Der Schwarzwaldmaler Wilhelm Hasemann

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Der Schwarzwaldmaler Wilhelm Hasemann - von Hermann Eris Busse - Badische Heimat 1939 - S. 299 ff.


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Wilhelm Hasemann ist ein Volksbekannter Maler, dessen stiller Ruhm weit in die Welt hinaus drang. Beim Aufklingen seines Namens klingt die Schwarzwaldlandschaft des Kinzig- und Gutachtales mit. Er hat zum erstenmal die malerische Fülle dieser Landschaft und ihrer Menschen als Einheit gesehen. Seinem Beispiel sind dann eine Reihe von Malern gefolgt. An Volkstümlichkeit haben nur Fritz Reiß und Hasemanns Schwager, der aus Colmar im Elsaß stammende Maler, Bildner und Zeichner Professor Kurt Liebich, ihn erreicht. Vorher hat es allerdings auch schon Schwarzwaldmaler, besser Schwarzwälder Maler, gegeben. Sie richteten ziemlich einseitig ihr Augen-

1.) Mit vierzehn Bildern (Öl) nach Originalen des Meisters und einer farbigen Wiedergabe der "Mühlenbacherin". Frau Prof. Hasemann in Gutach, der Witwe des Künstlers, wie Dr. Hasemanm dem Sohn in Freiburg i. Br., danke ich herzlich für die liebenswürdige Überlassung der Bildvorlagen und Gemälde.


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Vorfrühlingstag (1910)

merk nur auf die Bauern als Trachtenträger, wobei sie eher die Darstellung der Tracht als der Mensch, der darin steckte, fesselte. Sie waren meistens keine Maler in künstlerischem Sinn, sie gingen aus einheimischen Sippen hervor, aus bäuerlichen oder handwerklichen Kreisen.

Bereits im Ende des 18. Jahrhunderts, als die Trachten deutlich sich als bäuerliches Kleid beständig zeigten, im Gegensatz zur wechselvollen städtischen Mode, erregten sie schon die Aufmerksamkeit der Darsteller aller Art. Der Mechelsche Verlag in Basel, von 1790 ab in Dresden ansässig, brachte schon Stiche nach Bildern des begabten Trachtenmalers Olenheinz heraus, eine Markgräflerin, eine Breisgauerin und eine Hotzenwälderin zeigten. Die Reihe derartiger Schilderer des bäuerlichen Trachtenwesens vor nur angedeutetem landschaftlichem Hintergrund, manchmal auch auf festlichem Plan dargestellt, hat bei uns vor allem ihre Meister in dem merkwürdigen Kreis der Baaremer Maler gefunden, die in Hüfingen durch Luzian Reich und Rudolf Gleichauf, in Bräunlingen durch Johann Baptist Tuttiné ihre künstlerischen Vertreter haben. Sie fühlten in das Volkskundliche des Bauerntums vor und sind durch ihr Werk heute, da die Volkstracht und damit auch die bäuerlich-eigentümliche Würde der Lebenshaltung und Lebensauffassung des Landbewohners vor dem Entschwinden bewahrt werden soll, für jeden Heimat- und Volkstumsforscher unentbehrlich geworden. Die Volkstracht gibt nicht nur Aufschlüsse für die historische Kleidungskunde, sondern auch für die Kultur- und Sittengeschichte; auch für die politische und weltanschauliche Entwicklung des Volkes kann sie Aussagen machen.


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Sonntag in Gutach (1905)

