Kirchliches und religiöses Leben im mittelalterlichen Offenburg - Otto Kähni die Ortenau 1949 - S. 141 ff.


Einleitung.

"O rex gloriae, Christe veni cum pace, Ave Maria."

"O König der Herrlichkeit, Christus, komm und bring den Frieden" So lautete die Inschrift einer Glocke auf dem Turm der Kirche von Hl. Kreuz, die 1689 mit dem gotischen Offenburg in Schutt und Asche gesunken ist. Aus diesen Worten spricht eine tiefe Friedenssehnsucht. Das 15. Jahrhundert, in welchem diese Glocke gegossen wurde, war eine Sturmzeit. Eine brausende Gärung ging damals durch die deutschen Lande. Der Lärm der Zunftaufstände erfüllte die Gassen der Städte. Die Bundschuher trugen bereits die Fahne der revolutionären Bauernbewegung durch das Land. An der westlichen Grenze unserer Heimat stand das Kriegsvolk der Armagnaks. Wenn damals die Pfarrkirche im Namen der Bürger Gott um Frieden bat, dann wird damit die Tatsache bestätigt, daß sie immer das Herz einer Gemeinde war. Um sie gruppierte sich das Dorf oder das Städtchen als eine große Familie, verbunden durch Gottesglaube und Heimatsinn.

Es gibt keine Not und keine Freude, an der die Pfarrkirche nicht teilgenommen hat, Tage tiefen Gottesfriedens und Sturmeszeiten gingen über sie hinweg. Manches Gotteshaus wurde schon in früheren Jahrhunderten das Opfer der Kriegsstürme. Andere mußten im Lauf der Zeit größeren Neubauten weichen. So stammen die meisten Kirchen unserer Ortenauer Heimat aus den Zeiten des Barock und des Klassizismus.

Auch die Pfarrkirche "Hl. Kreuz" mit ihrem schlanken, feingegliederten Barockturm, dem alten Wahrzeichen Offenburgs, ist erst 200 Jahre alt, während die Pfarrei selbst in das 12. Jahrhundert zurückreicht. Der Offenburger "Merian" vom Jahre 1643 zeigt uns ein prächtiges gotisches Gotteshaus. Vor diesem stand aber auf dem Kirchplatz schon ein romanischer Bau als Zeuge christlichen Lebens. Wie die Entstehung der Stadt, so verlieren sich auch die Anfänge der Pfarrei Offenburg im Dunkel der Sage.

Anfänge christlichen Lebens in der Ortenau.

Im 3. Buch von Sebastian Münsters Welt-Cosmographia vom Jahre 1550 lesen wir: "Anno Christi 600 ist auss dem Engelland kommen ein treffliher mann, geboren von küniglichen stammen, mitt nammen Offo; der kam der Meinung, das er möchte den Christenglauben pflanzen under die Teutschen; und auff das stifftet er das closter Schuttern und ein meil wegs darvon bauwet er auff die Kintzig eine burg, die man Offonisburg nennet, und ist jetzundt ein Reichsstadt Offenburg genannt."

Diese Erzählung, nach der ein englischer Prinz unseren Vorfahren das Christentum gebracht und unsere Heimatstadt gegründet habe, ist eine Legende. Die Gestalt des sagenhaften Gründers von Offenburg ziert heute noch den Nordgiebel unseres Rathauses. Und hin und wieder kam es vor, daß ein Offenburger Bürger seinen Sohn auf den Namen Offo taufte. Richtig an dieser Erzählung ist jedoch, daß unsere Vorfahren, die Alemannen, am Ende des 6. Jahrhunderts noch Heiden waren. Der griechishe Geschichtsschreiber Agathias († 582) berichtet, daß die Alemannen noch Bäume, Bäche, Berge und Schluchten verehrten und Pferde und Ochsen opferten. Auch der Paktus Alemannorum, der aus der selben Zeit stammt und in dem die Rechtsgewohnheiten unserer Vorfahren festgelegt sind, zeigt, daß die Alemannen damals noch kein inneres Verhältnis zur Kirche hatten. Agathias gibt aber in seinem Bericht der Hoffnung Ausdruck, daß der Verkehr mit den Franken im Alemannenvolk eine innere Wandlung herbeiführen werde. Denn 100 Jahre vorher waren die Alemannen bei einem ungestümen Ausdehnungsversuch nach Nordwesten von dem Frankenkönig Chlodwig auf die Selz-Murglinie zurückgeworfen und in den folgenden Jahrzehnten unter die Botmäßigkeit des fränkischen Staates gebracht worden. Die ersten Karolinger, Karl Martell und Pippin, gliederten den Alemannenstamm in das fränkische Reich ein. Und unter Karl dem Großen wurde die Ortenau, der nördliche Grenzgau des Alemannenlandes, eine fränkische Grafschaft. Als deren Gerichtsstätte wird 926 Kinzigdorf erwähnt. Hand in Hand mit der politischen Eingliederung unserer Heimat in den Frankenstaat vollzog sich auch die Christianisierung; denn die Einheit des religiösen Bekenntnisses war ein wirksames Mittel zur Stärkung des politischen Einflusses. Die Ortenau war der erste rechtsrheinische Alemannengau, in dem das Christentum Eingang fand; lag doch über dem Rhein das große Missionszentrum Straßburg. Die ersten Stätten christlichen Glaubens waren die fränkischen Königshöfe und Krongüter. Ein solcher kirchlicher Mittelpunkt wurde schon sehr früh Nußbach für das ganze Renchtal. Die ältesten Gotteshäuser wurden dem hl. Martin geweiht. Wenn in einer Straßburger Urkunde vom Jahre 845 für die Ortenauer Gaugrafschaft der Name "pagus Martinhauga" erscheint, der dann bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts "Mortenau" heißt, so könnte man auf den Gedanken kommen, daß in dieser Gaubezeichnung der Name des fränkischen Nationalheiligen steckt. Diese Urkunde ist jedoch eine Fälschung des 11. Jahrhunderts.

Aber nur langsam gewann das Christentum Boden. Die systematische Christianisierung der Ortenau sowie des gesamten Alemannenlandes ist das Werk der iro-schottischen Mönche, Diese Männer - ein hl. Fridolin, Kolumba, Gallus, Landolin und Trudpert - unerschrocken, von heiliger Begeisterung getrieben, mit einer auf das Praktische gerichteten Auffassung der christlichen Lehre, kamen auf Anregung der fränkischen Könige und gründeten die ersten Klöster. Sie lehrten unsere Vorfahren beten, arbeiten und siedeln. Ihnen verdanken wir letzten Endes alle Kultur. Die Abteien Gengenbach, Schuttern, Schwarzach, Ettenheimmünster und Honau, die von Königen, Grafen und Herzögen mit Grundbesitz ausgestattet wurden, waren nicht nur Stätten christlichen Lebens, sondern auch Verwaltungsmittelpunkte und die ganze Umgebung befruchtende Kulturzentren. Deshalb wurden sie vom fränkischen Staat wirtschaftlich stark gefördert. Wie groß die Wirkung der iro-schottischen Missionare war, zeigt die Lex Alemannorum. Dieses Stammesgesetz aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist von christlichkem und kirchlichem Geist durchweht.

Nebenpatrone der Hl. Kreuz Kirche
Nebenpatrone der Hl. Kreuz Kirche
Aber die Arbeit dieser Mönche litt unter einer gewissen Planlosigkeit. Die Klöster waren zuerst Einsiedeleien ohne Zusammengehörigkeitsgefühl, sie waren nicht Bischöfen unterstellt. Es fehlte ihnen die innere Verfassung, die straffe Organisation. Diese gab ihnen der hl. Pirmin, der Gründer der Abtei Reichenau, der die Christianisierung Alemanniens zum Abschluß gebracht und sich um die Hebung der geistigen Kultur unserer Heimat sehr verdient gemacht hat. Er, der große Organisator, gab den Klöstern Gesetze. Die Benediktiner-Regel verband sie nun miteinander. In allen herrschte jetzt derselbe Geist. Dann erfolgte die Zentralisierung des kirchl. Lebens. Die Klöster wurden den Bischöfen unterstellt, deren Befugnisse durch Gesetze der fränkischen Könige und Dekrete der Päpste gefestigt. Die Bistümer, deren Grenzen sich im allgemeinen mit denen der alemannischen Gaue deckten, wurden gegeneinander abgegrenzt.

In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts tritt auch das Bistum Straßburg aus dem Dunkel der Legende. Schon das römische Argentoratum war am Ende des 4. Jahrhunderts Sitz eines Bischofs. An der Spitze der Straßburger Bischofsliste steht der Name des hl. Amandus. Der erste Bischof fränkischer Herkunft ist der hl. Arbogast, der hin und wieder in der Ortenau als Kirchenpatron erscheint und dessen Name sich in dem Ortsnamen Antogast verbirgt. Da der Bischofssitz jenseits des Rheins das natürliche Hauptquartier der Missionsbestrebungen war, griff das Bistum bald auf das rechtsrheinische Ufer über. Die Ortenau wurde der Straßburger Diözese eingegliedert. Im Jahre 774 teilte Bischof Heddo das Bistum in 7 Distrikte ein und stellte an die Spitze jedes Distrikts einen Archidiakon. Jedes Archidiakonat wurde in Dekanate oder Kapitel gegliedert. Der Zweck dieser Organisation erhellt aus der Bestätigungsbulle des Papstes Hadrian I. vom 4. April 774. Die Archidiakone sollten mit ihren Archipresbytern oder Dekanen durch Wort und Beispiel ihre Untergebenen (die Pfarrer) im Gesetz Gottes nützlich unterweisen. Die Ortenau bildete bis 1803 das rechtsrheinische Archidiakonat des Bistums Straßburg und bestand aus den Kapiteln Lahr, Offenburg und Ottersweier.

Entstehung der Pfarrei, Umfang des Kirchspiels und Patronats- und Zehntverhältnisse.

Das Christentum hat vom fränkischen Staat aus über Straßburg in der Ortenau Eingang gefunden. Die Seelsorge der Bevölkerung oblag zuerst den Mönchen der Klöster. Sie haben auch die Gründung von Pfarreien angeregt und betrieben, Erleichtert wurde dieselbe durch das Gesetz Karls d. Gr. über den Kirchenzehnten. Dabei faßte man zuerst die Hauptorte des Kapitels ins Auge. Die Sprengel der ältesten Pfarreien deckten sich mit den alten Markgenossenschaften. Das waren wirtschaftliche Verbände von Dörfern, Höfen und Weilern mit gemeinsamem Weide- und Waldbann. Möglichst im Mittelpunkt einer solchen Markgenossenschaft wurde die Kirche errichtet, von der sich mit der Ausbildung des kirchlichen Lebens weitere Pfarrkirchen ablösten. Diese Verhältnisse und ihre allmähliche Umbildung lassen sich auch in Offenburg verfolgen.

