Max Wingenroth - Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden VII - Tübingen 1908 - S. 42 - 87 (Lahr)
Schreibweisen:
dominus de Gerolsegge in castro suo Lare 1250; zu Lare 1270; in der stat 1366; castrum Lare et oppidum eidem castro annexum 1311; Lore 1358; Lor 1373; Lar 1401; Läre 1458; Lhaar 1576. (Lar, in Ortsnamen häufig, vor allem auch als zweiter Bestandteil. Nach den einen mit Otfrieds gilâri, habitalis, nach den anderen mit ahd. lâri - leer zusammenzustellen.)
Archivalien:
der Stadt Lahr, Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 12 (1890) S. 97 - 108;
Archiv der Roeder von Diersburg: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894) S. 78;
Th. Müller, Aus dem Lahrer Stadtarchiv. Lahrer Zeitung 1890, Nr. 168 - 170;
P. Staudenmaier; Mittheil. aus den Kapitelarchiven Lahr und Offenburg. Freib. Diöces. Archiv Band 14, S. 268 ff.
Litteratur:
Ursprung der Stadt L. Beil. z. Anzeiger für Stadt und Land 1891, Nr. 143, Zeitschr. 52 (S. 674).
J. J. Reinhardt, Pragmatische Geschichte des Hauses Geroldseck, wie auch der Reichsherrschaften Hohengeroldseck, Lahr und Mahlberg in Schwaben. Frankfurt und Leipzig 1766.
Ruppert, Mortenau I, S. 338 - 377.
F. Stein, Geschichte und Beschreibung der Stadt Lahr und ihrer Umgebung. Lahr 1827.
Friedr. Müller, Beiträge zur Geschichte der Stadt Lahr. Gymn. Progr. I 1855, II 1856.
P. Staudenmaier, Aus der Türckheimischen Bibliothek, Abdruck einer Chronik von 1593. Lahrer Zeitung 188?,
Ders., Ueber die nach dem Schwedenkriege eingewanderten Geschlechter. Ebenda 188?.
Ders., Die adeligen und Patriziergeschlechter zu Lahr. Ebenda 188?.
Ders., Lahr um 1797 und Lahr um 1880. Ebenda 188?.
Langsdorf, Erläuterung und Erklärung des Freiheitsbriefes von 1877. Lahr 1795
Rau, Auslegung und Erklärung des Freiheitsbriefes vom Jahre 1377. Strassburg 1802.
Tobias Bundius, Lahrische Bettglocke, angezogen den 18. Octobris. Strassburg 1633.
J. G. Langsdorf Aem., Abschieds- und Antrittsrede, geh. 21. März 1803, als die Herrschaft Lahr...an Baden übergeben wurde. Lahr 1803.
K. Steinmann, Der Lahrer Prozess in Lahrer Mundart. Nach dem Tagebuche eines Zeitgenossen. Nebst dem Freiheitsbriefe. Lahr 1855.
M. Henning, Geschichte des Landkapitels Lahr. Lahr 1893.
Alte Kapitelstatuten von 1450 aus Registr. des Landkapitels L. Freibg. Kath. Kirchenblatt 1890 Nr. 38, 39.
P. Staudenmaier, Mittheil. aus den Kapitelsarchiven Offenburg und Lahr. Diöces. Archiv. XIV (1881) S. 268 - 279.
Wilhelm Weiss, Geschichte des Dekanats und der Dekane des Rural oder Landkapitels I. Offenburg 1895.
Gesch. und statist. Nachrichten über die kath. Stadtpfarrei L. Anzeiger für Stadt und Land 1880 Nr. 85 fg.
F. Bauer, Series pastorum Larensium. Bad. Geschäftskalender für d. J. 1898. Ausg. für Geistliche.
Ad. Sütterlin, Lahr und seine Umgebung. Lahr 1904. Ders., Kleiner Führer durch Lahr und Umgebung. Lahr 1906.
Album Lahr. Den Festgästen der Hauptversammlung des bad. Schwarzwaldvereins 26./28. Mai 1906 überreicht. Lahr 1906.
Ortsgeschichte:
Die Gegend war, wie das zu erwarten, schon in frühesten Zeiten besiedelt, wie Funde aus der Steinzeit und aus der Bronzezeit (s. u.) beweisen. Auch die Römer wie die Alemannen haben Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen, die uns aber nicht das Recht geben, von einer grösseren und geschlossenen Ansiedelung zu sprechen. Die Stadt Lahr verdankt vielmehr, wie es scheint, ihren Ursprung erst dem Dynastengeschlechte der Geroldsecker. So alt ihr Name klingt, dürfte sie doch erst aus den Ansiedlungen um die Tiefburg dieses Geschlechtes entstanden sein. Die Erwähnung eines "Heinricus de Lare miles" 1275 deutet schon auf das Vorhandensein eines Schlosses. Dieser Ministeriale des Markgrafen Hermann und Friedrich von Baden verkaufte damals sein Lehensgut Spitzenbach bei Breitebnet dem Kloster Tennenbach. Anhaltspunkte dafür, dass zur gleichen Zeit schon ein Dorf bestand, fehlen gänzlich. Die Burg dieser Zeit aber war wohl eine ganz einfache Anlage, vielleicht nur aus einem (noch später vorhandenen viereckigen?) Thurm nebst Mauern bestehend. Ich werde weiter unten zeigen, dass die noch existierenden Reste derselben nicht früher als gegen die Mitte des 13. Jhs. erbaut, sein können; sie zeigen die Formen des entwickelten Uebergangsstyles. Nun hören wir, dass 1250 Walter von Geroldseck sammt seinem Sohne in seinem Schloss Lar von dem Grafen Konrad von Freiburg genommen wurde(1), 1259 wird in der Stiftungsurkunde des Augustinerklosters eine Hofstätte, iuxta munitionen nostram (2) bezeichnet und noch nicht von einem Dorf gesprochen. Mit der Annahme Rupperts, dass Lahr und andere Orte Zähringer Güter gewesen sind, die an die Staufer und von da gegen die Mitte des 13. Jhs. an die Geroldsecker gekommen sind, stimmen diese Nachrichten wie der bauliche Befund überein. Gleich nach ihrer Besitznahme haben die Geroldsecker gegen 1250, nachdem sie als Helfer des Bischofs von Strassburg ihre Herrschaft durch den Erwerb Malbergs vergrössert hatten und durch die Auffindung reicher Silberadern zu mächtigen, angesehenen Herren geworden waren(3), die einfache Tiefburg zu einem wohnbaren und prächtigen Schlosse umgestaltet. Daran werden sich, wie immer sogleich Ansiedelungen geschlossen haben, und bald konnte man von einem Dorfe sprechen. Fast zur nämlichen Zeit aber wie die Schlossbauten stifteten die Dynasten das erwähnte Kloster und begannen den, man darf sagen, glänzenden Bau der stattlichen Kirche, in den Formen des Uebergangsstyles und der frühesten Gothik, wohl ehe ihre Mittel in den Kämpfen des Bischofs Walter von Strassburg so beträchtlich geschwächt wurden. 1267 endlich wird das Dorf erstmals genannt(4); es wird unter dem Schutz der aufblühenden Herrschaft mächtig gewachsen sein, so dass es etwa 10 Jahre später zur Stadt erhoben werden konnte. Diese Erhebung muss nicht lange vor 1279 stattgefunden haben, denn in dem Freiheitsbrief von 1279 wird sie schon Stadt genannt.
Bei der Theilung, die Walther I. 1272 vornahm, war Lahr zusammen mit Malberg, Langenhard etc. (s. Einleitung) an die Söhne seines 1262 in der Schlacht bei Hugsberg gefallenen Sohnes, des Landvogtes Hermann, an Heinrich I. und Walther II. gefallen. Diese verliehen Lahr das Stadtrecht nach dem Freiburger Muster. Heinrich I. stellte den Freiheitsbrief (4) aus, der die Stadt mit werthvollen Privilegien ausstattete. 1301, 1314, 1320 und 1354 wurde der Brief erneuert und erweitert, der grosse Freiheitsbrief von 1377 endlich war "nur eine Vereinigung und Erweiterung dieser Urkunden".(5) An der Spitze der übrigens stets grundherrlichen Stadt, stand ein Zwölferrath, der jährlich von der Bürgerschaft gewählt wurde; die Herrschaft aber hatte sich das Recht vorbehalten, ihr nicht gefällige Personen auszuschliessen und eine Neuwahl zu verlangen. An ihrer Spitze stand der Vogt, später der von der Herrschaft ernannte Schultheiss. Eine Zeit lang wurden aus den Rathsmitgliedern "Vierer" gewählt, welche mit dem Vogt zusammen die jährliche Steuer zu bestimmen hatten, von 1354 aber an verschwinden sie und die Vertheilung der Steuer wird zu einem Recht des gesammten Rathes, in dem 1365 ein Bürgermeister erscheint. Den Vorsitz behielt der Vogt und der Schultheiss. Das erstere Amt war als Zeitlehen der Herrschaft in den Händen von Vasallen, während das Schultheissenamt wohl einem der Rathsglieder von der Herrschaft verliehen wurde. Später kam dazu ein Amtmann und solange Baden und Nassau sich in die Herrschaft theilten, deren zwei.
Die Stadt scheint rasch emporgeblüht zu sein, obgleich die Geroldsecker ihr Versprechen, sie nicht zu bedrücken, und die Bestimmung, dass die Bürger von Lahr nicht gegen ihren Willen haftbar oder verpfändet werden sollten, unter dem Drucke der schweren Zeitläufte oft nicht einhalten konnten. Die Stadt theilte die Schicksale der Herrschaft und mag unter deren Niedergang oft genug gelitten haben. Die Geroldsecker haben, wie viele Geschlechter, über fortwährenden Theilungen ihre Macht eingebüsst. 1299 theilten die Brüder Heinrich und Walter ihre Herrschaft in Lahr und Malberg, die aber bald nachher, nach dem Tode Heinrichs, wieder in der Hand Walthers II. vereinigt wurde. Er und seine Nachkommen waren nun eifrig bestrebt, soweit es in ihrer sinkenden Macht stand, die Stadt zu fördern; die Rechte und Freiheiten derselben scheinen auch reichlich Fremde herbeigelockt zu haben. Das Bürgerbuch von 1356, das, lange Zeit fortgesetzt, noch im Stadtarchiv zu Lahr aufbewahrt wird, weist 192 Bürger und 110 Ausbürger auf. Die letzteren blieben in ihren nahegelegenen Heimathorten wohnen, hatten aber bürgerliche Rechte und genossen in Kriegszeiten den Schutz der Stadt. Wie schon Stein bemerkt, ergiebt sich daraus, dass keine einzige Familie zahlreich war, die Mannigfaltigkeit der Namen daher gross war, dass alle vor mehr oder minder kurzer Zeit eingewandert sind.
Kurz ehe dies Bürgerbuch begonnen wurde, hatte die Stadt die beiden gewaltigen Ereignisse durchzumachen, die ganz Deutschland und mehr oder minder ganz Mitteleuropa erschütterten, das Erdbeben von 1348 und die grosse Pest. Wie allerwärts, so schrieb man auch hier die Schuld daran den Juden zu und beschloss über diese auf einem Landtag zu Benfelden (s. Einleitung), dem auch Walther IV. von Lare nebst seinen Vettern beiwohnte. Die Folge davon war eine schreckliche Judenverfolgung, die in Lahr mit deren vollständiger Ausrottung und Austreibung geendigt zu haben scheint, denn in dem Bürgerbuche von 1356 geschieht ihrer keinerlei Erwähnung mehr. Die Stadt, die sich: immer mehr emporhebt, konnte 1362 daran denken, ihr Ohmgeld um ein Dritttheil zu erhöhen, allerdings ohne grossen Nutzen davon zu haben, denn die Geroldsecker nahmen nun häufig ihre pekuniäre Zuflucht zu ihren Mitteln, wofür sie denn manche Privilegien gewähren mussten, so den erwähnten grossen Freiheitsbrief von 1377. - 1426 starb ihr Mannesstamm aus und nun kam die Stadt mit der Herrschaft an Johann Grafen von Mörs und Saarwerden, der in schwerem Kampfe gegen die Erbansprüche der Hohengeroldsecker das Erbe seiner Gattin zu vertheidigen hatte. Ganz besonders litt unter diesen Kämpfen die Stadt, da auch ihr Markt von den Hohengeroldseckern durch Errichtung eines neuen Marktes in Selbach schwer geschädigt wurde. 1444 wurde endlich Friede geschlossen; die Grafen aber waren derartig in Schulden gekommen, dass sie 1442 die Hälfte der Herrschaft zum Mitbesitz an Markgraf Jakob von Baden verkauften. Dieser verkaufte wieder die Hälfte seines Antheils um 15.000 Gulden 1462 an die Stadt Strassburg, löste ihn aber schon 1480 wieder ein. Auch der Mörs-Saarwerden’sche Mannesstamm starb bald aus - der letzte Erbe endigte in geistiger Umnachtung 1527 -, da kam der Schwiegersohn Johanns III., Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken in den Gemeinbesitz mit Baden. Stadt und Herrschaft machten nun, wie so manche deutsche Länder, jenes ewige Hin und Her von Verpfändungen, Rückgabe, Uebergang durch Vererbung an andere Häuser mit, welches die deutsche Geschichte im 16. bis 18. Jh. so unerquicklich macht. In der Einleitung ist geschildert, wie auf, die Nassau-Saarbrücken die Nassau-Weilburg und die Nassau-Usingen folgten, wie die Herrschaft bisher im Gemeinbesitz von Nassau und Baden-Baden 1529[sic!] zwischen diesen getheilt wurde, wesentlich auf Grund konfessioneller Bedenken des badischen Markgrafen. Lahr kam dabei an Nassau und blieb somit protestantisch. 1654 bis 1727 war es pfandweise im Besitz des Markgrafen von Baden-Durlach; endlich kam es 1803 definitiv an Baden. Seit 1527 wird wohl kaum einer der Herren mehr länger in Lahr residirt haben, ihre Interesse an der Entwickelung der Stadt mag unter derartigen Wechselfällen nicht sehr gross gewesen sein und Lahr verlor mit dem Erlöschen des Geschlechts seiner Gründer immer mehr an Bedeutung, es scheint selbst vor dem dreissigjährigen Krieg kaum mehr Bewohner gehabt zu haben als im Mittelalter, etwa 100 Jahre nach seiner Gründung. Selbstverständlich nahmen diese dann in den Zeiten des grossen Krieges rapid ab, es hatte an dessen Ende drei Viertel seiner Bewohner verloren und fing gerade an, sich zu erholen, als die Kriege Ludwigs XIV. über die Gegend herein brachen. 1677 wurde, wie andere Orte, auch die Stadt Lahr verbrannt und die Tiefburg mit ihren mächtigen Mauern ruinirt; wie gründlich, davon giebt die weiter unten folgende Abbildung derselben einen Begriff. Im 18. Jh. begann die Stadt unter der offenbar nicht harten nassauischen Herrschaft wieder aufzublühen. 1734 wurde sogar das Schloss so gut wie möglich noch einmal befestigt und auch sonst manche Ausbesserungen vorgenommen. Die Ruhe, die sich allmählich einstellte, wurde indess im letzten Drittel des Jahrhunderts durch die Prozesse zwischen den Bürgern der Stadt und der Herrschaft zerstört, wobei erstere sich auf den alten Freiheitsbrief mit einseitiger Auslegung desselben stützten. Es kam zu heftigsten Scenen, die man in Steins Geschichte der Stadt Lahr nachlesen mag; in dem "Lahrer Prozess", einem Gedicht in Lahrer Mundart(6), sind diese Differenzen trefflich geschildert. Ihren letzten Grund mögen sie wohl darin gehabt haben, dass die grosse Entfernung von dem Sitz der Herrschaft eine intimere Beziehung zwischen Fürst und Volk unmöglich machten, welche natürlich dadurch nicht besser werden konnten, dass Nassau sich schliesslich zur Stillung des förmlichen Aufstandes 300 Mann Exekutionstruppen von Baden erbat. Das Unnatürliche solcher Herrschaftsverhältnisse im alten deutschen Reich offenbart sich damit genügend. Das Reichskammergericht aber hatte von da an mit unendlichen, bei den Haaren herbeigezogenen Prozessen der Lahrer gegen ihre Regierung genügend zu thun. Diese unglücklichen Verhältnisse haben natürlich dazu beigetragen, die Lahrer Bürger für die Ideen der Revolution, die damals in Frankreich ausbrach, besonders empfänglich zu machen. "Als den 13. Jenner 1792 Prinz Condé unter Husarenbedeckung durch Dinglingen fuhr und sich gegen die Zuschauer verbeugend aus dem Wagen lehnte, schrieen ihm die versammelten Lahrer das 'vive la nation' entgegen."(Stein) Auch sonst ergriffen die Bürger jede Gelegenheit, den flüchtigen Aristokraten ihren Hass auszudrücken, sie werden also die Besetzung Lahrs am 31. Juni 1796 durch die Republikaner kaum ungern gesehen haben. Lange dauerte diese allerdings nicht. Den Versuchen aber des Erzherzogs Carl von Oesterreich, eine Art Landsturm zu errichten, setzten die Lahrer einen stillen, aber wirksamen Widerstand entgegen. Die Nassauische Regierung behandelte die Stadt, angesichts des Zunders, der dort aufgehäuft schien, von nun an äusserst vorsichtig und nachgiebig. Es schien sich daher ein, besseres Verhältniss herauszubilden, wie die schnelle Deckung eines Anleihens der Regierung im Jahre 1798 beweist; indess versuchte die Stadt Lahr doch noch einmal 1802 im sogenannten Dinglinger Zollkrieg sich mit Gewalt Recht zu verschaffen. So musste es denn eine wahre Erlösung sein, als Lahr 1803 an Baden kam. Am 26. September dieses Jahres wurde von dem Geheimen Rath und Landvogt zu Mahlberg, Freiherrn von Roggenbach, die Huldigung der Herrschaft Lahr, der Oberämter Oberkirch, Lichtenberg, Ettenheim und Schliengen, den Reichsstädten Offenburg, Gengenbach und Zell in der Stadt Lahr entgegengenommen. Erst durch diesen Einschluss in ein grösseres Ganzes konnte nun die Stadt emporblühen und sich zu ihrer heutigen Handelsbedeutung entwickeln. Der Namenstag Karl Friedrichs, der Karlstag, wurde daher bis auf unsere Zeiten in Lahr mit Recht gefeiert.
