B e s ch r e i b u n g

der merkwürdigen

Kirche zu Lautenbach

b e i

O b e r k i r ch

B e a r b e i te t

Von

E. S e n s b u r g ,


Pfarrer zu Lautenbach

Mit obrigkeitlicher Druckerlaubniß.

Freiburg im Breisgau

in der Herder’schen Kunst- und Buchhandlung.

1 8 3 0.

_________________________


Sr. Wohlgeboren

d e m

Herrn J. Nepomuk Fauler,


Oberamtmann zu Oberkirch,

a u s

H o ch a ch t u n g

gewidmet

v o m

Herausgeber.


Vorrede

_________________________


Die Kirche zu Lautenbach liegt in der Richtung von Osten nach Westen in einer Distanz von sechs Stunden, fast parallel mit dem Münster von Strasburg.

Lautenbach Graphik 1830 E Sensburg
Will man beide Christentempel mit einander vergleichen, so erscheint freilich das Kleine gegen das Großartige, eine verhältnißmäßig geringe Masse von zusammengefügten Baumaterialien, gegen ein kolossales Gebäude und in dieser Beziehung ein Zwerg gegen einen Riesen. In Rücksicht der Kunst, welche an und in der eigentlich großen Kapelle zu Lautenbach zu finden ist, ist solche doch kein Zwerg zu nennen.

Denn während an dem Münster zu Strasburg, welcher immerhin das merkwürdigste Denkmal menschlicher Kraftäußerung bleibt , verschiedene Baustyle zu schauen sind, da er in Verschiedenen Jahrhunderten und unter verschiedenen Bischöfen und Königen als unter Chlodwig, Dagobert, Carl dem Großen und dem Rudolph von Habsburg, und unter den Bischöfen Wernher I. und Conrad III., welcher den berühmten Thurnbau als Siegespyramide des Christenthums begann, errichtet ward: so herrscht bei dem Bau der Kirche zu Lautenbach nur ein Styl, nemlich der teutsche Baugeschmack von den letzten Dezennien des Mittelalters vor, welcher nicht, wie der byzantinische Styl, die Säule liebt, sondern die erhabene künstliche Wölbung ohne Säulen. Die Kirche zu Lautenbach hat Gefallen am Licht, dessen sich schon der Säugling an der Mutter Brust erfreut, das uns im Tempel mit der Gottheit befreundet, das Licht, welches der Gottessohn und edelste Menschenfreund zum Symbol seiner heilbringenden Lehre wählte, und der uns mahnt, nach dem Licht der Wahrheit zu streben, und im Licht in Rechtschaffenheit zu wandeln.

Auch in Rücksicht der Glasgemälde ist sie mit dem Strasburger Münster kunstverwandt. Das herrlich brennende Roth , das man in der berühmten Rose ober dem Hauptportal zu Strasburg wahrnimmt, erblickt man in kleinern Gemälden auch in Lautenbach, wovon im § 4. und § 5. der Beschreibung ausführliche Meldung geschieht.

Wenn Göthe, der gefeierte Dichter von Erwin aus Steinbach bei Baden, dem Baumeister am Thurm von Strasburg sagt:

"Hier steht sein Werk; tretet hin und erkennet das tiefste Gefühl von Wahrheit und Schönheit der Verhältnisse, wirkend aus starker rauher deutscher Seele." -

so möchte man auf die Kirche zu Lautenbach, welche eine, obgleich alterthümliche doch freundliche, Marienkirche im freundlichen Renchthal ist, und somit den Charakter der Weiblichkeit an sich trägt , da fast alle Madonnenbilder darin hold und anmuthig den Beschauer ansprechen - anwenden Schillers Worte aus dem Gedicht "von der Würde der Frauen":

"Aber in kindisch unschuldiger Hülle
Biegt sich der hohe geläuterte Wille
In des Weibes verklärter Gestalt,
Aus der bezauberten Einfalt der Züge
Leuchtet der Menschheit Vollendung und Wiege,
Herrsche des Kindes, des Engels Gewalt."


Da die Kirche zu Lautenbach, ,"Maria zum guten Rath genannt," nicht selten von Kunstfreunden und Andächtigen pflegt besucht und bewundert zu werden, so soll sie dem sie Beschauenden keine Hieroglyphe seyn. Dieß und das Gefühl der Dankbarkeit für das, was der religiöse Sinn unserer Vorfahrer begründet hat, und damit das bei den Pfarrakten vorgefundene Manuscript von Adalbert Hardt, rectore capellae Lautenbaci, kein unbenütztes, gleichsam im Eingeweid der Erde schlummerndes Fossil sey; und die Aufmunterung eines verehrlichen Kunstfreundes, des Hrn. Oberamtmanns Fauler zu Oberkirch, haben mich bewogen, gegenwärtige kleine Schrift drucken zu lassen, und in’s Publikum zu geben.

Möge sie gefällige Aufnahme finden!
Lautenbach bei Oberkirch
im Juni 1830.
Der Herausgeher.


- IX -


- Inhalts - Anzeige.

Vorrede

§. 1. Anfang der Begründung des großen Kirchengebäudes zu Lautenbach bei Oberkirch - 1

§. 2. Von der Struktur dieses Gebäudes von innen und außen - 2

§. 3. Von der Altane zwischen dem Chor und dem Langhause - 3

§. 4. Von den Fenstern des Chors - 5

§. 5. Von den Fenstern im Langhause - 7

§. 6. Von dem Hochaltar im Chor - 10

§. 7. Von den Altären im Langhause Unter der Altane - 15

§. 8. Von den Begräbnissen verschiedener vornehmer Personen, welche in der Kirche zu Lautenbach ihre Ruhestätte nach dem Tode auserwählt haben - 16

§. 9. Von der kleinen oder sogenannten Gnaden-Kapelle (dazu eine Abbildung.) - 19

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§. 10. Von einigen Gemälden, welche in den neuesten Zeiten aus religiösem Sinn in die Kirche zu Lautenbach sind angelobet, und darin aufgehängt worden - 22

§. 11. Besuch des Gotteshauses zu Lautenbach und der Umgegend von Personen aus unserer erhabenen Regenten-Familie, aus dem Großherzoglich Badischen Hause - 25

Schlußbemerkung - 27

- XI -


Erklärung

zur Ansicht der Kirche.

(Von der Südseite.)



A. Der Chor.
B. Die Thüre in den Chor.
C. Das Langhans (Navis).
D. Das Angebäude oder das Wohngebäude, jetziges Pfarrhaus, gegen die West- und Ostseite gekehrt.
E. Der Eingang in’s Pfarrhaus, auf der Ostseite.
F. Der Pfarrgarten, südlich gelegen.
G. Die Landstraße.
H. Der Brunnen im Pfarrhof, per inatrio.
I. Das kleine gothische Thürmlein, das nicht recht gezeichnet ist, gestellt auf die Spitze des vordern westlichen Giebels am Langhaus, wie es die erste Darstellung anzeigt, etwa in der Figur wie dort; es hängt ein einziges Glöcklein darin. Die erste Darstellung zeigt die Nordseite der Kirche Und das Frontispicium derselben an mit dem Hauptportal.

Bei der Struktur der kleinen Kapelle ist zu bemerken, daß der große Thurm b. und die 2 kleinern Mittelthürmlein a und c nicht vorhanden sind, sondern daß, da diese Kapelle an die Wand der Südseite angebaut ist, zwischen dem Raum, den die benannten 3 Thürme einnehmen, ein Kirchenfenster heruntergeht bis auf das Gewölbe.

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§. 1.


Anfang der Begründung des großen Kirchengebäudes zu Lautenbach bei Oberkirch.


Die schon bei der Stiftung des Klosters Allerheiligen im Jahr 1196 zu Lautenbach vorhanden gewesene Kapelle, wurde vermuthlich wegen des Alters und der Baufälligkeit abgebrochen, und im Jahr 1471 wurde unter dem damaligen XIVten Probst Andreas Rohard von Neuenstein das gegenwärtige Gebäude angefangen, wie sich solches aus dem, ober dem großen Portal eingemauerten Stein ergiebt, worauf in gothischen Buchstaben die Worte stehen:

Anno Domini 1471 die IIII maji sumsit suum initium hocce ædillcium.