An der Gründung von Stadt und Pfarrei Offenburg hatten drei politische Gewalten teil: der Abt von Gengenbach, die Herzöge von Zähringen und der Bischof von Straßburg. Wie alle Abteien und Bistümer, so wurde auch die Abtei Gengenbach von den Königen mit ausgedehntem Grundbesitz ausgestattet. Dies war die Belohnung für zahlreiche politische Aufgaben, zu denen die hohe Geistlichkeit von der staatlichen Gewalt herangezogen wurde. Es ist der Boden, auf dem die Städte Offenburg, Gengenbach und Zell a. H. entstanden sind. Für ihr Territorium erhielt die Abtei die Immunität, d. h. die Freiheit vom Gericht des Grafen und den staatlichen Lasten, und gräfliche Befugnisse. Sie bildete einen eigenen Hoheitsbezirk. Aber als Geistlicher durfte der Abt kein Todesurteil fällen. Zur Ausübung der Blutgerichtsbarkeit berief er einen weltlichen Herrn. Dieser war nun der Gerichtsvogt des Klosters.

Zu Beginn des 11. Jahrhunderts wurde das Kloster Gengenbach in die Immunität des Hochstiftes Bamberg einbezogen. Der Gründer dieses Bistums, der deutsche Kaiser Heinrich II. (1002 - 1024), ein für die kirchlichen Ideale seiner Zeit sehr aufgeschlossener Mann, stattete seine Lieblingsgründung aus mit Besitzungen von Mitteldeutschland bis zum Rhein. Dazu gehörte auch das Gebiet der Klöster Gengenbach und Schuttern. Die Gunst Kaiser Heinrichs gewann Bezelin von Villingen, der Stammvater des zähringischen Hauses. Als treuer Gefolgsmann begleitete er den Kaiser nach Italien und erhielt dafür die Grafschaft Ortenau, die in der Entwicklung zum deutschen Lehensstaat inzwischen ein Fürstentum geworden war, außerdem die Vogtei über die zu Bamberg gehörigen Abteien Gengenbach und Schuttern. Sein Sohn Berthold I. besaß das Grafenamt im Breisgau, im Thurgau, im Albgau und in der Ortenau, dazu hatte er in den genannten Gauen großen Eigenbesitz. Seine Familie konnte sich nun mit den mächtigsten Familien in Schwaben, den Hohenstaufen und Welfen, messen. Berthold fehlte nur noch die äußere Stellung und der Titel eines Herzogs. Im Jahre 1061 erlangte er von Agnes, der Witwe des Kaisers Heinrich III., das Herzogtum Kärnten. Er kam aber nie in den wirklichen Besitz des Herzogtums. Der Herzogstitel blieb ihm jedoch. Als Herzog stand er nun unabhängig neben dem Schwabenherzog.

Die Herzöge von Zähringen wurden das einflußreichste Geschlecht am Oberrhein und im Schwarzwald. Als Gerichtsvögte der Abtei Gengenbach bauten sie auf dem Boden des heutigen Offenburg eine Burg und schufen an deren Fuß durch Gründung eines Marktes die Voraussetzung für die Entstehung einer Stadt. Vorher aber bestand hier eine Markgenossenschaft. Da lag das schon erwähnte Kinzigdorf, ferner Waltersweier, das schon 777 erwähnt wird, Griesheim, von dem wir 828 zum ersten Male hören, und Bohlsbach, über welches 961 die erste Nachricht bringt. Diese und später entstandene Dörfer bildeten die Markgenossenschaft, deren Umfang sich allerdings nicht mehr mit Sicherheit feststellen läßt. Aber die Orte Zell-Weierbach, Fessenbach, Ortenberg und die ausgegangenen Dörfer Kinzigdorf und Uffhoven jenseits der Kinzig auf dem Gelände zwischen der Kleinbahn und der Straße nach Schutterwald standen noch im Mittelalter mit Offenburg in enger wirtschaftlicher Verbindung. Auf der andern Seite lag die Griesheimer Mark mit den Landgemeinden Griesheim, Bühl, Weier und Waltersweier. Diese vier Gemeinden waren später mit Offenburg gemeinsam in dem großen Gotteswald der Abtei Gengenbach berechtigt. In diese ländliche Gemeinschaft trugen nun die Herzöge von Zähringen städtisches Leben. Die Tatsache, daß Offenburg bis zum Ende des Mittelalters keine eigene Gemarkung hatte, beweist zur Genüge, daß die Stadt aus einer Markgenossenschaft herausgewachsen ist. Kinzigdorf, der ursprüngliche Mittelpunkt der Mark, mußte dann seine Bedeutung an das aufstrebende Stadtwesen abtreten. Der Pfarrsprengel erstreckte sich sogar über die Markgenossenschaft hinaus; denn außer Ortenberg, Fessenbach, Zell-Weierbach und Rammersweier zählten auch Bohlsbach, Elgersweier und Waltersweier bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum Offenburger Pfarrverband, in frühesten Zeiten vermutlich sogar Griesheim und Weier.

Wähend der Name Offenburg 1101 zum ersten Male urkundlich erwähnt wird, stammt die erste Nachricht über die Pfarrei aus dem Jahre 1182. In diesem Jahre tritt ein Priester von Offenburg namens Friedrich in Straßburg als Zeuge auf.

Wer hat die Pfarrei gegründet? Nach dem bis tief in das Mittelalter geltenden germanischen Eigenkirchenrecht, das sich unter dem Einfluß des katholischen Kirchenrechts zum Patronatsrecht entwickelt hat, baute der Grundherr auf seinem Grund und Boden für seine Hintersassen eine Kirche, stattete diese mit dem Pfarrwittumgut und dem Bezug des Zehnten aus. Als Stifter der Kirche setzte er auch den Pfarrer. Seine Nachfolger hatten als Patronatsherren das Recht, dem Bischof für die erledigte Pfründe einen geeigneten Priester vorzuschlagen oder zu präsentieren. Der Patron zog einen Teil des Zehnten an sich und übernahm dafür einen Teil der Baulasten. Grundherr war in Offenburg der Abt von Gengenbach Gerichts- und Stadtherr der Herzog von Zähringen. Diese beiden kämen also als Gründer der Pfarrei in Betracht. Nun war die Abtei Gengenbach wohl Zehntherr, aber nie Patronatsherr. Auch die Herzöge von Zähringen erscheinen in den Urkunden nicht als Patronatsherren, wohl aber das Hochstift, d. h. Domkapitel von Straßburg. Und zwar wird wiederholt betont, daß es das Patronatsrecht "ex antiquo" d. h. von altersher, ausgeübt habe. Daraus könnte man schließen, daß die Herzöge von Zähringen nie im Besitz des Patronatsrechts gewesen sind. Aus Straßburger Urkunden des 13. Jährhunderts müssen wir aber den Schluß ziehen, daß die Zähringer bezüglich Offenburg schon früh in ein Lehensverhältnis zum Bistum Straßburg getreten sind.

Als mit dem Tode Bertholds V. 1218 das Geschlecht der Herzöge von Zähringen ausstarb, benützte der staufische Kaiser Friedrich II. diese Gelegenheit zur Stärkung seiner politischen Macht am Oberrhein. Ihm verdanken Offenburg, Gengenbach und Zell a. H. die Erhebung zu Reichsstädten. Aber in dem Straßburger Bischof erstand ihm ein gefährlicher Gegner. Ein langwieriger Streit entstand um die Rechte in Offenburg. Auf Bitten des Papstes Honorius III. setzte der Kaiser die Äbte von Murbach und Neuburg sowie den Grafen von Werda als Richter ein. Nach deren Schiedsspruch vom 25. August 1221 sollte der Kaiser die volle Gerichtsbarkeit über die Bürger in den Gütern der Offenburger Kirche behalten, die "Berthold von Zähringen von der Straßburger Kirche zu Lehen getragen" habe. Der Streit wurde jedoch durch diesen Kirchenspruch nicht beigelegt; er währte noch 15 Jahre. Erst im März 1236 kam ein Vergleich zustande. Der Bischof gab mit Zustimmung des Domkapitels dem Kaiser und seinen männlichen Erben v. a. auch "die bischöflichen Rechte in Offenburg" zu Lehen mit Ausnahme des dem Domkapitel gehörigen Kirchenpatronats und der von der Pfarrpfründe fallenden Abgaben.

In den Bezug des Zehnten teilten sich der Bischof als Patron, die Abtei Gengenbach als Grundherr und der Pfarrer. Dem Abt gehörte der halbe Weinzehnte; in dessen andere Hälfte und in den Kornzehnten teilten sich der Bischof und der Pfarrer zu gleichen Teilen. Diese Zehnteinnahmen waren die Entschädigung für die Baulasten. Chor und Turm der Kirche wurden vom Patronatsherrn unterhalten, während für das Langhaus die Gemeinde aufkam. Die Sorge für das Pfarrhaus und die dazugehörenden Gebäude oblag dem Kirchherrn.

Wie der Einfluß der Stadt Straßburg ein durchgehender Zug in der Geschichte der Stadt Offenburg ist, so hat auch die Zugehörigkeit zum Straßburger Bistum auf die Entwicklung der Pfarrei mächtig eingewirkt. Das zeigt sich schon in der Wahl der Kirchenpatrone. Während das Patrozinium des hl. Kreuzes in die Zeit der Kreuzzüge weist, in der das Fest Kreuz-Erhöhung neue Bedeutung erhielt, sind die Nebenpatrone Aper und Gangolph, zu denen sich dann die Stadtpatronin St. Ursula gesellte, aus dem Elsaß übernommen worden. Sie sind auch die Diözesan-Nebenpatrone. (Siehe Bild oben)

Ferner äußert sich Straßburgs Einwirkung in der Tatsache, daß der Bischof in früheren Zeiten die Offenburger Pfarrei wiederholt Mitgliedern des Straßburger Stiftsklerus übertrug. So z.B. war Pfarrektor Konrad von Wolfach, der 1242 die Pfarrei Offenburg leitete, 1235 Archidiaconus Argentinensis. Und Waldram von Veldenz, "Canonicus Ecclesiae Cathetralis Argentinensis" wird 1316 als Pfarrer in Offenburg erwähnt. Später begegnet er uns als "Archidiaconus Ecclesiae Argentinensis" und besteigt 1329 den Speyerer Bischofsstuhl. Im Kapitel nahm die Pfarrei stets eine führende Stellung ein. Eine große Zahl der Offenburger Kirchherren bekleidete zugleich das Amt des Erzpriesters oder Dekans. In der Steuerrolle der Diözese Straßburg aus dem Jahre 1464, in der die Beiträge aufgeführt sind, welche die einzelnen Pfarrpfründen an die Kasse des Bischofs zu entrichten hatten, steht die Pfarrei Offenburg entsprechend dem Umfang des Kirchspiels an der Spitze.

