Der Maler Carl Sandhaas (1801-1859) - Manfred Hildenbrand - die Ortenau 1990 S. 362 ff.


Sein Leben enthält zahlreiche offene Fragen

"Carl Sandhaas war ein genialer
Mensch, aber die Erde ist für
geniale Menschen oft nur die
Schädelstätte, auf der sie
gekreuzigt werden, weil man sie
nicht versteht."
Heinrich Hansjakob

Am 24. Februar 1801 wurde Carl Sandhaas geboren, der zu den bedeutendsten badischen Malern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählt. Seine Bilder befinden sich in den Sammlungen und Galerien in Düsseldorf, Darmstadt, Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, Basel, Donaueschingen, Freiburg, Offenburg, Straßburg und Wolfach. Die mit Abstand größte Sammlung von Sandhaas-Bildern besitzt jedoch seine Heimatstadt Haslach i. K.: weit über 500 Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder und Lithographien, die zum größten Teil seit 1984 in der ständigen Carl-Sandhaas-Ausstellung im "Freihof", dem Alterssitz von Heinrich Hansjakob, ausgestellt werden.

Johann Baptist Seele, der Vater von Carl Sandhaas?

Das tragische Leben des "närrischen Malers", wie ihn sein Biograph, der Volksschriftsteller und Pfarrer Heinrich Hansjakob, in seinem Buch "Wilde Kirschen"(1) genannt hat, birgt zahlreiche Fragezeichen. Als Geburtsort von Carl Sandhaas vermutete man bisher Hüfingen, was vor allem auf die Angaben von Hansjakob zurückgeht(2). Neuere Forschungen, die auf der Auswertung der Akten der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern basieren, belegen eindeutig, daß Carl Sandhaas in Stuttgart geboren wurde(3).

Auch wußte man bisher nichts Genaues über seinen Vater. Hansjakob hat mit aller Bestimmtheit die Vaterschaft dem fürstenbergischen Rentenmeister Johann Baptist Wölfle (1751 - 1821) zugeschrieben(4). Bereits Franz Schmider hat jedoch überzeugend nachgewiesen, daß Wölfle mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Vater von Carl Sandhaas gewesen sein kann(5). Nach der Schilderung Hansjakobs folgte die aus Haslach stammende Mutter von Carl Sandhaas, Margarete Sandhaas (1771 - 1830), in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts dem Junggesellen Wölfle als Haushälterin, als dieser 1793 von Wolfach nach Stühlingen versetzt wurde.

Der siebzehnjährige Carl Sandhaas in Darmstadt, Selbstporträt - Federzeichnung 1818
Der siebzehnjährige Carl Sandhaas in Darmstadt, Selbstporträt - Federzeichnung 1818

Wie kam Margarete Sandhaas aber nach Stuttgart, wo sie nach dem Eintrag im Taufbuch der evangelischen Stiftskirche am 24. Februar 1801 ihren Sohn Carl Friedrich geboren hatte(6)? Die Vermutung liegt nahe, daß sie dem Neffen des Rentenmeisters Wölfle, dem sehr begabten Maler und späteren Stuttgarter Galeriedirektor Johann Baptist Seele(7) (1774 - 1814), als Haushälterin oder Geliebte gefolgt war. Seit 1778 hielt sich Seele in der württembergischen Residenzstadt auf. Im Stuttgarter Adreßbuch von 1800 ist er als Donaueschinger Hofmaler zu finden(8). Seit 1801 wußte sich Johann Baptist Seele eine Position im Stuttgarter Kunstleben zu erwerben. Mit seinem Onkei Johann Baptist Wölfle hatte Seele stets gute Kontakte. 1812 verfaßte Wölfle sogar eine Biographie seines 1814 früh verstorbenen Neffen(9). Seele kann Margarete Sandhaas im Hause seines Onkels in Stühlingen kennengelernt haben, zumal er von 1796 bis 1797 in der Bleulerwerkstatt im nahen Schaffhausen (Schweiz) gearbeitet hatte. Johann Heinrich Bleuler war Maler, Lithograph und Verleger und hatte seit 1796 mehrere Radierungen Seeles herausgegeben. Noch 1801 hatte Seele Beziehungen zur Bleulerwerkstatt(10).

Carl Sandhaas wurde am 28. Februar 1801 in der evangelischen Stiftskirche in Stuttgart getauft. Der Name des Vaters wurde im Taufregister nicht angegeben, was bei unehelichen Geburten damals üblich war. Margarete Sandhaas gab bei der Taufe ihres Sohnes als ihren Herkunftsort "aus Stühlingen" an(11), also den Ort, wo sie vermutlich als Haushaltshilfe bei Johann Baptist Wölfle gearbeitet hatte. Dieser war dort von 1793 bis 1806 Obervogteiamtssekretär. Erst 1806 wurde er nach Hüfingen versetzt und tat nach der Mediatisierung Dienst als Großherzoglich Badischer Gefällverwalter(12).

