Sicherungsmaßnahmen an der Burgruine Hohengeroldseck bei Lahr/Schwarzwald Von Martin Hesselbacher, Freiburg i. Br.


Sicherungsmaßnahmen an der Burgruine Hohengeroldseck bei Lahr/Schwarzwald Von Martin Hesselbacher, Freiburg i. Br. "Auf dem Rücken des Gebürgsastes zwischen der Kinzig und der Schutter erheben sich, nebeneinander, drey kegelförmige Maßen aus Porphyr bestehend, der auf das frühere Gneisgebürge abgelagert worden. Der nördlichste dieser Kegel wird der Rauhkasten, der mittlere der Geroldsekerberg, der südlichste der Schönberg genannt. Sie bilden mit dem Gebürgsrüken, auf welchem sie ruhen, zwey Einsattelungen zu den Füßen des mittelsten dieser Berge, die eine nördlich, die andere südlich deßelben. Auf seiner Kuppe wurde die Veste Hohengeroldsek erbaut, als der geeignetsten Stelle zur Beherrschung jener beyden Vertiefungen und der durch dieselben ziehenden Weege."

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Abbildung 1: Burg Hohengeroldseck von Süden - Luftaufn. Nr. 4195 UeK 47 - Strähle, Schorndorf/Wttbg.

In dieser anschaulichen Weise schildert Georg Heinrich Krieg von Hochfelden im Jahre 1827 die topographische Lage der Burgruine Hohengeroldseck und man erkennt daraus, daß dieser Burg, die als Denkmal des hohen Rittertums aus der Mitte des 13. Jahrhunderts gewertet werden darf, eine einmalige landschaftliche Situation eigen ist. Sie ist das Idealbeispiel einer Gipfelburg, bei welcher die Erbauer, die Herren von Geroldseck, deren Namen die Burg trägt, den geographisch günstigsten Punkt ihres Herrschaftsbereiches mit bester Verteidigungsmöglichkeit auf einem hohen Berge (525 Meter ü. M.) zur Errichtung ihres Wohnsitzes auserkoren haben. Aus weitem Umkreis von den Höhen des Schwarzwaldes, aber auch von der Rheinebene und jenseits von den Vogesen her ist Hohengeroldseck zu sehen. Umgekehrt kann von ihren Mauerkronen ein großartiger Rundblick über die Schwarzwaldlandschaft und die Rheinebene genossen werden. Es ist daher gewiß begreiflich, daß die Burgruine von jeher ein besonderer Anziehungspunkt war und daß das Burgeninteresse, welches im Gefolge der Romantik erwachte, sich auf dieses bedeutsame Bauwerk lenkte. Dabei muß dem Schwarzwaldverein, Ortsgruppe Lahr, das Verdienst zugerechnet werden, sich schon vor rund 90 Jahren der Ruine angenommen und den Zerfallsprozeß zum Stillstand gebracht zu haben, der mit der gewaltsamen Zerstörung der Burg 1689 begann und durch die Ausbeutung als Steinbruch für die umliegenden Dörfer begünstigt wurde.

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Abbildung 2: Burg Hohengeroldseck - Grundriß der Gesamtanlage gezeichnet von Georg Heinrich Krieg von Hochfelden
1826 veröffentlicht in Fr. J. Mones "Badischem Archiv zur Vaterlandskunde", Karlsruhe 1827 bei G. Braun

Legende:
a: Erstes Tor (zur Vorburg) - b: Zweites Tor mit Zugbrücke (zum Vorwerk) - c: Vorwerk - d: Drittes Tor (zur Niederburg) - e und f: Wirtschafts­ und Wohngebäude der Niederburg - g: Ruprechtstock - h: Vermutlicher Verteidigungsturm (nicht nachgewiesen) - i: Hinteres Haus (Palasgebäude) - k: Hof der Oberburg - l: Vorderes Haus (Palasgebäude) - m: Vermutliche Kelter im Vorderen Haus - n: Eingangstor zur Oberburg - o: Zugbrücke zur Oberburg - p: Hauptzugangstreppe zur Oberburg - q: Brunnenhaus in der Niederburg - r: Wendeltreppe vom Brunnenhaus zur Oberburg - s: Gang unter der Hauptzugangstreppe von der Wendeltreppe zum vorderen Haus - t: Tor, um die Hauptzugangstreppe zu schließen - u: Wendeltreppentürme zum Vorderen - und Hinteren Haus, dazwischen der "Hohe Mantel" - v: Später (1693) geöffneter Durchgang von der Niederburg zu den Verschanzungen - w: Wall vom Jahre 1693 im Zuge der mittelalterlichen Vorburgmauern - x: Glacisförmige Verschanzungen von 1693

Da jedoch die dringend notwendigen baulichen Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des ganz auf freiwillige Leistungen angewiesenen Schwarzwaldvereins weit hinausgingen, leitete im Jahre 1891 der damalige Großherzogliche Konservator der Öffentlichen Baudenkmale, der Geheime Oberbaurat Philipp Kircher, ein großzügiges, sich über zehn Jahre erstreckendes Bauprogramm zur Substanzerhaltung der Hohengeroldseck ein. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden große Teile der bis dahin unter Trümmerschutt vergrabenen Mauerzüge der "Niederburg", des "Vorwerks" usw. freigelegt, so daß man sich erst damals ein wirkliches Bild von der großartigen und zugleich sinnvollen Anlage machen konnte. Kircher hat sich dabei der Pläne Kriegs von Hochfelden bedient, welche dieser seinem Bericht von 1827 beigegeben hatte.