Vorgeschichtliches:
Ueber ein 1825 von dem Geologen Ami Boué in Wien aus dem Löss der Gegend von Lahr ausgegrabenes menschliches Skelett s. Albr. Müller, "Die ältesten Spuren des Menschen in Europa", Basel, Schweighauser, 1871. Auf dem "Burghard", 1/2 Stunde südöstlich von der Stadt, befindet sich ein grosser Ringwall, oval, 300 auf 200 m, Höhe ca. 2,50 m. Herr v. Preen fand 1896 im nordöstlichen
Theil des Innenraums "den prähistorischen ähnliche Scherben". Seine Grabungen von 1897 auf der Südwestseite ergaben nichts weiteres der Art; in einer Tiefe von 40 cm kam eine Lage unregelmässig aneinander geschichteter, 20 cm grosser Sandsteine zum Vorschein, der Wall selbst ist aus Sandsteinschutt hergestellt. "Westlich davon die Heidenburg mit dem Heidengraben", nach F. Stein, Geschichte und Beschreibung der Stadt Lahr 1827, "etwa 1500 Schritte von der Stadt, auf der rechten Seite des Schutterthals. Sie ist durch Steinbrüche umwühlt, ohne Spuren früheren Mauerwerks.
An ihr zieht sich auf einige 100 Schritte der Heidengraben in das Gebirge hinein, dem Anschein nach von der Kunst zur. Vertheidigung benützt, an dessen linkem steilen Abhange sowohl als auf der Höhe ebenfalls Verschanzungen angebracht sind." Einige Steinwerkzeuge befinden sich in der von Prof. Mohr neu geordneten Städt. Sammlung in Lahr, darunter zwei grosse Mahlsteine aus Gneis (60 und 65 cm lang), ein geschliffenes und durchbohrtes Steinbeil aus Serpentin, gef. 1882 bei Legung der Wasserleitung in der Friedrichstrasse, ein weiteres solches 2 m tief im Löss gefundenes (oberes Stück abgebrochen). Ebendort eine Bronzebeilklinge mit Schaftlappen und seitlichem Ringchen, gef. in einer Felsspalte im "Hohberg".
Römisches:
In der Städt. Sammlung von Freiburg i. Br. befinden sich aus der Gegend von Lahr Scherben von rother terra sigillata und 2 Ziegelstücke mit dem Stempel der LEG. VIII (Verzeichniss von Schreiber); in der Sammlung von Lahr ein kugeliger Thonkrug wit verziertem Schulterband, gef. 1887 beim Bau einer Brücke über den Schutterkanal, ca. 300 m östlich vom Bahnhof, vier weitere römische Thongefässe aus der Umgegend und zwei Bruchstücke von rörmischen Steinskulpturen, gef. 1891 auf dem rechten Ufer der Schutter; das Kopfstück eines Altarsteins mit den Buchstaben DE(o) und ein Fragment mit dem Bein und Stab des Merkur (32 cm hoch).
Alemannisches:
Beim Ausheben von Baugruben im "Hagedorn" stiess man 1899 auf Gräber eines alemannischen Friedhofs. An Beigaben fanden sich ein langes zweischneidiges Eisenschwert (Spatha), zwei einschneidige Kurzschwerter (Scramasax), Speer- und Pfeilspitzen und Schnallen, von letzteren eine mit Silbertauschirung. (W.) Da die Entstehung der Stadt Lahr sich anschliesst an die an dieser Stelle vorhandene Tiefburg der Geroldsecker, da demgemäss auch ihre bauliche Anlage nur aus der Beziehung auf diese zu verstehen ist, so muss die Besprechung dieser einstmals so prächtigen Anlage aller weiteren Beschreibung vorangehen. Von ihr steht heute nur noch ein Rest in dem sogen. Storchenthurm und den beiderseitig an ihn anstossenden Mauer- bezw. Gebäuderesten. Durch den Plan Merian's (s. Fig. 16) aber von 1643, sowie durch zwei Aquarelle - Kopien in der Stadtsammlung und im Privatbesitz, welche (die Originale habe ich bisher nicht auffinden können) die Burg in dem ruinösen Zustand des 18. Jhs. wiedergeben - kann ihre ehemalige Gestalt einigermassen festgestellt werden (s. die Fig. 17 u. 18). Das Bild, das die Burg bot, war der klassische Typus einer Tiefburg, ein Viereck mit runden Thürmen an den Ecken, an die sich die Wohngebäude anschlossen. Da bei dem erhaltenen Theil die an den Thurm anstossenden Mauern einen spitzen Winkel bilden (s. Fig. 20), so war das Viereck nicht regelmässig, sondern an der einen Ecke verschoben, wie es unser rekonstruirter Plan (s. Fig. 19) zeigt, möglicherweise auch überhaupt rautenförmig gestaltet. Ein grosser, ca. 12 m und darüber breiter Graben, der sein Wasser aus dem Gewerbekanal, einem abgeleiteten Arm der Schutter, erhielt, welcher die Stadt durchfliesst, umgab das Viereck.
Er scheint von einer niederen (früher wohl höheren) Mauer nach aussen begrenzt gewesen zu sein, an ihn setzte im Westen und Osten die Stadtmauer an, über die die Burg etwa um ein Drittel herausragte. An dieser freien Stelle scheint ehemals ein Zwinger vorgelagert gewesen zu sein, wenigstens glaube ich, den auf unsern beiden Aquarellen angegebenen Lattenzaun so deuten zu dürfen. Eine steinerne (?) Bogenbrücke überschritt den Graben und verband die Burg mit der Stadt.
Soweit die Gesammtanlage. Ueber den inneren Ausbau geben uns die noch stehenden Reste gute Auskunft. Sie bestehen zunächst aus dem mächtigen Thurm (A auf der Rekonstruktionsskizze). Dieser, von etwa 8,5 m Durchmesser, einer unteren Mauerdicke von ca. 2 1/4 m, zeigt im Aeusseren eine ausserordentlich wirkungsvolle Bekleidung mit sauberen Bossenquadern (s. Fig. 20), die von virtuoser Steinmetztechnik - die Zeichen der Steinmetzen ebenfalls Fig. 20 - zeugen.
Diese Quader greifen zum Theil merkwürdig hakenartig übereinander. Sie sind aus dem harten, rothen Sandstein der Umgegend (vom Altvater). Der innere Mauerkern besteht aus Bruchsteinmauerwerk. Der Thurm enthält drei Stockwerke übereinander. Man betritt ihn durch eine Thür mit geradem Sturz, an dem (anscheinend alt) die Umrisslinien zweier Ritter auf Pferden eingeritzt sind, und Kleeblattblendbogen. Eine nicht mehr zugängliche Treppe führt von hier herunter in einen verliessartigen Raum. Im Erdgeschoss selbst, durch eine (theilweise erneuerte) Mauer von der Treppe getrennt und durch eine geradsturzige Thür zugänglich, ein halbrunder Raum, der wenig Licht durch Schiessscharten mit grosser Kammer erhält. Er ist durch ein später, wohl im 18. Jh. eingezogenes Backsteingewölbe zu einer Art Wachtstube hergerichtet.
Zwischen ihm und dem zweiten Stockwerk führte eine jetzt zugemauerte Thüröffnung in den Ostpalas. Man sieht schon aus dem bisherigen, dass der Thurm in späterer Zeit viele Ueberarbeitungen erfahren hat, die seine ursprüngliche Anlage nicht mehr klar erkennen lassen. Das wird sofort bestätigt durch das folgende, das zweite Stockwerk. Hier, wo sich nach aussen die langen, interessanten Bogenschiessscharten (s. Fig. 21) öffnen, ist von dieser Schiessscharte zu der Thür die Mauer abgespitzt, neues Mauerwerk eingefügt und doch muss zu der Erbauungszeit die Mauer den Raum noch weniger eingeengt haben, da sonst die Oeffnung für Schützen ganz unbrauchbar gewesen wäre. Auch die Gurtbögen, welche die Decke dieses ganz unregelmässigen Gewölbes (bei ebenso unregelmässigem Grundriss) tragen, sind zweifellos erst im 16. Jh. eingezogen worden, ebenso sind die Treppen zum Theil bei späteren baulichen Eingriffen verändert. Zwischen dem zweiten und dritten, und ebenso über dem letzten Stockwerk war die Treppe einstmals durch Thüren abschliessbar, deren Spuren noch sichtbar. Das nun folgende dritte Stockwerk zeichnet sich durch sorgfältigere Behandlung aus. Es ist gegen die Treppe durch eine Quermauer abgeschlossen, rechts und links von dem durch die einfache Thür Eintretenden sind in der Mauerdicke Flachnischen ausgespart, während die vierte Seite durch die runde Linie der Thurmmauer das Gemach apsidenartig abschliesst, welches von einem Kreuzgewölbe mit birnenförmig profilirten Rippen auf achteckigen Konsolen gedeckt wird. Letztere sind leicht konkav (s. Fig. 22). Der Schlussstein zeigt verwaschenes, flaues Blattwerk, das auf das 15. Jh. weist. Die Anlage des Raumes legt den Gedanken an eine Kapelle nahe; doch möchte ich mich darüber nicht sicher aussprechen. Dafür sprechen aber jedenfalls die in den beiden Flachnischen vorhandenen, jetzt theilweise zugemauerten, Doppelfenster mit spitzen Kleeblattbögen (s.Fig. 23).
Von hier aus führt wieder eine Thür in den Ostpalas, sowie dann, in der Dicke der Mauer, ihrem runden Zuge folgend, die alte Treppe zur Plattform, die von mächtigen Zinnen umgeben war, deren Zwischenräume jetzt zum Theil durch späteres Flickmauerwerk ausgefüllt sind. Wir sehen im Innern hinter den Zinnen eine kleine Aufmauerung, die wohl einer Balkenlage gedient haben mag. Ueber die ehemalige Gestaltung dieses obersten Theiles wie über die Art der Endigung der Zinnen können wir keine sichere Anschauung mehr gewinnen, da hier im 17. Jh. durch Einziehen schlechter Riegelwände Alles zu kleinen Zimmern umgeändert worden ist. Ein ähnliches Dach wie heute mag ehemals die Bekrönung gebildet haben, das heutige, durch einen mächtigen hölzernen Dachstuhl gehalten, der wohl auch schon in das 17. oder 16. Jh. hinaufragt, es trägt das Storchennest, das dem Thurm den Namen giebt.
Die Thurmmauer war nach dem Innern des Schlosshofes zu bis zu etwa 2/3 Höhe muldenartig eingeschnitten, um dem hier sich anfügenden Gebäude den guten Anschluss zu ermöglichen, was allein schon die Gleichzeitigkeit der Bauten beweist. Von diesem Gebäude stehen nur noch die zwei an den Thurm anstossenden Aussenmauern in einer. Stärke von etwa 2 1/2 m. Diese Mauern zeigen nach aussen die gleiche vorzügliche Bossen-Quaderbekleidung wie der Thurm, nach innen zu eine Bekleidung mit sauber glatt behauenen Quadern, während der Zwischenraum durch Gussmauerwerk ausgefüllt ist. Alles also in vorzüglich solider Technik. Das nördliche Mauerstück, das noch etwa in der Länge von 8 m erhalten ist, hat im unteren Theil keinerlei Oeffnung, im oberen dagegen die Hälfte eines gekuppelten Fensters, zwei Kleeblattblendbögen (einer noch erhalten) auf schlanken Säulchen mit Tellerbasen und Knospenkapitellen, das Ganze war umschlossen von einem grossen Blendrundbogen und der Zwischenraum durch eine Platte mit geometrisch geschnittener Oeffnung geschlossen (s. Fig. 24). Sichtbar auch noch die Löcher für die Verschlussbalken.
Die südöstliche Wand, etwa 9 m lang erhalten, von der gleichen Dicke wie die andere, aber mit nach Innen nicht so gut sauber hergestelltem Mauerwerk und mit dem Thurm anscheinend nicht bündig, zeigt zunächst dem Thurm nicht ganz in der Höhe des geschilderten Nordfensters eine schlanke, im Kleeblattbogen abgeschlossene Thür, die ehemals zu einem Abort führte, dessen Konsolen noch aussen sichtbar sind. Dann, ebenfalls etwas tiefer wie das Nordfenster, ein grosses Doppelfenster, durch einen abgeschrägten Pfosten getheilt, geradem Sturz über den beiden Oeffnungen, darüber in flacher Ausführung - gleich der unteren Thür in den Thurm - Kleeblattblendbögen und eine geometrisch ausgeschnittene Steinplatte, das Ganze von einem runden Blendbogen zusammengehalten. Im jetzigen Erdboden ein gleiches, lange Zeit als Hühnerstall gebrauchtes Fenster. Bei beiden sind die Gewände einfach abgeschrägt. Im Innern in der stattlichen Mauerdicke spannt sich über ihnen ein Rundbogen. Ueber dem unteren Fenster ein Unterstützungsspitzbogen. Im unteren Theil daneben vom Innern aus ein entsprechender Rundbogen, aber durch sehr roh behauene Steine gebildet, der aber nicht zu einem Fenster gehört, sondern schräg in die Tiefe führt. Vielleicht der auf der alten Ansicht angedeutete Ausgang in den Graben?