Als Taufzeugen werden im Taufbuch der Stuttgarter Stiftskirche genannt Christian Friedrich Ströhlin (Ströhler), Sohn des Expeditionsrats Carl Anton Ströhlin, Nanette Bleilin (Bleuler) aus der Schweiz und Louisa Hausin (Hauser), Kaufmanns-Tochter aus Mannheim. Johann Baptist Seele wohnte in den Jahren von 1800 bis 1803 in der Römischen Königsgasse 978, der heutigen Holzstraße 23(13), wenn er nicht auf Reisen in Donaueschingen oder Karlsruhe war. Der Expeditionsrat Ströhlin lebte mit seiner Familie im Nebenhaus Römische Königsgasse 927, der heutigen Holzstraße 21(14). Mit dem Ehepaar Ströhlin war Seele offensichtlich gut befreundet; denn an vier Taufen der späteren Kinder Seeles aus seiner Ehe mit der Reichsfrau Friederika Christiana von Landsee war das Ehepaar Taufpaten(15). Vermutlich war Margarete Sandhaas im Februar 1801 bei der Familie Ströhlin untergebracht und hat dort wohl auch ihren Sohn Carl Friedrich zur Weit gebracht. Urkundlich läßt sich allerdings nicht feststellen, bei wem sie gewohnt hat, weil in den Wegweisern (= Adreßbüchern) von 1800 - 1804 ledige Personen in der Regel nicht aufgeführt wurden. Leider blieb das Seelenregister für die mutmaßliche Unterkunft in der heutigen Holzstraße für die Jahre 1800 und 1801 nicht erhalten. Margarete Sandhaas versuchte wohl, nach Stühlingen (nicht nach Hüfingen) zurückzukehren. Die "Rücksichtslosigkeit" Wölfles, die Hansjakob schildert, veranlaßte sie wahrscheinlich, mit ihrem Kind notgedrungen in ihre Geburtsstadt Haslach zu gehen, wo sie mit zwei ledigen Schwestern in einem Häuschen im Inneren Graben wohnte(15a).

Johann Baptist Seele, der mutmaßliche Vater von Carl Sandhaas, Selbstporträt des Künstlers um 1810
Johann Baptist Seele, der mutmaßliche Vater von Carl Sandhaas, Selbstporträt des Künstlers um 1810

Die zweite Taufpatin von Carl Sandhaas, Nannette Bleuler, war die Tochter des Verlegers Bleuler in Schaffhausen, bei dem Seele 1796 / 1797 gearbeitet hatte. Er hatte sie offenbar um diesen Dienst gebeten, da er sie von seinem Wirken bei ihrem Vater gut gekannt haben mußte. Nach all diesen Recherchen dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit feststehen, daß Johann Baptist Seele der Vater von Carl Sandhaas gewesen war.

Jugend- und Lehrjahre

Sehr lebendig und erschütternd ist das Lebensbild, das Heinrich Hansjakob in seiner Erzählung "Der närrische Maler" gezeichnet hat. Hansjakobs Darstellung fußt auf dem Werk "Poetische Bilder aus dem Leben des Malers Carl Sandhaas", das Julius Allgeyer(16) 1854 verfaßt hat. Allgeyer, selbst ein begabter Maler und Kupferstecher und Sohn der Stadt Haslach, hat Sandhaas noch persönlich gekannt. Seine Schilderung des Lebens von Sandhaas ist in Versen abgefaßt und wurde erst 1959 als Buch veröffentlicht(17).

Der junge Sandhaas wuchs in Haslach in kümmerlichen Verhältnissen auf. Der Makel der unehelichen Geburt überschattete seine Kindheit. Schon früh fiel seine große zeichnerische Begabung auf. Nach der Schulentlassung schickte ihn seine Mutter nach Darmstadt zu ihrem jüngeren Bruder Joseph Sandhaas (1784 - 1827)(18), der am Darmstädter Hoftheater als Theatermaler eine Anstellung gefunden hatte.

