Georg Dehio - Entwicklung der Glasmalerei


Die Glasmalerei I.

aus Geschichte der deutschen Kunst von Georg Dehio. Verlag Walter de Grupfer u. Co. Berlin u. Leipzig

Während der (romanischen) Wandmalerei, eben als sie innerlich in vollster Kraft stand, von der eigenen Herrin, der Baukunst, der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, war ihr schon die Nachfolgerin gefunden: in der Glasmalerei. Ein hinlänglicher Ersatz war sie, von den Zielen der Malerei aus beurteilt, nicht; aber die Architektur hatte Grund, mit den Diensten der jüngeren Schwester zufrieden zu sein. In jedem Falle trat damit im allgemeinen Aspekt des Kircheninneren ein vollkommener Umschwung ein, der größte, den er im Mittelalter durchgemacht hat. - Ist auch das Umsichgreifen der Glasgemälde prinzipiell eine Wirkung des eindringenden gotischen Bausystems, so treten sie doch zunächst noch in romanischen Stilformen auf und sind deshalb schon hier zu betrachten.

Alle Technik des Mittelalters geht irgendwie auf eine antike Wurzel zurück. So auch die Glasindustrie. Aber sie nahm eine andere Wendung. Die römische hat ausgezeichnet Schönes in der Herstellung von Gefäßen geleistet; die Verglasung der Fenster blieb auf sehr kleine Oeffnungen beschränkt und scheint nur in der Ausfüllung hölzerner Gitter bestanden zu haben. Umgekehrt, im Mittelalter blieb das Glasgefäß‚ da die Kirche dafür wenig Verwendung hatte, künstlerisch zurück, während das Glasfenster schon frühzeitig über den Stand der Antike hinauswuchs. Der Unterschied ist nicht etwa in dem Hinzutreten einer wichtigen technischen Erfindung begründet, sondern darin, daß dem Fenster im Architektonischen des Mittelalters eine andere und wichtigere Rolle zufiel. (Die Antike hatte das Fenster nur als eine Notform gekannt.) Technisch betrachtet ist das Glasgemälde ein Mosaik aus kleinen, einfarbigen Scheiben, eingefaßt in schmiegsame Bleiruten, welche zugleich die Umrisse der Zeichnung ergeben, während für die inneren Linien Auftrag von Schwarzlot zu Hilfe genommen wurde (schon In dem Kunstbuch des Theophilus um 1100 beschrieben), Die stilistische Grundstimmung ist also die der kolorierten Flächenzeichnung nicht anders als in der Wandmalerei, nur noch enger begrenzt in den Mitteln, als die dort zur Verfügung stehen.

Die ältesten Erwähnungen figürlicher Glasfenster sind, wie immer in solchen Dingen, durchaus zufälliger Art: um die Mitte des 9. Jahrhunderts in Werden a. d. Ruhr, nach der Mitte des 10. in Reims; dazwischen, doch nicht unzweideutig in St. Gallen. Hieraus auf einen Vorsprung des Ostfrankenreichs vor dem Westen zu schließen, wäre natürlich verfehlt. Wenig später schrieb Abt Gozbert von Tegernsee (982 - 1001) seinem Gönner, einem Grafen Arnold, einen gefühlvollen Dankbrief für die von ihm gestifteten vielfarbigen Glasgemälde; sie wurden von allen Beschauern als ungewohnt bewundert, denn bis dahin seien die Fenster der Kirche mit alten Tüchern verhängt gewesen, - Das Aelteste, was wir noch heute vor Augen haben, sind die 5 Prophetenfenster im Dom zu Augsburg. Je eine Figur in mehr als Lebensgröße (2,10 Meter hoch) füllt die ganze Oeffnung. Es ist jetzt üblich, ihre Entstehungszeit nach einem im Jahr 1065 stattgehabten Weiheakt zu bestimmen. Aber das ist doch nur eine unsichere Grundlage. Stilistisch stehen sie unter allen zum Vergleich geeigneten Denkmälern der Malerei am nächsten den Wandgemälden in Prüfening von 1159, was bei der Langsamkeit der Stilbewegung natürlich nicht ausschließt, daß sie auch ein paar Jahrzehnte älter sein könnten, mehr schwerlich. Sonst sind Denkmäler aus dem 12. Jahrhundert ganz spärlich erhalten: zwei Fenster aus Peterslahr (Museum zu Bonn) und eines aus Neuweiler im Elsaß (Paris) dürften der Zeit nahe vor 1200 angehören und wenig später die in Kappenberg in Westfalen. Von da ab nehmen die Denkmäler rasch an Zahl zu, und zwar so verteilt, daß bis über die Mitte des 13. Jahrhunderts, wie in der Wandmalerei, so auch in der Glasmalerei der Nordwesten Deutschlands den 1. Platz einnehmen. Dabei ist kaum nötig, zu sagen, daß die Zahl der verlorengegangenen Stücke erheblich größer sein muß als die der erhaltenen. Aber der relative Verlust wird für das eine Jahrhundert nicht anders sein als für das andere. Daß der inzwischen in Frankreich, gleichen Schrittes mit der Entwicklung der Gotik in der Baukunst, eingetretene und immer glänzender werdende Aufschwung den Deutschen ein Ansporn war, kann im Zusammenhang der Dinge gar nicht anders gedacht werden. Keineswegs aber trat - wie ja auch in der Wandmalerei nicht - eine unmittelbare Nachahmung ein.