Die wertvollste Quelle, die uns über das kirchliche und religiöse Leben in der Reichsstadt Offenburg Aufschluß gibt, ist der Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp. Allerdings stammt dieses Dokument erst aus dem Jahre 1616. Aber der Verfasser nannte seinen Bericht einen "einfältig wahrhaften", d. h. einen sachlichobjektiven, und versicherte, daß derselbe sich auf alle damals vorhandenen amtlichen Dokumenten stütze.

Die Pfarrei im 13. Jahrhundert

Der Inhaber des Pfarramts und der Pfründe heißt in den Urkunden "Rector ecclesiae", in den deutschen "Pfarrektor" und später auch "Kirchherr". Da der Pfarrektor bei dem großen Umfang des Kirchspiels die Seelsorge nicht allein bewältigen konnte, waren ihm schon 1226 zwei Helfer beigegeben, ein Plebanus und ein Vikarius, die er aus eigenen Mitteln unterhalten mußte, Der Plebanus, für den wir später auch den Namen "Leutpriester" finden, was soviel bedeutet wie Weltpriester im Gegensatz zum Ordensgeistlichen, war der Stellvertreter des Kirchherrn.

Hl. Kreuz-Kirche nach einem Stich von Merian 1643
Hl. Kreuz-Kirche nach einem Stich von Merian 1643

1266 ist diesen drei Priestern ein vierter zugesellt, der sogen. "Primissarius", der Frühmesser. Mit bischöflicher Genehmigung hatten vermögende Privatpersonen etliche Äcker und Zinsen mit einer Behausung zur Stiftung einer Frühmesse geschenkt. Die Frühmeßgüter, die am Lerchenrain, im Rammersweierer Feld, bei der Bohlsbachr Linde, im Holderstock und in der oberen Tagmeß lagen, bestand aus 30 Morgen Ackerland und Wiesen. Aus den Mitteln, die es abwarf, konnte der Frühmesser unterhalten werden. Durch diese Frühmeßstiftung wurde es dem arbeitenden Volk ermöglicht, in aller Frühe vor des Tages Arbeit der hl. Messe beizuwohnen. Wenige Jahre später reichten aber auch vier Priester nicht aus. Dieser Umstand veranlaßte die Berufung einiger Franziskanerpatres.

Berufung der Franziskanerpatres

Die Bettelorden waren ein Bedürfnis der Zeit, berechnet für die sozialen und religiösen Nöte der Stadtbevölkerung. Die Kirche bediente sich ihrer, um ein Gegengewicht gegen die Ketzer zu schaffen, die von Südfrankreich aus den Weg nach Deutschland fanden und damals auch im nahen Straßburg eine sehr rege Tätigkeit entfalteten. Durch ein beispielhaftes Leben der Armut, der Entbehrung und des strengen, Pflichteifers entkräfteten die Bettelmönche die Vorwürfe der Sektierer gegen die Kirche und lenkten die Sehnsucht der Armen nach den reinen Urzuständen des frühen Christentums in kirchliche Bahnen. Am volkstümlichsten waren die minderen Brüder des hl. Franziskus. In ihrer Einfachheit waren sie die Lieblinge des niederen Volkes. Das geht auch aus der Einladung hervor, welche die Offenburger Bürgerschaft mit dem Schultheißen an der Spitze im Jahre 1280 an das Mainzer Provinzialkapitel des Franziskanerordens richtete. Wir lesen da: "Da Ihr nicht nur für Euer, sondern für das gemeinsame Heil aller zur Arbeit und vielfachen segensreichen Tätigkeit im Weinberg des Herrn berufen seid, so laden wir, die wir Euren Orden allen vorziehen und aus innerstem Herzen lieben, Euch in frommer Absicht ein, mit allem Eifer und Verlangen bittend, daß Ihr unseren innigen Wünschen entsprechen möget und Aufenthalt und Wohnung nehmen und sittige Brüder, deren Rat uns leite und begleite, hierher versetzen möget. Denn wir hoffen, daß mit Hilfe Gottes sowohl in Anbetracht der Bürger unserer Stadt als auch der umliegenden Bevölkerung, die Euer segensreiche Ankunft erwarten, das zum Leben Nötige den Brüdern nicht fehle, sondern hinlänglich gespendet wird."

Diese Einladung beweist auch, daß der Zweck der Berufung ausschließlich die Unterstützung des Pfarrklerus in der Seelsorge war. Da und dort aber stoßen wir noch auf die Behauptung, daß die Franziskanerpatres zur Gründung und Leitung einer höheren Schule nach Offenburg gerufen worden seien. Und man möchte deshalb die Gründung des Offenburger Gymnasiums in das Jahr 1280 verlegen. Weder die Einladungsurkunde noch der Bericht des Pfarrers Rapp geben irgend einen Anhaltspunkt für diese Behauptung.

Das Provinzialkapitel erfüllte den Wunsch der Offenburger Bürgerschaft. Bald zogen einige Patres in die Stadt ein. Zum Ausbau des Klostergebäudes, das sich hinter der nördlichen Stadtmauer neben dem Straßburger Tor erhob, vermachte der Altschultheiß Heinrich und dessen Ehefrau im Jahre 1284 den Patres seinen Steinbruch in Fessenbach. Die Gemeinde Ebersweier, die damals als Pfarrei selbständig und von den Prämonstratensern von Allerheiligen pastorisiert wurde, schenkte dem Kloster ihren Zehnten, den sie jedoch der Abtei Allerheiligen gegen eine jährliche Gabe von 14 Scheffeln Korn vertauschte; denn Reichtümer wollten die Bettelmönche nicht sammeln; sie wollten aber auch der Bevölkerung nicht zur Last fallen. Über fünf Jahrhunderte haben die "Barfüßer" - so hießen die Mönche im Volksmund - in Offenburg und Umgebung segensreich gewirkt. Der Platz vor dem Kloster trug bis in das letzte Jahrhundert hinein den Namen "Barfüßerplatz".

Der Dritte Orden und die selige Gertrudis

Einen tiefgehenden religiösen Einfluß übten die Söhne des hl. Franziskus auf die Gläubigen aus durch den sogenannten Dritten Orden. Außer dem Orden der Minoriten hatte der hl. Franziskus nämlich auf Bitten der hl. Klara im Jahre 1212 den Orden der Klarissen gegründet, und 1221 den Dritten Orden des hl. Franziskus, in welchem sich Laien beiderlei Geschlechts einschreiben lassen konnten. Von einem hervorragenden Mitglied dieses Ordens, das sich durch die Übung der christlichen Tugenden auszeichnete, berichten die Annalen des Barfüßerklosters. Es ist Gertrud, die Gattin eines Riggoldus. Durch ein heiligmäßiges Leben gelangte diese Frau zu einem Zustand christlicher Vollkommenheit, so daß die Klosterannalen von ihr berichten, sie sei "omnium opinione beata", d.h. selig nach der Meinung aller. 1335 starb sie und fand in der Klosterkirche ihre Ruhestätte.

Die Beghinen

Der Regel des Dritten Ordens waren wahrscheinlich auch die Beghinen angeschlossen, die in Offenburg eine bedeutende Niederlassung gründeten. Der Name "Beghinen" stammt aus Belgien. Dort vereinigten sich fromme Mädchen, die in den bestehenden Klöstern keine Aufnahme finden konnten, aber das Bedürfnis nach religiöser Gemeinschaft hatten, zu enthaltsamem beschaulichem Leben. Die hohen kirchlichen Kreise sahen diese Vereinigungen nicht gern, verdächtigten ihre Rechtgläubigkeit und nannten sie "beginae", d.h. Ketzerinnen. Der Name blieb. Die Einrichtung verbreitete sich rasch, und in Deutschland entstanden zahlreiche Beghinenniederlassungen. In Straßburg lassen sich nicht weniger als 70 solcher Häuser nachweisen. Diese Beghinenhäuser, die man auch Gotteshäuser nannte, waren die Zuflucht der Handwerkerstöchter, die sich nicht verehelichen und keine befriedigende Stellung finden konnten. Diese Schwestern führten ein stilles, gottgeweihtes, dem Gebet und der Arbeit gewidmetes Leben, legten aber kein Ordensgelübde ab, sondern versprachen nur für die Zeit ihres Aufenthaltes im Hause Gehorsam und Enthaltsamkeit. Ihre Tracht bestand aus einem wollenen Rock von schwarzer oder grauer Farbe mit einer Kapuze, die nur das Gesicht freiließ. In aller Frühe gingen sie in die nächste Kirche zur Messe. Ihre Arbeit bestand in Stricken, Nähen und Spinnen. Sie besuchten Arme und pflegten Kranke in deren Wohnungen. Von wohlhabenden Familien erhielten sie Bezahlung.

Gewölbe des Joseph-Chörleins in der Hl. Kreuz-Kirche
Gewölbe des Joseph-Chörleins in der Hl. Kreuz-Kirche

Man holte sie, um bei Leichen zu wachen und den Begräbnissen und Seelenmessen beizuwohnen. Die Reichen legten Wert darauf, daß möglichst viele Beghinen mit brennenden Kerzen an ihren Beerdigungen teilnahmen. Jedem Haus stand eine Meisterin vor. Die erste Offenburger Beghine begegnet uns 1307 in einer Urkunde des Klosters Allerheiligen. Es ist Lutgardis Möchin, begina de Offenburg. Die Niederlassung erfuhr wirtschaftliche Förderung. So vermachte ihr der Priester Heinrich von Offenburg, Chorherr von St. Gangolf in Toul, im Jahre 1326 Bodenzinsen zu Ebersweier und Nesselried. Im Lauf der Zeit öffnete das Haus auch seine Pforten Frauen aus dem wohlhabenden Bürgerstande, die ihr Vermögen mitbrachten. Dank solcher Vermächtnisse entwickelte sich die Offenburger Niederlassung zu einem wohltätigen, religiösen und sozialen Institut, das Not lindern half. Für die kräftige Entwicklung des Hauses sprechen die Namen. Während wir 1367 und 1378 von Katherina von Appenwiere, der Meisterin, und den Schwestern in der "von Schuttertal Gotzhus zu Offenburg" hören, heißt die Niederlassung 1401 das "große Gotshus zu Offenburg". 1432 heißt das Haus "der Richkalden Gotzhus". Wenn wir diesen letzten Namen lesen, drängt sich die Vermuthung auf, daß er gleichbedeutend sein könnte mit dem Namen des Riggoldus, des Gatten der seligen Gertrudis. Das würde auch erneut für die enge Beziehung zwischen Beghinen und dem Dritten Orden sprechen. 1531 begegnen wir zum letzten Mal dem "Richhalden Gotzhus”, dagegen wird die Beghinenschaffnei in den Ratsprotokollen öfter erwähnt.