Der Großherzoglich-badische Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner - Radierung von Carl Sandhaas 1822
Der Großherzoglich-badische Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner - Radierung von Carl Sandhaas 1822

Er bildete seinen Neffen zum Maler aus. Joseph Sandhaas gehörte zum Freundeskreis des berühmten Karlsruher Oberbaudirektors Friedrich Weinbrenner. Für ihn fertigte er zahlreiche Arbeiten. So übertrug ihm Weinbrenner 1806 / 07 die Ausmalung des Gartensaals im Schloß Bauschlott bei Pforzheim. 1812 / 13 malte er für Weinbrenner die Kuppel der damals neu erbauten katholischen Stadtkirche St. Stephan in Karlsruhe und schuf auch die Wandbemalung in dieser Kirche. Im Auftrag von Weinbrenner fertigte er die Deckenmalereien im Markgräflichen Palais in Karlsruhe. 1816 brachte Joseph Sandhaas die Marmorierung an die Wände der evangelischen Stadtkirche in Karlsruhe an. Dabei hat ihm sein damals fünfzehnjähriger Neffe geholfen. 1822 fertigte Carl Sandhaas ein Porträt von Friedrich Weinbrenner.

In Darmstadt und später am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt erhielt Carl Sandhaas eine umfassende malerische Ausbildung. Aus jener Zeit haben wir die ersten beiden Selbstporträts des jungen Künstlers, die ihn als Siebzehn- und Neunzehnjährigen zeigen. In Darmstadt war Carl Sandhaas von zahlreichen Freunden und Künstlern umgeben, was auf den Bildern aus jener Zeit zu ersehen ist. Zu seinem Freundeskreis gehörte damals auch der später bedeutende Literaturhistoriker, Politiker und Professor in Heidelberg und Göttingen, Georg Gottfried Gervinus. Die Bilder von Sandhaas trugen in jener Zeit typisch romantische Züge. Das Darmstädter Landesmuseum besitzt einige Arbeiten von Sandhaas, die einen Einblick geben in die seelische Verfassung des jungen Malers, die seine phantastische Seite hervorheben, die aber auch ahnen lassen, wieviel Schwermut ihm damals schon im Gemüte lag. Immer wieder tauchen Fratzen und Teufelsgestalten in diesen Bildern auf.

Georg Gottfried Gervinus - Bleistiftzeichnung von Carl Sandhaas um 1820
Georg Gottfried Gervinus - Bleistiftzeichnung von Carl Sandhaas um 1820

Zu den interessantesten Bildern aus jener Periode gehört eine Feder-Tusche-Zeichnung aus den frühen zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, die eine Teufelssitzung zeigt. Der Teufel liest dabei von einem erhöhten Katheder, umgeben von zahlreichen jungen Leuten, offensichtlich Vertreter der Burschenschaftsbewegung, weswegen die Interpretation wahrscheinlich erscheint: "Der Teufel verführt deutsche Jünglinge zur nationalen Politik"(19). Bekanntlich hatte Carl Sandhaas Verbindung zu jungen Darmstädter Künstlern und zu den sogenannten "Darmstädter Schwarzen", die eine radikale Demokratisierung der politischen Verhältnisse nach den Befreiungskriegen anstrebten(20). Rechts im Bild erkennen wir die damaligen Idole der Burschenschaftsbewegung Ernst Moritz Arndt und Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Links im Bild hat sich Sandhaas selbst porträtiert.

Der Teufel verführt deutsch Jünglinge zur nationalen Politik - Feder-Tusche-Zeichnung von Carl Sandhaas um 1820
Der Teufel verführt deutsch Jünglinge zur nationalen Politik - Feder-Tusche-Zeichnung von Carl Sandhaas um 1820

1825 ging Carl Sandhaas nach München, um bei Peter von Cornelius zu studieren. Er war ein bedeutender Maler der deutschen Romantik und Professor sowie Direktor der Münchner Akademie. Von München aus unternahm Sandhaas eine Studienreise nach Italien. Als am 25. Februar 1830 seine Mutter starb, kehrte Sandhaas nach Haslach zurück. Seitdem hatte er, von seiner Umwelt unverstanden, mit kurzen Unterbrechungen den Rest seines Lebens in seiner Heimatstadt zugebracht.