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Abbildung 3: Aufn. Bildarchiv StAfD Karlsruhe - Burg Hohengeroldseck von Nordosten - 1604 von Johann Peter Müller, älteste bekannte Darstellung der Burg,
höchstwahrscheinlich aus der Erinnerung gemalt, da sie nach dem heutigen Stand der Forschung verschiedene Unrichtigkeiten enthält: z.B. ist das Vordere
Haus (rechts) als Winkelbau gezeichnet, was in Wirklichkeit nie zutraf.

Zu den Plänen gab Krieg von Hochfelden folgenden Kommentar: "Als Leitfaden diente uns, in diesem Labyrinthe von Trümmern, ein alter gezeichneter Plan vom Jahre 1693, der uns zufällig in die Hände fiel, und worauf ein Oesterreichischer Ingenieur­-Offizier von Beaulaincourt, die Feldbefestigungen entwarf, wie solche noch jetzo bestehen. Wir theilen ihn hier mit, nachdem wir ihn an Ort und Stelle verglichen und ergänzten."

Da die Kircherschen Ausgrabungen die Richtigkeit der Kriegschen Pläne in bezug auf bisher nicht sichtbare Mauerteile bestätigten, soll hier der Grundriß der historischen Zeichnung Kriegs von Hochfelden aus dem Jahre 1826 wiedergegeben werden (Abbildung 2). Die von Krieg beigegebene Legende beruht jedoch nur auf Mutmaßungen und deshalb decken sich seine Bezeichnungen nicht in jeder Hinsicht mit den Feststellungen Kirchers bezüglich der tatsächlichen Funktion der einzelnen Gebäude. Die Legende mußte daher neu gefaßt werden. Die von Krieg im Plane eingetragene Buchstabenfolge wurde jedoch beibehalten.

Kircher erhielt für seine Bemühungen die finanzielle Unterstützung der Großherzoglichen Regierung, der Fürsten von der Leyen­-Hohengeroldseck als Eigentümer der Burg, der Stadt Lahr, des Schwarzwaldvereins und vieler an der Erhaltung der Burgruine interessierter Persönlichkeiten und Institutionen. Nach Abschluß der damaligen Maßnahmen übernahm wieder der Schwarzwaldverein allein die Betreuung der Burg, dessen Mitglieder sich unter Aufwendung von viel Zeit und Geld dieser dankenswerten Aufgabe gewidmet haben. Vor allem schützten sie die Burg gegen weitere mutwillige Zerstörungen.

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Abbildung 4: Von Nordwesten - 1645, Johann Jacob von Grimmelshausen zugeschrieben

Um aber das Interesse an der Hohengeroldseck in noch breiterer Öffentlichkeit, namentlich innerhalb des Landkreises Lahr, zu intensivieren und es auch künftighin wachzuhalten, wurde auf Initiative von Landrat Dr. Wimmer, Lahr, im Sommer 1958 der "Verein zur Erhaltung der Burgruine Hohengeroldseck" ins Leben gerufen. Diese Vereinigung, welcher die meisten Gemeinden des Landkreises Lahr, öffentliche Körperschaften, Industrieunternehmen sowie Privatpersonen angehören, hat sich gemäß § 2 seiner Satzungen zur Aufgabe gestellt, "in freiwilliger Unterstützung der Staatlichen Denkmalpflege die Burgruine Hohengeroldseck baulich zu pflegen und vor dem Verfall zu bewahren. Er will darüber hinaus dazu beitragen, die Bestrebungen zur Erhaltung der schutzwürdigen Baudenkmäler des Landkreises Lahr wirksam zu fördern". Aus den zahlreichen im Zusammenwirken dieses Vereins mit der Staatlichen Denkmalpflege und der beauftragten Bauunternehmung Glatz, Reichenbach, inzwischen durchgeführten Arbeiten seien hervorgehoben: Der Neubau der Hauptzugangstreppe zur Oberburg, die Erhaltung einsturzgefährdeter Teile der Ringmauer sowie die Ausräumung des Palas von Trümmerschutt und Erdreich.

Durch die letztgenannte Maßnahme konnten der seit der Zerstörung der Burg verschüttete Fußboden und die Mauerzüge des Erdgeschosses im Palas freigelegt werden, womit gleichzeitig auch hier die Richtigkeit der Beaulaincourtschen Pläne in bezug auf die Raumaufteilung bestätigt worden ist. Als die zur Substanzerhaltung des Palas bisher wichtigste Maßnahme ist aber die im kalten Frühjahr dieses Jahres (1963) vorgenommene Sicherung des Felsensockels zu bezeichnen, der das natürliche Fundament der Oberburg bildet. Diese von der Spezialfirma Sänger & Lanninger, Baden­Baden (vormals Deutsche Tunnel­Baugesellschaft), durchgeführte Arbeit war unerläßlich, um die Standsicherheit der Ostwand des Palas für die Zukunft zu gewährleisten. Der östliche Palas, zum Unterschied von den anderen Bauwerken der Oberburg auch "das Hintere Haus" genannt, bildet die charakteristische Silhouette der Burg. Ohne seine wahrhaft gewaltigen kubischen Abmessungen würde die Burg als Baudenkmal wesentlich an Bedeutung einbüßen (Abb. 9).

Dem Bericht über diese auf dem Sektor des Bauingenieurwesens liegende Maßnahme soll eine Beschreibung der Burg vorangestellt werden.