Gedachter Herr Probst starb im Jahr 1473, und sein Nachfolger war Georgius Federle als XVter Probst, aber auch dieser starb nach drei Jahren den 3. November 1477, auf welchen der XVIte Probst Joannes Magistri folgte, welcher 15 Jahre regierte, und unter welchem die große Kapelle vollendet, da im Jahr 1482 die gemalten Fenster eingesetzt worden.

Der Bau der Kirche mochte 12 Jahre gedauert haben, Von 1471 bis 1483, in welchem Jahre die Consekration derselben geschah

Laut einer alten Urkunde Vom Jahr 1481 , mitder Ueberschrift: "Urtelbrieff wegen etlicher verding der Capelle zu Luttenbach, ausgestellt von dem Vogt und den zwölfen zue Koppenawe (Oppenau)" - hatte ein gewisser Meister Hans Hartwig, ein Fremder (wahrscheinlich ein Allgäuer), als Steinmetz akkordmäßig daran zu arbeiten.

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Im Jahr 1480 schenkte Bischof Albert von Strasburg, ausmittelnd, daß kein Streit zwischen dem Pfarrrecht des damaligen Pfarrorts Oberndorf, wozu Virulus Luttenbach gehörte, und den Rechten des Convents zu Allerheiligen entstünde, die noch im Bau unvollendete Kapelle dem benannten Kloster, mit der ausdrücklichen Bestimmung und Ordination, daß, wenn die Kapelle vollendet wäre, welche (pro augmeto divini cultus) zur Vermehrung des Gottesdienstes errichtet würde, darin ein Opferstock (truncus) aufgestellt werden solle, dessen Ertrag zur Bestreitung theils der Baulichkeits-Kosten, theils zur Anschaffung der Kirchenbedürfnisse für einen anständigen Gottesdienst, den das Kloster durch seine Geistliche zu besorgen hat, gewissenhaft zu verwenden sey. Diese Schankung des Bischofs Albert ward vom Pabst Sixtus IV. im Jahr 1480 ebenfalls sehr huldvoll bestätigt.

Zu bemerken ist noch, daß die Kapelle zu Lautenbach meist (ex Allmosyna et suffragiis) aus Almosen und milden freiwilligen Beiträgen, die besonders von Fürsten, Bischöfen, adelichen Familien und dem Klosterconvent zu Allerheiligen reichlich und aus religiösem Sinn mußten gespendet worden seyn, aufgebaut worden.

§. 2.


Von der Structur dieses Gebäudes von innen und außen.


Das ganze große Gebäude der Kirche ist mehrentheils von Quadern aufgerichtet, mit starken Pfeilern ringsherum von außen wohl versehen, um die großen, breiten, hohen und zierlichen Gewölbe zu unterstützen.

Der Chor dieser Kirche ist 52 Werkschuh lang, 24 breit, und die Höhe beträgt 50.

Zu bewundern ist das Navis oder Langhaus. Das hohe lange und breite Gewölbe desselben hat in seiner Länge 74' und in der Breite im Licht 40 Werkschuh, und zwar ohne untersetzte Tragsäulen.

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Dieses Gewölbe pranget auch oben mit den die Wappen der Hauptgutthäter der Kirche enthaltenen Schlußsteinen.

Gleich, wo sich der Chor endigt, nnd das Langhaus der Kirche anfängt, steht eine sehr zierliche Altane, welche erst um das Jahr 1488 in die beiderseitige Wände der Kirche so meisterlich eingefügt worden, daß man dafür hält, sie sey mit dem ersten Gebäude zu gleicher Zeit aufgeführt worden; davon soll im nächsten §. eine nähere Anregung geschehen.

Von außen aber an dem fronte spicio des Langhauses zeigt sich ein steinernes Marienbild mit dem Kindlein sammt zweien obenschwebenden Engeln, welche die Krone zur Krönung Maria, als frommen Erdenbürgerin und nun seligsten Jungfrau und Mutter des Herrn, tragen.

Beigefügt sind die Wappen der Hauptgutthäter der Kirche: nemlich die Wappen des Churhauses Bayern mit dem Löwen im Schilde; und die Wappen von den edlen Häusern Schauenburg und Neuenstein.

Dies schöne Gotteshaus hat zwei große Portale, und zwei kleinere Thüren, nebst einer gewölbten und miteinverleibten Sakristei.

Uebrigens ist dies herrliche Gebäude wegen der großen Fenster, deren man 12 zählt, überaus hell und licht, und unterscheidet sich daher von den altgothischen Gebäuden, die mehr die Dunkelheit, gleichsam ein heiliges mysteriöses Dunkel lichten im Innern des Tempels.

Nur ist zu bedauern, daß diesem prächtigen Bauwerke ein hoher Thurm fehlt. Die harmonischen Glocken sind in einem niedern hölzernen Thurme links an der Kirche aufgehängt, und können daher nicht in die Ferne gehört werden! Zu einer andern Einrichtung fehlen die Mittel zur Zeit.

§. 3.


Von der Altane zwischen dem Chor und dem Langhause.


Dem aufmerksamen Beschauer dieser steinernen, in durchbrochener Arbeit gefertigten Altane wird es begreiflich, daß solche

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nicht nur einen verständigen Baumeister verräth, sondern auch, daß dies künstliche Werk vieles müße gekostet haben. Sie ist unterhalb mit 4 Tragsäulen und einem künstlich verschränkten steinernen Gewölbe sammt ihren 5 Schlußsteinen ausgefertigt, hat 5 Porticus oder Schöpflein.

Da diese Kirche ursprünglich zu einer Wallfartskirche bestimmt wurde, und als solche in frühern Jahrhunderten von zahlreichen Pilgrimmen besucht wurde, so scheint dem Baukünstler die Idee vorgeschwebt zu seyn.

"Wie dort bei dem Teiche Siloe oder Betesda in die Hallen körperlich Presthafte aller Art hinkamen oder gebracht wurden, um in dem bewegten Wasser des Heils durch Gottes wunderbare Hilfe Genesung zu erlangen: so mögen hier in diesem Tempel alle jene, die von Gewissensangst gequält wurden, bei einem lebendigen Glauben an den Vater im Himmel und seinen eingeborenen Sohn Jesum Christum, und im Vertrauen auf die Fürbitte Maria der reinen Jungfrau und Mutter des edelsten Menschenfreundes, welcher auf Erden wandelte, in Verbindung mit einer aufrichtigen Reue und wirklichen Lebensbesserung Rath und Trost schöpfen, und beruhigt und gestärkt wieder zu den Geschäften ihres Berufes zurückkehren."

In jedes Schöpflein ist ein Altar angebracht, wovon die zwei äußersten alterthümlirhe Bilder enthalten, die zwei andern aber neuern Ursprungs und minder merkwürdig sind.

Die mittlere Halle ist leer und durchsichtig, welche Durchsichtigkeit jedem , der durch das große Portal in die Kirche tritt, zu dem hohen Kunstaltar in den Chor hinein den angenehmsten Prospect giebt.

Oben ist diese Altane mit einer Gallerie von ausgehauenen steinernen Herzen auf beiden Seiten ausstafirt, und zwar gegen das Langhaus pranget sie mit 60, gegen den Chor hin aber mit 22 derselben. Zu dieser hinauf führt eine gleichfalls künstliche durchbrochene Schneckenstiege, welche oberhalb eine Gallerie, aber mit etwas kleinern Herzen , an der Zahl 14 krönen; und weil auch die Fenstergestelle sowohl im Chor als im Langhause also

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durch die ausgesonnenen Figuren der Herzen von einander unterschieden sind, daß keines dem andern gleichet, wobei das alte Manuskript 88 gezählet, diese aber zu dem obigen gerechnet zusammen 184 Herzen ausmachen, so kann dieser Kunsttempel mit Wahrheit betitelt werden:

Die herzige Kirche zu Lautenbach.


§. 4.


Von den Fenstern des Chors.


Das erste und vorderste Fenster im Chor ist sehr breit und hoch.

Daran sind schöne Glasmalereien zu sehen, und zwar in 4 Abtheilungen, die gleichsam Thronen oder Einwohnungen auf die Art mosaischer Arbeit bilden.

Unter dem ersten Throne schwebt der Erzengel Gabriel, welcher Maria den Gruß bringt, mit der Ueberschrift: ave Maria gratin plena.

Unter dem andern Thron kniet Maria die allerseligste Jungfrau von Nazareth im weißen Gewande, mit der Ueberschrift: Dominus tecum.