Am ganzen Gebäude zerstreut die für die Mitte des 13. Jhs. ebenfalls charakteristischen Steinmetzzeichen (s. Fig. 20).
Und nun werfe man einen Blick auf die beiden in Fig. 17 und 18 abgebildeten Aquarelle. Auf dem einen (Fig. 18) sehen wir die Nordostwand und zwar an den Thurm anlehnend einen ziemlich hohen Giebel, in diesem in drei Stockwerken übereinander zuerst zwei, dann je ein Fenster, unten aber im Hauptgeschoss des Gebäudes ein gekuppeltes Rundbogenfenster, das Fenster, das wir in Fig. 23 wiedergegeben haben, wie es deutlicher und genauer der etwas unbeholfene Zeichner bei dem kleinen Massstab gar nicht hätte wiedergeben können. Der Giebel allerdings ist der Zeit zum Opfer gefallen, das Fenster aber steht noch. Und bei der Südostwand (s. Fig. 17) giebt der
Zeichner ebenfalls mit wünschenswerther Deutlichkeit die beiden von uns geschilderten Fenster übereinander, dann wieder ein Fenster, das heute nicht mehr vorhanden, und dann, wohl dem Thurm etwas zu nahe gerückt, der Ausgang in den Graben. Aber nach Allem dürfen wir, wenn auch nicht in jeder Kleinigkeit - z. B. nicht in der Fensterzahl - seinen Angaben unbedingt trauen und können uns danach das Bild des Schlosses folgendermassen rekonstruiren:
In dem unregelmässigen Viereck standen sich gegenüber die zwei palasähnlichen Bauten B und D. Beide schlossen sich an je zwei Thürme der Umfassungsmauer an; die Innenräume der Thürme waren theilweise mit zu Wohnzwecken benutzt. Die Aussenmauern des Schlosses waren zugleich die Aussenmauern dieser Gebäude.
Beide waren, wie es schien, im edelsten Uebergangsstyl erbaut. Von B können wir sicher sagen, dass es ein Satteldach besass, noch sehen wir auf der Zeichnung den stattlichen Giebel, der sich an den Thurm (A) anlehnte. Der Bau scheint drei Stockwerke gehabt zu haben; der Erdboden bedeckt heute das untere, das sich in einer runden Ausfallthür nach dem Graben öffnete. Das Stockwerk darüber zeigt gekuppelte Rundbogenfenster - es mag wohl die Prachtsäle enthalten haben -, das obere Stockwerk ein derartiges Fenster und dann durch einen Pfosten getheilte geradsturzige Fenster. Gegen den Hof (C) zu hatte der Bau Spitzbogenfenster und ein grosses spitzbogiges Thor. Eine etwas stärkere Mauer trennte das letzte Drittel des Baues von dem andern Theil. Von dem gegenüberliegenden Bau können wir auf dem Aquarell noch vier grosse gekuppelte Fenster erkennen, die gedrückte Spitzbogen zu haben scheinen, wenn das nicht, wie bei dem gegenüberliegenden Bau nach den Resten sicher, als missglückte Rundbogen auf Rechnung des Zeichners kommt. Die Südmauer des Hofes (C) scheint eine rundbogige Ausfallthür (?) gehabt zu haben und eine grosse (?) Schiessscharte, die Nordmauer - an der wir das gekuppelte Fenster der Schmalseiten der Bauten B wie D noch erkennen - öffnete sich in spitzbogigem Thor zu der steinernen Brücke. Kurzum, das klare Bild einer mehr für eine gewisse Prachtentfaltung, als für starke Vertheidigungen errichteten Anlage.
Indess scheint eine alte Notiz, die Stein mittheilt und die auch Ruppert abdruckt, diesem ziemlich klaren Befund zu widersprechen. Danach stand nämlich in dem Schlosse noch ein auf unsern Abbildungen nicht ersichtlicher Thurm. Ich drucke diese Nachricht nach Stein ab:
In dem Schlosse stand ehemals noch ein viereckigter, 32 Fuss in das Gevierte haltender, Thurm, der im Jahr 1655, auf Befehl der Regierung, abgebrochen werden sollte. Sie trug dabei ihrem Beamten auf, fleissig zu achten, wie derselbe inwendig beschaffen sey, "da in dergleichen alten Gebäuden oft Sachen wären, die nicht für Jedermann passten." In dem hierauf erstatteten Berichte heisst es: dass sich das Abbrechen ohne allzugrosse Mühe und Kosten "nicht machen lasse, denn das Gezeug sey gar fett und viel härter und fester als die Steine selbst. Derowegen habe man den Thurm mit allem Fleiss besichtigt und gefunden, dass noch ein Gewölbe 30 Werkschuh tief darunter sey, dieweilen aber uns der Thurm zu besteigen unmöglich, auch bei solchen Umständen andern Leuten anzuvertrauen nicht zu verantworten gedacht; als haben wir dem Boden gleich ein grosses Loch eingebrochen. In Auswerfung des Grundes, so viel sich annoch thun lassen, in Beiseyn unserer (des Beamten und Maurermeisters) anders nichts als vermoderte grosse und kleine Menschen beisamt verbrannter Asche, welches annoch auf sechs Werkschuh tief und Morgens Tags, geliebts Gott, vollends ausgeführt und nach Erfund Bericht erstattet werden soll, darin befunden, daraus zu muthmassen, dass vor alten Zeiten Leut darein gethan und mit Feuer erstickt und verbrandt worden."
Weitere Nachrichten fehlen. Von aufgefundenen Waffen oder sonstigen Geräthschaften geschieht keine Erwähnung.
Nach dem von dem Maurermeister bei dieser Gelegenheit gefertigten Plane enthält der "Thurm drei viereckigte Gewölbe übereinander. Das unterste, 14 Fuss weit und 30 Fuss hoch, wovon 6 Fuss in dem Boden und 30 Fuss im Lichten, hatte 9 Fuss 4 Zoll dicke Mauern. Aus ihm ging ein 2 1/2 Fuss weites Loch durch die Wölbung in das mittlere, gleich grosse, und 11 Fuss hohe Gemach, in dessen vier Seiten eben so viele innen 3 Fuss hohe, aber enge auslaufende, Wartlöcher angebracht waren. Eine 3 1/2 Fuss lange und 2 Fuss breite Oeffnung führte in das oberste Gemach. Dieses, ein 10 Fuss hohes Kreuzgewölbe von der nemlichen Weite wie die übrigen, hatte auf entgegengesetzten Seiten zwei Wartlöcher, einen Kamin, einen Abtritt und eine Treppe, auf der man innerhalb des Thurmes auf dessen 3 1/2 Fuss hohe Brustwehr stieg. Aus einer Thüre, der einzigen dieses Thurmes, kam man auf die Fallbrücke, welche mit den Schlossmauern oder Gebäuden in Verbindung gewesen seyn muss. Der Thurm scheint in der Mitte des Schlosses gestanden und jenen Platz eingenommen zu haben, welchen das Viereck des, vor dem Jahre 1643 entworfenen, Schlossplanes bezeichnet. Diese Vermuthung wird noch dadurch sehr bestärkt, dass die Wohn- und Oekonomie-Gebäude an den Seiten angebracht waren, und die Schlossmauern allenthalben Oeffnungen hatten. Der erwähnte Regierungsbefehl nennt diesen Thurm vorzugsweise den alten, und man scheint ihn daher schon damals für älter als die runden Eckthürme gehalten zu haben. Auffallend ist es, dass das Innere desselben der Regierung und ihren Beamten unbekannt geblieben war, und dass man darin besondere und wichtige Geheimnisse, deren allgemeine Bekanntwerdung man nicht für räthlich hielt, verborgen glaubte."
Woher diese Nachricht stammt, habe ich bis jetzt nicht konstatiren können; sie ist immerhin so bestimmt, dass wir ihr einstweilen Glauben schenken dürfen und ich möchte danach annehmen, dass dieser Wohnthurm, für den in dem doch 12 m breiten Hofe (C) reichlicher Platz war, stehen geblieben ist als Ueberrest der alten einfacheren Tiefburg vor der Besitzergreifung durch die Geroldsecker. Nicht unmöglich aber auch, dass diese ihn gebaut haben, um der Anlage doch einen grösseren, fortifikatorischen Werth zu verleihen, als sie nach unsern Bildern zu haben schien.
In dem Hofe bei dem Thurm werden jetzt die Ueberreste des alten Lahrer Galgens aufbewahrt.
Zu gleicher Zeit etwa mit diesem Burgbau wurde, einige hundert Meter davon entfernt, das Spital und die Stiftskirche erbaut, die unten besprochen wird. - Im Jahre 1279, da zum ersten Mal von einer Stadt Lahr gesprochen wird, wird dieselbe schon nicht mehr schutzlos den Feinden preisgegeben, sondern durch eine Befestigung geschützt gewesen sein. Welcher Art diese war und welchen Umfang sie hatte, können wir, mangels irgend welcher Anhaltspunkte, nicht sagen. Jedoch kennen wir die Lage der Schlosskapelle auf dem heutigen Schlossplatz, in der die Bürger bei geschlossenen Thoren den Gottesdienst besuchten; sie wird also gegen die Stadt zu gelegen haben, die sich demnach schon damals nach der gleichen Richtung wie auf dem Merian’schen Plane ausdehnte, wenn sie auch jedenfalls nicht so viel Raum einnahm. Ein Blick auf den Stadtplan lässt zunächst eine älteste Anlage vermuthen, die durch die heutigen Metzgerstrasse, Kirchstrasse, Bismarckstrasse und Waldhorngasse bezeichnet wird und mit dem darin einbezogenen Schloss etwa ein unregelmässiges Achteck bildete. Zur Zeit jenes Bürgerbuches 1356 scheint Lahr trotz der nicht geringen Zahl der Bürger keine grösseren Bauten besessen zu haben, auch die Zahl der aus Stein gebauten Häuser war gering(7), so dass es, wie Ruppert sagt, "Ringmauern und Thore abgerechnet, in seinem Aeussern in nichts von den benachbarten Dorfschaften verschieden war". Unter den erwähnten Oertlichkeiten der Stadt befindet sich eine Kapelle, die Predigerherberge, ein Schulhaus, das Friesenthor, das Rappenthor, das Fulhabernthor, die Trinkstube, die Badstube, die Brodlaube, der Weg, "do die Kefige (Gefängniss) stant" u. s. w. Innerhalb der Ringmauer befand sich noch die Stadtmühle, die vordem dem Kloster Gengenbach gehört hatte; endlich wissen wir noch, dass seit 1366 das Kloster Schuttern hier ein Haus besass und etwas später auch das Kloster Gengenbach.
Das Rappenthor ist damals vielleicht am Anfang etwa der heutigen Rappenthorgasse zu suchen, es hat auch zu Merians Zeiten (aber wohl an anderer Stelle?) noch so geheissen, während ich den Ort des Fulhabernthores nicht zu bezeichnen weiss. Durchflossen wurde die Stadt von dem Gewerbekanal, der auch den Schlossgraben bewässerte. Oestlich, einige 100 Meter von den Mauern entfernt, lag die Stiftskirche mit den Stiftsgebäuden, um die sich wohl auch schon einige Ansiedelungen gruppirt hatten. Vor der Stadt lag ein Ackerhof von beträchtlicher Grösse, der zum Schloss gehörte. Weiter südlich floss die eigentliche Schutter dahin, um sich zwischen Dinglingen und Lahr wieder mit dem abgeleiteten Kanal zu vereinigen.
In den folgenden Jahrhunderten wird die Stadt trotz mancher Schwankungen allmählich an Umfang zugenommen haben, die alten Häuser werden durch solche aus Stein ersetzt worden und mancher öffentliche Bau mag erstanden sein.(8) Allzu schön dürfen wir uns aber diese Bauten nicht vorstellen; bezeichnend genug ist der Umstand, dass von Bauformen des 13. bis 15. Jhs. geradezu nichts erhalten ist, während die Renaissance ausser grösseren Bauten auch zahlreiche Spuren hinterlassen hat, obgleich zwischen beiden Perioden keine nennenswerthe Zerstörung der Stadt zu konstatiren ist, die das etwa erklärte.