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Abbildung 5: Burg Hohengeroldseck - Rekonstruktion - Vogelschaubild von Norden 1906 im Auftrag des Konservators der öffentlichen Baudenkmale Geh.
Oberbaurat Philipp Kircher, aufgrund örtlicher Bauaufnahmen und mit Verwendung historischer Darstellungen und Pläne angefertigt. Die glacisartigen
Schanzen wurden nachträglich von Steinhart eingefügt.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts waren die Herren von Geroldseck das mächtigste Adelsgeschlecht in der Ortenau. (Sie dürfen nicht verwechselt werden mit dem ebenfalls dynastischen Geschlecht der Herren von Geroldseck am Wasichen [bei Zabern, Nordelsaß], den Kastenvögten des Klosters Mauersmünster. Beide Geschlechter führen völlig verschiedene Wappen. Sie haben aber beide dem hochadeligen Domstift zu Straßburg Canoniker und Bischöfe gestellt.) Die hervorragendste Persönlichkeit unseres rechtsrheinischen Geschlechts war Walter I. von Geroldseck (1200 bis 1277), der in einem reicherfüllten Leben drei bedeutsame Bauwerke geschaffen hat: Die namenweisende Burg am Schönberg, der unsere Betrachtung gewidmet ist, die "Tiefburg" in Lahr, die als Meisterwerk mittelalterlicher Kriegsarchitektur galt und die den Eingang in das Schuttertal beherrschte, und schließlich die "Stiftskirche" in Lahr, die, wie das Gotteshaus des Klosters Allerheiligen im Lierbachtal und das Freiburger Münster, zu den frühesten Bauten der Gotik im deutschen Südwesten gehört (vgl. Lacroix/Niester, Kunstwanderungen in Baden, S. 183). Während des Ersten Weltkrieges durchgeführte Grabungen ergaben, daß die bis dahin nur auf Gewannamen und wenigen unklaren urkundlichen Belegen beruhende Überlieferung, daß die Geroldsecker zuerst eine Burg auf dem benachbarten "Rauhkasten" besaßen, doch auf realen Grundlagen fußt. In der Unwirtlichkeit dieses 115 Meter höheren Bergrückens, in seiner schweren Zugänglichkeit und in der nahen Grenze des Herrschaftsbezirkes lassen sich wohl die Gründe suchen, die Walter I. veranlaßt haben mochten, den zentraler gelegenen und günstiger zu erreichenden mittleren Bergkegel zum Bau eines neuen, repräsentativen Wohnsitzes zu bestimmen. Zudem bot sich die natürliche Struktur dieser Kuppe der in jener Zeit zu größerer Vollendung gelangten Burgenbautechnik in idealer Weise an. Der aus seiner unmittelbaren Umgebung 75 Meter steil emporwachsende Felsberg hat die Form eines Kegelstumpfes mit mehreren plateauartigen Abtreppungen. Die beiden historischen Darstellungen aus dem Anfang und der Mitte des 17. Jahrhunderts sowie das auf Veranlassung Kirchers aufgrund genauer Vermessungen gefertigte Vogelschaubild zeigen die geschickte Art und Weise, wie Walter I. die natürlichen Geländeverhältnisse auszunutzen verstand, um eine autarke und verteidigungsfähige Burg entstehen zu lassen (Abb. 5)

Wie F. X. Steinhart in seiner Beschreibung der Hohengeroldseck im Jubiläumsheft der "Ortenau" (1934) unter Hinweis auf das Urkundenmaterial betont, ist bemerkenswert, daß die ganze Burganlage zu Lebzeiten Walters I. in einheitlicher Planung erbaut und auch fertiggestellt worden ist.

So wurde das oberste Plateau des Berges zum Bau der Oberburg, dem eigentlichen Wohnsitz der Burgherrschaft, benutzt. Sie bestand aus zwei Palasgebäuden, deren unregelmäßige Grundrißformen bedingt waren durch den Geländeverlauf, indem der gesamte zur Verfügung stehende Platz bis zum Steilabsturz der Felsen ausgenutzt worden ist. Dabei darf man sich dieses Plateau in seinem ursprünglichen Zustand nicht als eine ebene Fläche vorstellen. Die starken Unebenheiten wurden beim Bau der Burg durch Absprengungen des Gesteins und Auffüllungen ausgeglichen. Die einspringenden Klüfte der Felsen aber wurden, um die starken Burgmauern in einigermaßen gleichen Fluchten errichten zu können, durch mächtige Sprengbögen überwölbt. Entsprechend ihrer Lage, bezogen auf den von Nordwesten zur Oberburg hinaufführenden Zugang, hießen die Palasgebäude "das Vordere und das Hintere Haus". Trotz kurzem zeitlichem Abstand in der Entstehung wurden sie urkundlich auch "das nuwe huss" und "das ander alt huss uff dem Velsen" bezeichnet.