In dem 3ten Thronhimmel befindet sich Maria, die ihre Baase Elisabeth besucht. Ober dem Bildniß stehen die Worte: Magnificat anima mea dominum

Indem 4ten Throne besindet sich die Baase Elisabeth selbst, mit der Zuschrift: quæ credisti.

Oberhalb sieht man noch einen Gutthäter der Kirche abgemalt, haltend das Churbayerische Wappen. Neben daran kniet ein Probst von Allerheiligen in seinem weißen Ordens-Prämonstratenser-Habit, über die Schultern angethan mit einem Chorpelz. Ober dessen Haupt stehen die Worte: Esto salutata o virgo cum prole beata, et genitrix pia sis mihi dux in morte Maria.

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Eine alte Uebersetzung hievon lautet also:

Dein Kind, so gesogen deine Brüst,
Mit dir o Jungfrau sey gegrüßt;
Maria mich niemal verlaß
Im Tod führ mich die Himmelstraß.


Links gegen Nord erblickt man im Chorfenster folgende Glasgemälde:

Es ist zu sehen ein Bischof von Straßburg in schwarzem Ober- und violettem Unterkleide, mit dem bischöflichen Stabe geziert; es ist kein Namen und keine Unterschrift dabei; auch mag dies Bild früher einen andern Standpunkt gehabt haben, da es jetzt gleichsam isolirt dasteht.

Oben steht der Patron Joannes Baptista; auf der einen Seite kniet ein Gutthäter, Friderich von Schaubourg, ober dessen Haupt stehen diese Worte:

O Joannes Baptist du heiliger Mann,
hilf uns zu Gott, bitt
uff, daß er uns nehme an.

Auf der linken Seite kniet Kattryn syn housfrou Oberhalb ist zu lesen:

O S. Joannes du Gottes Fründ
bitt für uns Marie Kind.

Ferner ist noch unversehrt an diesem Fenster Veronica von Schaubourg mit dem Wappen, nemlich im weißen Feld ein rothes Kreuz. Ober deren Haupt steht diese Bittschrift:

O S. barbara Jungfrou zorth (zart)
bitt für uns hie und dort.

Rechts gegen Süden erblickt man in einem Chorfenster folgende schöne Glasgemälde:

Die heil. Catharina als Patronin.

Es kniet Lucia von Groswyr, die Gemahlin Hans von Newenstain, mit ihren Stands- und Geschlechts-Insignien (Neuensteins Wappen, ein Wagenrad), dabei die Schrift:

O S. Kattryn in mynem Leben
Schaff, daß mir myn Sünd werd vergeben.


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Ferner Gebhard von Nevenstain mit seiner Gemahlin, Margred von Grozingen. Ueber deren Häupter ist zu lesen:

O S. Sebastian wir bitten dich
bitt Gott für uns kräfftiglich.


Noch ist zu sehen Johannes von Newenstain und Magdalena von Zellingen seine Gemahlin. Oberhalb steht die Inschrift:

O heiliger S. Sebastian
In Nöthen wollst uns bystahn (beistehen).


Gegen oben sieht man nur einige Thronen, die früher an andern Fenstern werden gewesen seyn.

Ganz isolirt steht das schöne Glasgemälde der heiligen Ursula, sie trägt einen Pfeil in der Hand, an eben diesem Fenster, und nicht genug kann man das schöne Dunkelblaue ihres Oberkleides bewundern.

§ 5.


Von den Fenstern im Langhause.


Im Schiff der Kirche befinden sieh wirklich 28 gemahlte Fensterscheiben, nemlich 12 gegen die Nordseite, 12 gegen die Südseite, und 4 gegen die Westseite.

Aus der Zusamenstellung der Glasgemälde in der Kirche zu Lautenbach geht hervor, daß jedes altdeutsche Rittergeschlecht sich einen gewissen Heiligen als Schutzpatron auserkohren hat, an dessen Fürbitte bei Gott, der allein unser Helfer, Erhalter und Begnadiger ist, sich die bedrängte adeliche Familie wandte.

Betrachtet man nun die Reihe der Glasgemälde an den zwei Fenstern der Nordseite bei der Kanzel, so findet man, daß bei Ausbesserung der Fenster eine Dislocation an der obern Reihe der Glasgemälde muß statt gefunden haben. Warum ?

An dem Fenster bei der Kanzel sieht isolirt Jakobus Apostel mit einem Pilgerstab, er ist zum Patron erwählt; denn an dem nächsten Fenster oben erblicken wir knieend den Heinerich Weeg-

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stain von Oberkirch und Barbara syn Housfrou. Ueber dem Haupt des Weibes stehen die Worte:

O Sanct Jakob pilger gut
Halt uns in der hut.

Ueber dem Haupte des Mannes stehen die Worte:

O Sanct Jakob bitt Gott für uns.

An dem Fenster bei der Kanzel erblicken wir ferner den gekreuzigten Jesum mit noch andern gemarterten Blutzeugen.

Dieses Gemälde hat machen lassen ein Gutthäter und Adelicher, Herr Antonius von Ramstain und seine Gemahlin Barbara von Stouffenberg (Staufenberg).

Oben steht eine schöne Madonna und zur rechten kniet ein Adelicher ohne Namen, und hat bei sich die Schrift:

O Maria bitt für uns.

An dem 2ten Fenster der Nordseite in der untern Reihe sieht man ein sehr schönes, durch das Spiel der Farben sich ganz besonders auszeichnendes Bild des Johannes des Täufers, welcher hinzeigt auf das Lamm Gottes, das er in der Linken hält. Bei demselben knieen Conrad Weegstain von Oberkirch und Cattryn syn Housfrou. Bei der Mannsperson befindet sich diese Ueberschrist:

O hailiger Joannes guter Fründ
bitt für uns die Mutter und ihr liebes Kind.

Die Gottesmutter und ihr Kind sind gerade ober dem Johannes in brillantem Costüm durch das herrliche Farbenspiel dargestellt. Bei der Kattryn, Ehesran des Conrad Weegstain, liest man:

O Joannes du hailiger Mann
hilf uns zu Gott uff die rechte bahn.

Auf der Südseite der Kirche zunächst dem Chor erblicken wir oben drei Thronen. In der Mitte unter einem von diesem erblicken wir Maria mit ihrem liebsten Sohn nach der Kreuzabnahme auf der Schoos. Nebenhin knieen beiderseits Bernard uff dem Sulzbad und Eva syn Housfrou.

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Ober dem Haupt des Mannes steht diese Bittschrift:

O Mutter wegen dym Kindssterben
laß uns hie dyn huld erwerben.

und über dem Haupt der Frau liest man:

O Herr durch dyn bittern Tod
hilf uns uff der Noth.

An dem Fenster oberhalb der sg. Gnadenkapelle sieht man in Glas gemalt Maria, welche das Kind Jesu auf ihrer Schoos sitzend hält; neben ihr zeigen sich zwei weißgekleidete Engel, deren einer dem Kinde Blumen darbietet, der andere aber die Weltkugel mit einer Hand und in der andern ein Kreuzfähnlein hält.

Nebenbei knieen Heinerich Distelschweig Schulz zu Oberkirch, und Anna syn housfrou.

Ober dem Haupt des Gutthäters steht diese Bittschrift:

O Maria ein Mutter zort (zart)
hilf uns zu Gott uff die Bord (etwa coeli partem).

Bei dem Haupte der Gutthäterin sind lesbar diese Worte:

O Maria rein eine Königin
bist unser Seelen ein Pflegerin.

In der obern Reihe sind 3 prachtfarbige Thronen.

Auf der Westseite oberhalb dem Portal an dem Giebel des Gebäudes in fronti spicio erblicken wir in dem breiten viel Licht spendenden Fenster gemalte Scheiben, welche darstellen den Erzengel Gabriel, wie er den Gruß bringt Mariä, welche in einem weißen Mantel auf einem Betstuhle kniet.

Aphorismen über diese Glasmalerei.

Die Glasmalerei verdankt ihren Ursprung zunächst den alten Vorbildern der Musivarbeiten. Man sah aus verschiedenartigen und verschiedenfarbigen Marmorstücken zusammengesetzte Fußböden, und so bemühte man sich, aus mehreren Abtheilungen verschiedengefärbten Glases durch Gyps oder feinen Mörtel zusammengefügt, Fenster zunächst für Kirchen zu fertigen.

