Duellpistolenkasten von Schneevoigt in Lahr


abb 01
Text und Fotos: Jürgen Ruoff - Kuratoriumskurier 8 / 2013 - Kurratorium zur Förderung historischer Waffensammlungen e. V.

An Hand dieses reichhaltig ausgestatteten Pistolenkasten sollen Fachbegriffe erläutert werden, die für das Verstehen ähnlicher Darstellungen in der Literatur über Waffen mit Percussionszündung hilfreich sein können.

Der Büchsenmacher

Hergestellt wurde das Pistolenpaar im Kasten von Björn Christoph Heinrich Schneevoigt. Er wurde am 11. Juli 1803 in Itzehoe geboren und am 08.08.1803 protestantisch getauft. Sein Vater war Otto Heinrich Schneevoigt, Büchsenschmied beim hiesigen (in Itzehoe) Dragonerregiment, der 1802 Katharina Elisabetha geb. Svensen, die Tochter des in Kiel ansässigen Büchsenschmieds Björn Svensen geheiratet hatte. Die Lehre absolvierte er in der Zeit vom 24. Juni 1818 bis 24. Juni 1823 beim Büchsenschmied Gädeke in der Stadt Schleswig.

Schneevoigt in Lahr

Um das Jahr 1825 kam Christoph Heinricht Schneevoigt nach Lahr in das Großherzogtum Baden und trat in die Dienste des Schnupftabaksfabrikanten Lotzbeck. Seine im süddeutschen Raum damals fremdländisch anmutenden Vornamen "Björn" hatte er zwischenzeitlich abgelegt. Die Familie Lotzbeck zählte zu den reichsten Einwohnern Badens. Im Jahr 1815 war sie in den bayerischen Freiherrenstand erhoben worden. Im Hause Lotzbeck arbeitete Maria Elisabetha Voßler als Kammerzofe. Diese hatte am 09. Januar 1815 "außerehelich" ein Mädchen (Elisabetha) geboren, das eine uneheliche Tochter eines Mitglieds der Lotzbeck-Familie gewesen sein soll. Als nun Schneevoigt dieses Mädchen (Elisabetha geb. Voßler) am 14. Dezember 1831 heiratete, erhielten die beiden als Hochzeitsgeschenk ein komplett eingerichtetes Haus mit einer Werkstatt von der Familie Lotzbeck. Die Mutter heiratete später den Ludwig Mathias Mick, Bürger, Schuhmacher, Polizeidiener und Ortsbote in Mietersheim bei Lahr. Schneevoigt und seine Frau hatten vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen. Schneevoigt war inzwischen in Lahr zu einer angesehenen Person herangereift.

Er wurde am 09. Juni 1848 dem Lahrer Gemeinderat als Sachverständiger für die Beschaffung von 400 Gewehren für die Bürgerwehr beigegeben, da die "Februar-Revolte" in Paris zu Volksversammlungen und darüber hinaus zu Unruhen alsbald in den süddeutschen Staaten führte. Ferner nahm er als Delegierter Lahrs vom 14. Juli bis 18. August 1848 am ersten deutschen Handwerker- und Gewerbekongress in Frankfurt / M. teil. Er unterzeichnete auch am 10. Februar 1849 den Gründungsaufruf des Lahrer Vaterländischen Vereins, stellte sich jedoch am 25. Juni 1849 beim missglückten Anschlag auf den Zug mit der Staatskasse der zurückweichenden Brentano-Regierung bei Dillingen /Baden als Anführer der Scharfschützen auf die Seite der Revolutionsgegner, um den abgesetzten Lahrer Bürgermeister Ferdinand Groß. Obwohl Schneevoigt in den Quellen als "Fabrikant" bezeichnet wurde, versteuerte er niemals mehr als drei Gehilfen. Er verstarb am 09. Februar 1878 in Lahr, seine Frau am 21. April 1881 ebenfalls in Lahr.

abb 02
2 - Werkzeug

zum Herausdrehen der Schwanzschraube. Dieses findet man sehr selten in Pistolenkästen, da das Öffnen des Laufes das Vorhandensein weiterer massiver Werkzeuge, z.B. eines Schraubstocks zum Einspannen des Laufes voraussetzt und alles in allem eher eine Arbeit für einen Büchsenmacher ist.