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Abbildung 6: Aufn. Bildarchiv StAfD Karlsruhe - Burg Hohengeroldseck, Die Oberburg von Süden Bauaufnahme-Zeichnung 1905 von Konservator
der öffentlichen Baudenkmale, Geh. Oberbaurat Philipp Kircher

Die beiden Palasgebäude waren durch zwei starke Wehrmauern miteinander verbunden, mit denen sie den Burghof bildeten. Die südliche dieser beiden Mauern, genannt "der Hohe Mantel", war wesentlich höher als die nördliche. Sie reichte mit dem Dach ihres Wehrgangs bis zu den Traufen der Palasdächer und bildete also mit den Palasgebäuden, von Süden her gesehen, eine bauliche Einheit. Während die historischen Ansichten die Burg einmal von Nordosten (J. P. Müller) und zum anderen von Nordwesten (Grimmelshausen) zeigen und die Kirchersche Rekonstruktion die Blickrichtung etwa dazwischen gelegt hat, also aus Norden, gibt es außer einer Bauaufnahme der Ruine von Kircher keine Darstellung der einstigen Burg von der Gegenseite her, also von Süden bzw. Südwesten. Weil aber die Burg gerade aus dieser Richtung gesehen im kontinuierlichen Ablauf ihrer geschlossenen Baumassen - Vorderes Haus, Hoher Mantel, Hinteres Haus- einen besonders imponierenden Eindruck gemacht haben muß, wird hier versucht, in einer Rekonstruktionszeichnung die Südansicht der Oberburg darzustellen (Abb. 7).

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Abbildung 7: Burg Hohengeroldseck von Süden - Rekonstruktionsversuch der Oberburg. Zustand kurz vor der Zerstörung 1689 links das Vordere Haus, rechts das Hintere Haus, beide verbunden durch den Hohen Mantel. Links und rechts am Anschluß des Hohen Mantels an die Palasgebäude die Treppentürme, genannt „die Greten“ in bewußter Abweichung von den Darstellungen J. P. Müllers und J. J. von Grimmelshausen zeigen die beiden Treppentürme wesentlich größere Höhenmaße. Diese sind beim rechten (östlichen) Turm belegt durch den Bestand des teilweise noch bis zum Helmgesims erhaltenen Ruinenmauerwerks. Die Höhe des linken (westlichen) Turms wurde in Anlehnung an die genauen örtlichen Untersuchungen F. X. Steinharts in Verbindung mit der Kircherschen Rekonstruktion angenommen. Ganz links der ehemalige Hauptzugang zur Oberburg

Eindrucksvoll ist die über fünfzig Meter lange Front der Oberburg mit den rund siebzehn Meter hohen Palasgebäuden, deren steile Dächer von Staffelgiebeln eingefaßt sind. Dem Betrachter werden sofort die "Sprengbögen" auffallen, welche das Mauerwerk über die Klüfte hinweg tragen. Hinter dem Hohen Mantel ragen die Pyramidendächer der beiden Treppentürme, genannt "die Greten", empor, die jeweils in den Ecken zwischen den Palasgebäuden und dem Hohen Mantel stehen. Der Burgenforscher Graf Hubert von Waldburg­-Wolfegg bezeichnet diese beiden Treppentürme der Hohengeroldseck als baugeschichtliche Besonderheit, denn "sie nehmen die in der Renaissance üblichen Außentreppen um dreihundert Jahre vorweg".

Der östliche von ihnen ist in jüngster Zeit wieder bis zur Mauerkrone des hinteren Hauses besteigbar gemacht worden. Damit konnte eine störende Eisentreppe entfernt werden, die man zu Beginn dieses Jahrhunderts an dessen Südwand hochgeführt hatte. Die Rekonstruktion der Oberburg von Süden läßt gegenüber den historischen Ansichten viel stärker die Tatsache in Erscheinung treten, daß die Hohengeroldseck überhaupt keinen "Bergfried" hatte, jenen wichtigsten und solidesten Teil der Wehrbauten, der gleichzeitig als Wartturm (Ausguck) wie als Standort für die Verteidiger und als Rückzugsort für die Burginsassen zu dienen hatte (Piper). Steinhart begründet das Fehlen des Bergfrieds damit, daß bei der frei auf einem Bergkegel stehenden Burg eben kein Bedürfnis für den Bau eines Bergfrieds vorhanden war. Dagegen könnte man die beiden Palasgebäude in ihrer starken Vertikalstruktur quasi als "Wohntürme" charakterisieren, die Piper als ein Mittelding zwischen Palas und "Berchfrit" bezeichnet. Zum besseren Verständnis wird dieser neuen Rekonstruktion der Oberburg die Kirchersche Bauaufnahmezeichnung vom Jahre 1905 gegenübergestellt (Abb. 6 <- >7).

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Abbildung 8: Wappen der Herren von Geroldseck - Relief auf der Tafel, die heute über dem Eingang vom
oberen Burghof zum Hinteren Haus angebracht ist - Kopie einer Bauaufnahme-Zeichnung im Archiv des
StAfD Karlsruhe. Beide Helmzieren gehören zu Hohen-Geroldseck; die eine Seite weist nicht, wie mitunter
zu lesen ist, auf Sulz am Neckar hin (Redaktion)

Beide Palasgebäude hatten vier Vollgeschosse, die beim "Hinteren Hause" in Höhe und mutmaßlicher Einteilung auch für die Obergeschosse heute noch erkennbar sind, so an den Fensternischen, an den Mauerlöchern für die Auflager der Deckenbalken, an den Steinkonsolen für die Deckenunterzüge sowie an einem offenen Kamin in der westlichen Giebelwand. Demnach diente das Erdgeschoß als Magazin für Proviant und als Lager für Waffen und sonstiges Kriegsgerät. Im ersten und dritten Obergeschoß befanden sich die Wohnungen der Burgherrenfamilie, während das zweite Obergeschoß vermutlich ganz vom Rittersaal als Hauptrepräsentationsraum eingenommen worden ist. Die Unterschiedlichkeit in der Verwendung der Geschosse ist am Äußeren des Gebäudes in der Befensterung deutlich ablesbar. Besonders klar tritt dies bei der Ostwand in Erscheinung, die deshalb in der Abbildung gezeigt wird (Abb. 9).

