, und der Schillerverein zog die zentrale Lage am Schloßplatz vor. Da aber zu jener Zeit an die Errichtung einer größeren öffentlichen Lesehalle in Lahr gedacht wurde, erschienen auch ihm für ein solches Provisorium die Umbaukosten zu hoch. Außerdem befürchtete man, daß die zu schaffenden Räume zuwenig Tageslicht hätten. Man beschloß also, die geringeren Veränderungen in den bisherigen Räumen am Schloßplatz vorzunehmen.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Raumfrage wieder akut. Die Schillerbibliothek war im 2. Stock des Lebensmittelamtes untergebracht, aber es war öfters von ihrer Verlegung die Rede. Der Schillerverein wies darauf hin, daß das mit erheblichen Kosten verbunden sei und die Bücher durch den öfteren Umzug Schaden litten. Er bat deshalb, davon Abstand zu nehmen. Aber der Stadtrat verfügte im Dezember 1919, daß die Schillerbibliothek in den von der Firma Lotzbeck im Hause Kaiserstraße Nr. 44 im Erdgeschoß zu mietenden Räumen unterzubringen sei. Ihre bisherigen Räume sollten dem Lebensmittelamt zugewiesen und die dann freiwerdenden dem Arbeitsamt eingeräumt werden. Den Mietzins übernahm die Stadt. Am 23. Januar 1920 meldete der damalige Bibliothekar (D. Hetzel) dem Stadtrat, daß der Umzug beendet sei, und fügte dazu: "Möge der Zustand von Dauer sein."

Im Dezember 1922 jedoch kündigte die Firma die vermieteten Räume wieder, da sie diese dringend benötige. Die Kündigung war auf den 30. Juni 1923 ausgesprochen. Es scheint schwierig gewesen zu sein, geeignete Räume zu finden. Eine Möglichkeit ergab sich erst im Mai 1923. Da bat Stadtschulrat Sauer als Vorsitzender des Schillervereins den Stadtrat um die Ueberlassung von Räumen der aufgehobenen Privatrealschule. Der Oberbürgermeister forderte daraufhin vom Stadtbauamt die Vorlage des Planes über den Südflügel des Spitalgebäudes in der Bismarckstraße an. Dort zog die Schillerbibliothek ein, aber es dauerte bis zum Herbst 1927, bis die nötige Beleuchtung und eine Verbindung der beiden Räume hergestellt wurde!