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Die Glasgemälde von Lautenbach scheinen in jene Epoche der Kunst zu gehören, nachdem am Ende des 14ten Jahrhunderts durch Johann von Eyk die s. g. Schmelzmalerei oder jene Kunst erfunden ward, die darin soll bestanden haben, daß die fein geriebene Schmelze in Gummi-Wasser aufgelößt, etwa in der Dicke von zwei Papierblättern auf die Fläche einer weißen Glastafel aufgetragen, und daß dieser Schmelz-Auftrag mit der Glastafel selbst durch die Glut des Ofens zu einer Oberfläche verschmolzen wurde. Die Metallfarben wurden somit zu Glas fabrizirt, und daher läßt sich auch der Glanz, die Durchsichtigkeit und Haltbarkeit der Farben erklären.

Bei den Gemälden zu Lautenbach ist besonders die herrliche carmesinrothe Farbe merkwürdig.

§ 6.

Von dem Hochaltar im Chor.

Bei dieser alterthümlichen Kirche, sagt das Manuscript, ergötzt ausserordentlich die Augen und die Gemüther der Menschen, neben der Vortrefflichkeit der Künstler in ihrer Arbeit der Fleiß, und die Ausgesonnenheit der Aus- und Eintheilungen derer, welche das ganze Gebäude concipirt und ausgezirkelt haben. Nichts ist daran vergessen worden, was denen sich dahin verfügenden Pilgrimmen zum Trost der Seelen dienen könnte.

Der Hochaltar im Chor ist in gothischer Arbeit aus Holz auf das allerzierlichste und kunstreichste sowohl in der Bildschnitzerei als auch Malerei und dauerhafter Vergoldung ausgefertigt.

In der Mitte desselben steht eine große über 6 Werkschuhe hohe Statue der Mutter Gottes, welche auf dem linken Arm haltet ein sehr majestätisches Kind, und ist dies Bildniß der Mutter sammt dem Kinde aus einem Stück Holz herausgearbeitet, allein die linke Hand der Mutter ausgenommen. Ueber derselben sind zwei schwebende Engel, welche der h. Jungfrau die goldene Krone bringen. An dem Saum des Kleides

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sind zu lesen die zwei Altarfasser und Vergolder Joseph Rier der Meister und Fixel sein Gesell.

Auf der rechten dieser großen Statue befindet sich das Bildniß des h. Joannis Baptista mit seiner Kameelhaut, die in ihren vielen theils länglichten, theils gebrochenen Falten also fleißig ausgemacht ist, daß es sehr natürlich erscheint. Wie dann nicht weniger Kunst zu sehen ist an dem Gewand des h. Johannis Evangeliste auf der andern Seite.

Das allermerkwürdigste an diesen Bildnissen ist aber, daß man an Händen und Füßen alles Geäder, wie bei einem lebendigen Menschen, in erhabener Arbeit von dem Bildschnitzer auf das fleißigste der Natur nach entworfen sieht.

Ihre Angesichter stellen beinahe lebendige Bildnisse dar. Nichts zu melden Von den schönen aus Holz gesprengten Schwibbögen und den Gehäußen , unter welchen die 3 gedachte Statuen ihre Stellung haben; so ist wohl der Mühe werth zu besichtigen das oben hinüberlaufende Traubenwerk mit seinen Blättern, in welchem die Natur und Kunst einander Trotz bieten.

Der Bildschnitzerei giebt nichts nach die Malerei an den zwei großen angehängten hölzernen Flügeln , die in 4 Abtheilungen auch 4 namhafte Geheimnisse des Glaubens vorstellen.

Auf der rechten Seite oben ist ein Nachtstück, die Geburt Christi; untenher aber die Beschneidung Christi; oben am linken Flügel des Altars sieht man die Erscheinung der 3 Männer aus Morgenland; unten ist die Aufopferung Jesu im Tempel nach mosaischem Gesetz also lebhaft und kunstreich gemalt, daß zwei Maler sollen gesagt haben: "sie wollten für jeden Flügel 100 Dukaten geben."

Nun sind auch diese Altarflügel inwärts gemalt; auf dem rechten Flügel oben ist die Geburt Mariä, wobei das Conterfait desjenigen Probstes, welcher den Hauptaltar hat fassen lassen, und der Petrus Burkardi hieß, knieend zu sehen. Unterhalb diesem ist abgezeichnet die Heimsuchung Mariä bei ihrer Baase Elisabeth. Auf dem linken Flügel ist das obere hintere Gemälde, der Gruß des Engels an Maria; unten ist gemalt die Entschlafung Mariä im Beiseyn der Apostel und Jünger Jesu. Diese inwärtige Ge-

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mälde sind nicht so rein und gut conservirt, wie die von außen. Unten bei dem Tabernakel sind im Kleinen artig gemalt, die 4 großen Kirchenlehrer Chrysostomus, Hyronimus, Ambrosius und Augustinus.

Ganz oben auf dem Hochaltar steht das geschnitzte Bildniß des auferstandenen Heilands mit seinen 5 Wunden unter einem Throne, welcher mit vielem auf mosaische Art gemachtem künstlichen Laubwerke mit Pyramiden geziert und vergoldet, und hin und wieder durchsichtig ist. Dies Schnitzwerk macht in der That einen starken Eindruck auf das religiöse Gemüth und macht den Hochaltar erst zu einem solchen. Die Vergoldung des ganzen Altars ist also dauerhaft aufgetragen, daß wir (schreibt Adulbertus Hardt, rector capellæ B. M. V. in Lautenbach) bei Renovirung derselben 3 bis 4 Kübel voll Wasser an die Bilder geschüttet haben, um solche zu reinigen; und ist nicht eines Hellers groß Gold davongefallen.

Dieser Hochaltar ward mit der Kirche consecrirt anno 1483 in honorem B. M. V. Joannis Baptistæ et Joannis Evangelistæ Dominica proxima ante Festum s. Michaelis.

Es wäre wirklich interessant zu wissen, wie der Verfasser der herrlichen Altargemälde geheißen hat, und aus welcher Schule er gewesen ist?

Wie trefflich ist die Gruppirung der Personen dargestellt! Aus dem Kinde Jesu stralt in allen Nüanzen das Göttliche und Erhabene, gepaart mit dem Holden und Reinmenschlichen; die Umstehenden sind alle ergriffen von Ehrfurcht, erwärmt von der Flamme der Andacht an das, was einst Großes aus diesem Kinde werden würde. Dabei erscheinen sämmtliche Gesichtsbildungen so ausdrucksvoll, bald freundlich und heiter, bald düster und ernst; alle zusammen drücken aber aus ihren Glauben, daß die Wege der Vorsehung zwar manchmal dunkel, aber doch weise sind. Die Madonnen sprechen besonders durch ihre eigenthümliche anmuthige Gesichtsbildung jeden Anschauer an, und man kann daran nicht genug seine Augen weiden.

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Daß diese Malereien das Produkt einer guten Schule sind, leuchtet auch aus dem Technischen an demselben; sie haben ein lebhaftes Colorit, ein sehr schönes Dunkelblau und Dunkelroth, ein prächtiges Grün und Violett. Die in Falten geworfenen langen Schleppkleider, und die Schleier nach orientalisch jüdischer Sitte sind trefflich gebildet und mit den Farben , die grundirt sind auf Leinwand, dargestellt. Auch mögen dem Forscherblick nicht entgehen die vergoldeten Nimbi, die Symbole menschlicher Verklärung, oder der verklärten Menschheit. Künstler, gelehrte und gemeine Leute, Hohe und Niedere pflegen diese Tableaux religiösen Gehalts zu bewundern, und die Macht der Kunst kann auch Ungläubige und Religions-Spötter auf erhabene Gedanken bringen, und zu reinern Empfindungen stimmen.