3 - Kugelzange

Beim Kugelgießen verbleibt, sofern die Kugelzange nicht über einen automatischen Butzenabschneider verfügt, der beim Öffnen der Zange den Gussbutzen abschert, immer ein Bleibutzen an der Kugel, so auch bei der hier vorhandenen Zange. Daher hat Schneevoigt einen

4 - Butzenabschneider

beigefügt. In diesen wird die Kugel mit dem Butzen nach oben bei geöffnetem Griff hineingelegt, der Griff wird geschlossen und schert den Butzen ab, so dass die Kugel absolut rund ist.

5 - Schraubenzieher

6 - 8 - Pistonzieher oder -dreher mit Räumnadel

Mit diesem Werkzeug kann maßgerecht (ohne ein Abbrechen der Pistonschraube zu riskieren) das Piston aus dem Pistonsockel herausgedreht werden. Gleichzeitig ist im Griff eine Räumnadel eingeschraubt, die ein Freimachen des Pistonzündkanals von Verstopfungen z.B. durch Kupfersplitter des Zündhütchens nach einem Schuss ermöglicht.

7 - Stanzwerkzeug (Pflastereisen)

Abgesehen vom Schützen selbst, setzt sich ein präziser Schuss aus vielen Komponenten zusammen. Voraussetzungen sind: Ein sauberer Lauf, trockenes, richtig gekörntes Pulver, eine präzise Kugelzange, sorgfältig gegossene Kugeln und natürlich ein gefettetes Schusspflaster der richtigen Stärke. Genauso wichtig ist die richtige Größe des Schusspflasters. Diese wird durch das beigefügte Pflastereisen garantiert. Die Pflaster werden in der Regel aus einem Leinenstoff gestanzt.

9 - Laufwischer

Er wird auf den Putzstock (Nr. 16) aufgeschraubt und dient zur Reinigung des Laufes.

10 - Kugelzieher

Auf den Putzstock (Nr. 16) aufgeschraubt dient er zum Ziehen einer im Lauf festsitzenden Kugel.

11 - Schlüssel

Mit diesem Schlüssel kann die im Schwanzschraubenblatt montierte fünfkantige Schraube gedreht werden, um eine Höhenverstellung der Kimme vorzunehmen.

12 - Pulverflasche

Der Ausgießstutzen ist federgerastet und ermöglicht eine genaue Menge Schwarzpulver zu dosieren.

13 - Pulvermaß mit Skalierung

Zum Schießen auf unterschiedliche Entfernungen ist es notwendig, auf eine Messvorrichtung mit Pulvermengenskala zurückzugreifen

14 - Ölflasche

Flakonartige Glasflasche mit eingeschliffenem Stöpsel und silberner Kappe

15 - Ladehammer (Kopf aus Elfenbein)

Nachdem das Schusspflaster zentrisch auf die Laufmündung und darauf wieder genauso die Kugel gelegt worden ist, wird mit dem Hammer die Kugel in den Lauf getrieben. Danach wird der Hammer umgedreht und mit dem anderen Ende wird dann die Kugel vollends in den Lauf hinuntergedrückt, bis sie stramm auf der Pulverladung sitzt.

16 - Putzstock (Knauf aus Elfenbein)

Auf diesen werden die verschiedenen Werkzeuge (Nr. 9 und Nr. 10) jeweils nach Bedarf aufgeschraubt.

17 - Laufabdichtung

Es handelt sich hierbei um eine mit Filz bezogenen Holzstab. Dieser wird in den Lauf geschoben, um einer Verschmutzung vorzubeugen. Der Nutzen wird jedoch in der Literatur sehr in Zweifel gezogen (vgl. Ned. H. Roberts: The Muzzle-Loading Cap Lock Rifle, S. 113: (ISBN 0-87387-080-8).

18 - Fach mit Deckel

In diesen Fächern wurden diverse Kleinigkeiten mitgeführt, z.B. Schusspflaster, Dose mit Zündhütchen, Kugeln 0.d. So liegt in einem Fach des Kastens eine Dose mit zwei neuen, herrlich gebläuten Pistons. Die Unterseite hat eine Kerbe, die des anderen zwei, um eine präzise Zuordnung zur Pistole 1 oder Pistole 2 zu gewährleisten. Die Fachdeckel sind mit einem Elfenbeinknopf versehen.

19 - Zwischendecke

Zum Schutz der hochwertigen Waffen und des Zubehörs legte Schneevoigt noch eine abgesteppte Decke zwischen Kastendeckel und Inhalt.

20 - Ausschlag

In der Regel wurde für den Ausschlag eines Kastens Filz, Leinenstoff, Leder (Wildleder) oder Samt verwendet. Schneevoigt wählte für diesen Kasten violetten Samt.