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Ein Schreiben vom Februar 1931 gestattet' einen Blick in die mißliche Lage der Schillerbibliothek zu dieser Zeit. Es wurde darin festgestellt, daß der sie tragende Schillerverein sich in dauerndem Rückgang befinde. "Vor 70 Jahren von einer ideal begeisterten, opferfreudigen Bürgerschaft unserer Stadt ins Leben gerufen, sollte er in kulturell förderndem Sinne tätig sein.... Eine zahlreiche Mitgliedschaft schuf die finanzielle Grundlage. Die Vorträge fanden freudigen Anklang, die Schillerbibliothek aber nahm einen schönen Aufschwung und wies nach einem alten Katalog über 10.000 Nummern auf. Zahlreiche Stiftungen von privater Seite führten viele literarischen Werke der Bibliothek zu. Diese schöne Entwicklung wurde durch den Krieg unterbrochen. Mehrfacher Lokalwechsel während der Kriegs und Inflationszeit führte zu schweren Verlusten und Beschädigungen des Bücherbestands. Der Wiederaufbau verursachte viel Schwierigkeiten und verschlang die vorhandenen Ersparnisse. Leider schwand aber auch bei der hiesigen Bevölkerung das früher bekundete lebhafte Interesse für den Schillerverein. Die vielen Austritte bedingten dessen starken Rückgang. Es fehlen die notwendigen Mittel, um die Bibliothek einigermaßen leistungsfähig zu erhalten. Nur durch die erfreuliche Zuwendung des Palastkino-Besitzers Friedrich Farr, der etwa RM 320.- aus den Einnahmen der veranstalteten Kulturfilme dem Schillerverein zuführte, war es möglich, im Jahre 1929 eine schöne Anzahl neuer Bücher zu beschaffen." Die eingehenden Mitgliedsbeiträge reichten nicht mehr aus, die, wenn auch stark reduzierten Unkosten zu decken. Leider habe auch die Stadtverwaltung ihren Zuschuß gekürzt. Der Vorstand appelliert in dieser Lage an den Stadtrat: "Wir erachten es für eine wichtige Aufgabe, die Schillerbibliothek zu erhalten und durch weiteren Ausbau ihre schöne Aufgabe auch fernerhin zu ermöglichen. Denn die Bücherentleiher, deren Zahl in ständigem Wachstum begriffen ist, gehören zumeist den minderbemittelten Kreisen an, denen die Schillerbibliothek die gerne gelesenen Blücher vermittelt. Ein bescheidener Zuwachs neuer Bücher ist aber unbedingt notwendig, um wenigstens einige literarische Neuerscheinungen bieten zu können. Neben nachhaltigem Werben für neue Mitglieder hegen wir auch die Hoffnung, daß die Stadtverwaltung uns in unserem Bestreben unterstützt." Der Stadtrat wurde deshalb gebeten, im neuen Haushaltsvoranschlag einen etwas höheren Zuschuß vorzusehen. Das geschah, er blieb freilich 25% hinter der erbetenen Summe zurück, und wiederholt mußte in den Folgejahren um Vorschuß gebeten werden.

Im Sommer 1934 beschloß die Generalversammlung die Auflösung des Schillervereins. Das Vereinsvermögen fiel an die Stadt Lahr. Die Bücher wurden der Stadtbibliothek übergeben, in die die Schillerbibliothek damit aufging.

2. Die alte Stadtbibliothek (1878 - 1937)

Wie die Schillerbibliothek geht auch die Lahrer Stadtbibliothek nicht auf die Initiative der Gemeindeverwaltung zurück vielmehr auf eine Stiftung Christian Wilhelm Jamms. Er bestimmte in seinem Testament vom 15. Februar 1874 neben anderen Bedingungen, unter denen die "Lahrer Bürgergemeinde" seine Universalerbin werden sollte, "die Summe von fünfzigtausend Reichsmark zu einer städtischen Bibliothek", als deren Grundstock seine Privatbibliothek dienen sollte. (Dieser Umstand erklärt die Tatsache, daß sich noch heute in einer Reihe älterer Werke der Stadtbibliothek sein Namenszug als Eigentumsvermerk findet.)

Jamm starb am 7. Mai 1875. In Erfüllung der Testamentsbestimmung wurde im Jahre 1877 von einer Kommission, die zu ihrem Vorsitzenden Direktor Fehrle von der Höheren Töchterschule, zu ihrem Schriftführer Professor Durban und zum Kassierer Herrn Huber-Fingado wählte, die Einrichtung der Bibliothek vorbereitet. In ihrer ersten Sitzung am 1. Mai beschloß sie, das bisherige Billardzimmer der Jammschen Villa als Lesezimmer zu benutzen und die Bücherschränke im Kabinett daneben aufzustellen. Weiter sollte ein Verzeichnis der vorhandenen Bücher angelegt (es ist leider in den Akten nicht enthalten) und sollten Statuten für die Bibliothek und ihre Benutzung entworfen werden. Am 30. Juli 1877 wurde der Gemeinderat davon benachrichtigt, daß die bisherigen Bestände (Zahl oder sonstige Angaben fehlen) geordnet seien und es deshalb an der Zeit sei. mit Neuanschaffungen zu beginnen. Es solle deshalb eine halbjährige Auszahlung der Zinsen des Jammschen Bibliothekkapitals beschlossen werden. Hier gab es die ersten "Kompetenzschwierigkeiten", so daß Direktor Fehrle im November 1877 u. a. bemerkte, daß der Kommission, wenn eine solche bestehen solle, deren Mitglieder mit dem Gemeinderat nicht in Zusammenhang stünden, ihr mindestens das Recht der Bücheranschaffung zugestanden werden sollte. Ebenso gab es offenbar Meinungsverschiedenheiten über die Anstellung des Bibliothekars und des Dieners. Hier begnügte sich die Kommission schließlich mit dem Vorschlagsrecht. Der Statutenentwurf wurde deshalb in einigen Punkten geändert, nochmals vorgelegt und mit dem Ersuchen, daß darüber ein gemeinderätlicher Beschluß herbeigeführt werde, da die Kommission sonst ihr Mandat als erloschen betrachten müsse.