1456 erfahren wir von einem Rathhaus: es findet "in der grossen ratstube" ein Schiedsgericht statt zwischen den Klöstern Schuttern und Gengenbach.(9) Auch von diesem Rathhaus aber scheinen mir keinerlei Reste mehr erhalten. - 1471 bestätigt Kaiser Friedrich III. die von Lahr unternommene Verlegung der Strasse, d. i. also doch der Schutterthalstrasse, die vormals unter der Stadt hingegangen und unbrauchbar (?) geworden war, in die Stadt.(10) Diese hatte nun solche zu unterhalten "zu friedsamer Förderung und Nothdurft derer, die mit ihrer Kaufmannschaft und Handthierung die Stadt besuchten, in Bau und Besserung. Aus diesem Grunde erhielt sie das Recht, im Umfange von einer Stunde ein Weggeld zu erheben. Zugleich wurde ihr, sowie andern Mauthstädten die Bestrafung der Defraudanten überlassen; doch durfte der gemeine Mann nicht beschwert werden und den Rechten des Kaisers und Reichs, so wie Anderer, kein Eintrag geschehen". Diese Strasse ist nun sicher die, welche durch die ehemalige Rappenvorstadt, die Rappengasse, den Urthelplatz, die Spitalgasse zum Dinglingerthor hinaus zog nach Dinglingen, oder wie es heute heisst (leider hat man auch hier mit den alten Namen aufgeräumt), durch die Geroldsecker Vorstadt, die Friedrichstrasse und die Kaiserstrasse nach Dinglingen. Da nun Stein an anderer Stelle (S. 111) davon spricht, dass nach "den noch vorhandenen Trümmern" - was ich heute nicht mehr nachprüfen kann - die ursprüngliche Stadtmauer anders verlaufen sei, als auf dem Plane von 1643, nämlich "in bogenförmiger Linie bei der 'Krone' und dem Willig’schen Hause durch die Stadt, so dass die nördliche Grenze letzterer nur wenig nördlich der Obststrasse und des Marktplatzes hingezogen sei, während die ganze obere Stadt erst die Folge einer späteren Erweiterung ist", so scheint mir das auf den wahrscheinlichen Sachverhalt zu deuten: vor dem Jahre 1471 wurde der Umfang der Stadt umschrieben durch die Mauern, welche sich, selbst im heutigen Plane noch erkenntlich, folgendermassen herumzogen: im Nordwesten etwa im äusseren Eck der südlichen Gebäude der Hundstrasse beginnend, zunächst in einiger Entfernung der heutigen Schillerstrasse dieser parallel, dann in einem stumpfen Winkel nach Westen umbiegend mit einem weiteren Knie zum Gewerbekanal, von diesem mit mehreren "Knieen" zum Graben des Schlosses, das am Südende der Stadt über die Mauern hervorragte. An der Ostseite des Grabens schlossen sich diese wieder an, zogen in mehreren Knicken etwa in der Linie der heutigen Bismarckstrasse (an Stelle der alten Schäferei) nordöstlich zum Kanal, dann etwas umbiegend direkt nach Norden bis zum Vogtsthor, von hier durch die Gebäude zwischen der Schnadergasse und der Alleestrasse endigend in einem Knie bis zur Rappenthorgasse, hier das ältere Rappenthor, dann etwas nördlich der Obstgasse und des Marktplatzes herüber zum Anfang. Hier scheint mir die Art des Anschlusses nicht mehr zu erkennen. In dieser älteren Stadt waren die hervorragenden Stellen südlich das Schloss mit dem Schlossplatz und nördlich der Markt- oder Sonnenplatz, an dem wir wohl das alte Rathhaus vermuthen dürfen. Nördlich der Stadt nun zog die genannte grosse Strasse vorbei, an der allmählich ausser der schon früh genannten Rappenvorstadt auch nach Westen hin zahlreiche Häuser erbaut worden waren. In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. machte sich nun das Bedürfniss fühlbar, auch diese Häuser in den Mauerbereich einzuschliessen, womit denn auch die Strasse in denselben fiel, was eben 1471 von Kaiser Friedrich III. genehmigt wurde. Die alte nördliche Mauer wurde niedergerissen, da wo die Mauer von Süden herkommend auf die Rappenthorstrasse stiess, bog sie nun in einem spitzen Winkel nach Osten, der Südlinie der Gasse folgend, bog schliesslich um und stiess etwa gegenüber der Einmündung der Zollamtstrasse auf die Friedrichstrasse (ehemalige Rappengasse). Hier stand das spätere Rappenthor. Von da zog die Mauer nördlich der Brestenberggasse und der vorderen Mauergasse (vor der Mauer)(11) in mehreren Knicken etwa bis zur Brunnengasse, von hier fast rechtwinklig nach Südwesten umbiegend in der Richtung der Schillerstrasse über die heutige Kaiserstrasse (ehemalige Friedrichsstrasse); wo sie diese traf, stand das Dinglingerthor. In der gleichen Richtung zunächst weitergehend, bog sie dann etwa in der Höhe des Sonnenplatzes in fast rechtem Winkel nach Südwesten um und traf hier auf die ältere Befestigung. Zu den genannten zwei Hauptplätzen der alten Stadt kam nun der wohl schon vor der Einbeziehung bestehende Urthelplatz, an dem dann - naturgemäss an der neuen Hauptstrasse - das spätere Rathhaus erbaut wurde. So etwa scheint mir die Baugeschichte der Stadt zu rekonstruiren. Von nun an fehlen weitere Anhaltspunkte, da wir aber nicht wohl Grund haben, in den zwei Jahrzehnten des 17. Jhs. vor dem dreissigjährigen Krieg eine bedeutende Veränderung anzunehmen, so dürfte uns die Anlage im 16. Jh. durch den, den obigen Angaben schon zu Grunde gelegten, Merian'schen Plan vor 1643 erhalten sein. Danach ergiebt sich eben jener Mauerumfang, wie auch die drei charakterisirten Hauptstellen leicht ersichtlich sind, ebenso die grosse Strasse, welche durch den oberen Stadttheil durchführen (s. auch Fig. 25, unterer Plan). Wir sehen daraus, wie sich um den Urthelplatz, dessen ursprüngliche Bestimmung aus seinem Namen erhellt, die wichtigsten Amtsgebäude gruppiren.(12) Noch in der Spitalgasse die Landschreiberei, dann am Beginn des Urthelplatzes das Rathhaus, weiterhin der Stiftshof, die alte Landschreiberei, die herrschaftliche Trotte, das Pfarrhaus, der Speicher, in der Rappengasse am Thor der Amtshof, gegenüber der Amtsgarten. Am Ausgang der Spitalgasse das Spital. An dem zweiten Mittelpunkt, dem Marktplatz, lagen Metzig und Brodlaub, am Ausgang der Judengasse die Judenschule und schliesslich in der Nähe des Schlosses am Kanal Marstall, Reitschule und Badhaus, auf dem Schlossplatz die Kapelle. Die Stadt hatte 4 Thore, nach Westen das Dinglinger Thor, nach Norden das offenbar stattlichste Obere Thor, welches aus zwei Thoren, deren vorderes mit einem Kreuzgewölbe geschmückt war, und einem Zwischenhof bestand; das Rappenthor, das sich zur Strasse ins Schutterthal öffnete und vor dem später die eigentlich schon früher genannte Rappenvorstadt lag.
Endlich nach Süden zu am Ende der Kirchgasse das Vogtsthor, auch dies nach Fig. 25 aus zwei Thoren bestehend, wie das ja überhaupt üblich war, durch das man in die Vogtsvorstadt und auf dem Kirchweg zwischen dem Schulgarten und dem Pfarrgarten in die Stiftskirche gelangte und zu dem Kloster, hinter dem sich der Stiftsgarten und der Dekanatsgarten ausdehnte. Ihnen gegenüber, über dem Kanal zwischen diesem und der Schutter, der Diakonatsgarten und die Klostermatte, weiter nach Westen die Amtsmatte und vor einem Theil der Südseite die Schäferei. Von Brunnen finden wir vermerkt auf dem
Urthelplatz der "obere Stockbrunn", am Ausgang der späteren Hundsgasse der "Baderbrunn", am Beginn der Kirchgasse der "untere Stockbrunn", in der "Kirchgasse" der "Kuttelbrunn". Die Namen der Strassen sind zum Theil dieselben geblieben bis ins 19. Jh., wie wir sie auf dem Plan von 1327 noch lesen; nur der Name der Badergasse ist in Mühlgasse, der Strauchgasse in Schnadergasse umgeändert worden; erst die unselige Umtaufleidenschaft unserer Tage hat gerade die für die Geschichte der Stadt charakteristischen alten Namen hinweggenommen. Die Zahl der Häuser (13) betrug 1629 ohne die gefreiten und ritterschaftlichen Sitze und ohne Burgheim 275. So mag die Stadt ziemlich unverändert bis in das Ende des 18. Jhs. ausgesehen haben, die Verwüstungen der Franzosenkriege allerdings dazu gerechnet. 1734 wurde zum letztenmal das Schloss mit Palissaden und trocknen Mauern so gut wie möglich befestigt, die Mauern längs der Schäferei abgebrochen und vor den Stadtthoren Gatterwerke angelegt. Ein Bild des Schlosses in damaliger Zeit haben wir in Fig. 17 und 18 gegeben. In dem Graben waren mit der Zeit Karpfenteiche angelegt worden. 1754 überliess Fürst Carl von Nassau den ganzen Platz nebst dem Graben und der steinernen Brücke, mit Ausnahme des zu Gefängnissen gebrauchten Thurmes und des Folterhäuschens der Stadt zum Anbau mit Häusern.(14)
Eine Ansicht eines Theils der Stadt, nämlich des Vogtsthores mit dem Anfang der Vogtsvorstadt von der Schäferei aus, aus dem Ende des 18. Jhs. können wir nach einer Aquarellkopie aus den Städt. Sammlungen in Fig. 26 wiedergeben. Hier sehen wir auch die Stadtmauer, über deren üblichen Typus mit hölzernen gedeckten Wehrgängen uns die Bilder der Tiefburg ebenfalls Aufschluss gaben, an welche sie mit runden Thürmen anschloss. Als Stein seine Geschichte der Stadt Lahr schrieb (1827), standen noch das Dinglinger Thor und das obere Thor, aber seinem Plan nach nur noch zum kleinen Theil, während das Rappenthor mehrere Jahre vorher und das Vogtsthor ein Jahr vorher abgebrochen war; die Hauptstrasse, vor den Mauern neue, in der Stadt Marktstrasse, führte bereits über den Schlossplatz. Die Vorstädte, sowohl die alten: die Rappen- und die Vogtsvorstadt, als auch die Dinglinger Vorstadt hatten damals ein grosses Wachsthum zu verzeichnen. In ihnen waren eine Anzahl, zum Theil sehr stattlicher und vornehmer Häuser im späten Zopf- und Biedermeierstyl entstanden, typisch für Lahr insbesondere die Verbindung eines freistehenden Wohnhauses mit zwei einstöckigen, vorgelagerten Flügelbauten, Magazinen und im Anschluss daran noch Fabrikgebäude, wie die verschiedenen Lotzbeck’schen Anlagen, die Friedrich Vogel'schen Gebäude, die Trampler’sche und die Daniel Völcker’sche Cichorienfabrik. Auf noch erhaltene, charakteristische Beispiele werde ich unten eingehen. Die Altstadt bot, wie gesagt, ziemlich unverändert noch das alte Bild. Aber auch diesem wollte man zu Leibe gehen. Der Stadtrath liess damals durch Weinbrenner einen Plan ausarbeiten, nach dem Lahr zu einer regelmässigen Anlage umgeändert werden sollte(15). Derselbe kam jedoch nicht zur Ausführung. Indess hat das 19. Jh. doch so gründlich mit dem Alten aufgeräumt, dass das Stadtbild stark verändert erscheint. Die Grundanlage blickt allerdings noch durch und besonders zwischen Marktplatz und Storchenthurm hat sich der alte Charakter noch ziemlich erhalten. Hier haben sich auch noch malerische Gässchen erhalten, mit Fachwerkbauten und Holzgallerien, wie sie Weysser in seinen Aquarellen und Zeichnungen, von denen wir eine (s. Fig. 27) abbilden, festgehalten hat. Ein besonders schöner Blick von der Brücke bei dem Schlossplatz. Wenn nun auch nur ein Pedant verlangen kann, dass unbesehen jedes alte Haus konservirt werde, so kann die Denkmalpflege doch fordern, dass nicht lediglich der Reisschiene und dem Zirkel des Geometers zu Liebe ohne dringende Nothwendigkeit der Charakter dieses Stadttheils verwischt und durch eine banale Neuanlage ersetzt werde.
Kirchen:
Die ersten Ansiedelungen um die Burg Lahr gehörten in das Kirchspiel Burgheim, als aber nach der Erhebung zur Stadt dieselbe sich auch westwärts ausdehnte, überschritt sie damit die Zehntgrenze von Burgheim und damit gehörte ein Theil in das Kirchspiel Dinglingen. So besass Lahr, längst Stadt geworden und an Bedeutung allen Nachbarorten überlegen, bis zum Ende des Mittelalters keine Pfarrkirche. Denn das vor den Mauern gelegene Kloster, über welches weiter. unten gehandelt wird, besass zwar eine stattliche Kirche, aber keine Pfarrrechte. In der Stadt existirte als älteste Kaplanei die bei dem Schloss. Die Schlosskapelle (unser liebe frau und die märtyrer Crispin und Crispinian in der kapelle zu Lahr ad a. 1497) stand an der von uns schon angegebenen Stelle vor dem Schloss. Später entstand dann die Kapelle im neuen Spital. Während das alte sich seiner Stiftung gemäss bei dem Kloster befand, war dieses neue mindestens 90 Jahre nach jenem schon in der Stadt gegründet und ist, wenigstens später, an dem Dinglingerthore nachzuweisen. In diesem neuen Spital stiftete Walther VI. am 2. März 1349 in honorem trium magorum et S. Petri et Pauli eine Pfründe (16), deren Patronat er sich und seinen Nachkommen reservirte. In der Urkunde ist sein Bruder Heinrich "rector ecclesiae parochialis in Dinglingen", in dessen Kirchspiel eben dies Hospital gelegen sei, erwähnt. Es ist dies der Bruder, der wieder in den weltlichen Stand zurücktreten musste, um das Geschlecht weiterzuführen, als Walther noch in dem gleichen Jahre starb. Sein Vater, Walther V., stiftete dann am 5. November des gleichen Jahres in dem gleichen Spital "in hospitali novo" eine Pfründe zu Ehren der h. Nicolaus, Erhard und Leonhard, deren Patronat er sich ebenfalls reservirte.(17) Erwähnt wird "Ulrich Pfister ein priester, zu den Ziten spittal pfleger zu Lar 1391"; ein "Jocob caplon zu sant Peter und sant Paulus alter in dem spittal zu Lor gelegen 1419; capellanus sancti Anthonii hospitalis infirmorum 1464; capellanus sanctorum Leonbardi et Nicolai vel dominü in hospitali 1464."(18) Wie bei der Schlosskapelle wurden auch diese Priesterpräbenden später mit dem Stifte vereinigt und während der Gemeinherrschaft Badens und Nassaus von diesen abwechselnd vergeben.
Der Mangel einer eigenen Pfarrei machte sich aber allmählich immer fühlbarer, denn nur in Nothfällen dringendster Art war es den Geistlichen oben genannter Pfründen gestattet, Funktionen vorzunehmen, die den Pfarrherrn von Burgheim und Dinglingen zustanden. Zur Errichtung einer Pfarrei aber gehörte nicht nur die Zustimmung der Herrschaft und des Bischofs, sondern auch des Pfarrers und des Patronatsherrn von Burgheim, welches an die Markgrafen von Baden übergegangen war. (Das von Dinglingen war an das Hochstift Strassburg gekommen.) Erst als die Markgrafen Mitbesitzer der Herrschaft Lahr geworden waren, war es möglich, die Pfarrei Burgheim dem Stifte in Lahr zu inkorporiren (1492). Die Einwohner von Burgheim und Lahr hatten nun ihre Pfarrkirche zu sehen in der ältern Stiftskirche. Der Frühmesser im Spital und der Kaplan auf dem Schlosse hatten sich aller seelsorgerlichen Verrichtungen zu enthalten. Nur wenn bei Nacht die Thore geschlossen waren, der Zugang zu dem draussen gelegenen Stift also nicht möglich war, durften der Kaplan der Schlosskapelle und der von Burgheim die Funktionen versehen.(19) Das Präsentationsrecht auf die Pfarrei aber behielt sich Baden vor und ernannte sofort den Pfarrer Jacob Boll von Stuttgart dazu, der damit zugleich Canonicus im Stift werden musste.
Kurz nach dieser Neuordnung wurde in der Schlosskapelle eine Predigerpfründe von den Meistern des Schuhmacher- und Gerberhandwerks zu Lahr gestiftet(20) und ich vermuthe, dass die Schutzheiligen dieser Zunft damals erst in den Titel dieser Kapelle hineinkamen. 1518 wird noch erwähnt ein "Johannes Schyber zu der zeyt capplan unserer frowen in der cappelen by dem schloss in der stat Lore"; bald darauf drangen die Wogen der Reformation auch nach Lahr. Der neuen Lehre war Nassau von vornherein günstig gesinnt, während Markgraf Philipp I. eine schwankende Haltung einnahm. So konnte sich die neue Lehre in Lahr leicht einbürgern. Während des Bauernkrieges und seiner Nachwirkungen hatte die Lahrer Gemeinsherrschaft[sic!] die Geistlichen angewiesen, die Predigten dem Evangelium gemäss zu halten, den Sterbenden auf ihr Verlangen das Abendmahl in beiderlei Gestalten zu reichen u.s.w. Nach der Niederwerfung der Bauern 1526 kamen von Baden aus entgegengesetzte Befehle; als aber 1533 Markgraf Bernhard II. an die Regierung kam, der wie Nassau der neuen Lehre zugethan, da machte diese rasche Fortschritte, allerdings traten noch mehrere Schwankungen ein. Etwa 1554/55 aber wurde mit Johannes Wolph aus Koburg der erste eigentliche protestantische Pfarrer in Lahr eingesetzt; 1558 an und 1567 wurde durch Beschlüsse der Gemeinherrschaft die neue Lehre zur allein herrschenden erklärt. Bei der Theilung 1629 kam Lahr an Nassau und blieb somit protestantisch. Erst im Jahre 1844 wurde wieder mit dem Bau einer katholischen Kirche begonnen.
Auch nach Einführung der neuen Lehre blieben die Kapellen bestehen, auch das Stift blieb bei seiner Einrichtung und erlosch erst allmählich, In den Stürmen der Franzosenkriege aber verbrannten 1673 die Schlosskapelle und 1677 die obengenannte Spitalkapelle, während die Stiftskirche als Pfarrkirche bestehen blieb.