Merkwürdig ist, daß zuerst die Einbeimischen sich mit der Trachtenmalerei abgaben. Der Baaremer und Schwarzwälder bat dabei in anderen Dingen auch oft bewiesen, wie fähig er ist, sich selber von außen her zu betrachten, nüchtern feststellend, abschätzig und mit gutem Stolz auf seinen Wert und auf sein Herkommen. Die große Reihe der sogenannten Schwarzwälder Maler, Bildniskünstler fast ausschließlich waren sie, hervorgegangen aus dem bäuerlichen Blut und Boden der Heimat, erweist sich wohl als einzig dastehend in der Geschichte der deutschen Volkskultur. Volkskünstler waren sie, zu denen Josef Moser gehörte, Ignatius Weißer, Nikolaus Ganter, der Schmied, J. M. Heinemann, Karl Blum, Karl Sandhaas, die Gebrüder Lukas und Johann Baptist Kirner, auch Xaver und Luzian Reich zählten zu ihnen, Johannes Laule in Furtwangen und Fr. X. Winterhalter aus Menzenschwand, als er noch nicht zum vornehmen Maler europäischer Fürstinnen aufgestiegen war. Die Reihe weist noch manche Namen auf. Viele von ihnen verließen die Heimat und gingen nach Wien oder nach München. Sie malten daheim die Bildnisse der Waldbauernfürsten, der großen Hofhalter und Herdenbesitzer, der bäuerlichen Waldherren. Ihre Bilder sahen von den rauchbraunen getäferten Stubenwänden herab auf Enkel und Urenkel. Manche der Gemälde waren zuletzt übel daran, bis ein Händler, ein Kunstfreund oder ein Museum sie schließlich ihrem Verfall, ihrer Vernachlässigung, ihrem Herumgestoßensein in Rumpelkammern entriß. Übrigens hat die Schweiz auch eine reiche Überlieferung an solchen volksüblichen Bauernbildnissen.

Dieser Reihe der bodensässigen Volkskünstler läßt sich Wilhelm Hasemann nicht anschließen, er kam aus anderer Richtung innerlich und äußerlich. Ihn hielt das malerische Bild der Landschaft und des farbig gekleideten Volkes in dieser Landschaft im Tal der Gutach fest. Er kam aus anderem deutschem Volksstamm, er hat mit der denkmalhaft sich darstellenden eigentümlichen Bildnerleidenschaft der alemannischen Volksmaler nichts gemein.

Wilhelm Hasemann - Gutacher Bauer 1905 Wilhelm Hasemann - Gutacher Bäuerin 1905
Wilhelm Hasemann - Bursche aus dem Hanauerland 1902 Wilhelm Hasemann - Mädchen aus dem Hanauerland 1902


Wilhelm Hasemann ist auf der Suche nach Motiven aus dem Bauernleben als Malkünstler in diesem Tal zunächst einmal hängen geblieben; daß dann aus übergroßer Zuneigung dieser kursächsische Mensch sich zum Schwarzwälder mit Leib und Seele bekannte, wenn auch nicht wandelte, hängt mit der Einfühlungskraft des rassenmäßig Deutschen im Künstler zusammen. Klaräugig und liebend umfing er Landschaft und Leute in seinem Gutachtal, dem heitersten und farbigsten unserer besiedelten Bachtäler im Schwarzwald.

Der Lebenslauf Wilhelm Hasemanns ist rasch erzählt. Er wurde zu Mühlberg im ehemaligen Kursachsen, das dann zu Preußen kam, als Sohn eines Landwirts von Beruf und Technikers aus Erfindergeist im Jahre 1850 geboren. Der Vater stammte aus kinderreicher Gutsbesitzersfamilie, die eines Tages ihres Gutes verlustig ging durch allerlei Schicksalsschläge. Als Verwalter hielt er einem schlesischen Grafen Haus und Hof in Ordnung, heiratete die Tochter eines Obersten, die aber bald starb. Wilhelm Hasemann stammte aus der zweiten Ehe. Vater, immer leidenschaftlicher in seine Erfindungssucht verstrickt, machte eine Mechanikerwerkstatt auf. Er hoffte immer auf einen großen Schlager unter seinen Plänen, aber die sprichwörtliche Erfindertragik verfolgte ihn grausam. Sie ließ seine Familie bittere Not leiden; obschon er sehr fleißig arbeitete, blieb das Leid nicht aus.