Als Zweck der Bibliothek gab § 3 dieser Statuten an, daß sie, den Bildungsbedürfnissen entsprechend, "ein dauerndes Bild hervorragender Erscheinungen der Literatur des deutschen Volkes" geben solle. "Wichtige Erscheinungen des Auslandes sowie die Förderung des Kunstgewerbes und der Industrie" sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Die übrigen Paragraphen enthielten Bestimmungen über die Benutzung der Bibliothek und des Lesezimmers.

Das Schreiben vom 16. November 1877 wies dringlich darauf hin, daß es im Interesse der Sache nun wünschenswert wäre, den Bibliothekar bald anzustellen, damit wenigstens mit den vorhandenen Beständen die Entleihung begonnen werden könne. Vorgeschlagen und ernannt wurde im Januar 1878 Direktor Fehrle. Er versah das Amt nur kurze Zeit. Am 16. Oktober 1878 legte er den Vorsitz in der Kommission nieder und trat als Bibliothekar zurück. Als neuen Vorsitzenden schlug er Bankvorsteher Friedrich Geßler vor. "Dieser .solle auch die Oberaufsicht über die Bibliothek übernehmen, die Bücherausgabe dagegen Stadtrechner Finkbeiner. Auch der Dichter Ludwig Auerbach solle zur Mitarbeit herangezogen werden. Das war eine Uebergangslösung. Im Februar 1879 übernahm der Nachfolger in der Leitung der Höheren Töchterschule, Pfarrer Münz, die Bibliothekarsgeschäfte. Er führte sie bis 1890.

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Die Lage der Stadtbibliothek war auf längere Zeit in räumlicher und finanzieller Hinsicht durch die Stiftung Jamms wesentlich günstiger als die der Schillerbibliothek. Sie verblieb bis zur Umstellung im Jahre 1937/38 in der Jammschen Villa, wo sich neben ihr das Naturalienkabinett (jetziges Heimatmuseum) und von 1880 bis 1907 die Geschäftsräume der Handelskammer befanden. Im Laufe der Zeit wurden einzelne räumliche Erweiterungen durchgeführt. Im allgemeinen beschwerten den Bibliothekar in den ersten Jahrzehnten des Bestehens nur kleine Sorgen. Sie vergrößerten sich erst in späteren Jahren.

