Das neue "Schwarzwälder Trachtenmuseum" in Haslach im Kinzigtal - Manfred Hildenbrand - die Ortenau 1980 S. 314 ff.


Der Schwarzwald und die Landschaften am Oberrhein gehören ohne Zweifel zu den traditionsreichsten und vielseitigsten Trachtenlandschaften in Deutschland(1). Im Schwarzwald und in seinen Vorlanden ist die Trachtentradition noch so lebendig, daß sie heute in der Lage ist, ihre Individualität in Brauchtum und festlicher Repräsentation zum Ausdruck zu bringen.

Ende des 17. Jahrhunderts und Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden aus der damaligen Mode im Schwarzwald und am Oberrhein eine Vielzahl unterschiedlicher bäuerlicher Volkstrachten. Beeinflußt durch den Zeitgeist und verschiedene Moderichtungen, geprägt durch die Landschaft, durch die Mentalität der Bewohner, durch Armut und Wohlstand und durch konfessionelle Bindungen, treten die einzelnen bäuerlichen Volkstrachten im 18. Jahrhundert deutlich bereits in Erscheinung. Sie wurden fortentwickelt sowie variiert und wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts in den ländlichen Gebieten allgemein getragen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Volkstrachten durch modische Kleidung immer mehr zurückgedrängt.

Das Bestreben, die Trachten zu erneuern, geht heute vor allem von den zahlreichen in den letzten Jahren neu entstandenen Trachten- und Musikvereinen aus, was natürlich manche Probleme aufwirft. Heimatabende im Dienste des Fremdenverkehrs verführen allzu leicht dazu, die Tracht nur nach ihrer "Bühnenwirksamkeit" zu gestalten, ohne Rücksicht auf ihre alte Tradition und ihre Verankerung im Brauchtum.

Im Kloster entstand ein überregionales Trachtenmuseum

Am 7. Mai 1980 wurde in Haslach im Kinzigtal im renovierten ehemaligen Kapuzinnerkloster das "Schwarzwälder Trachtenmuseum" eröffnet, in welchem die Volkstrachten des Schwarzwaldes und der Oberrheinlandschaft in ihren ursprünglichen Formen gezeigt und bewahrt werden.

Albert Reinhardt, Schwarzwälder Trachten, Karlsruhe 1968.

Das renovierte Klostergebäude in Haslach, in dem das Trachtenmuseum untergebracht ist
Das renovierte Klostergebäude in Haslach, in dem das Trachtenmuseum untergebracht ist

Heinrich Hansjakob mit einer Trachtengruppe aus Steinach beim ersten badischen Trachtenfest 1895 in Freiburg i. Br.
Heinrich Hansjakob mit einer Trachtengruppe aus Steinach beim ersten badischen Trachtenfest 1895 in Freiburg i. Br.

Das Klostergebäude im Herzen der Hansjakobstadt eignet sich bestens für ein derartiges Museum. In ganz Baden gibt es kein Kapuzinerkloster mehr, das noch so vollständig erhalten ist wie das Kloster in Haslach. Aus diesem Grunde konnte mit tatkräftiger Unterstützung des Denkmalamtes und mit großzügiger Bezuschussung des Landes Baden-Württemberg und des Ortenaukreises das Klostergebäude und die Außenanlagen originaltreu restauriert werden. Die Renovierungsarbeiten, die 1973 anliefen, konnten mit Fertigstellung des Klostergartens im Frühjahr 1980 beendet werden. Nur die Klosterkirche muß noch völlig renoviert werden; diese Renovierungsarbeiten hofft man im Jahre 1981 abschließen zu können. Erbaut wurde das ehemalige Kapuzinerkloster in Haslach 1630 bis 1632, also mitten im Dreißigjährigen Krieg, in einer Zeit des Schreckens und der unsäglichen Not(2). Es steht heute noch so da, wie es damals erbaut worden war: ein Gebäudekomplex von spartanischer Einfachheit, aber trotzdem ein Bauwerk von einmaliger architektonischer Geschlossenheit und bleibender schlichter Schönheit.