Vergleicht man die Altargemälde zu Lautenbach mit jenen am Hochaltar im Münster zu Freiburg, wo man auf dem Hauptblatt des Gemäldes die Krönung der Jungfrau Maria, und auf den beiden Seiten desselben die zwölf Apostel, den englischen Gruß, die Heimsuchung Elisabeths, die Geburt Christi und die Flucht nach Egypten erblickt, und wovon Herr Professor Dr. Schreiber in seiner ausführlichen Geschichte nnd Beschreibung von Freiburg, Seite 110. edit. 1825, Erwähnung thut, so zeigen auch diese den nemlichen Styl und die nemliche Manier des Meisters an. Auf der Rückseite des Bildes, welches die Flucht nach Egypten darstellt, sieht man zu Freiburg die Kreuzigung Christi, nebst den Worten: Johann Baldung cognomine Grien gemundianus Deo et virtute Auspicibus faciebat 1516. - Hans Baldung auch Grien oder Grün genannt, geb. zu G(e)mümd in Schwaben 1470. Er war Maler und blühte zu Anfang des 16ten Jahrhunderts.

Er arbeitete in der Schweiz, zu Strasburg und den dortigen Umgebungen, und so möchte auch ein Bischof von Strasburg, welcher in kirchlichen Sachen die Oberaufsicht über das Kloster Allerheiligen führte, veranlaßt haben, daß der benannte Künstler die Altarblätter zu Lautenbach verfertigte.

Da in den Kostümen der gemalten Personen die grüne Farbe vorherrscht, möchte das nicht etwa eine Anspielung auf seinen Familiennamen: Grien, gewesen seyn?

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Da Hans Baldung nach der Kunstgeschichte auch ein geschickter Kupferstecher und Formschneider gewesen, wäre es nicht anzunehmen und zu glauben, daß auch die Sculptur-Arbeiten an dem großen Marienbilde, dem Johannes dem Evangelisten und Vorläufer des Herrn, welche alle ein Studium der Anatomie verrathen, demselben ausgezeichneten Kunstmanne zuzumessen seyen?

Im vorigen Jahre (1829) betrachtete der berühmte Bildhauer Ohnmacht von Strasburg diese benannten Sculptur-Arbeiten zum erstenmal. Er belobte solche ungemein als Darstellungen gothischer Arbeiten.

Herr Fr. Jos. Moné, welcher uns über die Kunstgeschichte des Mittelalters viel Interessantes mittheilt, sagt im 2ten Bande des badischen Archivs zur Vaterlandskunde in allseitiger Hinsicht, im 3ten Abschnitt des Aufsatzes: Beiträge zur Kunstgeschichte des Mitlelalters, Seite 158:

"In unserm Lande (im Großherzogthum-Baden) möchte der Hochaltar zu Lautenbach bei Oberkirch, den ich leider nicht aus eigener Ansicht kenne (in Betreff der Schnitzereiarbeit des Mittelalters), an der Spitze stehen. Ueberhaupt muß diese Kirche im Innern manches herrliche Schnitzwerk darbieten; in der Bauart der Fenster ist sie aber fast ganz verfehlt."

Dieser letzten Behauptung kann der Herausgeber der Beschreibung nicht beistimmen, denn

    a) sollen die großen langen Fenster viel Licht in die Kirche spenden, und es konnten dabei die Votiv-Glasgemälde schicklich angebracht werden.

    b) Drücken selbst die steinernen herzförmigen Schnörkel an den Fenstergestmsen die Idee des Steinmetzen aus: "dies ist eine herzige anmuthige Kirche."

Seite 159 sagt Hr. Moné:

"Holzgemälde als Altargemälde des Mittelalters finden sich zu Lichtenthal und zu Lautenbach, die nicht genauer bekannt sind."

Seite 161 Zeile 7 sagt derselbe:

"Man findet treffliche Glasgemälde zu Lautenbach, zum Theil vom Jahr 1482."

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§. 7.


Von den Altären im Langhause unter der Altane.

Unter einem Schöpflein an der Kanzel sieht der s. g. Altar matris dolorosæ. Die mitleidsvolle Mutter hält den zur Erlösung der sündigen Menschheit erblaßten Heiland Jesum Christum auf der Schoos, und dieses Bildniß ist so ausgeschnitzt, daß man an demselben alles Geäder aufgeworfen erblickt, darneben stehen zur rechten und linken Seite in subtiler Arbeit ausgefertigt, die Apostel Philippus und Jakobus. An den zwei Nebenflügeln innerhalb rechter und linker Hand stehen in erhabener Arbeit, die zwei Jungfrauen und Martyrer Catharina und Barbara, sodann aussen an eben diesen Flügeln sind angemalt, der Erzengel Gabriel und Maria die Jungfrau, welche den Gruß empfängt, und ein schönes grünes Gewand anhat. Wohl unten kniet der hochwürdige 18te Probst des Gotteshauses Allerheiligen , Herr Henrikus Fehl (das Glasgemälde ist leider per injuriam temporis beschädigt), der diesen und St. Martin-Altar hat fassen lassen 1523, mit beigesetztem Distichon:

0 miseris patronareis fac redde benignum Filialum misero, propitium que mihi.

Der daran gränzende s. g. Rosenkranz-Altar enthält, außer dem Bildniß der Mutter des Herrn, auch jene der Ordensstifter Rorbertus und Dominikus.

Der auf der andern Seite stehende St. Ursula-Altar enthält außer dem Bildniß derselben mehrere eingefaßte Reliquien, welche von den Prämonstratensern von Köln am Rhein hieher gebracht wurden.

Unter dem 5ten Schöpflein steht ein Altar, zu Ehre der hh. Bischöfe, Beichtiger, Wittwen und Jungfrauen.

In der Mitte stehen in geschnitzter Arbeit der h. Wolfgang und h. Martinus. Diese nemlichen Bilder sind in erhabener Arbeit auf der Außenseite der Altarflügel zu schauen.

Im Innern derselben sind in erhabener Arbeit künstlich angebracht, Antonius Eremita und Wendelinus der Hirt.

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Oben auf dem Altar stehen aufgestellt in Malerei die hh. Wittwen Elisabeth und Maria Magdalena, deren Herz von Liebe zu Jesus entflammt ist; untenher am Altar steht man in kleinen Posturen gemalt, die hh. Jungfrauen und Martyrer: Agatha, Margaretha, Dorothea, Agnes und Appolonia. Es ist also, sagt das alte Manuskript, nichts vergessen geblieben, was den Andächtigen zum Trost der Augen und des Herzens dienen möchte.

§. 8.

Von den Begräbnissen

verschiedener vornehmer Personen, welche in der Kirche
zu Lautenbach ihre Ruhestätte nach dem Tode
auserwählt haben.

Nichts zu melden von der neuen Kanzel und dem Tabernackel in dieser Kirche: inmassen einem jeden Beschawer vor seinen Augen den Werchmeister (welcher vor Johannes Maier, Burger und Schreiner zu Gengenbach) gnugsam loben wird das Werch selbsten, wie man im gemeinen Sprichwort zu sagen pflegt: so leget ferner diesem bisher gerühmten Kirchenbau nit wenig Ruhm hinzu, das sehnliche Verlangen verschiedener fürnehmen Personen von Stand, welche allda die Ruhestatt der Leiber nach dem Tod auserwählt und erhalten haben (sagt Manuscript).

Im Chor liegt begraben, der hochwürdige Herr Petrus Burkardi der 17te Probst des löblichen Gotteshauses Allerheiligen, welcher den Hochaltar hat vergolden und fassen lassen: Er starb anno 1514.

Unterhalb diesem im Chor ruht in Gott der verstorbene edle, hoch und wohlgeborene Herr Joannes Biegeisen, Weiland geheimer Rath des hohen Domstifts zu Strasburg und Cancellarius (Kanzler) zu Elsaß, Zabern, und Pfalzgraf.

Die Grabschrift mit erhabenen Buchstaben auf einem Kupferblatt, welche in der Wand, nahe an der kleinen Seitenthüre im Chor, eingemauert und befestigt ist, lautet buchstäblich in lateinischer Sprache also:

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Hic jacet nobilis et clarissimus vir Dominus Joannes Georgius Biegeisen i. V. D. Comes palatinus ac quondam Episcopalus argentinensis ejusdemque reverendissimi et illustrissimi capituli consiliarius et cancellarius amplissimus. Qui poste aquam per plures annos officio suo fideliter functus, ingruante bello suevico, ac oppugnata urbe metropoli tabernarum alsatie, dum una cum conjuge nobili malrona amelia Bizanzerin de emigratione anxius deliberaret, illa morte præventa ibique sepulta, in volunlarium exilium Oberkirchhemii secessit.