Im März 1890 wurde als Nachfolger von Rektor Münz für 31 Jahre Hauptlehrer (später Reallehrer) Staub Bibliothekar. Für das Anwachsen der Bibliotheksbestände ist aufschlußreich, daß er bereits 1891 zu dem aus dem Jahre 1888 stammenden Hauptkatalog ein dreißig Seiten starkes Nachtragsverzeichnis und auf Weihnachten 1894 einen neuen, nun systematisch geordneten Katalog herausgeben konnte. Bei der Aufstellung des letzteren hatte ihn Rektor Sütterlin unterstützt. Die "Lahrer Zeitung" vom 20. Dezember 1894 bemerkte dazu:" Wir betrachten es als ein gutes Omen für unsere Stadt, daß gleichzeitig mit der Eröffnung der dampfenden Straßenbahn diese geräuschlose Arbeit zu Tage tritt, und dürfen hoffen, daß mit den Verbesserungen auf materiellem Gebiet die Pflege der geistigen Interessen stets harmonisch Schritt halten werde." 1907 wurde erneut ein 45seitiger Nachtrag in Druck gegeben. Im Jahre 1911 umfaßte die Stadtbibliothek nach einer Eingabe Reallehrer Staubs um Erhöhung seiner Vergütung 9500 Bände, und die bisherige Höchstzahl der Leser betrug in diesem Jahre 478. Auch 1914 wurde der Druck eines 35seitigen Nachtragsverzeichnisses nötig und noch im Laufe des Krieges die Vorbereitung eines neuen Katalogs. Die Bibliotheksräume waren erweitert und das Lesezimmer in das Erdgeschoß verlegt worden. Wegen Heizmaterialmangels mußte dieses schon 1917 geschlossen werden, solange die Temperatur Heizung erforderte. Im Mai 1918 wies der Bibliothekar auf den "erhöten Schalterverkehr", also die erhöhte Benutzung hin und schlug damals wöchentlich zweimal eine zweistündige Ausgabezeit vor.

Von 1920 an wurden die Mitgliedsbeiträge laufend erhöht, um ohne Einschränkung des Ankaufs von neuen Büchern im Lesezimmer Zeitschriften auflegen zu können und die erhöhten Betriebskosten einigermaßen auszukompensieren. Wiederholt mußte Reallehrer Staub um Erhöhung seiner Vergütung und der des Dieners nachsuchen. Die Bücherei war 1920 auf 11 500 Bände angewachsen.

Im Mai 1921 beabsichtigte Reallehrer Staub, sein Amt als Bibliothekar niederzulegen, erklärte sich aber bereit, es weiterzuführen, wenn ihm ein zweiter Bibliothekar beigegeben werde. Die Angelegenheit wurde nach einigen Verhandlungen in der Weise geregelt, daß Stadtschulrat Sauer ata September 1920 stellvertretender Bibliothekar wurde, der für einen Teil des Jahres die Bücherausgabe besorgen sollte, während Reallehrer Staub die Geschäfte beibehielt und beide sich in die Vergütung teilten. Staub trat im Oktober 1920 als Lehrer in den Ruhestand. Auf 1. November 1921 aber beendete er seine Tätigkeit als Stadtbibliothekar, da er aus familiären Gründen nach Donaueschingen verzog. Sein Wunsch war: "Möge der Bibliothek ein dauernder Bestand und eine weitere gute Entwicklung beschieden sein!"

Zum Nachfolger Reallehrer Staubs wurde Stadtschulrat Sauer ernannt, der sich schon bisher mit ihm in die Arbeit geteilt hatte. Er hatte in seiner Amtszeit mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Es war die Zeit der Geldentwertung und der weitgehenden Verarmung. Dabei war die Zahl der Leser angestiegen. Das bedingte einen höheren Zeitaufwand, aber die Vergütung hielt nicht Schritt damit. Es stand die Frage des Lesezimmers zur Diskussion. Das mit der Bibliothek verbundene hatte eine ungünstige Lage. Vor allem aber wurde der Park bei eintretender Dunkelheit geschlossen, und es stand zuwenig Heizmaterial zur Verfügung. Die Verlegung in die Luisenschule, die angeregt wurde, war aber wegen Raumknappheit unmöglich. Außerdem waren für den Bezug von Tageszeitungen keine Mittel vorhanden. Aus einer Eingabe vom September 1922 geht hervor, daß die Beleuchtungsverhältnisse der Bibliothek sehr mangelhaft waren. Sie hatte bis dahin noch kein elektrisches Licht. Stadtschulrat Sauer bat nun, die ungenügende Gasbeleuchtung durch eine elektrische zu ersetzen. Das erfolgte daraufhin im November auch. Ebenso stieß die Instandhaltung der Bücher in diesen Jahren auf große Schwierigkeiten. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichten dazu nicht aus. Es wurde deshalb vorgeschlagen, arbeitslose Buchbinder damit zu beauftragen. Ein geheizter Arbeitsraum und Handwerkszeug sei im Stadtbauamt vorhanden. Die Materialien sollten von der Stadt beschafft werden. Diese Lösung sollte für Stadt- und Schillerbibliothek gelten. Der Stadtrat beschloß Ende Dezember, den Vorschlag zu akzeptieren. Inzwischen war die Währungsstabilisierung erfolgt. Es wurde ein Betrag von 250 Goldmark für die Materialbeschaffung bewilligt. Die Ausbesserung wurde im Arbeitsamt vorgenommen. Im Jahre 1924 besaß die Stadtbibliothek etwa 11600 Bände. Ende 1924 wurde der Druck eines Nachtragsverzeichnisses vorgeschlagen und genehmigt.