21 - Kasten

Die Maße sind: 8,5 x 51 x 28 cm. Der Kasten ist mit einem Nussbaumfurnier versehen. In die gebrochenen Kastenkanten sind Ebenholzleisten eingelegt.



Perkussionspistolenpaar

Technische Daten: Länge gesamt 38 cm, Lauf 24,3 cm, Kaliber 9,6 mm (.38), gezogen.

Das Pistolenpaar, das Zubehör und der Kasten sind neuwertig. Die Waffen wurden nur eingeschossen. Dies zeigt die noch vorhandene Bläuung der Pistons und vor allem die absolut glatte Oberfläche der Pistonsockel, die keinerlei Ausbrennungen vorweisen.

abb 03

Lauf:

Achtkantig, geschweift, d.h. der Lauf verjüngt sich in seiner äußeren Form etwas zur Mitte hin und erweitert sich wieder zur Mündung. Seine Seele weist viele Züge auf ("multi-grooved"). Auf der Laufoberseite in Gold signiert: SCHNEEVOIGT IN LAHR.

Auf der Laufunterseite steht die Qualitätsbezeichnung "Engl. Guss-Stahl", die Jahreszahl „1841 die Seriennummer 116 und jeweils die Waffennummer Nr. 1 und Nr. 2. Das Verschlussstück des Laufes ist mit einer Einhakmontur versehen, die ein problemloses Ein- und Ausklinken des Laufs in der Basküle, der Schwanzschraube, ermöglicht. Ferner ist noch der Pistonsockel integriert, in den das Piston eingeschraubt ist, auf welches dann das Zündhütchen gesetzt wird. In der Schwanzschraube ist die mit einem Schlüssel höhenverstellbare Kimme eingearbeitet. In Gold ist die Waffennummer eingelegt.

abb 04
















Auf der Laufunterseite steht die Qualitätsbezeichnung "Engl. Guss-Stahl", die Jahreszahl „1841 die Seriennummer 116 und jeweils die Waffennummer Nr. 1 und Nr. 2. Das Verschlussstück des Laufes ist mit einer Einhakmontur versehen, die ein problemloses Ein- und Ausklinken des Laufs in der Basküle, der Schwanzschraube, ermöglicht. Ferner ist noch der Pistonsockel integriert, in den das Piston eingeschraubt ist, auf welches dann das Zündhütchen gesetzt wird. In der Schwanzschraube ist die mit einem Schlüssel höhenverstellbare Kimme eingearbeitet. In Gold ist die Waffennummer eingelegt.

abb 05















Schloss:

Die Schlossplatte ist rückliegend ausgeführt, um das Schaftholz möglichst wenig durch die Aussparung für die Schlossmechanik zu schwächen. Die Schlossplatte ist leicht gewölbt und trägt die mit Goldbuchstaben ausgeführte Signatur SCHNEEVOIGT IN LAHR.

Eine Schlossgegenplatte ist nicht vorhanden, das Schloss ist von der Gegenseite her nur durch eine Schraube fixiert. Der Abzug besitzt einen französischen Stecher. Durch eine Schraube kann seine Feineinstellung reguliert werden.

abb 06


Schaft:

Der Schaft ist aus erlesenem Nussbaumwurzelholz hergestellt. Der Griff ist mit feinen Längsrillen versehen. Das Schwanzschraubenblatt ist von Rankenschnitzereien umgeben. Den Vorderschaftabschluss bildet eine stilisierte Muschel aus Ebenholz. Der Schieber, der den Lauf im Laufbett fixiert, ist mit ovalen Silberplatten unterlegt und mit der Waffennummer 1 oder 2 bezeichnet. Als Knaufabschluss dient eine beschnitzte Ebenholzscheibe, in die eine Monogramplatte eingelassen ist.

abb 07

Literatur:

Heer: Der Neue St Ockel, Band 1 - 3, Journal Verlag Schwend GmbH, Schwäbisch Hall 1978
Dr. phil Michael Steltz: Auskunft vom 27.10.1996, D - 63263 Neu Isenburg
Norbert Möller: Ein Holsteiner macht Karriere in Lahr. Zugleich Einblicke in das Schützenwesen des 19. Jahrhunderts in: Geroldsecker Land 39 (1997) und Zur Lebenswelt Lahrer Handwerker im Vormärz und Revolution 1848 / 49 - Magisterarbeit (Masch.) Freiburg 1996

zurück