Propheten im Augsburger DomDer Stil der deutschen Glasgemälde geht mit dem der deutschen Wandgemälde zusammen, insbesondere blieben je dem deutsch-romanischen Ornament lange anhänglich, bis weit über die Mitte des 13. Jahrhunderts hinaus. Und in der künstlerischen und technischen Qualität können die besten unter ihnen mit den besten französischen Scheiben wohl wetteifern. Hinsichtlich der Komposition sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Die erste ist hochmonumental gerichtet: wenige große Figuren, meist sogar nur eine, in der Zeichnung klar und groß, in der Farbe, wie sich versteht, von einer Pracht, durch die die Wandmalerei gänzlich geschlagen wurde. Schönste Beispiele in St. Kunibert in Köln und ihnen so nahestehend, daß ein direkter Werkstattzusammenhang zu vermuten ist, die älteste Reihe der Elisabethkirche in Marburg. In der zweiten Gruppe gewinnt das Verlangen nach gegenständlicher Fülle die Oberhand; es werden übereinander runde oder vierpaßförmige Felder angeordnet und mit kleinfigurigen Szenen in zusammenhängendem Zyklus gefüllt. Dazu entdeckt man, daß das Ineinanderwirken vieler kleiner, glitzernder - schon die zeitgenössischen Dichter zum Vergleich mit Edelsteinen führender - Farbflecke einen eigenen dekorativen Reiz hat. Auch hier ist die Herleitung des Kompositionsschemas aus Frankreich nicht nötig; man braucht nur an die Decke von St. Michael in Hildesheim sowie an gewisse Miniaturen bis aufwärts zum Regensburger Utakodex zu erinnern.