Die Idee, im Haslacher Kloster ein überregionales Trachtenmuseum einzurichten, wurde 1974 von Rektor Alfred Schmid geboren. Für das Klostergebäude suchte man damals eine neue Zweckbestimmung. Zwar beherbergten einige Räume des Klosters bereits seit 1913 ein örtliches Heimatmuseum(3), das von Buchbindermeister Wilhelm Engelberg(4) begründet worden war. Durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden seine Bestände stark reduziert. Erst 1953 konnte das Museum als Hansjakob- und Heimatmuseum von Oberbaurat Franz Schmider(5) im Refektorium, Mönchschor und in der Sakristei des Klosters neu eingerichtet werden. Der größte Teil des ehemaligen Klosters blieb jedoch Armenhaus und verfiel immer mehr. Als man endlich 1973 die Renovierungsarbeiten in Angriff nahm, mußte das Heimatmuseum ausgeräumt werden. Der größte Teil seiner Exponate, die Heinrich Hansjakob betrafen, wurden in Hansjakobs "Freihof" ausgestellt, der als "Hansjakobmuseum" von Maria Schaettgen neu eingerichtet wurde(6).

Der Plan Alfred Schmids, im renovierten Kloster ein Trachtenmuseum einzurichten, ging von der Überlegung aus, daß ein Heimatmuseum in der üblichen Form nur örtliches, höchstens regionales Interesse hervorrufen würde.


Die Riedtracht aus der Gegend von Altenheim / Ichenheim
Die Riedtracht aus der Gegend von Altenheim / Ichenheim

Mädchentracht aus dem Glottertal
Mädchentracht aus dem Glottertal

Trachten aus dem Hanauerland
Trachten aus dem Hanauerland

Ein Trachtenmuseum, das alle Volkstrachten des Schwarzwaldes und der angrenzenden Gebiete beherbergen würde, war dagegen etwas Einmaliges, was im ganzen süddeutschen Raum nicht vorhanden war und von dem eine überregionale Attraktivität erwartet werden konnte. Ein stadtgeschichtliches Museum soll übrigens zu einem späteren Zeitpunkt im Mönchschor und in der Sakristei des Klosters eingerichtet werden. Auch die Klosterkirche soll nach ihrer Renovierung museal genutzt werden.

Das Schwarzwälder "Trachtenmuseum" ist im Obergeschoß des Klostergebäudes untergebracht. Im Erdgeschoß befindet sich das städtische Verkehrsamt und Räume für den Fremdenverkehr. Aus Raumgründen konnten natürlich nicht die Tracht jeder Gemeinde aus dem Schwarzwald und dem Oberrheingebiet ausgestellt werden, sondern nur die typischen Haupttrachten eines bestimmten Trachtengebietes.

In der rustikalen Atmosphäre der ehemaligen Mönchszellen im oberen Stockwerk des Klosters werden die bäuerlichen Volkstrachten, nach Gebieten geordnet, in sechzehn Großraumvitrinen ausgestellt. Dazu kommt noch eine große Vitrine, in der die originellsten Narrengestalten des schwäbisch-alemannischen Fastnachtsbrauchtums gezeigt werden. Eine originalgetreu restaurierte und eingerichtete Mönchszelle samt betenden Kapuzinermönch gehört ebenfalls zum Ausstellungsbereich.

Die Beschaffung und das Aufbereiten der Trachten erwies sich als sehr mühsam. Eine Arbeitsgruppe (Christa u. Sören Fuß, Ottilie u. Kurt Moser) unter Leitung von Alfred Schmid arbeitete Jahrelang, um das Trachtenmuseum einzurichten. Tausende von Kilometern mußten zurückgelegt werden, um die begehrten, oft kaum noch zu findenden alten Originaltrachtenstücke aufzuspüren und für das Trachtenmuseum zu gewinnen, teils käuflich, teils als Leihgabe, manchmal sogar als Geschenk. Die Exponate, hauptsächlich lebensgroße Puppen in alten Originaltrachten, zeigen die Volkstrachten vom Renchtal bis zum Hochrhein sowie dem Rheintal. Unter anderem werden ausgestellt Trachten aus Gutach, Einbach, Mühlenbach, die Fürstenberger Tracht, Trachten aus Lehengericht, aus dem Harmersbachtal, aus der Baar, aus St. Georgen, Elztal, Glottertal, aus St. Peter, St. Märgen, aus dem Hotzenwald, aus dem Markgräfler Land, die Vreneli-Tracht aus dem Wiesental, Trachten aus dem Hanauerland, dem Ried, aus Schutterwald, aus dem Schuttertal. Auch die typische Arbeitstracht der Schwarzwälder Bäuerinnen und Bauern ist in einer besonderen Vitrine ausgestellt.