Der Porträt- und Landschaftsmaler

Die Jahre nach 1830 sind ausgefüllt mit der Anfertigung von Bildnissen in den Bürger- und Handwerkerfamilien seiner Heimatstadt und der näheren und weiteren Umgebung. Sandhaas hat es dabei in einer Mischung von Zeichen- und Aquarelltechnik zu einer großen Vollendung der Porträtkunst gebracht. Er hat die erstaunliche Fähigkeit gehabt, das Wesen und den Charakter der Menschen aus ihrem Gesicht herauszulesen und dies im Porträt festzuhalten. Seine Bildnisse geben aber auch Aufschluß über die werktägliche und sonntägliche Tracht der Kinzigtäler Bevölkerung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Sandhaas hat eine Fülle von Porträts bis zu seinem Lebensende geschaffen. Sie befinden sich heute noch im Besitz vieler Familien im Kinzigtal. Hansjakob hat Sandhaas wohl deshalb so sehr geschätzt, weil er die Menschen, die er in seinen Bildnissen darstellte, die gleichen waren, die Hansjakob in seinen Büchern verewigte. Einige seien hier genannt: Hansjakobs Vater Philipp Hansjakob; Franz Xaver Kaltenbach, der "Wälder-Xaveri", Hansjakobs Großvater mütterlicherseits; dessen Ehefrau Luitgard, geborene Heim; Johann Valentin Buß, "Valentin der Nagler"; der Haslacher Bürgermeister Anton Burger, der "Burger-Toni"; Isidor Schweiß, der "Postpascha" von Stöcken; der "Sepple", Hausknecht im Gasthaus "Engel" in Haslach.

Besonders beeindruckend sind die Krankenbildnisse, die Sandhaas für das medizinische Werk des Professors Dr. Karl Heinrich Baumgärtner in Freiburg mit dem Titel "Krankenphysiognomik" schuf(21). Es enthält 72 Porträts von Kranken, von denen 67 Sandhaas gefertigt hat.

Porträt eines Kranken, das Carl Sandhaas für das medizinische Werk von Professor Baumgärtner (1839) malte
Porträt eines Kranken, das Carl Sandhaas für das medizinische Werk von Professor Baumgärtner (1839) malte

Johann Baptist Geck, Zähringer Hof-Wirt in Offenburg Vater des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Adolf Geck - Aquarell von Carl Sandhaas, 1833
Johann Baptist Geck, Zähringer Hof-Wirt in Offenburg Vater des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Adolf Geck - Aquarell von Carl Sandhaas, 1833

Der Kundenkreis des Künstlers erstreckte sich von Offenburg bis Freiburg. In Offenburg malte er den Wirt des Gasthauses "Zähringer Hof", Johann Baptist Geck, und dessen Ehefrau Euphrosina, geborene Huck, die Eltern des sozialdemokratischen Landtags- und Reichstagsabgeordneten Adolf Geck. In Gengenbach porträtierte er den Aktuar Carl Lauterwald in seiner schmucken Bürgerwehruniform, er war von 1835 - 1840 Kommandant der Gengenbacher Bürgerwehr. In Freiburg fertigte Sandhaas einige Porträts, die Herren der Freiburger Oberschicht darstellen. Leider konnten sie bisher nicht identifiziert werden.

Trotz der vielen Porträts, die Sandhaas malte, vernachlässigte er die übrige Malkunst nicht. Er schuf eine Fülle von Naturstudien, Wirtshausszenen, Innenmotive, Landschafts-, Stadt- und Dorfansichten. Zu den bekanntesten dieser Bilder zählen Ansichten von Haslach, Steinach, Mühlenbach, Hausach, Gengenbach, Zell a. H., Wolfach, Offenburg, Waldkirch, Freiburg, Rippoldsau und Triberg.

Daß das Oeuvre von Carl Sandhaas größtenteils noch vorhanden ist und ein beträchtlicher Teil seiner Bilder in Haslach in einer ständigen Ausstellung gezeigt werden kann, verdanken wir den Sammlern von Sandhaas-Bildern, die das Schaffen des Künstlers sein ganzes Leben lang verfolgt haben. Einer der eifrigsten Sammler von Sandhaas-Bildern war Fritz Max Heßemer, der mit Carl Sandhaas eng befreundet war. Heßemer war von Beruf Architekt und sammelte etwa zweihundert Bilder, die seine Frau in einem großformatigen Buch, der sogenannten Darmstädter Mappe, eingeklebt hatte.

Brautkauf - Aquarell von Carl Sandhaas, 1835
Brautkauf - Aquarell von Carl Sandhaas, 1835

Das Haslacher Kapuzinerkloster und die Gutleutbrücke - Aquarell von Carl Sandhaas um 1835
Das Haslacher Kapuzinerkloster und die Gutleutbrücke - Aquarell von Carl Sandhaas um 1835

Sie wurde vom Sohn Paul Heßemer Heinrich Hansjakob zum Geschenk gemacht. Dieser hat sie dann später der Stadt Haslach vermacht. Die zweite große Sandhaas-Sammlung, etwa dreihundert Bilder, stammt von den beiden Haslacher Bürgermeistern Josef Fackler sen. (1815 - 1871) und Josef Fackler jun. (1855 - 1934). Auch sie vermachten ihre Bilder der Stadt Haslach. Beide Sammlungen bilden den Fundus der ständigen Carl-Sandhaas-Ausstellung im "Freihof".