Ubi tandem bello ac ætate confectus translato prius in monasterium oo-(omnium) Sanctorum comuni legato in anniversarium pro salute animarum utriusque ac omnium amicorum sibi hic sepulturam eligens, pie in domino obiit die 8 Novembris 1637. genes. 3. memento (gen. 3, 19. 4. Buch.) viator, quia cinises, et in cinerem mecum reverteris. Ora pro me.


Hier liegt der edle und erlauchte Mann, Herr Johann Georg Biegeisen (imprimis venerandus dominus comes palatinus), insbesondere verehrliche Herr Pfalzgraf und einst des ehrwürdigen bischöflichen Strasburger-Capitels geheimer Rath und Kanzler. Er hatte mehrere Jahre sein Amt mit Treue verwaltet; als der Schwedenkrieg einbrach, und die Stadt Bergzabern belagert ward, hatte er sich mit seiner edlen Frau Amalie Bizanzer in Betreff der Auswanderung berathschlagt. Diese aber wurde von dem Tod übereilt, starb zu Bergzabern, und wurde da begraben. Darauf begab sich der Mann in ein freiwilliges Exilium (in eine freiwillige Verbannung) nach Oberkirch, und ließ sich da nieder.

Biegeisen war durch den Krieg nnd das Alter entkräftet. Er hatte vorher dem Kloster Allerheiligen (comune regalum) etwa ein gemeinschaftlich verabredetes, mit gemeinsamer Eiwilligung für giltig erachtetes Vermächtniß gemacht zum Jahrgedächtniß für das Heil beider (für sich und seine vor ihm verstorbene Gattin) Seelen und aller Freunde, und wählte sich hier (in Lautenbach) die Begräbniß-Stätte. Er starb fromm im Herrn am 8.November 1637. 1. Buch Mos.: Gedenk o Wanderer, daß du Asche oder Erde bist, und (mit mir) wieder zur Erde rükkehren oder zu Erden wirst. Bete für mich.

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Unterhalb dem Chor im Langhause liegt begraben, der wohledle Herr Petrus Ellnhard, weiland Stadthalter in Strasburg, starb Anno 1533 den 17ten September. Neben diesem liegen aus der hochadelichen Familie von Schauenburg vier große und zwei kleine Personen, von welchen weder Alterthum noch Namen oder Zunamen, vielweniger ihre Aemter und Dignitäten zu erkennen sind , weil die Grabsteine Völlig abgeschlissen, und allein noch einige Kennzeichen von den Wappen übrig sind. Ferner sieht man zwei Grabsteine aus der hochadelichen Familie von Neuenstein.

Zu unterst aber bei der Gnaden-Kapelle liegt begraben, der hochw. Herr Prälat Albertus Schlek (Abhas secundus), welcher nach seiner Resignation das Zeitliche gesegnet hat, Anno 1707 den 2ten April. (Athanasius Schleck war der erste Abt.)

Bei diesem hat seine Ruhestätte, der hochw. Prälat Isfridus Bresle (36ter Præpositus und 5ter Abbas monasterii omnium Sanciorum. Er starb 1718 am 5ten Juni).

Man bemerkt hiebei, daß dem im Jahr 1196 von Utta, Tochter des Gottfried Grafen von Calw, und der Luitgardis von Zähringen, einer Schwester Bertholds des II. Herzogs von Zähringen, gestifteten Kloster Allerheiligen von seiner Begründung bis um die Mitte des 17ten Jahrhunderts, wo es zu einer Abtei erhoben ward , 33 Pröbste, von denen Girungus, der Sohn der Stifterin selbst, der erste Probst war, vorstunden. Von 1660 an zählte es aber im ganzen 10 Aebte oder Prälaten, von denen der hochw. Herr Wilhelm Fischer, gebürtig von Oberkirch, ein gelehrter und wohlthätiger Mann, der letzte war, und im Ruhestand zu Oberkirch Anno 1824 den 2ten Mai im Herrn entschlief.

Zwischen Albertus Schlek (nach einigen hieß später der Familiennamen Schlecht) und dem Isfrid Bresle liegt begraben, der hochgelehrte und geistreiche Mann Georgius Hempfer, gewesener Prior und Novizenmeister im Kloster Allerheiligen. Er starb 1648 am 25ten März.

Dessen Grabschrift ist auf einem Steine, welcher an der Schneckenstiege, die auf die hintere Altane oder Emporkirche führt, angebracht, also zu lesen:

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innere Kapelle
Hic ex adverso quiescit reverendissimus ac eruditione et pietate clarissimus D. Georgius Hempfer sacræ theologiæ Licentiatus qui annis mullis officio Prioris ad omnes sanctos perfungens et doctrina et exemplo disciplinam collapsam egregie restauravit. Mortuus XXV. Martii anno MDCXLVIII CVjus (cujus) animam Deus pro meritis condigne remuneret. Amen.

"Hier gegenüber (nemlich an der kleinen Kapelle) ruht der Hochwürdige, durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit hervorleuchtende, Hr. Georg Hempfer, der h. Theologie Lizentiat, welcher viele Jahre das Amt eines Priors zu Allerheiligen verwaltet, und sowohl durch Unterricht, als durch Beispiel die verfallene Klosterzucht vortrefflich wieder hergestellt hat. Er starb den 25. März 1648. Gott wolle seine Seele für ihre Verdienste würdiglich belohnen." Amen.

§ 9.

Von der kleinen oder sogenannten Gnaden-Kapelle.


Die Worte des alten Manuskripts lauten hierüber also:

"Obwohl meine Schreibfeder oder Wohlredenheit zu gering ist, das prächtige Gebäw der kleinen Kapelle oder Einwohnnng unseres marianischen Gnadenbildes zu Lautenbach seiner Zierlichund Würdigkeit nach dem begierigen Leser zum Vergnügen zu entwerfen, so will ich doch meine wenige Kräfte daranstrechen, und mich lassen anfrischen durch jene paulinisehe Wort, Hebr. 4, 16. Adeamus cum fiducia ad thronum gratiæ, ut misericordiam consequamur et gratiam inveniamus in auxilio opportuno. Lasset uns also voll Vertrauen zum Herrn, zum Throne des gnädigen Gottes treten, um Erbarmung zu erlangen und Gnade zu finden und Hilfe, die wir jedesmal bedürfen; (im gr. Text -

greek text
und damit ich es deutlicher sage: mein Vertrauen will ich setzen auf Mariam als den Thron der Gnaden in unserer Wallsart zu Lautenbach mit dieser Zuversicht, sie werde meinen geringen Verstand erleuchten, und mir solche Ausdrüche (Ausdrücke) und Wort in die Feder stießen lassen machen, welche kräftig genug seyn

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könnten , den geneigten Leser dieses Werchleins (Werkleins) dahin zu vermögen, daß er bei sich selbst dieses kostbare Gebaw wisse hochzuschätzen, oder vielleicht selbst dadurch angetrieben werde, solches in persönlichen Augenschein zu nehmen."

Anno 1487 ist die kleine Kapelle der Mutter Gottes Mariä zu Lautenbach in ihren vollkommenen Stand gekommen. "Sie ist gebaut nach dem Riß der Kirche U. L. Frauen zu Einsiedeln, und ward 1488 in festo Hyronimi von dem hochwürdigen Bischof zu Strasburg, Franz Egon Landgrafen zu Fürstenberg und Heiligenberg, mit großem Gepräng eingeweiht." Sie steht wohl unten auf der rechten Seite des Langhauses, wo man eintritt in die Kirche. Sie hat ausser dem Licht wohl bis 18 Werkschuhe in der Länge, in dem Licht aber 15, in der Breite ausser dem Licht hat sie 14, in dem Licht aber nur 10 Werkschuhe. In ihrer Höhe aber bis auf das steinerne Gewölblein 15, aber mit den hohen Pyramiden erstreckt es sich bis auf etliche 20 Werkschuhe.

Diese in gothischem Style erbaute , kleine Kapelle (nur Schade, daß sie durch die spätere Fassung von ihrem Antiken Etwas verloren hat) hat 5 hohe, und 4 kleinere Pyramiden.

Die 4 kleinern entspringen aus dem steinernen; von einer großen Pyramide bis zur andern gezogenen Windeln-Bögen, und bestehen oben in einem 4eckigten durchbrechenen Laubwerk-, oben aber schließen sie sich mit einem türkischen Bunde.

Die steinernen Windeln (nach architektonischem Ausdruck) sind rings herum sowohl an dem Rand als in der Mitte, mit schön kräuslichtem Laubwerk ausstafirt.