Die Klosenerinnen

Vor den Toren der Stadt, in der näheren und weiteren Umgebung, lebten da und dort die sogenannten Klosenerinnen. Das waren Frauen, die sich in einer Zelle oder Klause einmauern ließen, um hier unter Verzicht auf alle Bequemlichkeiten ein beschauliches und gottgefälliges Leben zu führen. Zum Teil waren sie begütert, teils lebten sie von Almosen. Sie waren die Zuflucht vieler Menschen, die in leibliche oder seelische Not geraten waren, gaben ihnen Rat und Hilfe und standen wegen ihrer strengen Lebensweise in hohem Ansehen. Wer denkt hier nicht an die Gestalt des Trevrizent, der dem mit Gott zerfallenen Ritter Parzival in seiner seelischen Not zum Retter wird und auf den Weg zu Gott zurückführt? Unter diesen Klosenerinnen, die für Schutterwald und Hofweier 1344 und 1367 urkundlich bezeugt sind, gab es Frauen vornehmer Herkunft, die gelobt hatten, ein Leben der Buße und Arbeit auf sich zu nehmen und nur Gott zu dienen.

Gründung des St. Andreas-Hospitals

Unseren Vorfahren lag nicht nur der Ausbau der Seelsorge am Herzen. Das Gebot Christi und die kirchliche Lehre von der Verdienstlichkeit der guten Werke hat in der Bevölkerung auch die Liebestätigkeit geweckt und die Begüterten veranlaßt, sich der Armen und Verlassenen, der Hilflosen und Kranken anzunehmen und ihr hartes Los zu lindern. Der mittelalterliche Mensch gab gern und reichlich. Da die Armen- und Krankenpflege der Kirche als eines der wichtigsten Werke christlicher Barmherzigkeit galt, nahm sich auch die Kirchenbehörde der Armen und Kranken an und regte die Gründung von Hospitälern an. So entstand auch in Offenburg das St. Andreashospital. Der große Gebäudekomplex erhob sich in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts mitten in der Stadt am Fischmarkt und ist heute noch ein Denkmal des Gemeinsinns und der christlichen Nächstenliebe des Offenburger Bürgertums.

Die erste Nachricht über das St. Andreas-Hospital stammt aus dem Jahre 1301. Am 8. April dieses Jahres schenkt der Offenburger Bürger Hug von Altheim auf seinen und seiner Frau Tod dem Offenburger Armenspital seinen Hof "zum Ende". Am 17. September 1306 nahm Bischof Johann I. von Straßburg das "Hospitale Pauperum in oppido Offenburg" mit allen seinen Insassen und Eigentum in seinen und der Kirche Schutz und gewährte ihm die geistliche Immunität. Dabei betont er ausdrücklich, daß das Hospital von der Offenburger Bürgerschaft auf Veranlassung seines Vorgängers, des Bischofs Friedrich von Lichtenberg, erbaut worden sei. Da dieser den Straßburger Bischofsstuhl von 1299 bis 1306 innehatte und da die Stiftung 1301 schon bestand, dürfen wir die Gründung in das Jahr 1300 verlegen, das ja als das segensreiche Jubeljahr in die Kirchengeschichte eingegangen ist.

In diesem Jahr stiftete Papst Bonifaz VIII. einen Jubelablaß. Wer im Jubiläumsjahr 15 Tage in Rom weilte und die Apostelgräber besuchte, erhielt einen vollkommenen Ablaß. Dieses Jubiläum rief im Abendland eine ungeneuere Begeisterung hervor. Hunderttausende pilgerten nach Rom. Von Straßburg allein sollen 900 Wallfahrer sich nach der ewigen Stadt aufgemacht haben. Mancher Offenburger Bürger wird sich dem Pilgerzug angeschlossen haben.

Die Daheimgebliebenen entfalteten einen starken religiösen Eifer, beteten, fasteten, empfingen die hl. Sakramente und übten Werke der Barmherzigkeit. Allüberall entstanden Stiftungen. Auch Offenburger Bürger wurden von diesem Eifer ergriffen. Ihm entsprang die Gründung des Hospitals.

In der genannten Urkunde von 17. September 1306 verhieß Bischof Johann ferner, daß alle Christgläubigen, die nach dem würdigen Empfang der Sakramente dem Hospital und seinen Armen Almosen geben, einen Ablaß von 40 Tagen. Diesen Ablaß, der in der ganzen Straßburger Diözese gespendet wurde, sollten besonders diejenigen gewinnen, die das 4. Gebot verletzt, Eide gebrochen und Gelübde nicht gehalten hatten. Außerdem sollte dem Hospital das zurückerstattete fremde Gut, dessen Eigentümer oder Erben nicht mehr ausfindig gemacht werden konnten, zugewendet werden. Die Stiftung bedurfte also weitgehender Unterstützung. Das geht auch aus einer zweiten bischöflichen Urkunde vom 17.4.1306 hervor. Es ist ein bischöflicher Bettelbrief. Jährlich sollte ein legaler Bote in allen Pfarreien der Diözese einmal für das Hospital Almosen sammeln. Die Geistlichen wurden zur Hilfe aufgerufen. Wenn schon diese beiden Urkunden den kirchlichen Charakter der Gründung beweisen, so zeigt uns die vom 23.2.1309, daß der Bischof das Hospital als kirchliche Institution betrachtete. Er machte sein Aufsichtsrecht geltend. Der Rat der Stadt hatte den vom Bischof eingesetzten Spitalpfleger abgesetzt. Bischof Johann ließ nun den Schultheißen Walter, den Schulmeister Joh. Höldelin und den Bürger Nikolaus Salm durch den Offenburger Pfarrer vor das geistliche Gericht zitieren. Der Kompetenzstreit wurde durch die Urkunde vom Februar 1310 beendet. Diese Urkunde ist von größter Wichtigkeit, denn in ihr werden die Rechtsverhältnisse des Hospitals genau festgelegt. Mit Zustimmung des kaiserlichen Landvogts der Ortenau, Walther von Geroldseck, und bischöflicher Genehmigung stellen Schultheiß Walter, der Rat und die Gemeinde der Bürger von Offenburg "ze troste und zebesserunge des Spitals, der in Gotz eren armen, siechen und dürftigen lüten zehelfe bj uns zuo Offenburg nüwelingen erhaben ist", neue Satzungen auf. Dabei nahm man die Statuten des etwa 60 Jahre älteren Heilig-Geist-Spitals in Freiburg zum Vorbild. In einem besonderen Abschnitt erkennen die Stadtväter des Bischofs demütig an: "Wir bitten ouch unseren gnedigen Herrn Bischof Johannesen von Strazburg, daz er in diesen sachen Got und unser andacht ansehe, und swas wir für uns alle unser nachkomen, als do vor geschriben stat, Gotte zuo eime opfere und dürftigen zuo eime alnmosen uf gesetzet und getan hant, daz er das an Gotz stat enpfahe und es bestetige mit siner gewalt, als ein Bischof in sime Bistuome sol und mag tuon mit rehte." Der Bischof aber betont und verlangt ausdrücklich: "Darumbe wellen wir und gebietend und heissent, daz es jemerme stete si und blibe, also, daz uns und der Stift von Strazburg unserü reht daran behalten sin. Wir nement ouch und empfahent den vorgenanten Spital, sine personen und alles sin guet, das er nü hat oder iemerme gewinnet, in Gottes, unserre Frowen sancte Marien siner Muter, der Stifte von Strazburg, unser und aller Bischofe, die iemerme zuo Strazburg werdent, Schirm und Pflicht." Im einzelnen wird bestimmt: als kirchliche Anstalt soll das Hospital dieselben Privilegien haben wie andere Gotteshäuser. Seine Insassen haben teil an allen bürgerlichen Genüssen, sind aber frei von den bürgerlichen Lasten (Abgaben und Frondienste). Die Stadt verpflichtet sich, diese Vorrechte zu schützen und bei Schuld- und anderen Klagen Recht zu sprechen. Dann werden die Befugnisse der weltlichen und kirchlichen Behörde klar festgelegt. Nach dem Tode des Spitalpflegers, der den Namen Spitalmeister führt, schlagen die Stadtväter dem Bischof innerhalb eines Monats einen Geistlichen oder der Laien als Nachfolger zur Bestätigung vor. Werden sie über die zu wählende Person nicht einig, so setzt der Bischof den Pfleger. Dieser darf zu seiner Unterstützung einen oder zwei Helfer nehmen. Er legt über seine Amtsführung dem Rat und dem Bischof jährlich Rechenschaft ab. Spitalgut darf er nur mit deren Genehmigung veräußern.

Ein "schedeliger" Pfleger soll abgesetzt und ein neuer "gekiest" werden. Der Spitalmeister hat zu entscheiden, wer im Spital Aufnahme finden soll. In erster Linie sind es "Dürftige" und "Sieche", d. h. Arme und Kranke. Ausgeschlossen sind Kinder, welche der Amme bedürfen, Tobsüchtige und Aussätzige. Für Geisteskranke hatte man im Mittelalter kein Verständnis. Das hing mit der kirchlichen Lehre zusammen. Man hielt sie nicht für Kranke im gewöhnlichen Sinne, sondern vom bösen Geiste Besessene. Das Hospital war aber nicht nur Armen- und Krankenhaus. Der Spitalmeister durfte auch solche aufnehmen, die sich "one des Spitals helfe erneren mögent und in den Spital so viel bringen, daß sie dem Spital ledig sind", d. h. also Pfründner, die sich für die alten Tage versorgen wollten und sich im Hospital einkauften.

1316 erteilte Bischof Johann auch die Erlaubnis zur Errichtung der St. Andreas-Kapelle, und 1359 stiftete der Priester und Spitalpfleger Nikolaus Sigelin die erste Spitalseelsorgepfründe und 1374 eine zweite und eine dritte. Diese Pfründen sollten aber die Pfarrbefugnisse des Kirchherrn nicht beeinträchtigen. So ist es zu erklären, daß die Insassen des Hospitals erst 1441 in der St. Andreas-Kapelle die Sakramente aus der Hand des Spitalpräbendars empfangen konnten. Um die Leistungsfähigkeit des Hospitals zu steigern, erhielt es 1441 das Patronatsrecht über die Kaplanei Fautenbach bei Achern. 1487 bestätigte eine Bulle des Papstes Innozenz VIII. die Inkorporation. Damit waren die reichen Einkünfte aus dem Fautenbacher Zehnten verbunden. Allmählich wuchs das Vermögen stärker an. Über 400 Originalurkunden berichten über Käufe und Schenkungen. So entstand ein Güterkomplex, der sich über die ganze untere Ortenau erstreckte. Mit Hilfe dieses Vermögens hat die Stiftung im Laufe der Jahrhunderte viel Not gelindert. Der Name Andreas hat ja heute noch in Offenburg einen guten Klang. Aber es ist der Andreas-Wein, der es den Offenburgern angetan hat. Darüber vergessen sie, daß die Bedeutung von "St. Andreas" auf sozialem Gebiet lag.