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Abbildung 9: Burg Hohengeroldseck - Das romantische Bild zeigt den vor etwa 120 Jahren noch besser
erhaltenen Treppengiebel der Ostwand des Hinteren Hauses, gesehen vom Ruprechtstock aus
Stahlstich gez. u. gest. im Atelier von C. Frommel, Karlsruhe

Das Erdgeschoß hat nur zwei schmale schießschartenartige Schlitze, die wahrscheinlich nicht der Verteidigung dienten. Jedenfalls befinden sich hinter ihnen, in dem 1,74 Meter starken Mauerwerk, keine Schießkammern. Die Fenster der drei Obergeschosse sind auf eine Achse geordnet, die nur um ein Weniges von der Mittelachse des Gebäudes abweicht. Die Wohngeschosse haben je ein zweifachgekuppeltes Fenster im Rechteckformat. Der Rittersaal hingegen ist, entsprechend seiner Vorrangstellung, mit zwei Fenstergruppen ausgestattet, welche beide aus dreifachgekuppelten gotischen Lanzettfenstern bestehen. Bei der Größe der Gebäudewand sind die Fenster der drei Obergeschosse auf verhältnismäßig kleinem Platz zusammengedrängt. Sie zeigen ganz deutlich, daß es sich hier nicht um eine willkürliche Anordnung gehandelt hat, sondern daß ihnen ein hervorragender Gestaltungswille zugrunde lag. Die nahe Beziehung der Geroldsecker zu Straßburg mag hier schon bei der Gesamtkomposition eine Rolle gespielt haben. Denn dieser turmartige Aufbau der Ostwand, wie organisch herausgewachsen aus dem Felsensockel, mit seinem an Ort und Stelle gewonnenen kleinformatigen Mauerwerk aus Porphyr und der Einfassung seiner Gesimse, Gebäudekanten und Fensteröffnungen mit behauenen Sandsteinen und schließlich mit seinem hohen, leider nur noch in Bruchstücken vorhandenen Treppengiebel kann wahrhaftig als eine gigantische Architektur angesprochen werden. Es ist sehr zu bedauern, daß das "Vordere Haus" der Unbill der Zeiten zum Opfer gefallen und nur noch in wenigen Mauerresten vorhanden ist. Trotz des geringen Bestandes ist eine reichere Gestaltung seiner Fassaden feststellbar. Während das "Hintere Haus" nur einmal, und zwar in Brüstungshöhe der Fenster des zweiten Obergeschosses durch einen Rücksprung mit Gesims horizontal gegliedert ist, hatte das Vordere Haus eine mehrfache Gliederung mit Gesimsen. Wingenroth und Steinhart widerlegten die bis dahin geltende Ansicht, daß das Vordere Haus erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts, also rund 150 Jahre später, als das Hintere Haus erbaut worden sei. Der Grund für die Errichtung des zu Lebzeiten Walters I. zum mindesten noch im Rohbau fertig gewordenen zweiten Palasgebäudes will Steinhart in dem Wunsche des Burgherrn nach "größerer Wohnlichkeit und erhöhter Eleganz" finden. Doch kann der zweite Palas auch als Wohnhaus für eine zweite Familie des Geschlechtes von Geroldseck bestimmt gewesen sein. Die Übereinstimmung der Steinmetzzeichen sowie konstruktiver und formaler Einzelheiten zwischen dem Vorderen Haus und der noch unter Walter I. errichteten Tiefburg in Lahr, die heute noch am dortigen Storchenturm erkennbar sind, lassen die Erbauungszeit in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts ziemlich genau fixieren.

Das Verbindungsglied zwischen der Oberburg und der auf dem nächstunteren Plateau gelegenen Niederburg war neben der Zugangstreppe die Wasserversorgungsanlage, die als ein im Sinne geschickter Verteidigungsmöglichkeiten erdachtes Meisterstück zu bezeichnen ist. Zunächst wurde senkrecht durch das Felsgestein ein Schacht getrieben, bis in 65 Metern Tiefe die natürliche Ansammlung des durch die Klüfte eingedrungenen Oberflächenwassers erreicht war. Über diesem Schacht wurde ein mit starken Mauern und Schießscharten zur direkten Feindabwehr ausgestattetes Gebäude errichtet. Die heute noch vorhandene direkte Treppenverbindung vom Brunnenhaus zum untersten Geschoß des Vorderen Hauses zeigt, daß der Wassertransport zur Oberburg völlig gedeckt gegen einen in die Niederburg etwa schon eingedrungenen Feind möglich war. Der Wert dieser Anlage ist daran zu ermessen, daß der eigentliche Hauptzugang zur Oberburg nur über die gegen den Feind ungeschützte Freitreppe führte und daß er im Gefahrfalle durch Hochziehen der Zugbrücke völlig unterbrochen werden mußte. Diese Zugbrücke befand sich an der gleichen Stelle, an welcher in jüngster Zeit auf Veranlassung des Schwarzwaldvereins, um die Oberburg gefahrlos erreichen zu können, eine Stahlbetonbrücke über die Felskluft geschlagen worden ist, die durch einen Bogen aus vorhandenem Porphyrgestein nach außen kaschiert wurde.