Eine weitere Sammlung von Sandhaas-Bildern wurde neuerdings im Nachlaß des Straßburger Generalvikars und elsässischen Heimathistorikers Alexander Straub (1825 - 1891) entdeckt. Sie umfaßt 49 Bilder und wird in der Bibliothek des Grand Séminaire in Straßburg aufbewahrt.

Die große Liebe von Carl Sandhaas

Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts traf Carl Sandhaas nach der Schilderung Hansjakobs im Haslacher Klostergarten seine große Liebe, des fürstenbergischen Jägers Tochter Mine. Nach Allgeyer heißt sie allerdings Marianne und ist eines Gärtners Tochter(22). Sandhaas hatte dieses Mädchen in unzähligen Zeichnungen und Bildern festgehalten. An eine Heirat war nicht zu denken, zu stark waren die Widerstände, die der Vater des Mädchens gegen den armen Künstler hegte. Auch Mine / Marianne umgibt ein Geheimnis. Wir wissen nicht ihren Familiennamen, ihr Geburts- und Sterbedatum sind ebenfalls nicht feststellbar(23). Weder Hansjakob noch Allgeyer nennen ihren Familiennamen oder gehen näher auf ihre Familienverhältnisse ein.

Mine / Marianne, die Geliebte des Künstlers - Bleistiftzeichnung um 1835
Mine / Marianne, die Geliebte des Künstlers - Bleistiftzeichnung um 1835

Als Sandhaas vom Haslacher Gemeinderat den Auftrag bekommen habe, so berichtet Hansjakob(24), für den Muttergottesaltar der Stadtkirche in Haslach ein Maria-Himmelfahrt-Bild zu malen, habe er der Maria das Gesicht seiner Geliebten und unter die Apostel, welche der auffahrenden Himmelskönigin nachschauten, habe er sich selber gemalt. Voll Entrüstung hätten die Haslacher darin eine Blasphemie gesehen und das Bild zurückgewiesen. Franz Schmider hat nachgewiesen(25), daß dieser Auftrag vom Haslacher Gemeinderat so nicht gegeben wurde, sondern daß eher der Version Allgeyers geglaubt werden müsse, wonach Sandhaas ein Altarbild, das die Geburt Christi darstellte, malen sollte(26). Da er der Maria das Gesicht der Mine / Marianne gab, wurde das Bild vom Gemeinderat Haslach abgelehnt.

Der plötzliche Tod seiner Geliebten (wahrscheinlich 1837) scheint Sandhaas in eine tiefe Schwermut gestürzt zu haben. Er flüchtete sich in die Einsamkeit der Natur. Oben im Urenwald bei Haslach baute er sich auf einem Felsen eine primitive Laubhütte und lebte dort als Einsiedler, wie dies ein von ihm selbst gemaltes Bild zeigt. 1843 brannte seine Hütte vollständig ab. Ein Sturmwind hatte ein dort angemachtes Feuer entfacht und die Hütte vernichtet. Sandhaas wurde als Brandstifter gesucht, schließlich von den Haslacher Bürgern im Wald eingefangen, gefesselt und als "Wahnsinniger" im "Narrenhüsle" in Haslach eingesperrt. Man brachte ihn in die "Irrenanstalt" Illenau bei Achern, wo er zwei Jahre behandelt wurde und sein angeblicher Wahnsinn sich in eine ungefährliche Schwermut verwandelte.

Selbstporträt von Carl Sandhaas in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau. Im Hintergrund sieht man das Brigittenschloss - Aquarell 1844
Selbstporträt von Carl Sandhaas in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau. Im Hintergrund sieht man das Brigittenschloss - Aquarell 1844

Der "närrische" Maler

Nach Haslach 1845 zurückgekehrt, verbrachte Sandhaas den Rest seines Lebens als Ortsarmer im städtischen Spital. Dabei war er nicht untätig, sondern schuf viele Arbeiten. Sein Zeichenstift und sein Pinsel hielten alles fest, was ihm in die Augen kam: Menschen, Tiere, Pflanzen, Landschaften, humoristische Szenen, dämonische Gestalten. Immer wieder hat sich Carl Sandhaas jedoch selbst gemalt. Es gibt wohl wenige Maler, die so viele Selbstporträts gemalt haben - sicherlich auch ein Zeichen dafür, daß er sich stets narzißhaft mit sich selbst und seinen Problemen beschäftigte und mit ihnen nicht zurechtkam. Seine Haslacher Mitbürger haben Sandhaas, so gut sie konnten, gemieden. Für sie war er der "närrische" Maler.