Gutleuthaus und Elendenherberge.

Im Laufe des 14. Jahrhunderts, als die ansteckenden Krankheiten in verstärktem Maße auftraten, wurde für diese Kranken ein besonderes Haus errichtet, und zwar vor der Stadtmauer. Denn jede Stadt hatte dauernd eine Zahl bresthafter und siecher Menschen, die ihr zur Last waren; dazu kam die verheerende Wirkung der Seuchen, namentlich der Pest und der Syphilis, die von Italien her in den süddeutschen Reichsstädten ihren Einzug hielt.

Glasmalerei in der Sakristei der Hl. Kreuz-Kirche
Glasmalerei in der Sakristei der Hl. Kreuz-Kirche

Die beklagenswertesten unter den Kranken waren die Aussätzigen oder Leprosen. Mit der Aussatzschau, die den Barbierern oblag, d. h. mit der Feststellung und Absonderung der von der Krankheit Befallenen, nahm es der Rat sehr ernst. Die einprägsame Sinnfälligkeit, mit welcher der mittelalterliche Mensch seine Handlungen auszustatten liebte, nahm bei diesem Akte Formen an, denen gerade wegen ihrer gottesdienstähnlichen, halb religiösen Weihe und ihres düsteren Ernstes etwas Grausames anhaftete, obwohl man das Gegenteil beabsichtigte. Man stand den Aussätzigen mit der Empfindung christlicher Ehrfurcht und menschlichen Erbarmens gegenüber. Sie galten als berührt von der Hand Gottes und wurden nicht ohne tiefere Beziehung die "Guten Leute" genannt. Aber wie fürchterlich ihr Los war, zeigte sich bei dem Akt der Absonderung von der Gemeinschaft der Gesunden. In der Kirche wurde eine Bahre aufgestellt oder ein schwarzes Tuch ausgebreitet, darauf sich der Erkrankte mit verhülltem Gesicht ausstrecken mußte. Dann wurde für ihn eine Messe wie für einen Toten gelesen. Darauf überreichte man ihm das Kleid, das die Aussätzigen tragen mußten, Handschuhe, eine Klapper, eine Krücke und einen Wasserkrug. Mit brennenden Kerzen begleitete ihn dann die Gemeinde vor das Neutor zum Gutleuthaus am Hohen Rain, von dem er oft niemals zurückkehrte. Zu dieser außerhalb der Stadtmauer gelegenen Zufluchtsstätte der Feldkranken oder Sondersiechen, wie man sie auch nannte, herrschten für die Kranken sowie für den Siechenvater und die Siechenmutter, denen die Pflege oblag, Vorschriften von klösterlicher Strenge. Das Offenburger Gutleuthaus, an das heute noch das Gutleutbrückle erinnert, wird wohl schon im 14. Jahrhundert errichtet worden sein. Im 15. Jahrhundert erhielt es eine Kapelle, die 1480 konsekriert wurde. Zum Unterschied vom älteren St. Andreas-Hospital trug das Gutleuthaus in lateinischen Quellen den Namen "Hospitale junior". Besondere Aufmerksamkeit wandte die Kirche auch den Pilgern zu. Die Ziele der mittelalterlichen Wallfahrten, in denen sich ein starker Bußernst zeigte, aber auch uralte germanische Wanderlust und der jugendliche Kräfteüberschuß auslebte, waren nicht nur die heiligen Stätten im eigenen Lande, sondern das hl. Land, Rom und San Jago zu Compostella in Spanien. Denn je weiter entlegen die geweihten Stätten waren, desto mehr reizten sie die Phantasie. Die Pilger zu unterstützen galt als verdienstvolles Werk. Wie in allen Städten, so wurde auch in Offenburg für die meist armen Passanten im 14. Jahrhundert eine Elendenherberge ins Leben gerufen. Später fanden darin mittellose Kranke aus Stadt und Umgebung Aufnahme.

Der Neubau der Pfarrkirche "Hl. Kreuz" 1415

Den sichtbarsten Ausdruck fand der religiöse Eifer des Offenburger Bürgertums im Neubau der Pfarrkirche. Das erste Gotteshaus wird im 12. Jahrhundert errichtet worden sein, als man im romanischen Stile baute. Diese Kirche erwies sich beim Aufblühen des städtischen Gemeinwesens im 14. Jahrhundert zu klein. Diese Tatsache und die Baufreudigkeit der damaligen Zeit führten zum Neubau. Um die hierfür nötigen Mittel zu gewinnen, bemühte. sich der Rat der Stadt 1335 bei Papst Benedikt XII. in Avignon mit Erfolg um Gewährung eines Ablasses, der von zwölf Bischöfen bekräftigt und vom Straßburger Bischof Berthold von Buchek am Tage nach Mariae Geburt 1335 feierlich verkündet wurde. Die Verwendung von Ablaßgeldern für solche Zwecke war in jener Zeit üblich. Zahlreiche Kirchen wurden mit Hilfe von Ablaßspenden errichtet. Da dieser Ablaß zur Deckung der Baukosten nicht ausreichte, wurde er während der Bauperiode fünfmal, und zwar in den Jahren 1386, 1393, 1399, 1414 und 1415 erneuert. Am 10. März des Jahres 1415 wurde der 1387 begonnene Bau unter Pfarrektor Johann Sunnenschin von dem Bischof Markus von Besancon konsekriert. Merkwürdig ist, daß nicht der Straßburger Bischof diese hochfeierliche Handlung vorgenommen hat. Vielleicht wurde er durch seine Teilnahme am Konstanzer Konzil (1414 - 1418) abgehalten. Leider ist von dieser Kirche kein Bild auf uns gekommen. Aber der Offenburger Merian 1643 vermittelt uns schon eine Vorstellung von diesem stattlichen Gotteshause, (Siehe 2tes Bild oben.) Jedenfalls ist die architektonische Form des Bauwerks ziemlich deutlich zu erkennen.

Sie entspricht dem Kunstempfinden der damaligen Zeit und äußert das neue Lebensgefühl in der Entwicklung des Kirchenbaues. Ohne Zweifel haben wir es mit einer spätgotischen Hallenkirche zu tun. Sie ist die vorherrschende Bauform des Spätmittelalters. Die drei Schiffe waren gleich hoch, das Querschiff fehlte, der Bau strebte nach oben, (Siehe Bild oben.) Das Schwaben- und Frankenland ist noch verhältnismäßig reich an solchen Hallenkirchen. Auch den Bau der Offenburger Hl. Kreuzkirche überdeckte in seiner ganzen Breite ein einheitliches Satteldach, das sich hoch über die Dächer der Bürgerhäuser erhob und das ganze Stadtbild majestätisch beherrschte. An der Westseite stand ein prächtiger viereckiger Turm, dessen Glockenstuhl sich in vier Giebeln schloß. Sieben Glocken, deren schöner Klang wiederholt gerühmt wurde, riefen die Gläubigen der Stadt und der umliegenden Dörfer zum Gottesdienst. Darüber ragte ein rechteckiger Helm. Wie stolz die Offenburger auf ihr Gotteshaus waren, zeigt das Verzeichnis über den im Schreckensjahr 1689 entstandenen Schaden. An dessen Spitze ist die Kirche aufgeführt: "Erstlich die überaus schöne und große Pfarrkirche samt einem von lauter Stein in sieben Contignationen; (Balkenlagen) bestandener Turm und Gärner (Beinhaus) - 25.000 f." Was das Innere betrifft, so hat das Kunstgefühl auch auf die Religiösität der damaligen Zeit Rücksicht genommen. Die Frömmigkeit stand im Zeichen der Mystik, jener religiösen Richtung, die die Religion durch glühendste Andacht, durch innigste Versenkung in Gott zum persönlichen Erleben machte. Deshalb hat man in gotischen Domen Altarnischen in der Form von kleinen Kapellen ausgebaut, oder man errichtete sogar an der Seite des Schiffs eine besondere Kapelle. Es sei hier nur an die Gnadenkapelle in der Lautenbacher Kirche erinnert. Hier konnte der fromme Christ, völlig losgelöst von der Umwelt, sich in die überirdischen Geheimnisse vertiefen und mit Gott Zwiesprache halten. Eine solche Kapelle muß auch in die Offenburger Kirche eingebaut worden sein; denn in der erwähnten Stammrolle von 1464 wird unterschieden zwischen 2 Marienaltären in parochia (Pfarrkirche), von denen der eine in "capella", der andere "extra capellam" stand. Im übrigen wird nur berichtet, daß das Hochaltarbild im Jahre 1459 aus der Werkstätte des Straßburger Altarmalers Heinrich Beldeck hervorging und daß ein Lettner das Schiff vom Chor trennte. Aber aus dem genannten Verzeichnis dürfen wir schließen, daß das Innere des Gotteshauses reich ausgestattet war: "Item der Kirchenornat, so in kostbaren Meßgewändern, Zierraten und anderen Kostbarkeiten bestanden, ist nit zu schätzen, massen solches unschätzbar". Wie sollte es auch anders sein? Wie überall in deutschen Landen, so waren auch in Offenburg die angesehenen Patrizier und die zu Wohlstand gelangten Handwerker überaus stiftungsfreudig. Die begüterten Familien und die Zünfte setzten sicher ihren Stolz darein, die Kirche mit schönen Altären, Gemälden, Glasmalereien, Weihebildern, Kelchen, Priestergewändern, Leuchtern, Weihekreuzen und Opferkerzen auszuschmücken und dadurch ihre Frömmigkeit zu bekunden.

Wertvolles Vortragskreuz (1515) der Hl. Kreuz-Kirche
Wertvolles Vortragskreuz (1515) der Hl. Kreuz-Kirche

Von der reichen Ausstattung der Kirche zeugt noch das kostbare Vortragekreuz vom Jahre 1515, ein hervorragendes Meisterwerk der Offenburger Goldschmiedekunst (siehe oben). Auf der Vorderseite trägt es an einem naturalistischen Holzstamm den Kruzifixus mit flatterndem Lendentuch. Die Reliefarbeiten in den Vierpässen zeigen die Evangelistensymbole, die von krausem Blattwerk umrahmt sind. In dem achteckigen, mit Astwerk verzierten Knauf sind die Jahreszahl 1515 und das Offenburger Zeichen eingestochen. Im Mittelrund und in den Vierpässen der Rückseite sind Amethysten und geschliffene Rheinkiesel eingelegt und mit Rankenwerk verziert. Die einzigartigen Gravierungen am Stamm stellen die verkleinerte Kopie von Dürers Kupferstich "Maria mit dem langen Haar und Stirnband" und Rankenwerk dar, in dem Engel musizieren und Kronen darbringen.

Fürwahr! In dieser Kirche hat das Offenburger Bürgertum das Beste und Größte gegeben, was es dem Ewigen zur Ehre darzubringen vermochte.