In acht Schauvitrinen werden eine Vielfalt von Einzelteilen der verschiedenen Trachtengebiete gezeigt, wie Goller, Vorstecker, Kappen, Hauben, Kappenböden, Schäppel, Halstücher usw. Um das typische bäuerliche Milieu der einzelnen Trachtenlandschaften zu charakterisieren, wurden auch eine große Anzahl von Originalutensilien und Gegenständen des bäuerlichen Alltags ausgestellt, wie Druckmodel für den Zeuglesdruck, Strohflechterei, Schnapsbuddel, Trachtenschmuck, Gürtel, sogenannte "Trögle" (bemalte Holzkästen), alte Truhen, Bauernschränke und vieles mehr.

Die Mühlenbacher Tracht, die im mittleren Kinzigtal getragen wird (rechs) und die Frauentracht aus dem Harmersbachtal (links)
Die Mühlenbacher Tracht, die im mittleren Kinzigtal getragen wird (rechs) und die Frauentracht aus dem Harmersbachtal (links)

Trachten aus dem Renchtal und Schuttertal
Trachten aus dem Renchtal und Schuttertal

Um die Entwicklung der Trachten zu illustrieren, werden an den Wänden der Gänge im Museum viele zeitgenössische Trachtenstiche und Graphiken sowie alte Originalfotographien, unter anderem von den Trachtenfesten in Freiburg (1895) und Haslach (1899) gezeigt.

Heinrich Hansjakob und die Volkstrachten

Daß ausgerechnet die Hansjakobstadt Sitz des ersten großen Trachtenmuseums Süddeutschland wird, fügt sich nahtlos in das Erbe jenes Volksschriftstellers ein, der Haslach im Kinzigtal überall bekannt gemacht hat. Wie kein anderer hat sich nämlich Hansjakob zu seiner Zeit für die Erhaltung der bäuerlichen Trachten eingesetzt und für eine Renaissance der Trachtenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts gesorgt.

Auf Anregung des mit ihm befreundeten Schwarzwaldmaiers, Professor Wilhelm Hasemann aus Gutach, verfaßte Hansjakob 1892 die Flugschrift "Unsere Volkstrachten. Ein Wort zu ihrer Erhaltung"(7). Die Bauern, so schreibt der Haslacher Voiksschriftsteiler hier, sollten stolz sein auf ihre alten Trachten, die auf den ersten Blick zeigten, daß sie dem ältesten, dem ehrenwertesten und notwendigsten Stande der Welt, dem Bauernstande, angehörten. Auch die Rücksicht auf die Religion, die Bewahrung der von den Vätern ererbten guten Sitten fordere das Festhalten an den Volkstrachten(8).

Trachtenträgerin: Breisgauer Tracht
Trachtenträgerin: Hanauer Land
Trachtenträger: aus dem Hauenstein
Trachtenträgerin: aus dem Hauenstein
Trachtenträgerin: aus dem Schapbachtale
Trachtenträger: aus der Baar
Trachtenträgerin: aus der Baar
Trachtenträgerin: aus Neustadt-Lenzkirch

Hansjakobs Aufruf sollte in kürzester Zeit Früchte tragen: An verschiedenen Orten Badens wurden Trachtenvereine gegründet. Auf Initiative Hansjakobs wurden die Trachtenvereine Badens 1895 im badischen Volkstrachtenverein zusammengefaßt. Im gleichen Jahr, am 29. September 1895, fand in Freiburg das erste große Trachtenfest statt, welches zum erstenmal die verschiedensten Trachten aus allen Teilen des Großherzogtums Baden in einem großen Fest mit Umzug zusammenführte, Im neuen "Schwarzwälder Trachtenmuseum" sind mehrere Originalfotos von diesem Trachtenfest ausgestellt. Eine Aufnahme zeigt Heinrich Hansjakob, den damaligen Pfarrer von St. Martin in Freiburg, mit einer Trachtengruppe aus Steinach.