Immer wieder beklagte sich Sandhaas in seinen Aufzeichnungen, den sogenannten "Spitalblättern", daß ihm zum Arbeiten das notwendige Zeichenpapier, die Farben und Stifte fehlten. Auch wollte offenbar niemand ein richtiges Honorar für seine Malkunst bezahlen. So schreibt er in seinen "Spitalblättern": "Die Herren und Bürger bezahlen nichts, und wer nichts bezahlt, der kriegt nichts. Die Leute glauben, ich soll ihnen für ein Maß Bier ein Porträt malen."

Carl Sandhaas in seiner Laubhütte im Urenwald bei Haslach - Aquarell um 1850
Carl Sandhaas in seiner Laubhütte im Urenwald bei Haslach - Aquarell um 1850

Julius Allgeyer hat Carl Sandhaas 1853 im Haslacher Spital besucht. Dieser Besuch, der auch Anlaß zur Abfassung seiner "Poetischen Bilder aus dem Leben des Malers Carl Sandhaas" gewesen sein dürfte, hat Allgeyer ausführlich beschrieben(27). Eines geht aus seiner Niederschrift deutlich hervor: Sandhaas war trotz seiner Armut, seines kärglichen Lebens und seiner zeitweisen seelischen Verwirrung ein geistvoller Mensch geblieben, der sich seines inneren Reichtums bewußt war, dessen einziges Unglück war, von seiner Umwelt verkannt zu werden, der aber seine Vereinsammung mit Stolz und Würde getragen hat. Allgeyer fand es beschämend, wie die Haslacher Bürger Sandhaas behandelten. Er bezweifelte, ob der begabte Maler wirklich "närrisch" und verrückt sei, wie ihn seine Umwelt einschätzte. Er zitierte in seinen Aufzeichnungen Sandhaas mit folgenden bezeichnenden Worten: "Nicht ich, sondern die Haslacher sind jetzt Narren geworden; meine Narrheit liegt gegenwärtig lediglich in den zerrütteten Zuständen meines Geldbeutels, sonst würde ich dem Neste einen Namen verschaffen und es der Vergessenheit entreißen..."(28) Er sei, so schreibt Allgeyer, wehmütig von dem unglücklichen Maler geschieden und habe die deutliche Erkenntnis gewonnen, daß Sandhaas "eine grenzenlos vereinsamte, aber durchaus vornehme Künstlernatur" sei, die "ein Bild und Beispiel echter moderner Tragik" darstelle. Zum Schutz vor den lästigen, weil im Grunde doch immer teilnahmlosen Zudringlichkeit der Welt habe sich Sandhaas in völlige Stummheit gehüllt. Es sei am Unverständnis seiner Umwelt, an den allgemeinen Zuständen seiner Zeit als Künstler zugrunde gegangen(29). Solche Beobachtungen offenbaren ein tiefes psychologisches Einfühlungsvermögen und soziales Verständnis in die ausweglose Lage des verfolgten Künstlers - Erkenntnisse, die durch die moderne Sandhaas-Forschung bestätigt werden(30).

Reflexionen in den "Spitalblättern"

Im Haslacher Spital schrieb Carl Sandhaas eine Art Autobiographie, die er selbst "Spitalblätter"(31) nannte und die aus etwa hundert Blättern besteht. In diesen Aufzeichnungen hat er sich mit seinem Leben und seiner Umwelt, vor allem mit dem Unverständnis der Haslacher Bürger für ihn als Künstler, auseinandergesetzt. So lesen wir in den "Spitalblättern": "Ich habe gelesen in einem Zeitungsartikel, in dem ein preußischer Staatsmann sagt: Man muß alles Gute, was uns die Zeit darbietet, zu benutzen suchen; denn sonst straft die Zeit; jetzt seid Ihr gestraft wegen Unrechts, so ihr mir getan; und weil Ihr das nicht gewollt, was Ihr hättet haben können, so müßt Ihr gar nichts haben!"

Carl Sandhaas zeigt in seinen "Spitalblättern" die bemerkenswerte Gabe der Selbstreflexion über sein schweres Schicksal, das er von seinen Mitbürgern mitverschuldet sieht.

