Max Roll über die Casinogesellschaft in Lahr


Roll, Max: Geselligkeit in alter Zeit - Lahrer Casinogesellschaft aus Geroldsecker Land, Heft 10 - 1967 / 68, Seiten 177 - 179

1854 wurde in Lahr die Casinogesellschaft gegründet bzw. wiedergegründet. Die Volksbewegung von 1848 und 49 war niedergeschlagen worden, und von Freiheit war wenig übrig geblieben. Dazu kamen schlechte Ernten, so daß viele Bauern ihre Heimat verließen und in Amerika ihr Heil suchten. Den Lahrer Bürgern aber ging es besser als den Landleuten. Schnupftabak, Zichorienpäckchen und der Handel brachten Geld in die Stadt, so daß es genug Wohlhabende gab, die dem neuen Verein den geforderten Beitrag zusichern konnten.

Durch ein Brandunglück waren drei ältere Gesellschaften veranlaßt worden, sich zur Errichtung eines Neubaus zu vereinigen. 1853 ist der "Pflug" bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Das Feuer zerstörte zwei Gebäude, ein Steinhaus, in dem die Wirtschaft, und ein Fachwerkhaus, in dem eine Bäckerei betrieben wurde. So entstand der Plan, die "Lesegesellschaft", das "Museum" und der "Frohsinn" sollten gemeinsam unter dem Namen "Casinogesellschaft" den Bauplatz erwerben und ein neues Pfluggebäude errichten. Über 50 000 Gulden mußten aufgebracht werden. Es wurden Aktien ausgegeben und Kapital aufgenommen. Der Vereinsbeitrag wurde auf jährlich 15 Gulden festgesetzt. (Taglohn eines Arbeiters damals 1 Gulden).

Natürlich mußte die Gesellschaft ihren Mitgliedern Entsprechendes bieten. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1854 wurde bereits der erste Stephansball abgehalten, der sich dann jedes Jahr als wichtiges Ereignis wiederholte. Die Regimentsmusik von Rastatt spielte auf, ein andermal die von Freiburg. Auch Maskenbälle wurden regelmäßig veranstaltet. Oft gab es Abendunterhaltungen mit Tanzkränzchen. Für die Bücherfreunde wurde die Bibliothek in einem besonderen Raum untergebracht, und in einem Lesezimmer konnte sich jedes Mitglied Zeitungen und Zeitschriften auswählen.

Oberamtmann Wieland war der erste Vorstand, und sein Stellvertreter war Professor Wagner. Als Ausschußmitglieder wurden gewählt: Johann Graumann und John Metzger, beide Erben des in England steinreich gewordenen Schneiders von Kippenheim, Johann Georg Stulz, vom badischen Großherzog zum Dank für seine großen wohltätigen Stiftungen geadelt und zum Baron von Ortenberg erhoben, ferner Karl Voelcker, der Zichorienfabrikant, Inspektor Greiner, Dr. Jamm, der Vetter des Stadtparkstifters C. W. Jamm und Camill von Lotzbeck, der Schnupftabakfabrikant. Dazu kamen als Stellvertreter Anwalt Baum und Fabrikant Heidlauff.

Bei ihrer Gründung bestand die Gesellschaft aus 63 Mitgliedern. In der Leitung folgten u. a.: Karl Voelcker, H. Stoeßer und A. Kramer.

1871 wurde der Rentner C. W. Jamm Präsident der Casinogesellschaft. Im folgenden Jahr einigten sich er und Daniel Voelcker, den "Pflug" gemeinsam (jeder die Hälfte) zu übernehmen. Die neuen Besitzer waren in der Lage und großzügig genug, das Gebäude vergrößern und neu herrichten zu lassen, so daß der Gesellschaft nun mehr Räume zur Verfügung standen. Es gab jetzt auch Damen- und Herrengarderoben, Gesellschafts- und Billardzimmer, einen Gartensaal und eine Kegelbahn. Auch ein Garten wurde angelegt.