Um die Kirche herum lag der Friedhof. Auf diesem stand eine Kapelle, die dem hl. Michael, dem Seelenführer der Verstorbenen, dem hl. Theobald, der hl. Katharina und den 10.000 Märtyrern geweiht war.

Die Filialkirchen

In dieser Zeit entstanden auch einzelne Filialkirchen; denn die Pfarrkinder der Umgebung sehnten sich nach einem eigenen Gotteshaus. In Elgersweier scheint schon im 14. Jahrhundert eine St. Markuskapelle gestanden zu haben. Gegen Ende dieses Jahrhunderts erhob sich im anmutigen Tälchen von Zell-Weierbach die Kapelle "Zu unserer lieben Frau", die 1396 von Bischof Wilhelm v. Diest konsekriert wurde. In der Mitte des 15. Jahrhunderts bauten die Bohlsbacher ihr Laurentiuskirchlein. Und 1497 erhielten die Ortenberger am Bühlweg in Käfersberg eine Kapelle, die der Muttergottes und dem hl. Bartholomäus geweiht wurde. Aber die Errichtung dieser Kapellen beeinflußte in keiner Weise die Befugnisse und Gerechtsame des Offenburger Kirchherrn. Die Gemeinden dieser Filialkirchen gehörten nach wie vor zum Offenburger Pfarrverband.

Volksfrömmigkeit

Die Stiftung des St. Andreas-Hospitals und der Neubau der Pfarrkirche haben schon die gemeinschafisbildende Kraft der Religion gezeigt. Das Auge des mittelalterlichen Menschen war auf den Himmel gerichtet. Mittelpunkt der Betrachtungen waren Gott und das Jenseits. Das Leben auf dieser Welt wurde nur gewertet als Vorbereitung für das Jenseits. Die Religion war das Klima, in dem der Mensch atmete und lebte. Alle Handlungen wurden in Beziehung zum Glauben gebracht. Infolgedessen war die Kirche die führende Macht der Zeit, die selbstverständliche Hüterin, Leiterin, ja Bildnerin des gesamten öffentlichen und privaten Lebens.

Dazu kommt, daß dem Menschen des Mittelalters der Gedanke des Todes viel vertrauter war als uns. Denken wir nur an die Pest, die größte und verheerendste Seuche, die die Geschichte des Abendlandes kennt. Ihr Zug vom Mittelmeer an den Rhein ließ Totenhäuser und überfüllte Kirchhöfe hinter sich. Hauptsächlich in den Jahren 1349, 1358, 1363 und 1381 hat der schwarze Tod in unserer Gegend gewütet. In Straßburg soll er allein 16.000 dahingerafft haben.

Kapelle "Zu unserer lieben Frau" (1396) Weingarten
Kapelle "Zu unserer lieben Frau" (1396) Weingarten

Törichte Volksaufwiegler brachten das Märchen auf, die Juden hätten die Brunnen vergiftet. So kam es auch in Offenburg zu wüsten Judenverfolgungen. Andererseits hatte die Pest die große Geißelfahrt im Gefolge. Man betrachtete die verheerende Krankheit als Strafe Gottes, und sein Zorn konnte nur durch Bußfahrten besänftigt werden. Diese Geißlerbewegung stand völlig außerhalb der Kirche und wurde von ihr bekämpft. Mit Kreuzen, Kerzen und Fahnen zogen die Flagellanten in die Städte ein, schlugen sich mit scharfen Geißeln auf den entblößten Rücken, bis das Blut floß, riefen zur Buße auf und zogen weiter. Immer größer wurde der Zug. Im Juni 1349 kam die erste Schar nach Straßburg. Es waren ihrer 700, denen sich in tiefer Demut 1.000 Straßburger anschlossen. Immer wieder forderte das Sterben neue Opfer.

Und noch ein Drittes! Eine bange Furcht hat die Menschen jener Zeit seelisch erschüttert. Die Empfindung, das Ende der Welt sei nahe, war weit verbreitet. Wie einstmals das Nahen des Jahres 1000 die Menschen mit Angst erfüllt hatte, so erwartete man damals in religiös erregter Zeit vom Jahre 1500 ungeheure Geschehnisse. Diese Weltuntergangsstimmung fand ihren Ausdruck in der Kunst. Es sei nur erinnert an Dürers "Apokalyptische Reiter" und seine "Melancholie". Immer wieder wurde diese Stimmung genährt durch beunruhigende Weissagungen. Auf Grund astrologischer Berechnung prophezeite man eine neue Sintflut. Dann sagte man das Vorrücken der Türken bis zum Rhein an. Diese Voraussagen wühlten die Gemüter auf. Die Erregung steigerte sich zur Angst vor dem jüngsten Gericht, die ein Grundelement der Zeit wurde. Wenn wir das bedenken, dann verstehen wir auch das unruhige Streben nach Vermehrung der geistlichen Gnaden, das dem Empfinden des modernen Menschen fernliegt. Bei den mannigfaltigen Erscheinungen dieser Volksfrömmigkeit nehmen Leichtgläubigkeit und Aberglaube oft bedenkliche Formen an. Ein Beweis dafür ist der übertriebene Reliquienkult.

Im Mittelpunkt des Glaubens stand der Gottmensch Jesus Christus. Seine Verehrung drang immer tiefer in das Herz des Einzelnen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde die hl. Eucharistie Gegenstand großer Verehrung. 1315 führte Bischof Johann von Dürkheim, der die Satzungen des St. Andreas-Hospital genehmigt hat, in seiner Diözese das Fronleichnamsfest ein. Und um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die feierliche Fronleichnamsprozession ins Leben gerufen. Damals entstanden die Monstranzen, in denen man die hl. Hostie, die bisher nur in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt worden war, allen sichtbar zeigte. In den Kirchen stiftete man prächtige Sakramentshäuschen zur Aufbewahrung des allerheiligsten Sakraments. Ohne Zweifel war auch die Offenburger Pfarrkirche mit einem solchen Sakramentshäuschen geschmückt.

Die Meßpfründen

Mittelpunkt der katholischen Liturgie ist die Messe. Daß das mittelalterliche Volk die Messe besonders schätzte, beweisen die immer zahlreicher werdenden Stiftungen von Meßpfründen in den Pfarrkirchen und Kapellen, für welche eigene Priester zur täglichen Zelebration der Messe nach der Meinung der Stifter angestellt wurden. Solche Stiftungen erwuchsen aus den sogenannten Anniversarien oder Seelgerätstiftungen, d.h. der Stiftung einer ewigen Messe für verstorbene Angehörige am Jahrestag des Todes. Diese Totengedächtnismessen wurden in den Seelbüchern sorgfältig eingetragen und häuften sich im Lauf der Zeit ungemein an. So kam neben den Seelsorgern im Laufe des 14. Jahrhunderts eine neue Klasse von Geistlichen auf, die Meßpfründner. Diese verrichteten keine seelsorgerlichen Dienste und lebten nur von den Meßstiflungen, die von frommen Laien errichtet wurden und mit bestimmten Altären verbunden waren. Deshalb nannte man solche Geistliche auch Altaristen. Oft gehörten sie dem Handwerkerstande an, für dessen Söhne diese Nebenpfründen ein angenehmes Versorgungsmittel waren. Begüterte Familien stifteten solche Kaplaneien eigens für ihre Söhne und Neffen. Die wirtschaftliche Lage dieser Altaristen, die an Domkirchen bisweilen nach Hunderten zählten, war im allgemeinen nicht glänzend. Der Ertrag der Pfründen war oft niedrig. Mit der täglichen Messe war das Tagewerk der meisten Pfründner erledigt. Wenn sie kein ausreichendes Privatvermögen besaßen, konnten sie kein standesgemäßes Leben führen und bildeten eine Art klerikales Proletariat, das für die Kirche da und dort eine schwere Belastung bedeutete. Sehr oft aber bezogen die Altaristen neben ihren Pfründen Einkünfte aus Erbgütern. Kenntnisse brauchten sie nicht in dem Maße wie die Leutpriester. Etwas Kirchenlatein, um sich im Missale und Brevier zurecht zu finden, genügte im allgemeinen.

Solche Meßpfründen oder Kaplaneien, die für die Kirche des 14. und 15. Jahrhunderts eine besonders charakteristische Erscheinung waren, gab es auch in der Offenburger Pfarrei. Sie entstanden zwischen 1350 und 1450. Persönlichkeiten des geistlichen und weltlichen Standes, darunter Mitglieder des Magistrats, statteten die Altäre der Stadtkirche, der St. Andreaskapelle und der Gutleutkirche mit Schenkungen und Vermächtnissen reichlich aus. Nach der erwähnten Steuerrolle der Straßburger Diözese bestanden im Jahre 1464 elf Kaplaneien. Außer den Seelsorgepriestern feierten also täglich elf Kapläne in Offenburg das hl. Meßopfer. Von diesen elf Kaplaneien befanden sich sechs in der Pfarrkirche, eine im Ossorium (Beinhaus), zwei in der St. Andreaskirche und zwei in der Gutleutkirche. Auch die Namen der Altäre sind uns teilweise überliefert. Von den sechs Altären der Pfarrkirche waren drei der Muttergottes geweiht, die anderen trugen die Namen "Corporis Christi", "Heilig Kreuz" und "Hl. Katharina". Die zwei Altäre in St. Andreas waren den tausend Märtyrern gewidmet.

Bühlweg-Kapelle bei Käfersberg-Ortenberg
Bühlweg-Kapelle bei Käfersberg-Ortenberg

Die Besetzung dieser Altarpfründen stand den Stiftern, zum Teil auch dem Kirchherrn zu. Nach dem Bericht des Kirchherrn Rapp konnten die Offenburger Altaristen von ihrem Privatvermögen und ihren Pfründen in guten Zeiten wohl leben.

Heiligenverehrung

Um den Kult Christi rankte sich die Heiligenverehrung. Dieser Kult wuchs gegen Ende des Mittelalters immer mehr in die Breite. Der religiöse Volkstrieb war so stark, daß er zu immer neuen Formen drängte und begierig alles Neue aufnahm, was ihm aus der Ferne zuströmte. Das ganze Leben war durchflochten von den Beziehungen zu den Aposteln, Märtyrern und Heiligen. Viel zahlreicher als heute waren die Feiertage. Die drei Hochfeste des Kirchenjahres, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, dauerten drei Tage. Im 15. Jahrhundert wurde durchschnittlich fast in jeder Woche ein Fest des Herrn, seiner Mutter oder eines Heiligen gefeiert, an dem die Arbeit ruhte.