Die Stadtbibliothek enthält noch heute eine große Zahl von Werken zur badischen Geschichte. Sie wurden zum großen Teil 1925 von dem Freiburger Sammler solcher Werke, Eisenbahnsekretär a. D. Sauer, angekauft. Der Bibliothekar hatte dringend dazu geraten, "da die Aufgaben der hiesigen Bücherei bei der Verarmung des ganzen Volkes nicht mehr auf das Gebiet der Unterhaltung' beschränkt sind, sondern erweitert werden müssen auf die Gebiete der Belehrung und der wissenschaftlichen Arbeit". Er nannte dabei Werke von J. Bader, Mone, Kreutter, Fecht, Hausser, Rotteck, dann auch von Alban Stolz, Wessenberg u. a. m. Sie stellten einen, wertvollen Zuwachs des wissenschaftlichen Bestandes dar.

Da in den nächsten Jahren aus finanziellen Gründen die Zahl der Leser zurückging, wurde im November 1927 vorgeschlagen, den Mitgliedsbeitrag zu ermäßigen, ebenso den Preis der Kataloge. Der Stadtrat bestand aber auf dem bisherigen Beitrag, doch sollte neueintretenden Mitgliedern der Katalog unentgeltlich verabfolgt werden.

Im Januar 1931 stellte Stadtschulrat Sauer "in Anbetracht der wirtschaftlichen Notlage unseres Volkes" sein Amt als Bibliothekar zur Verfügung. Es sollte nach seiner Ansicht damit jemand beauftragt werden, der bedürftig sei, aber auch die für diese Tätigkeit notwendigen Eigenschaften besitze. Als solche bezeichnete er literarische Kenntnisse und Gewissenhaftigkeit. Von Sachkennern sei der Wert der Bibliothek anerkannt, sie müsse zumindest auf dem jetzigen Stand erhalten werden. Die Stelle wurde im Februar zur Besetzung auf 1. April 1931 ausgeschrieben. Es liefen 26 sehr unterschiedliche Bewerbungen ein. Fräulein Herta Leser wurde die Stelle zunächst probeweise auf ein Vierteljahr und im Juni 1931 endgültig übertragen.

Im November 1931 wurde beschlossen, an Erwerbslose Bücher kostenlos auszuleihen; sie hatten einen Bürgen zu stellen. Die Zahl der im Lesezimmer aufzulegenden Zeitschriften wurde beschränkt. Die Reparaturen wurden wieder Lahrer Buchbindermeistern zugewiesen, nachdem sich diese über die zeitweilige Regelung beschwert hatten.

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3. Wandlungen der Bibliothek

Die politischen Ereignisse der nun folgenden zwei Jahrzehnte gingen - im positiven wie im negativen Sinn - nicht spurlos an der Bibliothek vorüber. So vollzogen sich an ihr einige Wandlungen.