Am 4. Juni 1899 wurde in Hansjakobs Vaterstadt Haslach das zweite badische Trachtenfest durchgeführt(9), das 1.800 Trachtenträger aus allen Gegenden Badens nach Haslach brachte. 25.000 Besucher säumten damals die Straßen des Städtchens, als der große Umzug stattfand. Sogar Großherzog Friedrich und Großherzogin Luise waren auf der Ehrentribüne beim "Fürstenberger Hof" anwesend und harrten geduldig dem Vorbeiziehen des Trachtenumzuges, der nahezu zwei Stunden dauerte. Auf Anregung Hansjakobs wurde dem fürstlichen Paar sogar ein Hammeltanz vorgeführt.


Die Gutacher Tracht
Die Gutacher Tracht

Die Fürstenberger Tracht
Die Fürstenberger Tracht

In den Räumen des "Fürstenberger Hofes" fand am gleichen Tag auch die erste Sandhaas-Ausstellung statt. 600 Zeichnungen und Bilder des Haslacher Malers Carl Sandhaas(10) wurden gezeigt, der mit seinem Zeichenstift und Pinsel eine Vielzahl von interessanten Trachtenträgern festgehalten hat.

Noch einmal griff Hansjakob 1900 zur Feder und schrieb das Vorwort zu einer der schönsten Trachtenbildersammlungen, die jemals veröffentlicht wurden: "Volkstrachten aus dem Schwarzwald. 23 Originalaquarelle nach der Natur gezeichnet von Kunstmaler Heinrich Issel"(11). Was den Volkstrachten aus dem Schwarzwalde den Untergang bringe, so schreibt Hansjakob in diesem Vorwort, sei die Freizügigkeit, die alles vom Land in die Stadt locke sowie der allgemeine Zug der Zeit, der allem Alten und Hergebrachten feind sei und überall Zustände schaffen wolle wie in den Vereinigten Staaten von Amerika(12).

Mit der Einrichtung des "Schwarzwälder Trachtenmuseums" erfüllt die Stadt Haslach somit auch ein Vermächtnis ihres großen Sohnes und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Erforschung der Schwarzwälder Volkstrachten.

1.) Über die Trachten des Schwarzwaldes und des Oberrheingebietes vgl.
Joseph Bader, Badische Volkssitten und Trachten, Karlsruhe 1843 / 44;
Hermann Eris Busse/Wilhelm Fladt, Schwarzwälder Volkstrachten. Sonderheft "Mein Heimatland", Heft 7 / 8, 1934.  
2.) Über die Geschichte des Haslacher Klosters vgl. Manfred Hildenbrand, Das Kapuzinerkloster in Haslach im Kinzigtal, in: Die Ortenau 1978, Seite 483 - 495.  
3.) Maria Schaettgen, Das Haslacher Hansjakob- und Heimatmuseum, in: Die Ortenau 1970, Seite 134 - 147.  
4.) Über sein Leben und Wirken vgl. Ernst Engelberg, Kleine und große Welt im Leben und Wirken des Haslacher Bürgers Wilhelm Engelberg (1862 - 1947), in: Die Ortenau 1979, Seite 69.  
5.) Über die Verdienste des Ehrenbürgers von Haslach vgl. Manfred Hildenbrand, In memoriam Franz Schmider. Hansjakob-Jahrbuch V, 1975, Seite 127 - 131.  
6.) Über das neu eingerichtete "Hansjakobmuseum" vgl. Alois Krafezyk, Ein Besuch bei Hansjakob, in: Schwarzwälder Bote vom 10.08.1979.  
7.) Freiburg i. Br., 1892.  
8.) Ebd., Seite 12.  
9.) Karl Gageur, Das Trachtenfest zu Haslach im Kinzigtal, Freiburg 1899.  
10.) Über ihn vgl. Franz Schmider, Maler Carl Sandhaas, Haslach 1959.  
11.) Freiburg i. Br., Kunstverlag J. Elchlepp, 1900.  
12.) Ebd., Seite 3.  

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