Westfalen besitzt eine ganze Zahl schöner Stücke dieser Art, auch die Mittelfenster in der Dreikönigskapelle des Kölner Doms wie des Westchors in Naumburg beide aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts-, sind wegen ihrer romanischen Stilhaltung hier anzureihen - Weshalb Süddeutschland ähnliches nicht besitzt beantwortet sich ebenso aus aus der Geschichte der Architektur wie die glänzende Ausnahmestellung des Elsaß. Beschränkte man sich am Rhein und in Westfalen zunächst noch auf die Ausstattung des Chorraums, so wurde während der Erbauung des Straßburger Münsters zum ersten Male der Beschluß gefaßt, das ganze Gebäude gleichmäßig mit Glasgemälden zu begaben. Das schwere Brandunglück 1298, das an mehr als einer Stelle der deutschen Kunstgeschichte sich als ein Verhängnis zu erkennen gibt, machte diesem mit großartiger Energie begonnenen Unternehmen vorläufig ein Ende. Ein Teil der Glasgemälde des Querschiffs blieb verschont, aber die des (1250 - 1275 erbauten) Langhauses, Kroenung Mariens Strassburger Muenster um 1620soweit sie schon fertig waren, wurden stark beschädigt, übrigens nicht das letztemal. Es handelt sich um die sieben großen vierteiligen Fenster des nördlichen Seitenschiffs. Als Architektur ausgesprochen gotisch, sind sie in ihren Malereien noch romanisch stilisiert, also auch hier von der französischen Kunstströmung unabhängig. Dargestellt waren in mehr als vier Meter hohen Figuren 28 deutsche Könige, mit dem letzten Staufer endend, dem als 29ster ein Knabe beigegeben ist, doch wohl Konradin. Denken wir vergleichsweise etwa an die dem Gegenstande nahe verwandten und genau aus der gleichen seit stammenden Fürstenstatuen in Naumburg, so wird uns das Stilgesetz der Glasmalerei in seiner Begrenztheit ganz klar. Eine tiefergehende Charakterschilderung wird nicht versucht, alles steht in der Kategorie der Dekoration, aber man wird zugeben, daß auch hierin, gerade mit durch die großartige Monotonie der Haltung, ein bezwingend monumentaler Eindruck erreicht ist, der auch aller Verderbnis der Einzelheiten standgehalten hat. Ueber den nicht an sich aber in seiner Motivierung rätselhaften Inhalt nur wenige Worte. Ein rein profanes Thema,·der gemalte Katalog der deutschen Könige und Kaiser, wie kommt er an den heiligen Ort? Gestalten in Königstracht reihenweise auf Wandbildern, waren nichts ungewöhnliches, dann aber waren sie durch einen religiösen Ideengang motiviert, bedeuteten sie die Könige von Juda. Hier sind sie durch Inschriften Mann für Mann als deutsche Könige gekennzeichnet. Erwägt man die Lage einer Reichsstadt in der Zeit des Interregnums*, insbesondere die Straßburgs, im Kampfe um die Stadtfreiheit gegen den Bischof, so kann man sich wohl vorstellen, daß bestimmte Hoffnungen und Mahnungen darin ausgesprochen werden sollten. Für uns, die wir wissen, dass das echte alte Königs- und Kaisertum sich nicht wieder aufgerichtet hat, hat dies Denkmal noch einen tieferen und ergreifenderen Sinn.

[ * Interregnum: Mit dem Tod Kaiser Friedrichs II. im Dezember 1250 begann das sogenannte Interregnum („Zwischenkönigszeit“), in dem die Königsherrschaft im Reich nur schwach ausgeprägt war. In diese Zeit fiel Rudolfs Aufstieg zu einem der mächtigsten Territorialherren im Südwesten des Reiches. Mit seiner Wahl zum römisch-deutschen König (1273) endete das Interregnum. ]

Die Glasmalerei II.