Ausser diesen Gotteshäusern bestand aber nach Stein noch eine Gutleuthauskapelle(21), in welcher der Pfarrer von Dinglingen zu bestimmten Zeiten predigen musste, die ebenfalls nicht mehr existirt. Bezieht sich darauf etwa die Nachricht von einem "her Heinrich von Gisingen, lutpriester ze Lare 1312?"(22)
Das Augustinerkloster und das ehemalige Spital verdankt seine Gründung der Gemahlin Walthers II. von Geroldseck. Diese hatte in ihrem Testamente "pro sui ipsius ac suorum parentum animarum remedio" die Gründung eines Spitals für den freien Unterhalt von zwölf Armen angeordnet und ihrem Gemahle empfohlen.(23) Dieser berief zu diesem Zwecke aus dem Kloster Steige im Elsass vier Brüder und zwei Laienbrüder (servos?) und übergab ihnen am 30. November 1259 in der Nähe seines Schlosses (s. o. iuxta munitionem nostram) eine Hofstätte, stellte ausserdem noch drei Personen zur Pflege der Armen an und stattete diese Stiftung offenbar auch sonst reichlich aus. (Der Stiftungsbrief ist stark beschädigt.) Weitere Vergabungen machte er dem Kloster 1265(24) und 1275(25). Auch sonst mögen demselben von verschiedensten Seiten Gaben zugeflossen sein, so dass dasselbe rasch emporblühte, was wir allerdings nur aus den Baulichkeiten schliessen können; denn, da das Archiv des Klosters gänzlich verloren scheint(26), so ist über seine Schicksale bis zur Säkularisation nur bekannt, was aus den sonstigen Lahrer kirchlichen Verhältnissen erhellt. Auch in der Litteratur scheint das Kloster nicht bekannt.
Die Mönche gehörten dem "Augustinerorden" an, d. h. wohl den nicht lange vorher aufgekommenen Augustiner-Eremiten und zwar einer Kongregation, deren Mutterkloster wohl das erwähnte "Steige" gewesen zu sein scheint. Dieser Gruppe gehörten nur fünf Klöster an, eben Steige, Zabern, Landau, Lahr und auf dem Beerenberge. Mit allen waren Spitäler verbunden.(27) Angeblich gab ihnen erst 1289 Papst Nikolaus die Bestätigung ihrer Einrichtungen und Besitzungen. Wir hören dann von einigen neuen Schenkungen aus dem 14. Jh.(28), von "prior und convent dez closters an der nider steygen by Lor 1419"(29) und von einem "her peter, capplon in dem closter zu der nidern steigen by Lor gelegen 1419".
1482: "das closter zuo Lar zu einem stifft erhoben". Aus einem Sinne heraus, der am Ende des 15. Jhs. manche ähnliche Umwandelungen bewirkte - die gesammten oben genannten fünf Klöster sollen nur noch 32 Mönche gezählt haben(30) -, trug der Generalprior bei Sixtus IV. auf Umwandlung in weltliche Stifter an; in der That bestätigte der Papst in der Bulle vom 17. Juni 1482 die Umwandlung, die Bischof Albert von Strassburg schon am 8. Februar desselben Jahres vorgenommen hatte. Des letzteren Aufsicht wurde das Stift fortan unterstellt, der Prior wurde Dekan, von den neun vorhandenen Mönchen fünf Chorherrn, die übrigen Vikare. Im Jahre 1492 wurde dann, wie oben erzählt, die Stiftskirche zur Pfarrkirche, der neue berufene Pfarrer musste damit eines der Kanonikate erhalten und da gerade keines frei war, so verzichtete Anton Sybolt
gegen ein Leibgeding auf das seine. Als Entgelt aber für seine Nachgiebigkeit in der Pfarreifrage hatte Markgraf Christoph von Baden verlangt und erhalten, dass das Stift sein bisheriges Recht, Dekanat, Kanonikat und Vikariate selbst zu vergeben, abtreten musste, ersteres hatte nun Baden, die beiden anderen Stellen abwechselnd Baden und Nassau zu besetzen. Wenn schon bald die Zahl der Chorherrn nie vollständig war und das Einkommen der nicht besetzten Stellen zu Aufbesserung der übrigen Pfründen verwendet wurde, so schlich sich jetzt bald der Missbrauch ein, es zu anderen Zwecken, zur Unterstützung für Studierende auszugeben, was natürlich dem Stift nicht förderlich war, aber mit dem Aufkommen der neuen Lehre immer häufiger wurde. Endlich hatte die arge Verwilderung, die so viele Klöster am Ende des Mittelalters ergriffen hatte, auch hier die gute Zucht gelockert; insbesondere die Beziehungen mit dem Kloster Gengenbach gaben zu argen Skandalen Anlass und die liederlichen Priestermägde erregten grosses Aergerniss. Bei den schwankenden Religionsverhältnissen war eine Besserung dieser Zustände kaum möglich. 1558 aber wurde das Stift von den protestantischen Beamten in Besitz genommen.
Als Spital ist es wohl bald zu klein geworden, wir hören daneben von einem neuen, offenbar schon am Anfang des 14. Jhs., gegen welches das alte immer mehr zurückgetreten ist. Von ihm, wie den Klostergebäuden ist heute nichts mehr erhalten. Sie schlossen sich (s. Plan Fig. 25) an die Südseite der Kirche an und bogen dann in rechtem Winkel parallel zur Schutter um; eine offenbar ziemlich unbedeutende Anlage, die seit der Reformation allmählich zerfiel.
Dagegen steht noch die ehemalige Stiftskirche, jetzige Pfarrkirche, ehemaliger Titulus: unserer lieben Frau, später S. Jakob; allerdings nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand. In den Jahren 1848 bis 1851 wurde der schadhaft gewordene Bau durch Eisenlohr restaurirt. Aus den damaligen Vorlageberichten an den Oberkirchenrath, der alten Zeichnung in den Städt. Sammlungen vor dem Jahre 1736 (s. Fig. 28) und dem heutigen Befund lässt sich der einstige Zustand deutlich erkennen, von dem auch der restaurirte Bau, von den Details abgesehen, ein ziemlich richtiges Bild giebt.
Wir haben eine dreischiffige, gewölbte, basilikale Anlage ohne Querschiff (s. Fig. 29) vor uns mit aus dem Achteck geschlossenen Chor, dem ein verhältnissmässig schmales Viereck vorgelegt ist. Die Seitenschiffe sind zu beiden Seiten dieses Vierecks in je einer Kapelle weitergeführt. Viereckige Pfeiler mit vorgelegten Halbsäulen tragen die Gurtbögen der Gewölbe und zwar sind diese Halbsäulen im Mittelschiff, wo sie bis zu dessen Gewölben emporschiessen, äusserst schlank und von bedeutend geringerem Durchmesser sowohl als die unverhältnissmässig starken Halbsäulenvorlagen, welche die Arkadenbögen und die, welche die Gurtbögen der Seitenschiffe tragen, als auch die Halbsäulen an den Wänden der Seitenschiffe. Die Kreuzrippengewölbe des Mittelschiffs mit etwas ansteigendem Scheitel sind auf oblongem Grundriss errichtet, ihnen entspricht je ein quadratisches Kreuzrippengewölbe mit geradem Scheitel in den Seitenschiffen. Einen schmalen, oblongen Grundriss weist dann das Gewölbe vor dem Chor auf, der letztere hat die einfachste Form der Achteckeinwölbung mit Rippen und Schlussstein. Acht Strebepfeiler stützen auf jeder Seite des Langhauses das Gewölbesystem, vier an den Ecken des Achtecks dasjenige des Chors. Die beiden westlichsten, sechsten Joche des Seitenschiffes flankiren den Thurm, der in die Facade eingebaut, aber gänzlich als Neubau des 19. Jhs. zu betrachten ist, auch die Facade ist so sehr erneuert, dass nur die drei bei der Restauration wieder verwendeten Portale für uns in Betracht kommen. Erhellt wird der Chor durch ein zweipfostiges und vier einpfostige Spitzbogenfenster. In letzterer Form wird auch den Seitenschiffen und den beiden Kapellen zu Seiten des Chores Licht zugeführt, während niedrige gedrückte Spitzbogenfenster über den Dächern der Seitenschiffe dem Mittelschiff Licht geben.
Dem alten Bau gehören nun an zunächst die Grundmauern der ganzen Anlage, mit Ausnahme der Facade. Der östliche Theil der Kirche, der Chor, die beiden Kapellen, das erste Joch des Mittelschiffes und je die zwei östlichsten Joche der Seitenschiffe mit ihren Hochmauern, Pfeilern, Halbsäulenvorlagen und Gewölben repräsentiren mit Ausnahme der wenigen Ausflickungen in Stuck an den Kapitellen der Dienste den ursprünglichen Zustand.
"Nicht nur der Chor ist", schreibt Eisenlohr in einem der erwähnten Vorlageberichte an den Oberkirchenrath, "mit einem sehr schönen und wohlerhaltenen Gewölbe, sondern auch das zunächst angrenzende Viereck des Mittelschiffs mit einem ganz ähnlichen versehen, ja die beiden Seitenschiffe sind noch um ein Feld weiter westlich eingewölbt, was beinahe ihre (der Kirche) halbe Länge beträgt".(31) Eine genaue Untersuchung dieser Theile hat denn auch ergeben, dass mit Ausnahme der Stuckergänzungen an den Kapitellen, die, schon oben erwähnt, zugleich ein untrügliches Kriterium des Alten sind, Eisenlohr diese Theile, abgesehen von dem Anstrich unberührt gelassen hat, was ich ausdrücklich betonen möchte, da die etwas flaue Behandlung der Kapitelle den oberflächlichen Beschauer leicht zu der Annahme verleiten möchte, sie seien neu.(32) Nur die Pfosten und das Masswerk der Fenster sind - das vollständig alte Mittelfenster des Chors ausgenommen - neuen Ursprungs, die Gewände selbst zum Theil auch, zum Theil abgespitzt; das Fenster im östlichsten Joche des südlichen Seitenschiffs ist - hier stiess ehemals das Kloster an - ebenfalls erst bei der Restauration gebrochen worden, wie auch das Fenster im zweitöstlichsten Joche des nördlichen Seitenschiffs. Entsprechend der alten Wölbung dieser Teile sind auch die vier östlichsten Strebepfeiler an der Nordwand, sowie diejenigen des Chores alt, während an der Langhaussüdseite, wohl des angebauten Klosters halber (?) keine vorhanden waren (s. unten). Von den alten Strebepfeilern der Nordwand an zieht sich ein Kaffgesims, das zugleich als Fensterbank dient, mit starker Hohlkehle und Platte um diesen Theil der Nordwand wie um den Chor zu dessen erhöhten Fensterbänken ansteigend herum. Im weiteren Theile des Langhauses sind zwar alle Pfeiler und Wandsäulen wie die Wände alt, ihre Basen auch meistens unberührt, ihre Kapitelle aber müssen fast gänzlich abgeschlagen gewesen sein, zum grossen Theil auch die über die Arkaden hinaufstrebenden Schäfte der Dienste des Mittelschiffs, sie sind alle von Eisenlohr in ziemlich getreuer, aber der Zeit entsprechend trockener Nachahmung der alten Theile erneuert worden. Er hat hier denn auch die Gewölbe eingezogen, die Seitenthüren gebrochen und einen Theil der Fenster erneuert, sowie die sämmtlichen Strebepfeiler an diesen Theilen errichtet. Von dem Facadeneck aber bis zum zweiten Fenster hat sich auf beiden Seiten ein Stück des alten, niederen, einfach abgeschrägten Sockels erhalten. Alt dann noch, wie schon erwähnt, die drei spätgothischen Portale der Facade.
Da es bei dem Ineinandergreifen der alten, neuen und ergänzten Theile nicht gut zu machen war, dieselben im Grundriss durch Schraffirung zu scheiden, so gebe ich hiermit ein Verzeichniss der alten, der erneuerten, und neuen Theile mit Zugrundelegung der in dem Plan eingeschriebenen Buchstaben und Zahlen:
Die Chorgewölbe I und II sowie das Mittelschiffgewölbe alt, die Mittelschiffgewölbe III bis VII neu.
Die Seitenschiffgewölbe a a1, b b1, c c1 sind alt, d d1, e e1, f f1, g g1 neu.
Die Dienste und die Pfeiler a a1, ß ß1, ? ?1, d d1, e e1, ? ?1 sind durchaus alt, ebenso die
Halbsäulen ? ?1 , µ µ1, ? ?1 nur an den Kapitellen von e e1, ? ?1 finden sich einige Ergänzungen in Stuck.
Bei den Pfeilern s s1 und ? ?1 sind die Basen alt, alle Kapitelle und wohl auch die die Gewölbe des Mittelschiffs tragenden Dienste neu, d. h. also von Eisenlohr im Anschluss an die alten Osttheile ergänzt, ebenso sind die Halbsäulen der Seitenschiffe ? ?1 , f f1 in den Basen alt, in den Kapitellen ergänzt. Bei ? und ?1, scheint ein alter Kern vorhanden zu sein, doch bin ich da nicht ganz sicher, während ? und ?1, ganz neu sein dürften.
Von den Fenstern ist das mittlere Chorfenster A ganz allein intakt erhalten, B B1, C C1, D D1 sind in dem Gewände theilweise alt, Pfosten und Masswerk aber sind neu eingesetzt. Sie hatten, wie die Spuren zeigen, die frühgothische Theilung mit vorgelegten schlanken Halbsäulen gleich dem Mittelfenster. Von den Fenstern der Nordwand sind dann E, K und L in gleichem Sinne alt, F G und H scheinen auch nach den Vorlagen des Oberkirchenraths neu zu sein; ebenso die Thüre bei F. Von den Fenstern des Mittelschiffes sind die über E F und K in ihren Gewänden alt; Pfosten und Masswerk neu, wie die Oberfenster über G und H.
An der Südseite sind die Fenster E1, G1, H1 vollständig neu; F1, K1, L1, sowie das zugemauerte Rundfenster bei G1 in ihren Gewänden? alt.
Alt die Portale X, Y, Z. Dieses Resultat wird durch die alte Innenansicht (s. Fig. 27) ergänzt und bestätigt, welche aus der Zeit zwischen 1717 bis 1737 stammt, da sie Lettner und Barock-Orgel zeigt.
Von 1677 nämlich, dem Jahre des Brandes durch die Franzosen, bis 1717 war keine Orgel in der Kirche. In letztgenanntem Jahre wurde eine neue Orgel angeschafft und auf den Lettner gestellt, welcher den Chor von dem Langhaus trennte. 1736 stellte Stiftsverwalter Dreyspring bei der Kirchenbehörde den Antrag auf Entfernung des Lettners und entwarf dazu einen Plan der Stiftskirche, welcher sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe befindet. Diesem Antrag wurde stattgegeben und die Veränderungen ausgeführt, 1737 also der Lettner mit seinen Kreuzgewölben ganz entfernt und die Orgel in den Thurm versetzt; später, i. J. 1754, wurde sie zwar wieder in den Chor verbracht. Unsere Zeichnung, vermuthlich auch von Dreyspring, giebt also den Bestand vor 1737, allerdings recht ungeschickt wieder. Wir sehen das heute noch stehende Chorgewölbe, den in drei Spitzbogen sich öffnenden Lettner, die Orgel darauf mit barockgeschnitzten Orgelgehäuse und Holzgitter auf der Lettnerbrüstung, wir sehen die wenigen alten Fenster im Mittelschiff, die Fenster des Seitenschiffs mit dem alten Masswerk, die Dienste des Mittelschiffs in falscher Weise mit Bogen verbunden, die Balkendecken der Schiffe, dass das erste Joch noch gewölbt war, hat die Ungeschicklichkeit des Zeichners nicht anzugeben vermocht. Im südlichen Seitenschiff war eine Holzgallerie eingebaut, im nördlichen sehen wir eine Thür mit Eselsrückenbogen und daneben zwei offenbar reichere Grabmäler.
Weitere Anhaltspunkte giebt uns der Plan von Lahr i. J. 1827. Dort sehen wir die Kirche mit den von uns als alt bezeichneten Strebepfeilern und mit dem eingebauten, etwas über die Facade vorspringenden Thurm, der bald darauf die Kirche mit Einsturzgefahr bedrohte.