Des Sohnes Talent zeigte sich, wie bei allen echten Malern, schon früh, vor dem ersten Schulgang. Es fand auch Beachtung, jedoch mit einer künstlerischen Ausbildung war in der Enge des Daseins der Hasemannschen Familie nicht zu rechnen. Er kam zu einem Schlosser in die Lehre, vermutlich um sein Können dereinst in Vaters Werkstatt anzuwenden, und hielt trotz seiner schwächlichen Körperlichkeit seine drei harten Lehrjahre durch. Er konnte aber später, als er bereits Maler war, keinen Schlosserlehrling unbeachtet lassen: er prüfte stets, ob dem Jungen die Arbeit nicht auch so zur Qual würde wie ihm damals. Mit vierzehn Jahren verdiente Hasemann sich trotzdem den ersten Taler als Maler, indem er das Bildnis eines Schulkameraden anfertigte.

Mit siebzehn Jahren gelang es ihm, auf die Kunstschule nach Berlin zu kommen, obschon ihm die Eltern kaum das Nötigste für ein derartiges Studium erschaffen konnten. Mit dem Zukunftsglauben, der über alle Hemmnisse sich hinwegschwingt, die einer großen Erfüllung stets in den Weg wachsen, brach Hasemann auf nach Berlin, wie der Schwarzwälder Hans Thoma einstens aus seinem Bernauer Tal aufbrach nach Karlsruhe, arm wie eine Kirchenmaus, und auch dem Markgräfler Hans Adolf Bühler blieb dieser entschiedene Weg der Armut nicht erspart. Hasemann strich wie Thoma und Bühler "Kisten an und Schrein", malte, wie einst Thoma Schnapsgläser in Äule, sächsische und berlinische Kaffeetassen an und dergleichen mehr. Im Winter fror er so sehr, daß sein schönster Wunschtraum neben dem, ein großer Künstler zu werden, ein molliger Wintermantel war.

Die Berliner Jahre gingen Vorüber. Der Siebziger Krieg sah ihn als freiwilligen Sanitäter über seine Kräfte hinaus, die nie üppig waren, seine Pflicht tun. Krank kehrte er aus dem Feld in die Heimat zurück. Er malte und lernte unentwegt weiter. Als er sich erholt hatte, wandte er sich nach Weimar. Die dortige Malerschule stand in gutem Ruf. Er glaubte in seiner Eigenart - seine Stärke schien im Genrebild zu liegen, das damals modisch war zur Zeit der Vautier, Kaulbach, Knaus, Defregger - in Weimar gefördert zu werden. Es war ein gefährliches Gebiet für Maler. Die ihrer Sache nicht gewachsen waren, gerieten mit ihren Bildern ins Plaudern und ins seichte Schöntun und Unterhaltem. Hasemann verachtete die "Pointe" im Bildwerk, das "Spekulieren" auf das Herz und die Gemütsbewegung des Beschauers. Von Biederkeit war bei ihm keine Spur vorhanden. Er schilderte nicht, er stellte dar.

Daß Adolf Menzel auf dessen Urteil jeder Maler von Rang stolz war, Wilhelm Hasemann als Künstler hoch schätzte und ihm, als seinem einzigen Schüler übrigens, Wegweisung für die weitere Ausbildung gab, sollte allen doch zu denken geben, die den stillen Maler aus Gutach in den vergangenen Jahrzehnten mit einem Lächeln oder mit einem überheblichen "nur Heimatkunst" abtaten. Adolf Menzel, der geniale Künstler und Bildner farbiger, eindringlicher, beschwingter Szenen aus der Seit Friedrichs des Großen, war ein bissiger Beurteiler, ein wortkarger Rauhbautz, der dem strengen Witz des großen Preußenkönigs tüchtig hätte Widerpart halten können. Er ist Hasemanm dem jungen, bescheidenen Adepten deutscher Malerei, damals in den siebziger Jahren mit aller Freundschaft beigestanden, die ein Meister einem begabten Schüler, der in seiner Kunst ganz anders geartet ist, zu spenden vermag. Bis zu Menzels Tod dauerte die Freundschaft. Menzel wurde auf Hasemann durch eine Gemäldeausstellung aufmerksam, die in Berlin und Düsseldorf zeitgenössische Kunst zeigte. Hasemann stellte dort eine thüringische Volksszene "Kirchweihfest in Thüringen" aus, deren Gestaltung und malerische Haltung Menzels Bewunderung erregte. Es war ein überaus farbenfreudiges Gemälde mit bildnishaft erfaßten Volkstypen. Seine außerordentlich sichere malerische Auffassung verriet sich schon in Einzelheiten. Hasemann wollte ein Meisterstück schaffen und es ist ihm gelungen. Menzel vergaß den Namen des Malers und das Bild nicht. Ein Jahr darnach etwa lernte er Hasemann im Haus des Generals von Bojen kennen. Die Frau, eine Prinzessin von Kurland, war eine begabte Malerin, die mit Hasemann gemeinsam einige Säle ihres Schlosses in Löbichau ausmalte. Im Verlauf der vertrauten Gespräche zwischen Menzel und Hasemann riet der Maler dem jungen Künstler davon ab, studienhalber zunächst nach Italien zu fahren. Er schickte ihn dagegen nach München. Dort war die Genremalerei stets gepflegt worden.