Sie war für das romanische Kirchengebäude ein Schmuck; für das gotische ist sie eine Notwendigkeit. Dabei ist sie für sich nichts. Sie ist nicht nur mit ihrem materiellen Dasein, sondern mit ihrem tiefsten Wesen an die Architektur gebunden; ja selbst in profane Räume gehört sie eigentlich nicht, nur mit der weltentrückenden Stimmung der Kirchenarchitektur, noch genauer gesagt: der gotischen Kirchenarchitektur, geht sie zusammen. Das Ende des gotischen Kirchenbaus ist auch ihr Ende. Um 1250 bricht sie ab und erlebt nur noch eine kurze Schein- und Nachblüte an der Seite der bürgerlichen Baukunst. Ferner ist sie eine Kunst des Nordens. Die italienische Gotik hat mit ihr nie rechte Freundschaft geschlossen und auch die südfranzösische nicht, es wäre denn dort, wo sie unter der Botmäßigkeit des Nordens stand. Was sie aber dem Norden, auch den Deutschen bedeutete, ersieht man allein schon aus der ungeheuren Summe der Kosten, des Fleißes und des Talentes, die für sie aufgewendet wurden. (Es wäre möglich, daß an manchem gotischen Chor die Verglasung mehr gekostet hat als das Steinwerk.) Das im System liegende Uebermaß der Ansprüche in den genannten drei Punkten führte dahin, daß doch nur wenige Kirchen es bis zur Vollständigkeit ihrer Glasfensters-Ausstattung gebracht haben; womit es nicht anders war als mit dem Unvollendetbleiben so vieler Türme. So ist eben das Mittelalter: von seinen idealen Forderungen läßt es sich nicht abschrecken auch wo es durch hundert Erfahrungen weiß, daß die Ausführung fast immer auf halbem Wege liegenbleibt. Und doch werden in der Glasmalerei Lücken (und wäre es eine solche wie ein geöffnetes Klappfenster) peinlicher empfunden als andere Unvollständigkeiten. Der Architektur brachte sie als erstes die Beruhigung des Raumeindrucks. Sie gab die optische Wiederherstellung der struktiv aufgelösten Wandfläche. Doch gab sie noch mehr. Sie machte das Farbenerlebnis zum Begleiter architektonischer Eindrücke in einer Stärke, die kein anderer Baustil zu erreichen versucht hat, wie wohl auch keiner eine solche Bundesgenossin ertragen würde. Vielleicht sind wir moderne Menschen nicht mehr ganz imstande, die intensive Lust, die sie denen des 13. und 14. Jahrhunderts bereitete, völlig nachzuempfinden: Die Lust an der Farbe als solcher, er reinen, elementaren, mit dem Sonnenstrahl vermählten und so zu einer Wirkung hinaufgesteigerten, mit der verglichen jedes auf Stein oder Holz aufgetragene, das Licht nicht durchlassende, sondern zurückwerfende Pigment matt und dumpf erscheint. Es sind Farben nicht von dieser Welt, und darum in höchstem Einklang mit einer die Vorstellung auf überwirkliche Kräfte herleitenden Architektur. Das Uebernatürliche wird einleuchtend im buchstäblichen Sinne des Wortes.

"Der gotische Innenraum (sagt der dänische Kunstschriftsteller Julius Lange) will eine Welt für sich sein. Im selben Augenblick, wo man seine Schwelle übertritt, soll man die Welt, die vom klaren natürlichen Sonnenlicht bestrahlt wird und in der die Arbeit des Tages sich abspielt, vollständig draußen lassen. Man will nicht einmal durch ein Fenster Aussicht auf den blauen Himmel haben, denn der Himmel ist zwar nicht irdisch, aber doch natürlich... Das bemalte Glas ruft eine leichte, milde farbenreiche Dämmerung hervor, die den Eindruck der Wirklichkeit dämpft auch wenn man nicht zu den Scheiben emporblickt. Die Gegenstände im Raum, die Formen der Architektur des lebendigen Menschen, die sich drinnen bewegen, treten nicht so körperlich, handgreiflich in dieser Beleuchtung hervor... Besonders gegen den Abend ist die Wirkung ergreifend. Da wird die Dämmerung immer stärker und stärker, während die Glasmalereien aber, indem sie die letzten Strahlen des Lichtes von außen fangen und behalten, an Licht- und Farbenstärke zunehmen. Alle Farben singen und jubeln und schluchzen. Das ist in Wahrheit 'eine andere Welt'!... Bei ihrer täglichen Wanderung über den Himmel spielt die Sonne auf den farbigen Fensterscheiben wie auf einem Instrument: während einige in der heißesten, feurigsten Pracht dem mächtigsten Fortissimo von Farbe erstrahlenen, stehen andere namentlich auf der Nordseite, kühler und gedämpfter... ja, die Glasmalerei redet eine ganz andere Sprache, als man auf Erden gelernt zu haben glaubt, eine Art himmlisches Chaldäisch, - eine der Sprachen, die den Aposteln eingegeben wurden, wenn sie mit Zungen redeten."