Hingegen steigen die größern Pyramiden unten vom Boden auf. Gegen ihre Mitte steht hervor, ein zierliches Wurzelwerk, welches der Natur sehr ähnlich ist.

Gleich oberhalb dem Wurzelkverk steigen auf, gar künstlich ausgearbeitete Pyramidlein, nach Proportion ihrer Größe ebenfalls mit Laubwerk und Krachsteinlein an den Ecken geschmückt, in einem 3fachen Reihen auswärts von einander gesetzt, also:

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Die zwei vordern Eckpyramiden haben gegen die Mitte kleinere, im zweiten Reihen 3 Pyramiden und im dritten Reihen nur 4 derselben ringsherum; hingegen hat die mittlere große Pyramide im untern Reihen nur 5, im zweiten 3, aber im obern 9 solcher pyramidischen Thürmlein. Die zwei großen Pyramiden an der Wand haben durchaus nur 3 solche kleine Pyramiden. So sind auch alle sowohl große als kleine Phramiden mit 4eckigtem durchbrochenen Laubwerk oben gekrönt, und ist zu bedauern, daß die an mehreren Stellen abgestoßenen Zierrathen nicht mehr vorhanden sind, um selbige anzukütten, und die Ruinen auszubessern.

Es sind auch an dieser Kapelle 4 breite und mit verschiedenen Herzformen verfertigte Fenstergestelle angebracht. Das vordere, wo das Gnadenaltärlein sieht, ist zugemauert. Die 3 übrigen sind mit Scheiben versehen, welche Licht in die Kapelle geben. Ein gewisser Joannes Panter in Sandelbach hatte die Fenster pro 50 florenis machen lassen. Sonst soll nach einer Tradition der Bau dieser kleinen gothisch-errichteten Kapelle 1.900 Goldkronen (die Goldkrone zu einem Ducaten oder 5 fl. berechnet, 9.500 fl.) gekostet haben. Die Goldkronc zu einem Goldgulden, zu einem Thaler und ein Ort, oder zu 25 Batzen gerechnet, hat mehr Wahrscheinlichkeit. Etwa 3.166 2/3 fl. Summa. So viel von der äusserst Beschaffenheit der s. g. Gnadenkapelle, nun auch von dem innern Etwas.

Der Eingang hinein ist mit einer eisernen zierlich vergitterten Thüre versehen, durch welche die Andächtigen das Marienbild sehen können.

Inwendig hat sie ein schön geschmücktes, von Steinen zusammengefügtes, durch Schlußsteine sehr versichertes und an eines der großen Kirchenfenster anstostendes Gewölbe.

Vornen an dem zugemauerten Fenster steht der s. g. Gnaden-Altar. Auf beiden Seiten stehen die beiden ritterständischen Patronen und Märtyrer, St. Georgius und St. Sebastianus.

Von dem s. g. Gnadenbild sagt das Manuscript dieses:

"Dies Bildniß hat, das 3 Zoll hohe Postament ausgenommen, in seiner Größe nicht mehr als 2 ½ starke Werkschuh, und ob-

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wohlen es das älteste in der ganzen Kirche ist, und in der Renovirung des Altärleins schier alles Gehölz stark wurmstichig befunden worden, so hat man doch keinen einzigen Wurmstich an eben diesem Bildniß gewahr nehmen können. Selbiges ist sehr schwer für seine Größe, an seiner Gestalt sehr freundselig unversehrt und ganz unbeschädigt, kann’s auch nicht sagen, aus was für einem Holz es geschnitten sey. Das Angesicht dieses Bildniß ist etwas dunkelweiß, langlecht. Das Haar sowohl der Mutter als des Kindes sind goldgelb, die Augen der Mutter sind ganz lebhaft, gleichwie auch ein gewisser Herr von Adel, welcher nicht unseres Glaubens ist, ein Herr von Wormser, im Beiseyn mehrerer seiner Glaubensgenossen und in meiner Gegenwart (des Chronisten) laut ausgeschrieen hat: Das Bild hat lebendige Augen, das Kindlein harret gegen von holdseligen Angesichtlein, sitzt nackend aus dem linken Arm seiner Mutter, und haltet sich mit seiner Rechten an ihrem Hals, dagegen wird es mit der Rechten von ihr umfangen."

Die Votiv-Tafeln, deren Beschreibung von den frühern Zeiten her zu weit führen würde, die aber von dem frequenten Besuch zeugen, welcher von Fremden in die Kirche zu Lautenbach geschah, sind theils aufgehängt, theils aufbewahrt.

Die dermalige Pfarrkirche zu Lautenbach wird, besonders in der heil. Fastenzeit und an gebotenen Marienfesten, von Andächtigen aus der Nachbarschaft besucht, wobei man bemerkt, daß der alterthümliche Kunsttempel selbst eine religiöse Stimmung für das empfängliche Gemüth zu verursachen scheint.

§. 10.


Von einigen Gemälden

welche in den neuesten Zeiten aus religiösem Sinn in die
Kirche zu Lautenbach sind angelobet und
darin aufgehäugt worden.

Oberhalb der Seitenthüre an der Kanzel ist aufgehängt zu sehen ein Oehlgemälde, etwa 5 Fuß breit, 3 - 4 Fuß hoch. (Es verdiente durch eines Künstlers Hand wieder gefrischt, und in

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eine vergoldete Rahme gebracht zu werden.) Es stellt die Anbetung Jesu von den 3 Männern und Weisen aus Morgenland und ihre Opferung dar.

In diesem Gemälde herrscht durchaus der Geschmack einer vortrefflichen Malerschule, und ich muß der Muthmassung des Herrn Hofgerichts-Advokaten Zentner zu Freiburg, die er in seiner Beschreibung des Renchthals Seite 235 aufstellt: daß hier unverkennbare Züge des Rubensschen Pinsels zu bemerken seyen - beistimmen. Andere meinen, es sey von Rembrandt van Rhyn, geb. 1606 bei Leyden, der es in Behandlung des Colorits und des Helldunkels zu einem ungemeinen Grad der Vollkommenheit gebracht hatte. Es herrscht bei der Gruppirung Einheit im Mannigfaltien. Die Blicke aller Personen sind gerichtet auf Jesus das göttliche holdselige Kind. Wer mag nicht bewundern den ehrwürdig ergrauten Kopf des heil. Josephs voll des freudigen Staunens und des ruhigen Zuschauens bei dem Weihrauch der Ehre, der dem Pflegkinde duftet? Wer mag nicht gerne schauen den mütterlichcn zärtlichen Blick Mariä auf das Kind, das sie auf dem Schoos hält? Wer nimmt nicht mit Wohlgefallen wahr die Hingebnng und Verdemüthigung des einen ehrwürdigen Weisen aus Morgenland, welcher gleichsam der Repräsentant der übrigen ist, die hinter ihm stehen, ebenfalls ihre Huldigung bringend, bis auf einen kräftig aufrecht stehenden Kriegsmann im Gefolge, der mit seinem etwas unwilligen Blick den Gedanken verräth: Wie mag mein Herr, selbst ein mächtiger König, vor einem Kinde die Knie beugen.

Ferner hängt in der Mitte der Kehrseite der vordern Altane ein Bild, "Mariä Empfängniß" vorstellend. Der Maler hat den Moment dargestellt, in welchem die bescheidene sittsame und Gott ergebene Jungfrau zum Himmelsboten spricht:

"ich bin eine Dienerin des Herrn, mir geschehe nach seinem heil. Willen."

Das Technische an diesem Oehlgemälde, "das wallende weiße lange Kleid mit dem gelbröthlichten Gürtel und dem schön blauen Obergewand," stellt sich dem Auge sehr angenehm dar.

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Endlich erblicken wir eine Madonna, welche im vorigen Jahre von einer frommen Dame, die nicht genannt seyn will, als Geschenk für die Kirche an das Pfarramt gesendet, und am 9ten März die St. Franciscæ 1829 in der kleinen Kapelle aufgehängt ward.