München hatte Hasemann wie allen Malern ungemein viel in seinen Gemäldesammlungen zu bieten. Er besuchte sie so oft er konnte, in stiller Leidenschaft sich seine Meister wählend. In sich selber war er schon lange fest. Es scheint, er hat sein Können in seiner Spannung und seinen Grenzen früh, bereits als er anfing, erkannt.

Sein erstes gültiges Bild, aufbewahrt in der Mühlberger Städtischen Sammlung, machte er als junger Bub nach einer scharf beobachteten lustigen Szene auf der Straße. Ehrsame Bürger warf ein Mißgeschick bei einer Schlittenfahrt mitten in der Stadt unerwartet um, die Musikantengilde trollte sich im Schnee, und der Bassist, Rückseite voraus, setzte sich krachend in sein eigenes Instrument. Hasemann selbst hat später nur in verlegener Abwehr sich an das "Kunstwerk" erinnern lassen.

Humorvolles Schildern ist ihm ja auch nicht eigen gewesen. Er hat sich bald dem bäuerlichen Volksleben zugewandt und es inmitten seiner Landschaft zu fassen versucht. Hasemann sprach sich selten aus über seine bei aller Entbehrung künstlerisch reichen Lehrjahre. Er hat in München, das damals Leibl und andere ernsthaften und unbedingten Künstler längst verlassen hatten, weil das Cliquenwesen und das eitle Hervorkehren des Malerfürstentums ihnen unerträglich geworden war, aus Not für den Schlachtenmaler Piloty Soldaten in Überlebensgröße gemalt. Piloty brauchte diese Studien für das Riesengemälde einer Schlacht aus dem Siebziger Krieg. Diese öde Taglöhnerei und alles, was mit dem Kunstbetrieb sonst zusammenhing, führte ihn natürlich nicht weiter, und das Städtische an sich konnte ihn auf die Dauer auch nicht beglücken.

So bedeutet der Auftrag des Verlages Cotta soviel wie eine entscheidende Wendung. Er sollte zu Schwarzwälder Geschichten Textbilder zeichnen. So machte sich Hasemann auf die Reise in die fremde Landschaft, zu dem ihm fremden Gebirgsvolk im Süden.

Wilhelm Hasemann - Vor der Wallfahrtskirche 1890 Wilhelm Hasemann - Schellenmarkt der Schwarzwälder Hirtenbuben 1885
Wilhelm Hasemann - Im Herrgottswinkel 1894 Wilhelm Hasemann - Plaudern und Spinnen - die Stunden verrinnen 1892
Wilhelm Hasemann - Brautschmückung 1896 Wilhelm Hasemann - Bauer beim Propfen 1893

Im Jahr 1880, dreißig Jahre alt, betrat Wilhelm Hasemann Gutach und kam nicht mehr los von dort.