Und nun zur "Niederburg"! Sie hatte mehr die Struktur einer Zwingeranlage, die allseits von einer Ringmauer mit Wehrgang umgeben war. Die beachtliche Höhe dieser Mauer von durchschnittlich neun Metern konnte an einigen Stellen ermittelt werden, an denen sie noch bis zu den Schießscharten erhalten ist. Die historischen Ansichten zeigen, daß die Ringmauer jeweils an den Ecken mit Erkerausbauten verstärkt war, damit das Vorgelände überwacht und bestrichen werden konnte. Ansonsten standen im Zwinger, in gleicher Weise wie im Hof der Oberburg, einige zwei­ und mehrgeschossige Gebäude, die der Bewirtschaftung des umfangreichen Gemeinwesens dienten, das sich als Burgherrschaft, als landwirtschaftliches und Bedienungspersonal sowie als Kriegsvolk in der Burg aufgehalten hat. Aus der Einfachheit dieser Nebengebäude fällt der hart in die Südostecke der Ringmauer eingebaute "Ruprechtstock" heraus, der sie als kleiner Wohnturm um ein Geschoß überragte und der bei der Erbteilung nach Walters I. Tod als gemeinsamer Besitz der Erben zu gelten hatte. Die Kirchersche Rekonstruktion läßt den Ruprechtstock deutlich in Erscheinung treten. Auch auf der historischen Darstellung J. P. Müllers ist er zu sehen. Da auch die von Beaulaincourt und Krieg von Hochfelden angefertigten Bestandspläne der Burg den Ruprechtstock in Situation und Größe angeben, erscheint es unverständlich, daß Wingenroth seine Existenz an dieser Stelle in Zweifel zog. Die Transportmöglichkeiten des Mittelalters bestimmten die Anlage des Zugangsweges zu einer Burg. Es mußte der für Mensch, Tier und schwerfälliges Fuhrwerk verhältnismäßig bequemste Weg ausfindig gemacht werden. Da dieser naturgemäß auch für die Feindannäherung am günstigsten war, bedurfte er besonders sorgfältiger Absicherung.

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Abbildung 10: Burg Hohengeroldseck - Hof der Oberburg, links Teil der Westwand des Hinteren Hauses, östlicher
Wendeltreppenturm und rechts Hoher Mantel - Aufn. Lala Aufsberg, Sonthofen im Allgäu, Bildarchiv StAfD Freiburg i.Br.

Man gelangt über einen auf der Westseite des Burgberges hinaufführenden Weg bis zu einem wesentlich tiefer als die "Niederburg" gelegenen Plateau, das nach Wingenroth schon von Anbeginn an in den Verteidigungsbereich als "Vorburg" mit Tor und Wehrmauern einbezogen war, wie dies auch die Zeichnung Grimmelshausen belegt und in der Kircherschen Rekonstruktion wiedergegeben worden ist. In der äußersten Nordwestecke dieser Vorburg, von ihr durch einen künstlichen Graben getrennt und daher nur über eine Zugbrücke erreichbar, lag der Haupteingang der Burg, das sogenannte "Vorwerk". Von den beiden Toren des Vorwerks ist heute nur noch das untere Tor erhalten, während die Mauern der Vorburg völlig verschwunden sind; denn ihr Steinmaterial war nach der Zerstörung der Burg am günstigsten in die umliegenden Dörfer abzutransportieren. Daß bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Gepflogenheit, die Burg als Steinbruch zu benützen, bestanden hat, bestätigt der ironische Bericht Kriegs von Hochfelden, der über den Zugangsweg folgendes schrieb:

"Ein einziger Weeg, bey guter Jahreszeit nur mühesam mit Ochsen zu befahren, führt unter mancherley Krümmungen auf den Gipfel. Die Anwohner bedienen sich seiner zum Transporte der Bausteine, die sie oben am Schloße brechen."

Am Haupteingang hatte die Ringmauer der Niederburg mit dem über das Tor hinwegführenden Wehrgang die beachtliche Höhe von zwölf Metern! Vom unteren Tor führte der Zugang in einem sich bergwärts stark verengenden Raum zwischen beiderseitigen hohen Mauern mit Wehrgängen zum zwölf Meter entfernten oberen Tor. Der in das Vorwerk eingedrungene Feind konnte also von drei Seiten bekämpft werden. Kircher zeigt, wie das untere Tor eigens durch einen kräftigen Eckpfeiler mit aufgesetztem Turm gesichert war, von dem aus die Verteidigung von Vorburg und Vorwerk geleitet werden konnte. Steinhart hat dem Kircherschen Plan die glacisartigen Schanzen angefügt, die von den Österreichern erst 1693 auf der Höhe der Niederburg zwischen den Ringmauern und den Steilabstürzen der Felsen angelegt worden sind. Es war dies der erste Abschnitt des beabsichtigten Ausbaues der damals schon zerstörten Hohengeroldseck zur Festung. Sie sollten jedoch nicht mehr in Aktion treten, denn durch den Frieden von Ryswiik 1697 wurde die Burg als Objekt der Landesverteidigung ausgeschieden. Es wird hier darauf verzichtet, die wechselvolle Geschichte der Burg nach ihrer Erbauung darzustellen. Sie spiegelt den Niedergang eines ursprünglich hochbedeutenden Dynastengeschlechtes wider. Der Hinweis mag genügen, daß die Burg oftmals Schwerpunkt in den Streitigkeiten war, in welche die Territorialherren immer wieder verwickelt wurden. So mußte sie im Jahre 148­6 nach sechswöchiger Belagerung, in deren Verlauf die Ringmauer der Niederburg durch Beschießung schwer beschädigt wurde, von Diebold II. von Geroldseck an die Verbündeten des Pfalzgrafen Philipp übergeben werden. 