Ein eifriges Mitglied, und darum auch in den Ausschuß gewählt, war der Dichter Ludwig Eichrodt. Ihm zu Ehren wurde im Casino am 2. Februar 1877 eine Feier veranstaltet, die einen Höhepunkt der Lahrer Geselligkeit darstellte. Sein junger Freund, der Lahrer Dichter Friedrich Geßler, hatte in einem schwungvollen Gedicht in Biedermeierart zur "Feier des fünfzigjährigen Tages der Menschwerdung Ludwig Eichrodts" eingeladen. Da heißt es:

"Das wird ein Fest von guter Art, der Wein wird nicht dabei gespart. - Ach, Biedermeier, der arme Tropf, hat jetzt schon einen grauen Kopf und einen kahlen obendrein, das machten die großen Denkerei'n".

Viele Freunde des Dichters erschienen, auch Ludwig Auerbach, der Dichter des Liedes "O Schwarzwald, o Heimat". Er wohnte damals noch in Pforzheim, siedelte aber bald darauf nach Lahr über. Scheffel, der mit Eichrodt in Heidelberg eine fröhliche Studentenzeit verlebt hatte, sandte einen Pokal mit der Aufschrift: "Zum 2. Februar 1877, weil du ein Jubilar bist." Glückwunschschreiben, zum Teil mit köstlichen Versen, kamen in großer Zahl, sogar aus London, Zürich und München. Der große Saal war mit Bildern geschmückt. Auf dem einen war Eichrodt in einem Lehnstuhl sitzend, die lange Pfeife rauchend, zu sehen. Friedrich Geßler hielt die Festrede und gab die Zuschriften bekannt. Unzählige Trinksprüche folgten, und die Feier nahm einen großartigen Verlauf. Das von Geßler verfaßte Lied von den "Eichrodern" wurde herzhaft in Biedermeierstimmung nach der Loreleiweise gesungen. Der Sänger des Humors und der freien Natur wurde geehrt.

In den folgenden Jahren hat der Lahrer Dichterkreis Einheimische und Auswärtige zu frohen Gesellschaften angezogen. Eichrodt, der gemütliche Biedermeier, war weithin bekannt, und Geßler unterhielt Verbindungen mit vielen Freunden, die in seinem Haus Sonneck am Altvater willkommene Gäste waren. In dieser Zeit blühte die Casinogesellschaft weiter auf. 1878 zählte man 129 ordentliche Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von 26 Mark, und 84 außerordentliche, die 14 Mark beisteuerten. Es wurden Vorträge und Konzerte veranstaltet, auch Kunstausstellungen gab es im großen "Pflug"-Saal. Im kleinen konnten Mitglieder Familienfeste feiern. Die Leitung der Gesellschaft hatten nun nacheinander: Christian Siefert, Otto Stoeßer, Wolf, Kommerzienrat Maurer, Sommerlatt und Julius Kaufmann.

Magnatentafel im "Rappen"

Magnatentafel aus dem Rappen
Nägele, Meister, Höring, Wittich, Sieferle, Leser, Morstadt, Meyer, E. Frank, Santo, M. Kopp, Streissguth, Wickert, Dr. Altfelix, Bodo, Ebhardt, O. Maurer, Heidlauff

In Lahr bestand auch eine Rednerschule, die der Demokrat Wilhelm Schubert leitete.

Im "Rappen" gab es einen Stammtisch, die sogenannte "Magnatentafel". Dort versammelten sich führende Männer und besprachen die Tagesfragen in freier Weise. Der Name wird wohl von einem witzigen Lahrer zum Spott aufgebracht worden sein.

Ehedem hatte man für geruhsame, gesellschaftliche Zusammenkünfte im kleineren und größeren Kreis allenthalben noch Zeit; es strebte nicht alles nervös auseinander. Und das war gut.

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