Die Landschaft fesselte ihn sofort. Er begann wie im Fieber einer Liebe auf den ersten Blick mit Studien und vergaß alles andere darüber, schier auch den Auftrag. Die eigenartigen Hofstätten mit den riesigen Dächern begeisterten ihn durch ihre Form, ihre Eintracht mit der Umgebung und durch den Reichtum ihrer Farben, die silbernen und braunen Töne im Holz der Verschalungen und Lauben, die Glut der Geranien vor den Fenstern, der mächtige Schwung des Daches und seine über grün und violett und goldbraun und ziegelrot spielenden Farben. Dazu sah er das bäuerliche Volk zur Arbeit und in die Kirche gehen in den Trachten, die im protestantischen Dorf auf schwarzweiß-rot abgestimmt sind, sah die festlichen roten Bollenhüte der Mädchen, die würdigen Schoßröcke der Männer aus schwarzem Samt mit rotem Flanell ausgeschlagen, sah das Kinderleben am hellen Bach auf vielblumiger Bergmatte, sah dies alles im Verlauf von wenigen Tagen, und ihm war, als habe er Heimat gefunden. Er blieb.

Er machte auch die Zeichnungen, die Cotta nicht recht zusagten, wohl weil sie nicht so lieblich sentimental waren, wie sie hätten sein sollen zu der städtisch geglätteten Bauerngeschichte, vielleicht auch, weil sie zu einfach waren. Später griff der Verlag dann doch zu. Iin "Löwen", dem damals noch als altes Schwarzwaldhaus bestehenden Gasthof, wohnte Hasemann im Sommer, im Winter ging er zum Weiterstudium nach Karlsruhe auf die Kunstschule. Gustav Schönleber, der ein Jahr jünger war als Hasemann, stand er freundschaftlich nahe.

Es ging Hasemann nicht mehr schlecht. Seine Bilder waren verkäuflich, sie sprachen an. Ohne derb zu sein und realistisch, fehlte ihnen doch die durch die Nachahmer Defreggers in Blüte geratene verlogene Glätte des Genrebildes aus bäuerlicher Welt. Er war nie süßlich, nie leutselig, nie anekdotisch. Sein feiner Geschmack, sein unbestechliches Gefühl für Echtheit bewahrte ihn davor. Das Malerische gab ihm den Ausschlag: die Haltung, nicht die Handlung. Er drückt auch in seinen Schwarzweiß-Studien das Malerische aus. Er half mit an der Bebilderung des großen Werkes von Wilhelm Jensen "Der Schwarzwald", an der auch Emil Lugo, Max Roman, Wilhelm Volz, Karl Eyth teil hatten, lauter gute Namen aus der badischen, in hoher Blüte stehenden Landschafterschule. Er hat viele kostbare Blätter hierfür geschaffen, die leider eines Tages aus der Karlsruher Kupferstichsammlung spurlos Verschwunden sind. Mit Edmund Kanoldt zusammen schuf er die Bildbegleitung zu Storms "Immensee". Heinrich Hansjakob hätte keinen besseren als Hasemann finden können, um den "Vogt auf Mühlstein", "Die Erinnerungen einer alten Schwarzwälderin" und "Afra" zu bebildern.

Im Jahre 1882 baute er von Ersparnissen und mit Unterstützung eines kunstliebenden Deutschamerikaners ein kleines Heim in Gutach, das er später zu seiner heutigen Gestalt ausbaute. Im Werkraum hütet heute noch Frau Hasemann treu einige seiner Gemälde, Studien und Zeichnungen. Viele Besucher, vorab auch Ausländer, traten in das mit Erinnerungen gefüllte, holzgefügte Haus des Malers ein; denn seine besten Werke sind großenteils nach Übersee, in die Heime Von Deutschamerikanern, geraten. In Gutach erlebte Hasemann eine Reihe glücklicher Schaffensjahre. 1889 holte er sich aus der Heimat Mühlberg die Frau, deren Schwester Professor Liebichs Frau wurde. Sie plante und fühlte mit ihm. Sie bekamen zwei Söhne. Einer starb früh, der andere ist als Landesgeologe bekannt geworden. In Frau Hasemann, einer guten Pianistin und einer leidenschaftlichen und gründlichen Kennerin deutscher Geschichte, erwachte in Gutach auch der Sinn für die bäuerliche Kultur. In eindringlicher Weise haben die Hasemanns wie auch die Liebichs die Bauern aufgeklärt über den Wert des Angestammten, vorab der Tracht; denn zusehends begannen die Bauern das Gewand mit dem billigen Stadtrock zu vertauschen und sich unbehaglich zu fühlen in der Bauernkleidung. Das Fahrrad kam auf, die Schwarzwaldbahn brachte Stadt und Land näher zusammen. Mit vorsichtiger Besonnenheit überzeugten Hasemanns die Bauern vom Wert und der Schönheit ihrer Lebensart und Lebensordnung.