Im Juni 1933 erfolgte eine Ausscheidung von Büchern. Eine vorhandene Liste nennt allerdings zunächst nur 54 Bände. Im Juli wurde der Stadtbibliothek leihweise die Bücherei des Offizierskasinos des ehemaligen Infanterie-Regiments 169 überlassen. 1934 wurde die Schillerbibliothek von der Stadtbibliothek übernommen, verblieb aber in ihren bisherigen Räumen. Eine Erhebung vom 31. März 1935 ergab bei der Stadtbibliothek einen Bestand von rund 13.000 Bänden. In der Zeit vom 1. April 1934 bis zum 31. März 1935 wurden rund 4700 Bände ausgeliehen. Sie hatte allerdings damals nur noch 145 Leser. Es wurde errechnet, daß auf hundert Lahrer Einwohner kein ganzer Leser (0,87) kam, während der Reichsdurchschnitt 2,69 und der badische Landesdurchschnitt 2,27 betrug. Legte man den Gesamtaufwand für die Bücherei zugrunde, ergab sich je Einwohner nur ein Satz von 12 Pfennig.

Vom Januar 1936 ist ein Gutachten der Landesstelle für das Volksbüchereiwesen über die öffentlichen Büchereien der Stadt Lahr vorhanden. Darin wurde hinsichtlich der Unterbringung der Stadtbibliothek in der Jammschen Villa festgestellt, daß sie durch den Ausbau des heimatkundlichen Museums sehr behindert sei. Der Zugang wurde als unzweckmäßig beurteilt, ebenso die abseitige Lage der Bibliothek. In der Vereinigung von wissenschaftlichen Beständen und solchen einer Volksbücherei stelle sie den Typ einer Einheitsbücherei dar. Der büchereitechnische Apparat wurde, soweit überhaupt vorhanden, als völlig veraltet bezeichnet. Er sei nicht geeignet, der Allgemeinheit den Bestand zu erschließen. Die örtliche Lage der Schillerbibliothek im Spital wurde als günstig beurteilt, die Räumlichkeiten dagegen als ungenügend. Ihren Buchbestand charakterisierte das Gutachten zum größten Teil als veraltet und verbraucht. Zur Bereinigung der Büchereiverhältnisse wurde vorgeschlagen, beide Büchereien zu überprüfen. Dabei sei veraltetes, verbrauchtes und inhaltlich zu beanstandendes Schrifttum auszuscheiden, der wissenschaftliche Bestand und derjenige, der für die Volksbücherei in Betracht komme, zu trennen. Vom wissenschaftlichen Schrifttum solle, was nur fragmentarisch vorhanden sei, verkauft und der Erlös für die Neuordnung und den Neuaufbau verwendet werden. Es wurde angeregt, die übrigbleibende wissenschaftliche Literatur in der Jammschen Villa zu vereinigen und für wissenschaftliche Arbeiten zugänglich zu machen. Möglicherweise könne dort mit einem kleineren Bestand auch eine Nebenstelle der Volksbücherei für die Weststadt betrieben werden. Allerdings müsse dann der Ausgaberaum zweckmäßig eingerichtet werden, bisher enthalte er nur eine wahllose Sammlung von Tischen und Pulten. Die neu einzurichtende Städtische Volksbücherei solle im Spital untergebracht werden, wozu die Räume der Schillerbibliothek erweitert werden müßten. Darin seien die noch brauchbaren und überholten Bücher beider Bibliotheken zu vereinigen. Nötig sei die Anschaffung einer größeren Zahl neuer Bücher. Ferner müßten die für einen ordnungsmäßigen Betrieb notwendigen Karteien und Verzeichnisse angelegt werden. Für die Jugendbücherei wurde vorgeschlagen, die Schülerbüchereien der Stadt in einer zentral gelegenen Schule unter der Verwaltung der Städtischen Volksbücherei zu vereinigen. Auch die Einrichtung eines Lesesaals in Lahr sei zu erwägen. Das Gutachten, befaßte sich auch mit den Personalverhältnissen der Bücherei. Entsprechend der Größe der Stadt und der Bücherei erschiene eine fachtechnische Kraft angebracht. Als Notlösung erwog man offenbar von selten der Landesstelle zumindest die "Leitung der Büchereien benachbarter Städte durch eine Fachkraft.