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Abbildung: 11 - Burg Hohengeroldseck - Das Hintere Haus Ost- und Nordwand, Aufn. Lala Aufsberg,
Sonthofen im Allgäu Bildarchiv StAfD Freiburg i.Br.

An die Zeit eines letzten Wiederauflebens landesherrlichen Glanzes erinnert noch die große Wappentafel an der Hofwand des Hinteren Hauses, die einstens bei der "Enttrümmerung" der Burg nach dem nahen Prinzbach verschleppt worden war und vom Schwarzwaldverein aber wieder zurückgeholt wurde. Der Inhalt des umfangreichen Schrifttextes der Tafel bezieht sich auf die in den Bereich der Sage zu verweisende Gründung der Burg durch den angeblichen Schwabenherzog Gerold. Beachtenswert ist das plastisch aus dem Sandstein herausmodellierte Wappen der Herren von Geroldseck (Abb. 8). Der stolzen Feste blieb das Schicksal leider nicht erspart, von den Franzosen eingenommen und am Dreikönigstag 1689 in Brand gelegt zu werden.

In den Akten des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege in Freiburg befindet sich das Protokoll einer Begehung der Burg zur Feststellung baulicher Mängel vom 28. Juli 1950. Unter Ziffer 3 dieses Protokolls wird vermerkt, daß "ein tiefer Riß des Fundamentfelsens unter der östlichen Palaswand ausgegossen und geschlossen werden sollte, damit der Frost keine weiteren Schäden durch Abspringen verursachen kann". Erst zehn Jahre später, anläßlich einer neuerlichen Begehung der Burg, die in der Hauptsache der Besichtigung und Abnahme der inzwischen durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen gegolten hat, wurde dem Felsensockel größere Aufmerksamkeit geschenkt und dabei festgestellt, daß es sich hier nicht nur um einen einzigen, sondern um zahlreiche Risse handelte, die durch ihren nahezu senkrechten Verlauf den Felsensockel in einzelne Platten aufgespalten haben. Da die Gefahr weiterer Aufspaltungen bis unter das Mauerwerk der Oberburg nicht von der Hand zu weisen war, mußte man schließlich für die Standsicherheit der östlichen Palaswand ernstliche Befürchtungen hegen, zumal da deren Höhe weit über das Doppelte derjenigen des Felsensockels beträgt (Abb. 12 und 13). In der Methode, wie dieses schwerwiegende Problem gelöst worden ist, kann man das erfolgreiche Zusammenwirken aller zuständigen Institutionen erkennen. Aufsichtsbehörde - Landratsamt Lahr - Fachbehörden - Geologisches Landesamt Baden-Württemberg und Staatliche Denkmalpflege - sowie die ausführende Spezialfirma - Sänger & Lanninger, Baden­Baden - fanden sich hier zu gemeinsamer Leistung zusammen.

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Abbildung 12: Burg Hohengeroldseck - Sicherungsmaßnahmen am Felssockel der Oberburg - Gewindeköpfe
von vier Zugankern mit Schraubenmuttern und Unterlagsplatten

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Abbildung 13: Burg Hohengeroldseck - Sicherungsmaßnahmen am Felssockel der Oberburg - Gewindekopf
eines Zugankers mit Schraubenmutter und Unterlagsplatte. Links eine austorkretierte Felskluft

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Abbildung 14: Burg Hohengeroldseck - Sicherungsmaßnahmen am Felssockel der Oberburg - Austorkretierte
Klüfte (helle Partien) im Fels unter der Ostwand des Palas (Hinteres Haus). Auf der rechten Bildseite die mit
Porphyr verkleideten Stampfbetonwände - Aufnahmen: Martin Hesselbacher

Um Klarheit über den Gefährlichkeitsgrad zu gewinnen, wurde das Geologische Landesamt um ein Gutachten gebeten, das über den Zustand des Felsensockels unter anderem folgendes aussagte:

"Der Palas steht auf einem als Deckenrest zu bezeichnenden Stumpf aus Quarzporphyr (Ergußgestein des Rotliegenden). Infolgedessen hat das Gestein einen lagigen Habitus, dies bedeutet, daß entsprechend dem Fließen der langsam erkaltenden Schmelze eine Absonderung des Gesteins in ± horizontal übereinanderlagernde Platten eingetreten ist. Neben dieser horizontalen Aufgliederung des gewachsenen Felsens ist noch eine vertikale festzustellen; es handelt sich um senkrechte bis steilschräg durchsetzende Klüfte, welche z. T. tektonisch, z. T. durch Kontraktion des Materials bedingt sind.

Den Schichtfugen, welche die horizontale Plattung bedingen, kommt hinsichtlich der Sicherheit der Ruine keine Bedeutung zu; sie brauchen nicht weiter behandelt zu werden. Auf den Vertikalklüften wird die mechanische Verwitterung durch die Frostsprengung wirksam. Sie kann Ablösung von Gesteinspartien verursachen, was auch schon beobachtet wurde. Die Wirkung der Frostsprengung kann durch organische Sprengung noch gefördert werden (Wirkung der Pflanzenwurzeln!). Solange diese Gesteinsabspaltungen außerhalb der Fundamente des Palas vor sich gehen, besteht keine Gefahr. An einigen Stellen ist jedoch die Abspaltung bis an die Fundamente herangerückt. An ihnen besteht die Gefahr, daß der Vorgang unter die Fundamente der Ruine greift und es schließlich zu überkragenden Fundamenten, also zu Hohlkehlen, kommt. Ihr sollte man steuern."