Fratzen auf einem Skizzenblatt von Carl Sandhaas um 1855
Fratzen auf einem Skizzenblatt von Carl Sandhaas um 1855

Er versichert immer wieder, daß er bereit sei, als Künstler zu arbeiten, wenn die Stadtverwaltung seine Lebensumstände verbessern werde. In diesem Sinne schreibt er: "Ich habe nun vor, mich von neuem der Kunst zu befleißigen und fordere deshalb das Amt und die Obrigkeit, das Recht und die Gerechtigkeit auf, mir behilflich zu sein und mir das zu geben, was ein Zeichner und Maler braucht, um seiner Kunst obliegen zu können und was überhaupt die Gesetze der Humanität und der Menschlichkeit erfordern..."

An einer anderen Stelle in der Zeit der Revolution von 1848 / 49 lesen wir in den "Spitalblättern": "Der Exiquent(32) hatte mich einen Esel geheißen. Sie sind ein Narr! Ins Tollhaus! hatte der Kreuzwirt (senior) mir auf offener Straße zugerufen. So ebenfalls, er ist ein Demagog! hatte der Schwörer(33) einmal zu Freiburg mich auf der Straße gerufen... Sie sind ein Faxenmacher, sagte eine Kellnerin zu Gengenbach über mich. Oder Sie sind der ärgste Freischärler, sagte einmal der Gendarm Riedel über mich, indem er sich neben mich setzte und den Säbel halb aus der Scheide zog... Ein Narr! sagte wieder ein Mädchen, als ich an einem Garten vorübergehe, damit ich es hören soll, oder ein Faulenzer! sagte ein anderer von dem Feld aus.

Eines der letzten Selbstporträts des Künstlers, welches von Sandhaas durchgestrichen wurde. Mit eigener Hand schrieb er darunter: "Finet" = Es wird enden - Bleistiftzeichnung um 1859
Eines der letzten Selbstporträts des Künstlers, welches von Sandhaas durchgestrichen wurde. Mit eigener Hand schrieb er darunter: "Finet" = Es wird enden - Bleistiftzeichnung um 1859

Daß mich der Exiquent einen Esel geheißen, damit bin ich zufrieden, es ist das beste Urteil, das bisher über mich gefällt worden ist. Ich bin wirklich ein Esel und ein Narr dazu, daß ich mich so mißhandeln lasse und das alles so geduldig annehme, indessen werde ich jetzt einma anpochen an der Pforte der Gerechtigkeit und Genugtuung verlangen... Man hat mich von der ersten Stunde an, wo ich hierher gekommen bin, unernst und ungerecht behandelt, besonders, wenn vom Arbeiten die Rede sein soll. Ja, so geht das nicht, so behandelt man keinen Maler, wenn er arbeiten, zeichnen und malen soll..."

Seine Lebensumstände wurden gegen Ende seines Lebens immer unerträglicher. Im Haslacher Spital bekam er kaum etwas zu essen. So schreibt er: "Ich habe oft zur Armensuppe mittags nichts als ein Plättle voll Kraut, des Abends nichts als eine Wecksuppe. Ich bekomme manchmal in fünf Tagen kein Stück Fleisch zu essen, höchstens ein Stückchen Gäter (Sehnen) oder ein Löffele voll Sulz oder ein Stückchen Speckschwarte."

Anerkennung nach seinem Tode

Am 2. April 1859 ist Carl Sandhaas gestorben. Sein Grab befindet sich auf dem Haslacher Friedhof und wird von der Stadtverwaltung Haslach unterhalten. Erst nach seinem Tode merkten die Haslacher, was für ein bedeutender Künstler der "närrische" Maler gewesen war. 1899 fand die erste und bisher größte Sandhaas-Ausstellung in Haslach statt. 600 Werke des Künstlers wurden im "Fürstenberger Hof" in Haslach ausgestellt. 1903 haben die Haslacher Carl Sandhaas am Eingang der Seilerbahn ein Denkmal gesetzt. Es besteht aus einem großen Findlingsfelsen aus dem von Sandhaas so geliebten Urenwald. In den Stein wurde ein aus Erz gegossenes Medaillon des Künstlers eingelassen, das vom Haslacher Bildhauer Hubert Stelker (1857 - 1935) gefertigt wurde.

1959 wurde anläßlich seines 100. Todestages im Haslacher Kloster eine große Gedächtnisausstellung veranstaltet, das Leihgaben aus sämtlichen Sammlungen zeigte, die Sandhaas-Bilder besitzen. Im Herbst 1984 hat die Stadt Haslach ihrem großen Sohn in der ständigen Carl-Sandhaas-Ausstellung im "Freihof" eine bleibende Gedächtnisstätte eingerichtet.