In dem Chor, dem ersten Gewölbefeld des Mittelschiffs, den zwei Seitengewölben des Seitenschiffs und den zwei Kapellen (I, II, III, aa1, bb1, cc1, des Planes) haben wir also mit Ausnahme der ausser im mittleren Chorfenster ergänzten Pfosten und Masswerke den unberührten alten Theil vor uns, aus dem wir uns ein Urtheil über die Gestaltung des übrigen und über die Detailbehandlung bilden können.
Da haben wir denn durchaus die Formen und die Anlagen der frühesten Gothik vor uns. Ein typisches Beispiel derselben ist das Mittelfenster (s. Fig. 30) mit seinen zwei Pfosten und den vorgelegten vier Säulchen, welche die Spitzbogen tragen, von denen der mittlere höher ist. Die Säulchen zeigen noch die flachen Tellerbasen, das schmucklose Kelchkapitell mit der flachen Kämpferplatte, von dem die runden Wülste ausgehen, welche die Spitzbögen, den grossen Spitzbogen und die drei Vierpässe umziehen. Die Arbeit ist hier ausserordentlich exakt und sauber. Die schlanken Dienste, welche die Gewölbe des Chores tragen, haben Tellerbasen und zwei ein Knospenkapitell (s. Fig. 31), dessen stylisirende Behandlung fast noch an den Uebergangsstyl anklingt im Gegensatz zu der ausgeprägt gothischen, hohlgekehlten und abgeschrägten Kämpferplatte. Die starken Rippen haben das einfache, abgeschrägte Profil der Frühzeit. Aehnlich sind die Halbsäulen im Seitenschiff behandelt, nur ist ihr Kapitell reicher verziert durch weniger gefördert durch die stylisirte Knospen mit sich durchschneidenden Stengeln. Die Schiffspfeiler in der einfachen Form eines Quadrates mit vorgelegten Halbsäulen (s. Fig. 32) zeigen an den Kapitellen dieser, also auch der das Mittelschiffgewölbe tragenden Dienste, um welche die Deckplatte der anderen Halbsäulenvorlagen wie ein Ring herumzieht, die Fortentwickelung dieses Knospenkapitells allerdings in einer etwas flauen Form, ähnliches die übrigen Chordienste. Die Rippen sind überall wie im Chor behandelt. Die Schlusssteine zeigen ähnliches Blattwerk wie die Kapitelle, in den Kapellen a a1, die (ja häufig vorkommende) Hand auf dem Kreuz. Die Strebepfeiler, von denen allerdings der erste alte (5 des Grundrisses} stark verändert und geflickt ist, sind einmal abgetreppt durch die als Kaffgesims sich herumziehende Wasserschräge mit starker Hohlkehle, auch ihre schräge Plattenabdeckung endigt in einer Schräge mit Hohlkehle.
Das Material des Baues ist der rothe Sandstein der Umgegend, dessen glatt behauene Quader, abwechselnd Binder und Stösser, von guter Technik zeigen. Am Chor finden sich die in Fig. 33 oben abgebildeten frühen Steinmetzzeichen.
Die drei Portale an der Facade gehören einer weit jüngeren Periode, der Spätgothik an. Ihre Gewände sind mit sich durchschneidenden Rundstäben auf kleinen steilen, reich gegliederten Basen und Hohlkehlen profilirt; das mittlere Portal (Fig. 34) ist entsprechend reicher behandelt.
Die Anlage des östlichen Theiles, die zugleich bekundet, wie das ganze Langhaus - im Sinne der heutigen Ausführung - gedacht war, weist auf einen Meister, der noch aus dem Uebergangsstyl herausgewachsen, sich über die konstruktiven und ästhetischen Vorzüge des neuen Styles wohl im Klaren war (s. Fig. 35 und 36). Die Konzentrirung der Last der Gewölbe auf die Pfeiler, die Begegnung ihres Schubes durch die Strebepfeiler, die oblonge Mitteischifftravee, die hohe luftige Gestaltung des Chores sind Beweise dafür. Leider ist sein Plan nicht ganz zur Ausführung gekommen und der Bau später recht verdorben worden, wir besässen sonst in ihm ein stattliches und wie mir dünkt recht frühes Beispiel des Eindringens der Gothik am Oberrhein mehr. Dass der Meister vielleicht technisch ganz sicher nicht war, darauf scheint uns die etwas schüchterne Ausbildung der Strebepfeiler, die möglicherweise (?) zum Aufgeben der vollkommenen Einwölbung führte, zu deuten. In den verhältnissmässig niedrigen Seitenschiffen und der überaus kräftigen Gestaltung der Halbsäulenvorlagen in denselben klingt doch auch noch das Gefühl des alten Styles nach. Der Verlauf der Baugeschichte dürfte folgender gewesen sein:
Bald nach der Gründung des Klosters (1259) wurde mit dem Bau der Osttheile begonnen und die heute noch altgewölbten Theile, sowie das gesammte Langhaus in rascher Folge vollendet.
Mit dieser Annahme ist - wie ich wohl weiss - der Bau recht früh datirt, er wäre ziemlich gleichzeitig mit den frühesten gothischen Bauten am Oberrhein entstanden. Dafür spricht aber die politische Geschichte der Geroldsecker sowie ihre Vermögensverhältnisse, die später wohl kaum mehr günstig genug für die Inangriffnahme eines auch für ihre glänzende Zeit immerhin stattlichen Baues waren. Und da des Gründers, Walters II., Sohn eben damals Domprobst und später Bischof von Strassburg war, so haben wir damit zugleich einen Fingerzeig, woher der neue Styl in Lahr stammt, ohne allerdings ein Vorbild des Baues in Strassburg selbst nennen zu können. Auch in Steige finden sich für den Styl der Lahrer Kirche keine Anhaltspunkte mehr.
Der Baumeister, der den Schub der Gewölbe auf der Nordseite auf Strebepfeiler überleitete, sah sich durch die an die Südwand anstossenden Klostergebäude, die wohl vor dem beginnenden Verfall des 16. Jhs. einen grösseren Raum einnahmen, als auf dem - Plan der Stadt von 1827 ersichtlich, hier an der Anbringung von Strebepfeilern verhindert und verstärkte dafür diese Südwand um ein Beträchtliches. Sie ist ca. 3 m stark gegen 2 m der Nördlichen. Möglich nun, dass er als Neuling dem Strebepfeilersystem noch nicht ganz traute, möglich auch, dass eine ungenügende Fundamentierung noch während dem Bau Risse in den Hochmauern zu Tage treten liess, oder endlich, dass das Geld immer langsamer floss - es scheint jedenfalls, dass es nicht mehr zu der beabsichtigten Wölbung der übrigen Theile gekommen ist. Dass man sie bei der gleich zu erwähnenden Umarbeitung im 18. Jh. weggeschlagen hätte, scheint mir unwahrscheinlich, da sonst doch kaum das eine Gewölbe im Langhaus und die zwei in den Seitenschiffen stehen geblieben wären. Dass die Mangelhaftigkeit der Fundamente der Grund gewesen sei, dafür spricht ein Vorlagebericht aus den Jahren 1848/51 an den Oberkirchenrath: "Beim Ausgraben
der Fundamente zu den äusseren Strebepfeilern hat sich gezeigt, dass die Kirche in den Seitenschiffmauern wenig oder gar keine Fundamente hat. Ein Fuss unter der jetzigen Bodenfläche zeigte sich an einigen Stellen ein Sockel, an anderen auch keiner; unter dem Sockel zeigte sich dann noch an manchen Stellen auch zwei Fuss tieferes Gemäuer von kleinen Steinen und dann der natürliche Boden". Und weiter "an der Nordseite am Seitenschiffe entdeckte man ein später eingesetztes Stück Mauer, 41 Fuss lang und 30 Fuss hoch (wo die grossen Risse waren) aus kleinen Stücken schlecht gemauert. Hier an dieser Stelle muss die Kirche einmal einen grossen Schaden erlitten haben. (Dekan Doll an Oberkirchenrath.) Die grossen Hauptrisse verrathen ein grosses Alter". "Haben sich wie höchst wahrscheinlich jene Risse in den vorderen Mittelschiffmauern gleich anfänglich bemerkbar gemacht, so könnte dies auch von gänzlichem Einwölben damals abgehalten habene" (Eisenlohr.) Diese Risse scheinen an den Mittelschiffmauern etwa über den Fenstern F - K, an den nördlichen Seitenschiffmauern etwa vom heutigen Strebepfeiler 3 bis zum Fenster L gewesen zu sein. Daneben mag dann wohl der rasche politische und pekuniäre Niedergang des Geschlechtes der Stifter die Mittel für eine genügende Ausbesserung der erkannten Mängel haben fehlen lassen. Damit hängt denn auch das Vorhandensein der spätgothischen Portale an der Facade zusammen. Diese ist im 13. Jh. offenbar nie ausgeführt gewesen, sondern erst am Ausgange des Mittelalters vollendet worden. Weniger wahrscheinlich ist mir, da ich keine Anhaltspunkte dafür sehe, dass die Kirche damals vorgeschuht worden sei. Dass der gleichen Zeit auch erst der Thurm entstammte, scheint mir nach einer flüchtigen Zeichnung, die Ingenieur Hofmann 1874 anfertigte (Copie bei Dekan Bauer) wahrscheinlich. Ein offenbar sehr schlichter viereckiger Thurm mit Spitzbogenfenstern. - Bis in das 18. Jh. blieb die Kirche - abgesehen von dem Brande durch die Franzosen - unberührt. 1736 aber ging von dem Stiftsverwalter Dreyspring der Antrag auf gründliche Wiederherstellung aus, dem stattgegeben wurde; leider hatte er die Entfernung des Lettners zur Folge, ausserdem werden wohl damals die Dienste der Mittelschiffgewölbe abgeschlagen worden sein, deren Spuren Eisenlohr noch erkannte. Vermuthlich sind damals auch eine grosse Anzahl von Grabsteinen und andern Monumenten aus der Kirche entfernt worden. Ebenfalls dieser Zeit ist dann die Erhöhung der Seitenschiffdächer zuzuschreiben, bei der - wie Eisenlohr konstatirt - die Fenster, welche dem Mittelschiff ihr Licht spenden sollten, gedeckt wurden "und jetzt gänzlich vermauert sind. Die Gurten, welche über den früheren Seitenschiffdächern zur Abdeckung ihres oberen Randes hinwegliefen, sind noch im Innern der jetzigen Dächer sichtbar, sowie auch diejenigen Theile dieser Gurten, welche zugleich als Bänke der oberen Fenster gedient haben". 1774 wurde der Dachreiter der Kirche, den wir uns also zu dem Bilde hinzudenken müssen, entfernt.
In den vierziger Jahren des 19. Jhs. begann man nun, dem Gedanken einer umfassenden Restaurirung näher zu treten, da der Zustand der westlichen Hälfte die Kirche gefährdet erscheinen lies. 1844 wurden die Gewölbe vom Schutt befreit. Eisenlohr untersuchte damals die alte steinerne Kanzel - eine späthgothische? -, deren Steine durch Brand so gelitten hätten, dass sie nicht wieder herzustellen sei.(33) Im Oktober 1848 erfolgte dann ein grösserer Bericht Eisenlohrs. Er verlangte zunächst die Einwölbung der noch nicht eingewölbten Theile, wodurch allein der Kirche fernerer Bestand auf Jahrhunderte gesichert werden könne, der sonst in nicht allzulanger Zeit nach dem jetzigen Zustand der westlichen Hälfte gefährdet sein möchte. Daher die beiden Spitzbogen zu den Seiten des Thurmes zu unterfangen, damit die Gesammtlast nicht mehr allein auf den etwas geschwächten inneren Thurmpfeilern ruhe. Im Frühjahr 1850 wurde die Räumung der Kirche begonnen, am 27. April 1851 wurde sie vollendet. Ich habe in der Beschreibung des Baues die neuen Theile von den alten geschieden. Eisenlohr hat auch den Seitenschiffdächern wieder die alte geringere Höhe gegeben, dadurch die oben erwähnten Fenster und die Gurten freigelegt. Den alten Thurm liess er offenbar mit den angegebenen Korrekturen stehen, trotz letzterer aber scheint derselbe später nicht mehr genügt zu haben, er wurde 1874 durch den jetzigen ersetzt.
Der alte Lettner stand unter dem Gewölbe IV; wir dürfen danach Chorschranken etwa über die Seitenschiffe oder zwischen den östlichen Langhauspfeilern vermuthen, die einen ziemlichen Raum als Mönchskirche abtrennte.
Die heutige Ausstattung der Kirche entstammt mit geringen Ausnahmen dem 19. Jh. Von den Grabmälern, die sie einst enthalten, sind nur kümmerliche Reste übrig geblieben. Der Stifter, Walther II., soll nach der Pappenheimer Chronik "im Closter oder Stifft zu Lare" begraben liegen, doch ist keine Spur des Grabes mehr erhalten. Vor den (alten) Stufen, auf welchen man zum Altare (wohl Chor) steigt, befand sich nach Stein(34) ein "bleiernes Epitaphium mit der Inschrift: Lonerus de Geroldsecke † anno Domini 1348 Pdie Kl. Aug." Schon Stein konnte aber die Inschrift nicht selbst mehr entziffern, da sie verwischt und unlesbar geworden, sondern gab sie nach einer alten Lesart, die er selbst als vermutlich irrig erklärt, da kein "Lonerus" de Geroldsecke bekannt ist, - Im Pfarrhaus befindet sich noch eine Zeichnung eines Steines, der noch 1766 im Chor der Kirche gestanden habe, aus der aber nur ein allgemeiner mittelalterlicher Charakter desselben hervorgeht.
Im nördlichen Seitenschiff befindet sich eine Grabplatte der späthesten, barocken Gothik mit 5 Wappen und einer theilweise verwischten Inschrift in krausen Buchstaben:
Hinter dem Altar ein schöner holzgeschnitzter Crucifixus, aus der Barockzeit, verhältnissmässig ruhig und vornehm.
Zwei von den Glocken der Kirche stammen aus dem Jahre 1718 und sind von Mattheus Edel in Strassburg gegossen.
Im Pfarrhaus wenige alte Kirchengeräthe: Ein Kelch, Silber vergoldet, mit getriebenen Barockornamenten: Joachim Dendele Capitain Leutenant des Kanofskischen Regiments verehrt disen Kelch der Statt Lahr 1646. Laut einer zweiten Inschrift 1759 "auf der Stadt Kösten" renovirt. Ein zweiter, ähnlicher Kelch: "die Frau Maria Salome Kanofski von Langendorf verehrt diesen Kelch der Statt Lahr 1650" und gleiche Renovirungsinschrift. - Ausserdem ein hübscher, silbergetriebener Bucheinband einer Kirchenchronik von 1771, damals aber umgearbeitet aus einem ähnlichen, der 1696 von "Johannes Morstadt, gewesenen Spezialsuperintendenten" gestiftet war.
Auf dem Friedhof grosses Steinkruzifix mit Maria und Johannes, derbe, aber wirkungsvolle Arbeit aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Keinesfalls von dem in Offenburg thätig gewesenen Bildhauer Christoph von Urach, dem es Manche mit Unrecht zuschreiben. An der Mauer des Friedhofes eine Serie von Grabplatten, die aus 4 Jahrhunderten Grabplatten stammen, für die Ortsgeschichte sehr interessant sind und man möchte sagen, eine Art Museum der Stylentwickelung durch die Renaissance zum Barock und zum Zopf abgeben. Wenn auch keine Kunstwerke ersten Ranges darunter sind, so repräsentiren sie doch einen guten Durchschnitt. Dass sie nicht durch die Feuchtigkeit des Bodens schon stärker zerstört sind, verdanken wir nur dem energischen Eintreten des Bezirkspflegers der Alterthümer in Lahr, des Herrn A. Siefert.