Nach dem Hauptmoment, den sich etwa der Maler vor die Einbildungskraft gestellt hat, zu urtheilen, ist dies Marienbild die vorgestellte virgo devotissima, das Bild der weiblichen Religiosität, oder der religiösen Weiblichkeit. Ihr Antliz ist der Ausdruck einer gläubigen Gott ergebenen Seele; ihr Sinn ist himmlisch, ohne das Irdische mit Füßen zu tretten oder zu verachten. Ihr Blick ist gerichtet zu Gott dem Retter ihres Volks zum Heil Israels, auf dessen Verheissungen sie ihre Hoffnungen baut; und wenn sie ihre himmlisch blaue Augen nur ein wenig niedersenken könnte, so müßte von ihr die anmuthigste Freundlichkeit ausstrahlen.

Die Madonna hält ihre Hände, die so zart gebaut sind, kreuzweise nnd leicht auf die Brust, welche im Innern die stillflammende Liebe zu Gott und zum Nächsten, das Aufstreben für alles Gute, Wahre und Edle, wie in eine Knospe verbirgt.

Mit der Spitze des mittlern Fingers der rechten Hand berührt sie den dunkelblauen, im schönen Faltenwurf herabhängenden oder vielmehr herabfließenden Schleyer. Wohl mochte ihr manche Begebenheit ihres Erdenwallens ein Dunkel, ein Geheimniß seyn; aber sie ist des Herrn Dienerin; ihr hohes zartes religiöses Gefühl, und ihr stilles vernünftiges Nachdenken führten sie zur Ueberzeugung, daß einst in einer bessern Welt der Schleyer gelüftet werde, und dann im Heiligthum eine schöne hellere Sonne das Dunkel entferne.

Auch der dünne einfache Streifen, der dem beginnenden Neumonds-Licht hinter schwarzem Gewölke gleicht, sich um und über das Haupt zirkelförmig erhebt, und den Nimbus darstellt, zeigt an, daß die heil. Jungfrau es fühlt, wie der Mensch sich gleichsam selbst verklärt, wenn er unbewußt einer Schuld, aber bewußt edler Gesinnungen und Thaten nur in Gott Ruhe findet. Das Bild ist ganz geeignet, religiöse Gefühle in dem Gläubi-
gen zu wecken.

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§. 11.


Besuch des Gotteshauses zu Lautenbach


und der Umgegend, von Personen aus unserer erhabenen
Regenten-Familie, aus dem Großherzoglich
Badischen Hause.


In einem Manuscript, welches betittelt ist: Historia domestica Lautenbac. ab anno 1802 (geschrieben Von dem Verstorbenen Herrn Rector und Exconventualen Nepomuk Blaidel), sind folgende Rotitzen zu lesen, in Originali:

1807 Die 23 Augusti duo filii Ducis Magni Badensis (immortalis Caroli Friderici ex comitissa de Hochberg nati) Oberkirchii pernoctarunt aput D. consiliarium intimum de Lassolay, et die 24 Aug. profecti sunt in Petersthal, Griesbach, Ripoltsau.


1807 den 23ten August haben zwei Söhne des Großherzogs von Baden, des unsterblichen Carl Friedrichs und der Frau Reichsgräfin von Hochherg, übernachtet bei dem Hrn. Geheimen Rath von Lassolai, und sind am 24ten August abgereist nach Petersthal, Griesbach, Rippoltsau.

Darunter befanden sich also wahrscheinlich auch unser jetziger gnädigster und gerechter Regent und Landesvater Leopold, Großherzog von Baden königliche Hoheit, Höchstwelcher damals (1807) ein Prinz von 17 Jahren gewesen, und am Vater nur ein Vorbild aller Fürstentugenden wahrnehmen konnte. *)

*) Mit Freude kann der Verf. hinzusetzen, daß Großherzog Leopold Beschützer der Religion Und Kunst, am 11. Juli die Kirche zu Lautenbach, bei der Hinfahrt nach Griesbach, besucht hat. - Ebenso betrachtete auch am 2. August 1830 unsere Landesmutter, welche mit Recht Sophia heißt, unsern Tempel mit vielem Interesse und mit richtigem Urtheil über Kunst.


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1807. die 4. Sept. advenit dux magnus Badensis (Carolus Fridericus pater patriæ merita appellatus) cum uxore sua comitissa de Hochberg, tribus filiis comitibus, qui omnes Oberkirchii pernoctarunt et die 5. Septembris Griesbacum visitarunt, indeque die 6, Sept. a prandio Oberkirchium redierunt, et die 7. Sept.iterum in sua reversi sunt.


1807 den 4ten Sept. kam an, der Großherzog von Baden Carl Friedrich (mit Recht Vater des Vaterlandes genannt) mit Seiner Gemahlin der Frau Reichsgräfin von Hochberg, in Begleitung Ihrer drei Söhne, welche alle zu Oberkirch übernachteten, am 5ten Sept. Griesbach besuchten, von da am 6tenan Sept. nach dem Mittagmahl nach Oberkirch zurükkehrten, und am 7ten Sept. in der Residenz wieder anlangten.

1817. Die nona Augusti serenissima uxor Ducis Magni Badensis (Caroli des Stifters unserer Landesverfassungs-Urkunde ) Stephania ad omnibus bonis mater dilecta, et picturæ et cujuscumque generis artium amans atque tutela, divertit Oberkirchii in cubilibus D. Decani Scheidet, qui in parte domus inferiore ad tempus habitationem suam fixit .

1817 den 9ten August hat die durchlauchtigsie Gemahlin Carls Großherzogs von Baden, Stifters unserer Landesverfassungs-Urkunde, Stephanie, die von allen Gutgesinnten geliebte Mutter, Freundin und Kennerin der Malerei und Beschützerin der Künste, zu Oberkirch eingekehrt, in der Wohnung des Herrn Dekan Scheidet, welcher einige Zeit im untern Stock des Pfarrhauses, wo sich die großherzogl. Domänenverwaltung befindet, wohnte.

1817. Die 18. Augusti visitavit Ecclesiam Lautenbacensem, et salutationem nostram gratiose (huldvoll) suscepit.

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1817 den 18ten August hat die Frau Großherzogin Stephanie die Kirche zu Lautenbach besucht, und unsere (unterthänige) Begrüßung huldvoll aufgenommen.

Die 21. Augusti Dux Magnus Badensis (Carolus) Oberkirchii advenit, et die 22.: cum serenissima sua uxore (Stephania) Lautenbacum venit. Die 23. Augusti profectus est in Griesbach.

Am 21ten August langte Großherzog Carl zu Oberkirch an, und kam mit Seiner durchlauchtigsten Gemahlin Stephanie nach Lautenbach. Am 23ten August reiste Er nach Griesbach.

Die 9. Sept. Dux Magnus (Carolus) cum serenissima conjuge sua et comitata ad Residentiam in Carlsruhe redierunt.

Am 9ten September kehrten Ihre königliche Hoheiten mit Ihrer Begleitung in die Residenz Carlsruhe zurück.

Schlüßlich bemerkt man, daß im Oktober des Jahres 1828 die Kirche zu Lautenbach auf herrschaftliche Kosten ist ausgeweißelt worden, und gar wohl dürfte bei den oben an den Schlußsteinen der Kirche befindlichen Wappen der alten adelichen Geschlechter das Großherzoglich Badische Wappen angebracht werden zur Verherrlichung des Kunsttempels.

Der Herausgeber dieses hat das Vergnügen, hinzuzufügen, daß unser hoch- und ehrwürdigster Erzbischof Bernardus am 22ten Mai 1830 bei der Rückfahrt von der am demselben Tag zu Oppenau verrichteten heil. Firmhandlung an der Kirche zu Lautenbach anhielt, abstieg, und nachdem Hochverselbe

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vom Pfarrer allda das Weihwasser als fromme Begrüßung genommen hatte, in den Tempel mit einer Rührung eintrat, die Sein ehrwürdiges Aussehen erhöhte, wo er dann ein kurzes Gebet in stiller Andacht verrichtete und hierauf das Merkwürdige mit großem Interesse betrachtete, und mit richtiger Kunst und Sachkenntniß beurtheilte. Der ehrwürdige und gelehrte Oberhirt soll sich geäußert haben: "es würde ihn reuen, die Kirche zu Lautenbach nicht gesehen zu haben."

Durch diesen Besuch ist unserm Gotteshaus Heil wiederfahren. Er kehre noch oft an!

Sensburg Ernst Kaplan in Ettlingen 1816 - Professor am Lyceum in Rastatt - 1823 katholischer Pfarrer und Dekan in Ettlingen - 1827 Pfarrer in Lautenbach

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