Hermann von Muenster Kathedrale MetzIhre Hauptzwecke hätte die Glasmalerei ganz wohl durch bloß ornamentale Muster erreichen können (worauf sie in bestimmten Schulen sich auch beschränkte). Im allgemeinen aber hat sie auf figürliche und szenische Darstellungden keineswegs verzichten wollen. Das Bedürfnis des Mittelalters nach gegenständlicher Bedeutsamkeit der Kunst ist uns hinlänglich bekannt. Die von der Architektur durch äußerste Beschränkung der Wandmalerei geschlagene Lücke mußte an anderer Stelle wieder ausgeglichen werden. Aber die Schemata der Wandmalerei ließen sich nicht einfach auf Glasmalerei übertragen. Alles kam darauf an, die Zeichnung so zu gestalten, daß sie die Schönfarbigkeit nicht beeinträchtigte. Das war solange gewährleistet, als das Hauptgewicht auf den Umriß gelegt wurde, welcher, da er zugleich Farbgrenze war, womöglich mit den die Glasstückchen zusammenhaltenden Bleiruten sich zu decken hatte. Was auserdem noch an inneren Linien oder leichter Schattenmodellierung nötig war, wurde mit Schwarzlot schwarz aufgesetzt. Die Farben stehen somit ohne Uebergänge, in einfacher Koordination, nebeneinander. Gute Verteilung derselben im ornamentalen Sinne war Bedingung der Komposition. Ein solches Fenster hat also zwei heterogene Aufgaben zu vereinigen: Für den ersten zusammenfassenden Blick ist es nichts als ein bunter Teppich, auf die einzelnen Felder angesehen ein Zyklus von Historien - In dem hier geschilderten, streng gebundenen Darstellungsprinzip folgen sich, durch die Jahrhundertwende scharf getrennt, zwei sehr verschiedene Stilarten. Die des 13. Jahrhunderts steht noch in Fühlung mit der Wandmalerei, die des 14. kehrt dieser plötzlich den Rücken und wird gemalte Architektur: ein Phantasiegebäude mit Hallen und Arkaden, Spitzgiebeln und Fialen, Tabernakeln und Strebebögen wird hingestellt, und darin zerstreuen sich statuarisch behandelte Einzelfiguren; kein Ornament; die Architekturen phantastisch versonnen, aber nicht malerisch, vielmehr in der Vortragsart geometrischer Baurisse; in der Farbe goldgelb und silbergrau, der Hintergrund in starkfarbiger, teppichartiker Musterung. Die strengste und großartigste Repräsentation dieses Stils gibt der Chor des Kölner Doms, wo die Stiftungen 1317, das Jahr der Beendigung der Bauarbeiten, begannen. Um dieselbe Zeit findet er sich im Elsaß, und bald sind Schwaben und die Schweiz mit ihnen erfüllt. Der Anstoss war zweifellos von Frankreich gekommen. - Diese Richtung konnte aber das Volk nicht befriedigen. Es wollte menschliches Geschehen, nicht immer Form und nur Form. So ließ sich das Historienfenster (das wir schon im 13. Jahrhundert kennengelernt haben) nicht unterdrücken und hatte schon um die Mitte des Jahrhunderts wieder die Oberhand.

Die Architekturzeichnung aber, als Rahmung und Krönung fortdauernd geschätzt, suchte sich durch eine primitive perspektivische Darstellung und durch Einführung einer halbdurchsichtigen Schmelzfarbe, mit der leichte, graue Halbschatten angegeben wurden, interessanter zu machen, womit denn freilich das reine Flächenprinzip der klassischen Epoche schon durchbrochen war. Beide Neuerungen finden sich an den zwei riesigsten Glassfenstern des Mittelalters, dem Westfenster in Altenberg bei Köln, begonnen um 1380, und dem gleichzeitigen des Hermann von Münster an der Fassade der Kathedrale von Metz. Im übrigen ist ihre Komposition noch streng architektonisch. - Die langen historischen Reihen eingänglich zu betrachten, fehlt es uns heute meistens an Geduld und guten Augen. Eine mäßige Zahl von Stichproben genügt, um uns davon zu überzeugen, daß es auf die Glasmaler ein falsches Licht wirft, wenn man sie unter die Kunstgewerbler setzt: sie haben ihre Intentionen keineswegs mit Brosamen von fremdem Tisch bestritten vielmehr waren sie in ihrer klaren, eindringlichen, in gutem Gleichgewicht aufgebauten Erzählungskunst dem Durchschnitt der damaligen Wandmaler überlegen. Sie hatten über die besten Talente zu verfügen.

zurück