In Offenburg hat man einer größeren Anzahl von Heiligen besondere Verehrung gezollt. Die St. Andreaskapelle war nicht nur diesem Apostel geweiht, sondern auch dem hl. Erhard und der hl. Maria Magdalena, der Fürsprecherin der bekehrten Sünderinnen. Die St. Jakobskapelle im Gutleuthaus wurde auch zu Ehren des hl. Nikolaus konsekriert, der sich seit den Kreuzzügen die Liebe des Abendlands erobert hatte, ferner der hl. Magdalena, der hl. Elisabeth und der hl. Barbara, der Patronin der Sterbenden. Die Spitalseelsorgepfründen waren den Heiligen Nikolaus, Leonhard, Antonius, Katharina und den 10.000 Märtyrern gewidmet. Der hl. Leonhard wurde viel angerufen als Schützer der Gefangenen, Helfer der Frauen in ihrer schweren Stunde, auch als Patron der Haustiere. Die Verehrung des hl. Antonius hängt mit der Vorstellung zusammen, daß die bösen Geister Gewalt über unreine Lebewesen hätten. Gegen sie glaubte man bei diesem Heiligen Hilfe zu finden, der so oft die Teufel besiegt hatte. Zu den 10.000 Märtyrern, zu denen auch die Stadtpatronin Offenburgs, die hl. Ursula gehört, betete man besonders gern. War doch sowohl in der Hospitalkirche als auch in der Gutleutkirche ihnen ein Altar geweiht. Am volkstümlichsten in unserer Gegend war aber die hl. Katharina, die Patronin der büßenden Sünder. Von ihr schreibt der Straßburger Geschichtsschreiber: "Sie ist die nächste nach Unser Lieben Frauen und ist eine gnädige Fürsprecherin vor Gott allen Menschen, die sie anrufen und ehren." Sie zählt zu den 14 Nothelfern, den Heiligen des Volkes, die man gegen Feuersnot, Viehschaden, Seuchen und alle Fährlichkeiten des täglichen Lebens anrief. Drei Altäre in der Pfarr-, Hospital- und Gutleutkirche waren der hl. Katharina gewidmet. Über der Schar der Heiligen triumphierte die Mutter Anna, in deren schwärmerischen Verehrung sich eine tiefe Hochschätzung der Mutterschaft ausspricht, und über ihr "Unsere Liebe Frau". Ihr galt die stärkste Huldigung. Geistliche und Laien, Herren und Bürger bargen sich unter ihrem Schutzmantel. Zu ihrer Ehre wurden zahlreiche Stiftungen gemacht. Alles wurde ihr geweiht und erhielt ihren Namen: Kirchen und Altäre, Orte und Mädchen. Drei Altarpfründen in der Pfarrkirche trugen ihren Namen. Die zwei Filialkirchen in Weingarten und Käfersberg wurden ihr zu Ehren geweiht und sind heute noch gern besuchte Wallfahrtskirchen. Wie allüberall entstand auch in Offenburg das Salve-Regina-Singen, um das Lob der Gottesmutter zu künden. Ihr Lob verstummte nicht in dieser Zeit. Festgegründet ist die glühende Marienverehrung in der kirchlichen und gottesdienstlichen Ordnung.

Die Bruderschaften

Die 20-Priester-Bruderschaft

Die gesteigerte Frömmigkeit unserer Vorfahren zeigt sich auch in den Konfraternitäten oder Bruderschaften. Im Jahre 1350 vereinigte Pfarrektor Nelle als Dekan die 20 Pfarrer des Offenburger Kapitels in einer Gebetsgenossenschaft. Jedes Mitglied war verpflichtet, an der Beerdigung eines Mitbruders teilzunehmen, für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten, das Meßopfer darzubringen und Almosen zu spenden. Die Zahl der hl. Messen und die Höhe der Almosen wurde jedem vorgeschrieben. Diese Zwanzigpriesterbruderschaft, die von Bischof Rupert gutgeheißen und im Jahr 1502 von Kardinalpriester Raimund von Gurk, dem apostolischen Legaten für Deutschland, feierlich bestätigt wurde, löste in der Bevölkerung große Begeisterung aus. Als der Bischof auch die Aufnahme von Laien beiderlei Geschlechts gestattete, traten außer den Geistlichen der benachbarten Kapitel Lahr und Ottersweier weite Kreise der Bevölkerung der Umgebung bei. Diese gelobten, neben dem Empfang der Sakramente und Spendung von Almosen die Zwecke der Bruderschaft zu unterstützen und den in den Statuten vorgeschriebenen Gottesdiensten beizuwohnen. Dafür erlangten sie einen 100tägigen Ablaß. An den Quatembertagen versammelten sich die Mitglieder, um gemeinsam zu beten, das hl. Opfer zu feiern und Werke der Barmherzigkeit zu verrichten. Diesen Versammlungen, die meist in Offenburg stattfanden, gaben große Ablaßfeiern das Gepräge. Die Gläubigen gingen zu den Sakramenten. Reichliche Almosen wurden den Armen zugewendet.

St. Sebastian, Statue in der Klosterkirche Unserer lieben Frau
St. Sebastian, Statue in der Klosterkirche Unserer lieben Frau

Die Laienbruderschaften

Neben dieser geistlichen Genossenschaft entstanden in Offenburg drei Laienbruderschaften. Diese bildeten sich meist im unmittelbaren Anschluß an eine Zunft. Das Wesen der Zünfte war durchsetzt mit religiösen Zielen und Gebräuchen. Bei der Annahme von Lehrlingen und bei dem Erwerb der Meisterschaft opferte man gern Wachs und Lichter. Jedes Handwerk setzte seinen Ehrgeiz darein, einen recht angesehenen Heiligen zum Schutzpatron zu haben, der nach der Geschichte der Legende dieses Gewerbe betrieb oder der in irgend einer Weise damit in Beziehung stand. Die Zunft beging dessen Fest mit Kirchgang und Prozessionen und nahm geschlossen an den öffentlichen religiösen Feiern teil. Die Profanierung der Sonn- und Feiertage, Fluchen und Schwören, war den Mitgliedern verboten. Manche Zunft war zugleich kirchliche Bruderschaft mit Satzungen, die das religiöse Leben förderten, geistliche Gnade verhießen, aber auch leibliche Vorteile boten, indem die Mitglieder in der Not einander beistanden, aus der gemeinsamen Kasse den Erkrankten milde Gabe spendeten und für das Begräbnis und Seelenmesse sorgten. Diese Bruderschaften waren einer Pfarr- oder einer Klosterkirche angeschlossen, auch die Gesellen der Gewerbe vereinigten sich zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse, aber auch zur Verteidigung ihrer Standesinteressen.

Die Bäcker- und Müllerknecht-Bruderschaft

Am 5. Juli 1406 gründeten die Bäcker- und Müllergesellen "dem allmächtigen Gott, siner erwurdigen muoter, unser lieben frowen sanct Marien, und allen gottes heiligen zuo loben und zuo eren und der brotbeckern-Knechte und muller Knecht und allen ihren nachkommenden selen zuo trost und zuo hilfe" beim St. Andreas-Hospital eine Bruderschaft und legten ihre Ordnung dem Rat zur Genehmigung vor. In der Hospitalkirche stifteten sie eine Kerze. Diese sollte jeden Sonntag und jeden gebotenen Feiertag während der Messe und jeden Samstagabend brennen. Jeder Brotbecken- und Müllerknecht warf wöchentlich zwei "Helbeling" in die kleine Büchse, die "umbgetragen" wurde. Dieselben Pflichten hatten auch die "Knaben" (Lehrlinge), sofern sie mindestens 6 Pfennige in der Woche verdienten. War ihr Verdienst geringer, so zahlten sie alle Fronfasten 2 Pfennige. Zweimal im Jahr, an Weihnachten und an Sungehten (Sonnwend, Johannistag, 21. Juni) flossen die Beiträge aus der kleinen in die große Büchse, welche vom Spitalpfleger verwaltet wurde. Mit diesen gesammelten Geldern unterstützte man kranke Brüder. Damit "siche Knechte" im Spital Aufnahme finden konnten, kaufte die Bruderschaft ein Bett mit 2 Kissen, einem "houptpfulven", 2 "lylachen" (Bettücher) und einem "sergen" (Matratze) und "was do zuo ghört." Dieses Bett wurde im Hospital aufgestellt und der Obhut des Spitalpflegers anvertraut. Wünschte ein kranker Bruder finanzielle Hilfe, so lieh man ihm aus der Büchse 2 Schilling, im Bedarfsfall auch mehr, wenn er ein Pfand bieten konnte. Starb er, so wurden die geliehenen zwei Schillinge auch auf die Pfänder geschlagen, und das Begräbnis bei der Gutleutkirche oder beim Franziskanerkloster war ihm sicher. Wenn nichts gepfändet werden konnte, so sollte man "im doch in daz grap helffen." Die Kosten wurden aus der Kasse bestritten. Zur Teilnahme am Begräbnis und zum Besuch der Seelenmesse war jeder Bruder verpflichtet. Unentschuldigtes oder ungerechtfertigtes Fernbleiben und Rückstand in der Leistung der Beiträge kostete den Säumigen 6 Straßburger Pfennige. Zwei Drittel der Bußgelder flossen in die Bruderschaftskasse, ein Drittel gehörte dem Schultheißen. Diese Bruderschaftsordnung wurde im Jahre 1471 ergänzt. Die neue Urkunde bestimmte, daß am Sonntag nach jeder Fronfasten ein vom Spitalmeister bestellter Priester für das Seelenheil der Bruderschaftsmitglieder im Hospital eine Messe lese.

St. Sebastiansbruderschaft

Im Jahre 1451 schlossen sich die Offenburger Schützen unter Führung ihres Meisters, des Schneiders Hans Hartung, zur Pflege des religiösen Lebens zusammen, gründeten "Gott und dem lieben heiligen sanct Sebastian zuo lobe und eren" eine Bruderschaft, damit sie "deste friedsamer bliben und bestehn möchtent", und baten Schultheiß, Meister und Rat, ihre Ordnung zu bestätigen. St. Sebastian, der von Geschossen durchbohrte Märtyrer, wurde wie der hl. Rochus gegen Pest und Aussatz angefleht. Die Bruderschaft sollte auch der Stadt zum Wohle gereichen; der Zusammenschluß erfolgte auch deshalb, "daß sie in uffgang gewynnen und der stette Offenburg, obe und wenn das ein not geschee, desto baß gerüstet, zuo dienste gewärtig und bereit sein möchtent." Als erstes stifteten sie in der Pfarrkirche eine gemeinsame Kerze. Bei Strafe von 4 Pfennigen sollte keiner während des Schießens oder des Schießens wegen, den Mitbruder "unzüchtigen oder mit Worten schmähen oder schelten, oder heißen lügen." Eine höhere Strafe, jedoch nicht höher als 2 Schilling, sollte denjenigen treffen, der "soviel unzüchtig were", daß er nach Ansicht des Meisters und der vier Pfleger bestraft werden mußte. Jeder Bruder legte an den Fronfasten einen Pfennig in die Büchse. Für jeden Verstorbenen wurde eine Seelenmesse gehalten. Während dieser opferten alle Mitglieder und beteten für die Seelenruhe.