Der Maler konnte sich nicht genug tun in der Darstellung der Volkstypen in den vielfältigen Trachten der Schwarzwaldtäler der Wolfach, des Schapbachs, der Kinzig, der Elz, der Glotter. Er versammelte sie gemeinsam vor der überfüllten Wallfahrtskirche oder aus dem Schellenmarkt der Schwarzwälder Hirtenbuben, auf Kirch-, Hochzeits- und Taufgängen. Er stellte sie dar aus scheuen Liebeswegen im "Sommertag" zwischen Korn und Matten, am "Brunnen", über Land zu Markt gehend, betend am Wegkreuz, vor der Kapelle kniend, beim "Tischgebet" in der Mittagsstube, bei der Heuernte, beim Veredeln eines Obstbaumes, bei der Brautschmückung mit dem Schäppel, Kartoffeln schälend in dem durchsonnten, sonst so dunklen Raum der Küche. Er erfaßte die einzelnen Trachtenträger, die Maidle und die Burschen, bildnishaft, wobei er Einzelheiten der Kleidung liebevoll, doch nicht kleinlich behandelte.

Da er immer nur diese Bauern vor ihren angestammten Höfen in ihrer angestammten Landschaft, in ihrer angestammten Gewandung gestaltete, glaubten sie ihm und seiner m stiller Eindringlichkeit beratenden Frau und blieben stolz dem Ererbten treu, trotz der Lockung des Städtischen. Sie alle betrachteten bald den "Hergeloffenen", wie es hierzulande heißt, als zu ihnen gehörig.

Hasemanns Bildwerke, durch Käufer in alle Welt wandernd, warben auch für die Landschaft und das Volkstum Freunde in aller Welt. Gutach wurde, ehe es sich versah, nicht nur eine Malerkolonie sondern auch ein Anziehungspunkt für Landschaftsfreunde. Hinzu kam, daß Wilhelm Hasemann nachweislich anfangs der 90er Jahre die ersten Künstlerpostkarten in Deutschland herstellte. Es ist sicher, daß die unzähligen kleinen Bruckmann-Drucke nach seinen Bildern im In- und Ausland eine hohe Werbekraft für den Schwarzwald hatten und natürlich auch, da sie eine unerwartet reiche Nachfolge in künstlerischen Postkarten hervorriefen, dazu beitragen, den unwürdigen Kitsch auf dem deutschen Kartenmarkt zu verdrängen.

Zahlreich wurden die besten Gemälde Hasemanns von alten Schwarzwälder Sippen in der Stadt gekauft. Seine Malweise ist unaufdringlich in der Technik, wohlüberlegt. Die starke Leuchtkraft der Farben beweist, wie sehr er ursprünglich Maler ist, er zeichnet nicht malend oder malt zeichnend, dennoch tut er jedem das Seine. Verwischte Körperhaftigkeit, rascher Eindruck des nur Farbigen dient ihm nur als Notiz. Als Zeichner war er bienenfleißig und ins Einzelne gehend äußerst gewissenhaft. Er übte und lernte das Sachliche erst umreißen und formen, ehe er ans Schöpferische ging. Sein Handwerk verstand er. Er beherrschte Formen und Farben, daher die Ehrlichkeit und Frische seiner Bildwerke. Die festliche Wirklichkeit seiner Darstellungen steht nicht im Gegensatz zur rauhen Wirklichkeit; denn sie ist nicht aus Schönfärberei und Schöntuerei eine harmonische Wirklichkeit, sondern aus der Schau- und Werkfreude eines meisterlichen Geistes. Sie klären die Wirklichkeit so, daß sie geschönt erscheint, ohne verlogen zu sein.