Da es keinen Zweck haben kann, die eintönigen, langen Inschriften alle hier abzudrucken, beschränke ich mich auf die Angabe der Hauptsachen. Auch die künstlerische Gestaltung ist überall die gleiche: die Wappen, gewöhnlich das Allianzwappen des Begrabenen, darunter die Inschrifttafel in Rollwerkumrahmung oder ähnlichem, das Ganze in einfacher Umrahmung oder von Säulen flankirt und mit einem Giebel bekrönt. Es folgen der Reihe nach, beginnend mit dem südlichsten(35):
1. Anno Domini 1613 den 21. Junius starb...Fravw Veronica vom Ruest geb. von Weitterszheim.
2. Johann Burckhart von Müllenheim † 4. Mai 1623 und seine Fraw Magdalena geb. von Endingen † 16 ??
3. Balthasar vom Ruest † 1. Mai.1629, "seines Alters 74 Jahr und 6 Monate", vor dieser Zeit ehemaliger fürstl. Württemb. Obervogt zu Nagold, dann Markgr. bad. Amtmann beider Herrschaften Lahr und Mahlberg.
4. Fraw "Maria Salome Streüffin von Lawenstein geb. Böckin von Ehrlenburg † 7. Sept. 1627, Frau des Philips Streüffen von Lawenstein", gräfl. Nassau-Saarbrückischem Rath und Amtmanns beider Herrschaften Lahr und Mahlberg.
5. "Jungfraw Magdalena vom Stein vom Reichenstein" † 12. Okt. 1582. (Gesetzt 1587.)
6. Philibert vom Stein vom Reichenstein † 1. Januar 1608 und J...z vom Ruost, fürstl. Markgr. Rath und Landvogt zu Rötteln † 9. Juli 1597.
7. Fraw Maria von Kippenheim geb. Rochartin von Newenstein † 5. Juli 1589.
8. Hans Matheus Musler, Nassauischer Amtmann der Herrschaft Lahr und Mahlberg auf Liechteneck † 12. Dec. 1581.
9. Andreas Vinther "der Rechten Docter" und fürstl. Markgr. Kanzler zu Baden † 1. Mai 1573 und seine Fraw Magdalena Vintherin geb. Varnbilerin † 2. Aug. 1584. (Gesetzt 1587.)
10. Maria Rebsoeckin geborne Brosingerin † 24. April 1576. (Gesetzt 1578.) (Fig. 37.)
11. Johann Jacob Kirs von Oberndorf, der Rechte Doktor, † 19. Okt. 1573. (Gesetzt 1574.)
12. Frav Catharina Oedtlerin geb. von Tunsel-Silberbergerin † 28. Sept. 1586.
13. Junckher Hans Volmar von Bernshofen † 1. Februar 1572. (Gesetzt 1573.)
14. Der "Gattin Carolina ? ? gewidmet von Conrad Ludwig Ehrmann Amtshafner in Brumath". Mit einem Medaillon geschmückt, vom Ende des 18. Jhs.
15. Jacob von Endingen † 28. August 1556, Markgr. Amtmann der Herrschaft Lahr und Mahlberg, und Frav Rickart von Endingen geb. Zornin von Bulach und die Töchter der Beiden, Junckfrav Jacobe † 1574 "am Sant Anno Dach", Martha † Christabend 1575, Susanna † 1576 den "20 Dach".
16. Hans Georg Wurmser † 7. Nov...79 (1579), "desen Alter war 18 Wochen".
17. Joh. Adam Koch. * 12. Aug. 1739 zu Seelbach im Herzogthum Nassau, † 9. Dez. 1814 zu Lahr, Grossherzogl. Bad. Dekan und erster Stadtpfarrer zu Lahr.
18. Adriana Friederica geb. Schneider † 20. ? 1791 im vieren...? "Zum Andenken seiner werthesten Gattin setzte ihr Ehmann Joh. Adam Koch Stadtpfarrer".
19. Reichardt Rohardt von Newenstein †? (Ende 16. Jh.)
20. Inschrift weggeschliffen, nach dem Wappen der Familie von Bernshofen zugehörig.
21. Ebenfalls ohne Namen und Datum. Wappen der Neuenstein, Weitersheim, Endingen und Horneck von Hornberg.
22. Wilhelm Streüf von Lawenstein † 14. Juli 1622, "nachdem er 69 Jar gelebt", gräfl. Nassauischer Amtmann zu Lahr und Mahlberg und Fraw Maria Streüffin von Lawenstein geb. von Broumbach † 7. Dez. 1613.
23. Georg Müller. Vom Ende des 18. Jhs. Ohne Datum, mit langer, gereimter Inschrift.
24. Frav Special Mullerin geb. Dreyspringin † 1778.
25. Fraw Juliana Röederin von Dierspurg geb. von Svit † 8. April 1588.
26. Die Reichsfrey. Hochwohlgeborne Ehleute Egenolph Friedrich Röder von Thiersberg de nat. undt Maria Elisabetha Eleonora von Pistorie zu Reicheweiler de nat. d. 30. Juni 1727. Unten verzeichnet: Johannes Kocher zu...1732.
27. Johann Rauh, der 22 Jahre lang Bürgermeister, zehn Jahre zuvor des Raths Assessor in Lahr gewesen. Mit langer, gereimter Inschrift, "aufgericht von seinen Kindern d. XV. Apr. 1738".
28. Hartmann von Brumbach und Frav Ursella von Brumbach geb. Zindra von Kenzingen † 20. Juli 1574.
29. Arbogast von Brombach † 1. Febr. 1539 und Fraw Maria von Brombach geb. Wurmbserin † 10. April 1574.
30. (Minuskelschrift) Anno DM...die II. MENSIS FEBRUARIJ OBIIT HONORABILIS DM. JACOBUS...? Also wohl aus dem 15. Jh., ohne besonderen Schmuck.
31. Fraw Katharina Vintherin "weilandt Herrn Johan Vinthers gewesten Stadtschreibers zu Lohr eheliche Hausfraw" † 1600 "uf Dunerstag den 26 Brachmunats". "Hodie mihi gras (sic!) tibi".
32. Johan Philips Streif von Lawenstein "seins Alters zwey Jar und 9 Monat" † 5. November 1583. (Gesetzt 1584.)
33. Herr Birgenmeister Johan Jacob Scnitzl (?) * 28. Febr. 1709 † 4. Jan. 1756.
34. Johanni Morstadio Consiliario eclesiastico Superintendenti Lahrensi etc. D.XXI. Augusti 1719 placide defuncto Aetatis LXXII ann. etc. (mit Vers).
35. Christiano Henrico Morstadio etc. 23. apr. ann. 1735 pie defuncto aetatis 44 annv. etc. monumentum ergi iussit etc. relicta Maria Magdalena nata Mulleria.
36. Johann Andreas Rizhaubt † 1. Nov. 1749, Specialsuperintendent und Pastor. Primarius bei der Stiftskirche zu S. Jakob in Lahr. Errichtet von der Wittwe Maria Elisabetha Gerthrud geb. Dernin und dessen VI Waisen. Dazu der Leichentext und der Vers:
Herrn Rizhaubts Leichenstein
Darf nur acht Wörter haben:
Hier lieget Treu und Fleis
Und Frömmigkeit begraben.
Darf nur acht Wörter haben:
Hier lieget Treu und Fleis
Und Frömmigkeit begraben.
37. Jungherr Carl Wilhelm Baron von Terzi und Cronenthal * zu Kandtern 28. Febr. 1722 † in Lahr 18. Febr. 1741. "Ledig. Alt 18 Jahr 11 Monat 18 Tag." Die freyherrl. Eltern weil. Christian Casimir Baron von Terzi und Cronent. F. M. Baden-Durlach. Cammer-Jungkerr und Ober-Forstmeister in Sausenb., Rötlen u. Badenw.
Augusta Maria geb. Baronne von Dungern * 28. Nov. 1694 † in Lahr 16. Juni 1777. Ebenfalls mit gereimten Sprüchen.
38. Herr Friedrich Wilhelm von Dunger Edler zu Weyher * 7. Sept. 1688 in Emmendingen, † 29. Dez. 1748 zu Lahr "eines Alters 60 Jahr 3 M." Hofrath, Oberamtmann und Forstmeister in der Herrschaft Lahr.
Das Pfarrhaus ist ein einfacher, vornehmer Bau der Biedermeierzeit.
Von öffentlichen Gebäuden ist hier vor allem erwähnenswerth das Rathhaus, das leider i. J. 1885 etwas gründlich verändert wurde. Wir geben es in Fig. 38, nach den vorhandenen Zeichnungen rekonstruirt, in seinem alten Bestand.
Das älteste Rathhaus der Stadt - vielleicht jene Rathsstube, von der i. J. 1456 die Rede ist, mag an anderer Stelle gestanden haben, vielleicht (war es das "alte Schulhaus"?) am Marktplatz, wenn unsere Annahme (s. oben), dass der nördlichste Theil der Stadt eine Erweiterung aus dem Ende des 15. Jhs. ist, richtig ist. Das noch heute stehende gehört erst dem 16. Jh. an. Es war ein malerisches Gebäude, dessen Erdgeschoss sich in grossen Spitzbögen öffnete und eine Halle enthielt, die als Getreidemarkt diente.
Eine grosse Freitreppe mit Masswerkbrüstung führte in das obere Stockwerk. Sie endigt in einem Altan (s. Fig. 39) mit ähnlicher Brüstung, zwischen der sich die diamantirten Sockel der drei kannellirten Kompositsäulen befinden, welche das Zeltdach tragen. Am Kapitell der mittleren dieser Säulen das Lahrer Stadtwappen. An dem spitzbogigen Thore unter dem Altan die Jahreszahl 1608. - Eine im Korbbogen geschlossene Thür mit sich kreuzenden Rundstäben und Hohlkehlen führt von dem Altan in das Obergeschoss. Dieses hat an der Längsseite des Hauses einfache gekuppelte gradsturzige Fenster mit hohlgekehltem Gewände, an der Giebelseite springt jeweils die mittlere Fensteröffnung als über Eck gestellter Erker vor. Darüber erhebt sich der in Voluten endigende geschweifte Giebel, der noch zwei Stockwerke enthält, über ihm der Dachreiter. Bei dem Umbau wurde die Freitreppe weggebrochen, die untere Halle zugemauert und mit Fenstern versehen, der Dachreiter, vollständig verändert, von seinem ursprünglichen Platz weg nach vorn auf den Giebel gerückt, ausserdem noch im Detail manches verändert.
An öffentlichen Gebäuden besitzt Lahr sonst nichts Bemerkenswerthes, dagegen sind eine Anzahl Privathäuser als Ganzes, oder wegen an ihnen erhaltener Details wichtig.
Wie schon gesagt, sind aus dem Mittelalter keine erhalten; auch aus der Renaissance eigentlich nur Baureste, die zeigen, was einmal gestanden hat, bevor die Einäscherung durch die Franzosen es vernichtete. Sobald die Stadt sich dann wieder aufrichtete, entstanden einige Barockhäuser; entsprechend dem Wachsen des Wohlstandes am Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs. können wir in dieser Zeit eine sich immer mehrende Bauthätigkeit im sogen. Zopf- und Biedermeierstyl vermerken.
Privathäuser:
Bismarckstrasse (Bärenplatz) Nr. 15a: Haus mit Rocailleornamenten, Maskerons, hohem Mansardendach und grossem Balkon auf Konsolen aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs., leider durch Ladenfenster verunstaltet.
Bergstrasse Nr. 19: Sogen. Leipziger Hof; Biedermeierhaus.
Brestenberggasse Nr. 1: Gute schmiedeeiserne Thürbänder des 18. Jhs. (1778).
Ebenda Nr. 2: An der Thür Beschläg des 18. Jhs., das Gewände der Thür Barockeinfassung mit Oberlicht und Jahreszahl 1723.
Ebenda Nr. 6: Zwei von anderswo stammende Säulen tragen das Eck des Obergeschosses, diese Säulen sind gerautet und haben über Eck gestellte Sockel.
Gerichtstrasse Nr. 5: In dem Haus ein skulpirtes Band, darauf zwischen der Jahreszahl 1564 ein Allianzwappen: Bärtiger Meergreis (von Vinther) und Rosette mit Fischhaken (Augsburger Familie Jörger: Agnes Jörger). Siehe auch S. 78: Grabstein Nr. 31 und S. 84: Haus Marktstrasse Nr. 15 (Hinterhaus).
Geroldsecker Vorstadt Nr. 2: Rosshaarspinnerei C. F. Maurer. Die Barockfenstergewände sowie die beiden flotten Portale mit gebrochenem Rundgiebel und Vasen stammen von dem abgerissenen Kloster Ettenheimmünster, das der ehemalige Besitzer dieser Spinnerei auf Abbruch erstanden hatte.
Geroldsecker Vorstadt Nr. 6: Gute Villa vom Anfang des 19. Jhs.
Kaiserstrasse Nr. 6: Haus des 18. Jhs., die Fenster flachbogig geschlossen mit Wulstprofilirung und gebauchten Fensterbänken, über der Thür hübsches schmiedeeisernes Oberlicht, Rocaille mit Küferzeichen.
Ebenda Nr. 11: Einfaches, gutes Haus des 18. Jhs.
Ebenda zwischen Nr. 37 und 39 stand einst das Dinglinger Thor.(36)
Ebenda Nr. 34.
Ebenda Nr. 41: Grosses, dreistöckiges Patrizierhaus (Stoesser) in spätem Zopfstyl mit kräftigen Urnen an dem Mansardendach (s. Fig. 40).
Ebenda Nr. 42: Lotzbeck’sches Haus vom Ende des 18. Jhs. im späten Louis XVI. Styl; Balkon mit schmiedeeisernem Geländer, in dem das Lotzbeck’sche Wappen angebracht ist. Dazu gehört noch ein erhaltener Seitenflügel. Leider ist die Anlage sonst verunstaltet.
Ebenda Nr. 43: Das kleine Haus war das ehemalige Zollhaus vor dem Thore.
Ebenda Nr. 44: Gutes Biedermeierhaus (mit neuem Stockwerkaufsatz über der Mitte).
Ebenda Nr. 52 mit charakteristischem Holzunterzugbalken am T'hore; am westlichen Thorpfosten übertünchte Inschrift.
Ebenda Nr. 56: Barockhaus mit hohem Mansardendach.
Ebenda Nr. 58: Haus in einfachem Empirestyl.
Ebenda Nr. 62: Haus im Biedermeierstyl.
Ebenda Nr. 93: Haus des ausgehenden Empirestyles.
Ebenda Nr. 60: Gymnasium, ehemaliges Privatgebäude, in der in Lahr gerade in der Biedermeierzeit vielfach gebräuchlichen Anordnung: das Wohnhaus zurückstehend, flankirt von zwei einstöckigen Flügelbauten, die sich bis an die Strasse erstrecken und einen Vorhof oder Garten umschliessen. Hier ist leider der eine Flügel durch einen sehr unerfreulichen Bau aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. ersetzt worden.
Ebenda Nr. 97: Haus im späten Empirestyl.
Ebenda Nr. 99: Die gleiche Biedermeieranlage wie bei dem Gymnasium, hier sehr "behäbig" wirkend. Nur noch die geschmackvollen Flügel erhalten, das Haus selbst in unseren Zeiten umgebaut.
Kirchstrasse Nr. 6: Riegelhaus mit vorkragendem Dachgeschoss.
Ebenda Nr. 9: Der in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. umgebaute Gasthof "zur Blume" weist noch die alte Fenstergruppirung auf.
Ebenda Nr. 25 und 27: Empirehäuser.