Die Aufnahmen stammen alle aus dem Hansjakob-Archiv in Haslach

Anmerkungen

1.) 16. Aufl. Haslach 1983, vgl. darin die Erzählung "Der närrische Maler", S. 181 - 243, Über Heinrich Hansjakob vgl. Manfred Hildenbrand u. Werner Scheurer (Hrsg.), Heinrich Hansjakob 1837 - 1916, Festschrift zum 150. Geburtstag, Haslach 1987. Hier alle weitere Hansjakob-Literatur.  
2.) Ebenda, S. 184.  
3.) Vgl. Martin Ruch, Der Haslacher Maler Carl Sandhaas in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau 1843 - 45, Die Ortenau 1988, S. 499.  
4.) Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 184, 187.  
5.) Franz Schmider, Maler Carl Sandhaas, Haslach 1959, S. 6 / 7.  
6.) Taufbuch der Stiftskirche Stuttgart für das Jahr 1801, Evangelisches Kirchenregisteramt Stuttgart. Herrn Hermann Ziegler, Stuttgart, sei herzlich gedankt für die Hilfe beim Auswerten der Stuttgarter Archivalien.  
7.) Über Seele vgl. Hermann Mildenberger, Der Maler Johann Baptist Seele, Tübingen 1984; ders., Johann Baptist Seele und die Stuttgarter Malerei um 1800, in: Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, Bd. 2, Stuttgart 1987, S. 529 - 560.  
8.) Adreßbuch Stuttgart 1800, S. 102, Stadtarchiv Stuttgart.  
9.) Mildenberger, Seele 1984, a. a. O., S. 1 ff.  
10.) Ebenda, S. 12,27 ff., 73 f.  
11.) Taufbuch der Stiftskirche Stuttgart, a. a. O.  
12.) Schmider, a. a. O., S. 7; August Vetter, Hüfingen, Hüfingen 1984, S. 641.  
13.) Seelenregister der Stadt Stuttgart 1797 - 1803, Stadtarchiv Stuttgart.  
14.) Ebenda.  
15.) Taufbuch der Stiftskirche Stuttgart, a. a. O.  
15a.) Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 187; Schmider, a. a. O., S. 8 ff.  
16.) Über Allgeyer vgl. Manfred Hildenbrand, Julius Allgeyer (1829 - 1900), Kupferstecher, Pionier der Fotografie und Biograph Anselm Feuerbachs, Badische Heimat 1, 1989, S. 5 - 9.  
17.) Julius Allgeyer, Poetische Bilder aus dem Leben des Malers Carl Sandhaas, Verlag Wilhelm Engelberg, Haslach 1959.  
18.) Vgl. Manfred Hildenbrand, Joseph Sandhaas, ein Großer der Haslacher Sandhaas-Familie, Schwarzwälder Bote v. 2. 12. 1987.  
19.) Thomas Nipperdy, Jede Epoche ist doch gleich nah zu Gott, Die Welt v. 28.2. 1987.  
20.) Der Name "Schwarze" rührt von ihrer altdeutschen Tracht her, durch die sie die Verachtung jedes bunten Kleidungsstückes und anderen "welschen Tandes" zum Ausdruck bringen wollten. Vgl. Walter Grab, Dr. Wilhelm Schulz aus Darmstadt. Weggefährte von Georg Büchner und Inspirator von Karl Marx, Frankfurt / Wien 1987, S. 27, 39.  
21.) Erschienen 1839 im Verlag von L. F. Rieger u. Comp., Stuttgart u. Leipzig.  
22.) Allgeyer, Poetische Bilder, a. a. O., S. 31, 37.  
23.) Im Sterberegister der Haslacher Kirchenbücher ist in den Jahren 1830 bis 1840 kein Mädchen verzeichnet, das mit dem Namen Mine oder Marianne in Verbindung gebracht werden könnte.  
24.) Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 198 f.  
25.) Schmider, a. a. O., S. 26 / 27.  
26.) Allgeyer, Poetische Bilder, a. a. O., S. 31.  
27.) Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 229 ff.  
28.) Zit. n. Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 232.  
29.) Ebenda.  
30.) Vgl. Ruch, a. a. O., S. 495 / 496.  
31.) Die "Spitalblätter" befinden sich in der ständigen Carl-Sandhaas-Ausstellung im "Freihof" in Haslach.  
32.) Exiquent = Gerichtsvollzieher.  
33.) Dr. Ignaz Schwörer war Professor der Medizin in Freiburg. Er war ein eifriger Förderer von Carl Sandhaas. Bei ihm wohnte Sandhaas, wenn er bisweilen in Freiburg arbeitete. Vgl. auch Hansjakob, Wilde Kirschen, a. a. O., S. 229.  

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