Gemäß dieses Gutachtens wurden in der Folgezeit in Freiburg die vorgelegten Listen der Bücherei überprüft und Ausscheidungen vorgenommen. Vom Ministerium für Kultus und Unterricht wurde 1937 der Volksbüchereistelle in Freiburg für Lahr eine Gründungsbeihilfe von 1.000 RM zur Verfügung gestellt. Die Einrichtung zog sich hin, da von Freiburg aus erst noch eine Reihe anderer Büchereien bearbeitet und im Spital die nötigen baulichen Veränderungen vorgenommen und die Einrichtungsgegenstände angefertigt werden mußten. Die Eröffnung der neuen Bücherei im Südflügel des Spitals fand am 23. November 1938 gleichzeitig mit der in anderen badischen Städten und Ortschaften statt. Zuvor wurde anläßlich der Buchwoche in der Aula der Luisenschule vom 30. Oktober bis 1. November eine Ausstellung veranstaltet, die einen Einblick in ihren Bestand vermittelte. Von den bisherigen rund 23.000 Bänden beider Bibliotheken kamen für die Volksbücherei rund 2300 in Frage. Etwa 10.000 Bände blieben wissenschaftlichen Zwecken vorbehalten. Die bisherige Bibliothekarin hatte auf 1. September 1937 aus gesundheitlichen Gründen ihre Tätigkeit niedergelegt. Die Stelle wurde Hauptlehrer Spachholz übertragen. Bereits im ersten Vierteljahr nach der Neueröffnung war eine wesentlich regere Benutzung der Bücherei feststellbar. Es waren Hilfskräfte notwendig. Während des Krieges führte Frau Spachholz die Arbeit weiter. Aus Aufzeichnungen geht hervor, daß Oberbürgermeister Dr. Winter nach den von Fachmännern errechneten Richtzahlen das Ziel von 15.000 bis 18.000 Bänden anstrebte. In den Kriegsjahren stieß die Beschaffung von Büchern auf lagebedingte Schwierigkeiten. Die Belieferung durch die Freiburger Büchereistelle, die für alle Büchereien des Landes galt, wies neben einer Arbeitserleichterung doch so schwerwiegende Nachteile auf, daß gerade von Lahr die Anregung ausging, wieder selbständig beim örtlichen Buchhandel einkaufen zu können. 1941 fand in der Kriegsbuchwoche eine Ausstellung in der Luisenschule statt. Der Jahresbericht 1942/43 führte einen Bestand von 3903 zur Ausleihe gelangenden Bänden auf. Die wissenschaftlichen Bücher waren nicht eingereiht.

Das, Jahr 1945 bedeutete auch für die Bücherei eine erneute Wandlung. Sie wurde erst im Juni 1947 wiedereröffnet. Sie wurde räumlich beengt im "Pflug" untergebracht. Vereinigt wurden die Gesamtbestände der alten Stadtbibliothek, Schillerbibliothek und ehemaligen Lesegemeinschaft, soweit sie noch vorhanden waren, mit dem Bestand der Volksbücherei. Die Denazifizierungsweisungen bedingten weitgehende Ausscheidungen. Die verbliebenen Bestände wurden neu geordnet, Karteien und Verzeichnisse angelegt, schließlich Kataloge gedruckt. Besonders den Professoren Stetefeld und Dr. Simon ist die mühsame Wiedereinrichtung der Stadtbibliothek zu danken, die sich sofort eines regen Zuspruchs erfreute. Die Weiterführung übernahm Ende 1948 der Verfasser dieses Ueberblicks. Schwierigkeiten mancher Art standen dem Ausbau im Wege. Davon wird erfreulicherweise mit dem Wiedereinzug im hergerichteten Erdgeschoß des "Pflugs" die Raumfrage zufriedenstellend behoben sein.

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