Ebenda Nr. 32: Durch Ladenumbau völlig verändertes, ehemaliges Zollhaus vor dem Vogtsthor mit Lahrer Stadtwappen aus dem 18. Jh.
Ebenda noch eine Anzahl von gut wirkenden Giebelhäusern.
Lammstrasse Nr. 10: Verputztes Riegelhaus mit hölzernen Unterzugbalken des Thores; ebenda noch eine Reihe leider verputzter Riegelbauten.
Marktplatz Nr. 2: Hauptgebäude in flottem Barockstyl; die Sandsteinfenstergewände mit Muschelbekrönung, das Portal im Style des späten Louis XIV. (s. Fig. 41) sollen vom Kloster Ettenheimmünster hierher transportirt worden sein. Der oberste Stock ist erst in neuester Zeit aufgesetzt. Das Haus ist angedeutet im Hintergrund von Fig. 42; diese zeigt das dazu gehörige langgestreckte Gebäude mit prächtig wirkender Holzgallerie, das in dankenswerther Weise von dem Besitzer wieder hergestellt worden ist. Die Fenstergewände des Erdgeschosses weisen Hohlkehlen auf, die in kleinen Voluten endigen; der Bau dürfte am Ende des 17. Jhs. errichtet worden sein, vielleicht mit Benützung älterer Mauern. Darauf deutet die Jahreszahl am Thor gegen den Marktplatz zu. In einem Rollwerkschild findet sich zu beiden Seiten des Wappens der Herrn von Bernhofen (Hund an Kette nach links springend) die Zahl 15-77 und das Zeichen: Marktplatz Nr. 4: Hohes, schmales, zweifenstriges, gut wirkendes Haus, erste Hälfte oder Mitte des 18. Jhs. mit hohem Mansardendach. Erwähnenswerth auch Marktstrasse Nr. 4 und 6.
Marktstrasse Nr. 15: Am Hinterhaus gegen Obststrasse eingemauert der Sturz eines ehemals im Hof stehenden Brunnens, an demselben die Wappen der Vinther und Jörger (Augsburger Familie) sowie die Jahreszahl 1561 (s. Fig. 43). Siehe auch S. 59: Haus Gerichtsstrasse Nr. 5, sowie S. 56: den Grabstein Nr. 31.
Marktstrasse Nr. 22: Ein Thordurchgang des 18. Jhs. in flachem Bogen gewölbt mit einfach verziertem Schlussstein.
Marktstrasse Nr. 53: Eine der besterhaltenen Häuseranlagen der Biedermeierzeit, mit dem vornehm zurückliegenden Wohnhaus und den zwei einstöckigen, an die Strasse vorspringenden Magazinflügeln (s. Fig. 44). Besitzer: Geh. Kommerzienrath F. Sander.
Mauergasse, Hintere, Nr. 6: Hier (s. oben) der Rest bezw. der untere Theil eines halbrunden Thurmes der früheren Stadtmauer, mit liegender, rechteckiger Schiessscharte, hier auch die alte Stadtmauer erkenntlich, die unter den Häusern durchgeht.
Mauergasse, Vordere, Nr. 10: Garten- bezw. Hofportal von 1786 mit Wappen: Bretzel und Wecken unter Kurkrone, darunter:
HIB MSB.
Ebenda Bierbrauerei Dorner: Eingemauert ein Radwappen (Wappen der Familie v. Newenstein), an den Fenstergewänden die üblichen Voluten des 17. Jhs. An einer Scheune der Brauerei eingemauert ein Todtenkopf mit Gebeinen (Sandsteinrelief), der wohl von dem Beinhaus des in der Nähe gelegenen Spitales und seines Friedhofes stammt.
Mühlgasse Nr. 15: Die ehemalige Stadtmühle; einen Theil des Erdgeschosses bildet eine Halle auf Holzstützen.
Oberthorstrasse Nr. 4: Haus des 18. Jhs. mit flachbogigen Fenstern, an deren Stürzen in barock-ornamentaler Behandlung Fische und Fratzen skulpirt sind, die runde Ecke des Hauses ist quaderartig behandelt.
Obstgasse Nr. 3: Schmuckes, einfaches Barockhaus des 18. Jhs.
Rossgasse Nr. 3: Eingemauert ein Stein mit dem Wappen der Gerberzunft, Jahreszahl 1558 und dem Zeichen: (Hier am Gewerbekanal die Gerberwerkstätten).
Rossgasse Nr. 4: Jetzt zugemauerter Thorbogen mit unkenntlichem Wappen und Jahreszahl 1727 ; altes Fachwerkdachgeschoss.
Rossgasse Nr. 7: Altes Badhaus (angeblich noch Geroldseckisch)(37) mit leicht vorkragendem Obergeschoss. Im unteren Stock die Badstellen nach dem Gewerbekanal zu.
Schlossplatz Nr. 20: In der Wand eingemauert flotte Renaissancecartouche mit Rollwerk und Baden-Durlachischem Wappen; leider ist das Sandsteinwerk schon sehr verwittert.
Schlossplatz Nr. 2: Eingemauert ein kleines Steinrelief, Crucifixus mit Maria und Johannes.
Friedrichstrasse Nr. 21 (Grossh. Bezirksamt), jedoch in der Brestenberggasse gelegen: Spätgothische Sandsteinthürgewände mit Vorhangbogen.
Werderstrasse Nr. 6: Aehnliche, aber nicht so gute Holzgallerie wie an Marktplatz Nr. 2
Für die, wie in anderen Städten, so auch in Lahr sich seit der grösseren Aufmerksamkeit darauf häufenden Alterthumsfunde dienen als Aufbewahrungsort die städtischen Sammlungen, die jetzt in der ehemal. Jamm’schen Villa im Lahrer Stadtpark untergebracht sind. Es finden sich darin prähistorisch-römisch-germanische Funde, deren wichtigste schon an anderer Stelle besprochen worden sind. Eine Anzahl von Sachen aus Mittelalter und Renaissance, unter anderem:
Ein Würfelkapitel mit Säulenstumpf, wohl der Rest eines ehemaligen Fenstersäulchens vom Lützelhard, das dort i. J. 1905 von Stadtpfarrer Bark gefunden wurde, womit also die Richtigkeit der sagenhaften Angabe erwiesen ist, dass auf diesem Berg im hohen Mittelalter eine Burg gestanden; ein achteckiger abgebrochener Sandsteinblock, etwa 1 m hoch; auf drei Kanten steht in Majuskelschrift des 14. Jhs. soweit lesbar:
angeblich eine Mariensäule; der Sandstein mit dem Lahrer Stadtwappen, der an der Spitze dieses Artikels abgebildet ist; ein weiterer, vom alten Schulhaus stammend, mit der nicht mehr ganz erhaltenen Jahreszahl 153?; zwei Steinkonsolen vom ehemaligen Lagerhaus Sättele, das 1563 erbaut und vor 5 Jahren abgerissen worden, mit Maskerons und Rollwerk, sowie dem Zeichen: steinerne Reinigungskasten und thönerne Röhren von der mittelalterlichen Lahrer Wasserleitung aus der Bertholdstrasse (vulgo: "Kähner(!)-Gässle"); ein Majolikateller von Hafnermeister A. Litsch in Lahr von 1750; Ofenkacheln des 16. und 17. Jhs. von der Hohengeroldseck; das Lahrer Grüselhorn, das in der Lützelhardtsage eine Rolle spielt und früher auf dem Vogtsthore aufbewahrt wurde: ein hübsches, kleines Bronzehorn mit einfacher Gravirung aus dem 16. Jh.; ein Wappen der Bäckerzunft aus dem 18. Jh.; eine Anzahl Oelgemälde, Porträts von Lahrer Bürgern aus dem 17. und 18. Jh. sowie Herkules, den nemeischen Löwen erwürgend, von einem Schüler bezw. Nachahmer des Rubens; endlich eine Bildersammlung, unter denen sich Stadtpläne (der Merian’sche etc.) und Ansichten der Stadt aus dem 19. Jh. befinden, aber auch die in Fig. 17 wiedergegebene Ansicht des alten Schlosses, die A. Leibiger 1886 nach verloren gegangenem Aquarell kopirt hat, wie auch die in Fig. 18 wiedergegebene Ansicht der Vogtsvorstadt von dem gleichen; die alte Ansicht der Stiftskirche (Fig. 8), ein Plan der noch nicht näher durchforschten Umwallung auf dem Burghard, Zeichnung des Schlösschens Dautenstein u. a. m.
Dazu eine kleine Sammlung exotischer Gegenstände, indische Speckstein- und Silberarbeiten etc.
Im Besitze der Schützengesellschaft, aufbewahrt beim jeweiligen Oberschützenmeister, befinden sich vier silberne, theilweise vergoldete, Becher aus dem 18. Jh. und zwar:
1. Ein kleiner, 1/2 Liter haltender Becher, vom Markgrafen Carl Wilhelm von Baden gestiftet, mit eingravirten Medaillons, in denen die verschiedenen Herrschaftswappen des Markgrafen von Baden-Durlach, das Monogramm X und die Inschrift: Den 22 May 1717 von Ihro Durchlt. der Schützen-Comp. in Lahr verehrt worden.
2. Ein 3/4 Liter haltender, glatter Becher, vom Fürsten Friedrich Ludwig von Nassau 1726 gestiftet, mit eingravirten Medaillons, in denen eingravirt das Nassau-Saarbrücken’sche Wappen, das Lahrer Stadtwappen, das Monogramm F. L. und die Sprüche:
Was schon über sechtzig Jahr
dem Haus Nassau war entnommen
Ist durch Friederich Ludwigs Sorg
wiederum darzu gekommen 1726
dem Haus Nassau war entnommen
Ist durch Friederich Ludwigs Sorg
wiederum darzu gekommen 1726
und:
Den Schützen las ich dieses reichen
zu einem steten gnadenzeichen.
zu einem steten gnadenzeichen.
3. 1/2 Liter haltender Becher, vom Fürsten Wilhelm Henrich (sic) von Nassau-Saarbrücken i. J. 1752 gestiftet. Auf dem Deckel ein Putte mit Lorbeerzweig, im Deckel das Nassauische Wappen und die Umschrift:
Der becher der mir jüngst bey euch
zum preis geworden,
bleibt hier stets wohl verwahrt
zum ruhm für euren Orden,
Nehmt diesen von mir an
und wenn ein Schusz gelingt,
so seyd vergnügt, schenckt ein,
gedenckt an mich und trinckt.
Wilhelm Henrich Fürst zu Nassau
Saarbrücken etc. Anno MdecLII.
zum preis geworden,
bleibt hier stets wohl verwahrt
zum ruhm für euren Orden,
Nehmt diesen von mir an
und wenn ein Schusz gelingt,
so seyd vergnügt, schenckt ein,
gedenckt an mich und trinckt.
Wilhelm Henrich Fürst zu Nassau
Saarbrücken etc. Anno MdecLII.
4. Ein anderthalb Liter haltender Becher, wie Nr. 1 mit Kugelfüssen, vom Fürsten Carl zu Nassau-Usingen geschenkt, mit Schuppenrand, mit der Inschrift:
Ihro Hochfürstliche Durchlaucht zu Nassau-Usingen, Herr Carl, haben der hochlöblichen
Schützen-Compagnie der Stadt Lahr gegenwärtigen Silberverguldeten Becher gnädigst verehrt im
Jahr 1752.
Schützen-Compagnie der Stadt Lahr gegenwärtigen Silberverguldeten Becher gnädigst verehrt im
Jahr 1752.
Anmerkungen:
1.) Ruppert a. a. 0. S. 339; Krieger II, S. 7. ▲
2.) Ruppert a. a. 0. S. 340. ▲
3.) Fr. Müller, Beiträge 1855 S. 16 ff. Ruppert a. a. O. S. 342. ▲
4.) Fr. Müller, Beiträge 1855 S. 16 ff. Ruppert a. a. O. S. 342. ▲
5.) Abgedruckt u. a. bei Sütterlin, Lahr (1904), S. 12. ▲
6.) K. Steinmann, Der Lahrer Prozess in Lahrer Mundart, Nach dem Tagebuch eines Zeitgenossen. Nebst dem Freiheitsbriefe. Lahr, Geiger 1855. ▲
7.) Ruppert a. a. O. S. 359. ▲
8.) Es kann nicht die Absicht sein, hier auf Grund neuer Untersuchungen die Baugeschichte Lahrs zu schaffen. Es wäre aber sehr erfreulich, wenn unsere Skizze dazu anregen wollte, wie überhaupt eine wissenschaftliche Geschichte der Stadt Lahr ein äusserst dankenswerthes Unternehmen wäre. ▲
9.) Ruppert a. a. O. S. 374 / 375. ▲
10.) Stein a. a. O. S. 42. - Da Stein leider fast nirgends seine Quellen angiebt, so sind seine Angaben kaum nachzuprüfen, doch ist er im Allgemeinen verlässig; hier aber habe ich gegen die Angabe, dass die Strasse "unbrauchbar" geworden sei, Zweifel. ▲
11.) In der hinteren Mauergasse Nr. 6 noch die unten erwähnten Reste der Mauer und eines halbrunden Thurmes. ▲
12.) Ich entnehme diese Angaben der Erklärung Stein’s zu seinem Plan II (Fig. 24), von denen ich nicht weiss, woher er sie hat. ▲
13.) Stein a. a. O. S. 112. ▲
14.) Ebenda S. 108. ▲
15.) Stein a. a. O. S. 113. ▲
16.) Reinhard Urk. S. 57. - Ruppert a. a. O. S. 370. ▲
17.) Reinhard Urk. S. 59. - Ruppert a. a. O. S. 372. ▲
18.) Krieger II S. 8. ▲
19.) Ruppert a. a. O. S. 362. ▲
20.) Henning a. a. O. S. 100. ▲
21.) Stein a. a. O. S. 122. ▲
22.) Krieger II S. 8. ▲
23.) Reinhard Urk. S. 34. ▲
24.) Ebenda S. 35. ▲
25.) Ebenda S. 36. ▲
26.) Ruppert a. a. O. S. 367. ▲
27.) Stein a. a. O. S. 119. ▲
28.) Ruppert a. a. O. S. 368. ▲
29.) Krieger II. S. 9 u. Mittheil. d. histor. Komm. 23, 108. ▲
30.) Stein a. a. O. S. 119. ▲
31.) "Im Jahre 1844 wurde für das Herauswerfen des Schuttes, welcher auf den Gewölben lag, 67 fl. 16 kr. für Taglohn bezahlt. Damals waren in jedem der beiden Flügel der Kirche die Gewölbe 47 Fuss lang und 16 Fuss breit." (Aus den Vorlageberichten des Oberkirchenraths.) ▲
32.) Die Eisenlohr’sche Art ist eine ganz andere, die sich deutlich in den in obiger Schilderung als neu angegebenen Theilen dokumentirt. ▲
33.) Angeblich soll die neue Kanzel mit ihrem Fischblasenmasswerk eine "getreue" Nachbildung der alten sein. ▲
34.) Stein a. a. O. ▲
35.) Der vollständige Text der Inschriften und die Beschreibung der Steine s. A. Siefert. Die Inschriften der Grabsteine alter adeliger und bürgerlicher Geschlechter auf dem Friedhof zu Lahr. Lahrer Wochenblatt; Unterhaltungsbeilage der Lahrer Zeitg. 1903. Nr. 98 u. 99. ▲
36.) Abbildung in dem Buch: Der Dinglingerthorthurm oder die Verwaltung Völcker - Fingado. Lahr 1842. ▲
37.) Siehe: Grundriss der Stadt Lahr vor dem Jahr 1643 in "Geschichte und Beschreibung der Stadt Lahr' und ihrer Umgebungen" von Amtmann Stein (Lahr 1827), Objekt 13 (Erklärung II). ▲