Diese St. Sebastiansbruderschaft muß sich bewährt haben; denn 30 Jahre später erweiterte sie ihre Satzungen, die "uff mentag nechst nach sant Sebastianstag 1480" von Schultheiß, Meister und Rat bestätigt wurden. Diese ergänzenden Bestimmungen zeigen, daß der kirchliche Zweck der Bruderschaft vorherrschte. Die Sebastiansjünger verteilten sich offenbar über die ganze Bürgerschaft; denn wir lesen: Wer sich, es sei "frow oder man, ledig oder verhafft" (verheiratet), in die Bruderschaft aufnehmen läßt, entrichtet 2 Pfennige Einschreibgebühr. Jedes Mitglied bezahlte im Jahr 4 Pfennige in die Büchse. Dieser Betrag konnte auch mit 1 Gulden für immer abgebüßt werden. Die Bruderschaft schloß sich jetzt der Kirche des Barfüßerklosters an. Dort hatte sie jeden Montag auf dem St. Ludwigsaltar, für den sie auch eine Kerze stiftete, eine Messe. Der Tag des Schutzheiligen wurde mit einer Singmesse gefeiert, während welcher jedes Mitglied ein Opfer oder "Fromengeld" in die aufgestellte Büchse oder auf den Altar legte. Letzteres gehörte den Barfüßern, die überdies für die gehaltenen Messen und Vigilien von dem Schützenmeister jährlich 2 Pfund Pfennig erhielten. Für jeden verstorbenen Bruder oder Schwester wurde am ersten Sonntag nach dem Begräbnis eine Leibfallmesse gelesen. An den vier Fronfastentagen fand eine gemeinsame Seelenmesse statt. Die Grabplätze wählten die Mitglieder im Klosterfriedhof. Daß diese Bruderschaft im Laufe der Zeit ein ganz ansehnliches Vermögen zusammenbrachte, beweisen die zahlreichen Käufe und Darlehen.

St. Eulogius-Bruderschaft

Im Jahre 1496 errichtete die Offenburger Schmiede- und Wagnerzunft "zu lob und glory gottes und der allerheiligsten gottesgeböhrerin, auch zu ehr des heiligen Elogy" eine Bruderschaft. St. Elogius, der 588 zu Cadilac in Aquitanien geboren wurde und 659 als Bischof von Noyon starb, war ursprünglich Goldarbeiter und wurde so der Patron der Goldschmiede, später ganz allgemein des Schmiede- und Wagnerhandwerks. Auch diese Bruderschaft stellte sich unter den Schutz der Franziskaner und erhielt von Bruder Georg, dem Provinzial der oberdeutschen Minoritenprovinz, einen Gnadenbrief, in welchem ihren Mitgliedern die Teilnahme an dem im Orden der Minoriten und Clarissinnen geübten Werken zuerkannt wurde. Wir lesen da: "So nimb ich eich alle und jedtes in sonderheit, gegenwärtig und Künftige, sambt denen Ehefrauen und Kindteren, sowohl im leben als nach dein todt, auff und mach euch thaillhaftig aller hailigen messen, gebedt, predigen, wachen, fasten, leibs Kasteyungen fürbidt und all andteren geistliche übungen, welche durch unsere brüedter, schwesteren des ordtens der hailigen Clara durch obermelte provintz des oberen Deitschlandts uß gnaden gottes verrichtet werdten." Des weiteren verkündete der Provinzial, daß für jedes verstorbene Bruderschaftsmitglied eine Seelenmesse gelesen werden solle.

Im folgenden Jahr boten dann der Hafner Adam Clauß, Zunftmeister der Schmiedezunft, die Schmiede Peter Umlysen, Erhart Rotysen und Hans Caspar Isen und der Nonnenmacher Hans Kostentz und Clauß Schibskodte Schultheiß, Meister und Rat um Genehmigung der Bruderschaftsordnung. Die Aufnahmegebühr betrug 2 Pfennig, der Jahresbeitrag 6 Pfennig für Eheleute, für Einzelmitglieder 4 Pfennig. Am Tag des Schutzheiligen, an welchem der Pfleger eingesetzt wurde, fand in der Klosterkirche ein Amt mit Predigt statt. Wer diesem Gottesdienst aus triftigen Gründen fernbleiben mußte, schickte sein Opfergeld. Zum Trost der armen Seelen wurde im Kloster an den Fronfastentagen ein Requiem gesungen, ebenfalls am Sonntag nach einem Begräbnis für die Seelenruhe eines verstorbenen Mitglieds.

Diesen Bruderschaften, bei denen es sich nicht um Einrichtungen oder Glieder des kirchlichen Organismus handelt, sondern um freie Gewächse des religiösen Gesellschaftslebens, die sich an selbstgewählte Bindungen hielten, hat man hin und wieder eine Veräußerlichung des religiösen Lebens vorgeworfen. Aber man muß doch für dieses Streben, sich durch seelische und übernatürliche Gemeinschaftsbildung das Seelenheil zu sichern, Verständnis haben, zumal wenn man sich die seelische Situation vergegenwäitigt, in der sich der gotische Mensch befand.

Prozessionen

Ebenso gewissenhaft wie das Volk betätigte der Rat der Stadt die Religion. In gefährlichen Zeiten ließ er Bittmessen abhalten, und immer überwachte er das religiöse Leben der Bürger. Alle kirchlichen Veranstaltungen betrachtete er als seine Angelegenheit.

An den religiösen Kundgebungen fanden sich Regierende und Regierte, Stadtrat und Bürger, Patrizier und Zünfte, in schönster Eintracht zusammen. Sowohl mit der feierlichen Fronleichnamsprozession als auch mit den Kreuzgängen zu "Unserer lieben Frau" nach Weingarten befaßten sich die Ratsmandate. Die Kreuzgänge - so genannt, weil stets wie noch heute das Kreuz vorangetragen wurde - waren dem Volke ein Herzenbedürfnis, eine Erbauung, eine erwünschte Gelegenheit, auch außerhalb der Kirche seine Gebete ausströmen zu lassen gegen den blauenden Himmel, in geheimen Nöten und in Zeiten allgemeinen öffentlichen Unglücks Gott und seine Heiligen anzurufen. Regelmäßig fand der Kreuzgang statt in der Bittwoche und am Pfingstmontag. Aber auch in Zeiten der Not, gegen Mißwachs und Teuerung, gegen verheerende Seuchen und in gefährlichen Kriegsläuften ließ der Rat diese Bittprozessionen abhalten. Sie boten ein buntfarbiges Bild: Kreuze und flatternde Banner, die flackernden Stangenkerzen der zehn Zünfte, die Bilder der Bruderschaften, die blitzenden Ornate der Geistlichen, die Monstranz unter dem Traghimmel, die malerischen Gewänder der Mönche und Beghinen, die feierliche Tracht der würdigen Ratsherren, Reichsschultheiß, Bürgermeister, die vier Stettmeister, Lohnherr und Stadtschreiber an der Spitze, die langen Reihen der Männer und Frauen in der Volkstracht. Diese feierliche Prozession, die sich betend und singend durch das Stadttor und durch die Fluren bewegte, erzeugte im Volk eine gehobene Stimmung. Der Höhepunkt des Kirchenjahres war das Fest "Corporis Christi", Fronleichnam. Jedes Jahr erließ der Rat vor dem Fest neue besondere Verordnungen, damit die feierliche Prozession sich mit gebührender Andacht und Ordnung entwickelte. Niemand durfte an diesem Feiertag ohne besondere Erlaubnis die Stadt verlassen. Aus den Reihen des Rats wurde ein Hauptmann verordnet, der den Aufmarsch der Zünfte leitete. Das "Geschütz" wurde aufgefahren, Böller krachten, die 22 Glocken auf den Kirch- und Stadttürmen läuteten. Nach Beendigung der kirchlichen Feier versammelte sich der Stadtrat zum Festimbiß auf der Herrenpfalz.

Diese kirchlichen Umzüge sind aus dem Leben einer mittelalterlichen Stadt nicht hinwegzudenken.

Das ist das Bild, das uns das kirchliche und religiöse Leben in unserer Heimat am Ende des Mittelalters bietet. Eine bunte Fülle von Frömmigkeitsäußerungen, die wohl auch Mängel der Veräußerlichung, der Vergröberung, des Ungesunden, des Sentimentalen und Hang zum Aberglauben aufweisen. Aber das Gute überwiegt: Betonung der Liebe, des Gottvertrauens, der Reue, ein wirklicher Bußernst und die Predigt von Christus als unserem einzigen Heil.

Die Gemeinschaft der Kirche umspannte alles. Von ihr ging alles aus, auf sie war alles bezogen. Von ihr als der Vermittlerin Gottes auf Erden empfing das Leben seinen Sinn. In sie mußte sich der Mensch einordnen, dessen letztes Ziel die Erringung des Seelenheils war. Diese Einheit des mittelalterlichen Weltbildes war auch der Boden, auf dem die großartigen Werke der christlichen Kunst entstanden waren, an denen auch Offenburg einmal reich war. Wer kann da noch von einem "finsteren Mittelalter" sprechen?

Die photographischen Aufnahmen zu diesem Artikel sind von Photo-Stober, Offenburg.

Benützte Quellen und Literatur:

- K. Walter, Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp über die Pfarrei Offenburg vom 26. Oktober 1616. Straßburger Urkundenbuch, Band I und II.
- Urkunden des St. Andreas-Hospitals Offenburg, geordnet und verzeichnet von E. Batzer.
- Eine Steuerrolle der Diözese Straßburg für das Jahr 1466. Straßburg 1897.
- Die Bruderschaft des hl. Elogius zu Offenburg. (Vier Urkunden zur Geschichte der Minoriten und des Handwerks in Offenburg), mitgeteilt von E. Batzer. 1905.
- Die Satzungen der Bäcker- und Müllerknechtbruderschaft in Offenburg. Mitgeteilt von E. Batzer.
- Bader, Bestätigungsbrief über die Ordnung der Bruderschaft oder Schützengilde von St. Sebastian zu Offenburg. 1451. Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins V 484.
- E. Batzer. Die Berufungsurkunde der Minoriten nach Offenburg. Freiburg, Diöz.-Arch. 1936 S. 358.
- W. Weiß, Geschichte des Dekanats und der Dekane des Rural- oder Landkapitels Offenburg 1895.
- L. Pfleger, Kirchengeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter. Alsatia-Verlag Kolmar 1941.
- J. Sauer. Die Anfänge des Christentums und der Kirche in Baden. (Neujahrsblätter der Bad. Hist. Kommission 1911).
- M. Krebs. Politische und kirchliche Geschichte der Ortenau. ("Die Ortenau". Mitteilungen des Histor. Vereins für Mittelbaden 6. Heft 1929)
- W. Andreas. Deutschland vor der Reformation. Stuttgart-Berlin 1942. .
- M. Wingenroth. Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg, Tübingen 1908.

zurück