Die letzten beiden Sätze des hier nur auszugsweise wiedergegebenen Gutachtens (Oberlandesgeologe Dr. Sauer) bestätigten die drohende Gefahr! Rasche Abhilfe erschien daher angezeigt. Die vorgenannte Firma, vom Geologischen Landesamt als für solche Arbeiten besonders qualifiziert empfohlen, nahm die Sicherungen nach folgendem System vor:

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Abbildung 15: Burg Hohengeroldseck - Schnitt durch die Ostwand des Hinteren Hauses mit Darstellung
der. Aufspaltungen im Felsensockel - Zeichnung Martin Hesselbacher

Zunächst wurden insgesamt achtzig Bohrlöcher bis zum gesunden, d. h. noch nicht aufgespaltenen, Felsen getrieben. Ihre Länge richtete sich nach Stärke und Anzahl der durch die Risse aufgespaltenen Porphyrplatten. An den gefährdetsten Stellen, hauptsächlich unter den beiden Gebäudeecken, wurden in diese Bohrlöcher Zuganker aus 25 mm starkem Rundstahl eingeführt, um die Porphyrplatten wieder fest zusammenpressen zu können. Die notwendige Zugspannung wurde auf sinnvolle Weise erreicht. Die Zuganker erhielten jeweils an ihrem in das Felseninnere einzuführenden Ende einen eisernen Spreizdübel und am anderen Ende ein Gewinde. Sobald nun an der Außenseite des Felsens die Schraubenmutter angezogen wurde, spreizte sich der Eisendübel im Innern des Felsens in Gegenrichtung auf über 4 cm auseinander.

Ein Nachgeben des Zugankers während des Spannens wurde daher unmöglich gemacht. Den Schraubenmuttern wurden zur Vermeidung der Kantenpressung eiserne Unterlagsplatten von 12 x 12 cm Größe unterlegt (Abb. 13). Auf diese Weise wurde der Felsensockel an 21 Stellen künstlich gefestigt. In die übrigen 59 Bohrlöcher wurde mittels Preßluft Zementmilch eingetrieben, und zwar so lange, bis sie sich in allen Klüften, Rissen und inneren Hohlräumen verteilt hatte und aus den Spalten an der Oberfläche der Felsen wieder zutage trat. Rund fünf Tonnen Zementmilch mußten hierfür verbraucht werden. Nach der allen Maßnahmen vorausgegangenen Ausräumung des Felsensockels von lockerem Gestein, Erdreich und Wurzelwerk und der anschließenden Zementmilchinjektion wurden alle äußerlich noch sichtbaren Spalten und Fugen mit Zementmörtel torkretiert, dem aber im Sinne möglichster Angleichung an das Felsgestein Sandsteinmehl beigemengt worden ist. Wenn trotz dieser Bemühungen die Torkretierung zunächst noch gegenüber dem Felsgestein farblich absticht (Abb. 14), so braucht dies nicht tragisch genommen zu werden im Hinblick auf die im Laufe der Zeit den ganzen Felsensockel wieder überziehende Patina, welche die von dem reichen umgebenden Baumbestand herübergewehte Mikroflora erzeugen wird.

Die statische Untersuchung der östlichen Felspartie durch Dipl. ­Ing. Boxberger von der genannten Firma erbrachte die zwingende Notwendigkeit, zur Aufnahme der Schubkräfte des Palasmauerwerks an dieser Stelle eine starke Vorbetonierung durchzuführen. Die Stampfbetonwand erhielt eine Verkleidung aus dem gleichen Material wie das Felsgestein, d. h. mit Porphyr aus dem der Burg gegenüberliegenden Steinbruch (Abb. 15). So bildet nun der Felsensockel wieder eine kompakte Burg Hohengeroldseck Schnitt durch die Ostwand des Hinteren Hauses mit Darstellung der Aufspaltungen im Felsensockel Masse, und das in seinem Bericht von Steinhart gebrauchte Wort "vom unerschütterlichen Felsgrunde, auf dem die Trümmer der schicksalserfahrenen Burg thronen", hat wieder seine Berechtigung erhalten. Abschließend sei allen in diesem Bericht genannten Mitwirkenden an dieser großen und wichtigen Aufgabe der Dank der Staatlichen Denkmalpflege ausgesprochen, wobei die Herren Landrat Dr. Wimmer (Lahr), Bezirksbaumeister Waas (Lahr) und Kreisdenkmalpfleger Baurat Steurer (Lahr) besonders lobend erwähnt werden dürfen.

Literatur:
Krieg von Hochfelden, "Uber die alte Befestigung der Burg Hohengeroldseck" in Fr. J. Mone: "Badisches Archiv zur Vaterlandskunde". G. Braun , Karlsruhe 1827, Seite 307 ff.
F. X. Steinhart, "Die Burgruine Hohengeroldseck" in: "Die Ortenau", 21. Heft, Konkordia AG, Bühl / Baden 1934, Seite 337 ff.
Max Wingenroth, "Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg". J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1908, Seite 106 ff.
Hubert Graf Waldburg­-Wolfegg, "Vom Nordreich der Hohenstaufen " - Schnell & Steiner, München­, Zürich 1961, Seite 118 ff.
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