Hasemann hat, nicht nur weil er ein Mensch von adeliger Haltung und bescheidener Liebenswürdigkeit war, unvergeßlich die Herzen seiner Gutacher gewonnen, er hat sie als Teil des alemannischen, des oberrheinischen Volkstums mit volksverwandter Kraft und künstlerischer Eindringlichkeit in ihrem Raum, beispielhaft für alle anderen deutschen Volkstumsräume, dargestellt.

Hasemann hat im Volk selbst unaufdringlich erzieherisch gewirkt, auch zu jungen Malern hat er ein warmes Lehrverhältnis gehabt. Er besaß Schüler und Schülerinnen.

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Flößer 1887

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Dorfgasse 1894

Professor von Hochberg an der Akademie in München zählt unter anderen dazu, auch der Freiburger Maler und Zeichner Steinel. Hasemann hat vielen Künstlern durch sein erfolgreiches Schaffen, seine leuchtende und quellfrische Freilichtmalerei (kühn bisweilen wie in der Darstellung der lohend goldenen Ginsterhalde mit dem Hirten, und feintönig in der verhaltenen Kraft eines Vorfrühlingsabends im Schwarzwald, in der nur Grün und Braun abgewandelt werden auf geradezu ausgeklügelte Weise) eine fast unbekannte Welt erschlossen, als Gesundbrunnen jener deutschen Landschaftsmalerei, die nicht anspruchsvoll ist, aber darum doch kostbar und köstlich.

Zur Künstlerkolonie Gutach zählten auch zeitweilig die Maler Grässel, Viktor Puhonny, Des Coudres und andere. Curt Liebich machte sich dort ansässig. Sie zogen durch ihre Bilder auch Erbolungssuchende an. Bald wurde das stille Tal vom Atem der Welt durchweht. Aus aller Herren Länder kamen die Gäste.

Heute noch, nachdem Hasemann seit rund fünfundzwanzig Jahren tot ist, hat vorab das bäuerliche Volk Gutachs, ja des ganzen Kinzigtals eine Überlieferung bewahrt, es erscheint in geschlossenen Trachtengruppen stolz, als wäre das seine gottgegebene Aufgabe, auf den Volksfesten im ganzen Land. Alte, humplige Bauernpaare gehen noch mit und lebfrische Jugend. Wir können am lebendigen Modell feststellen, daß Hasemann den Liebreiz seiner berühmten Bildnisse der Mädchen aus dem Mühlenbachtal durchaus in den natürlichen Grenzen gehalten hat.

Volkstumspflege ist eine Begabung, die der Familie Hasemann zu eigen war aus der Klugheit und Sicherheit ihrer Herzen heraus, das Künstlertum Hasemanns indessen wollen wir entgegennehmen und bewahren als ein Geschenk an das Volk. Hasemann ist ein feiner Gestalter des bäuerlichen Feiertags gewesen, selbst wenn er die Arbeit darstellte; er war selbständig, ehrlich und neidlos in seinen Mitteln und Wegen. In die Geschichte deutscher Malerei hat sich Wilhelm Hasemann als volkstümlicher Meister eingeschrieben durch sein Werk. Da er abseits der Mode schuf, bleibt sein Schaffen nicht als nur zeitgenössische Kunst einer Vergangenheit wertvoll. Es zeigt überzeitliche Züge, auch werden sich Landschaft und Volkstum in der malerischen und darstellerischen Grundhaltung nicht so wesentlich ändern, daß die Kunst Hasemanns mit ihrer Zeit hinabsinkt. Ja sie erscheint uns heute im neuen Aufbruch zu den Quellen des reinen Volkseins zeitgemäßer denn je, weil sie auch neben dem künstlerischen Antrieb durch zielhafte Güte und bewußte Zucht den Sieg über das Gewöhnliche davontrug, wie alles Dauernde.

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