Die Glasgemälde der Wallfahrtskirche zu Lautenbach. - Hans Heid - die Ortenau 1937 / 89 ff.

[Anmerkung] : zur besseren Lesbarkeit wurden Verweisziffern (römisch) von den Fensterziffern (indisch-arabisch) getrennt

Das gotische· Juwel der Ortenau, die Wallfahrtskirche zu Lautenbach im Renchtal zählt zu ihrem wertvollsten Inventar eine Reihe Glasfenster, die, wenn auch nicht in der Zusammenstellung, so doch in ihren einzelnen Scheiben noch aus der Zeit der Gründung stammen, in die Kirche also hineinkomponiert wurden. Es handelt sich um fünfzehn Fenster, von denen zwei, nämlich die Achsenfenster, viergeteilt, sechs dreigeteilt und der Rest zweigeteilt sind. Alle, mit Ausnahme des kleinen Fensters in der Südwestecke, waren ursprünglich mit Gemälden geschmückt. Nach dem Bericht Haardts(I) aus der Mitte des 18.Jahrhunderts, der ältesten erhaltenen Beschreibung der Kapelle, kann man heute noch die ursprüngliche Anordnung der im Jahre 1482 eingesetzten Fenster feststellen. Haardt hat seine Jahreszahl von einer heute verschwundenen Scheibe im Chor, auf der sie gestanden haben soll. Noch im Jahre 1829 sah Sensburg diese Scheibe, auf der sich ein kniender Bischof, Albrecht von Straßburg in schwarzer und violetter Kleidung befand. Der ältere Mone notierte 1863 noch das Vorhandensein der Jahreszahl(II) und 1878 war bei den Scherben ein Fragment mit der Inschrift: anno Domini MCCCC...(III) . Ein stilkritischer Vergleich der Fenster mit jenen der 1904 abgebrannten Magdalenenkirche in Straßburg, die nachweislich aus der Zeit um 1481 stammten, ergibt so starke Parallelen, daß an den Angaben Haardts und seiner Nachfolger nicht gezweifelt werden kann. Die Lautenbacher Fenster stammen also ausdem Jahre 1482, einer Zeit, in der sich bei uns die ersten Zeichen der Renaissance in der ausklingenden Hochgotik zeigen. Wir werden Gelegenheit nehmen, aus diese Tatsache bei der Besprechung der einzelnen Scheiben zurückzukommen.

I.) Pater Abalbert Haardt, 1740 bis 1755 Rektor an der Wallfahrtskirche in Lautenbach. Handschrift im Pfarrarchiv Lautenbach.
II.) Nach Angabe seines Sohnes. Notiz in seinem Tagebuch. Vergleiche auch die Abbildung einer Scheibe (Bischof) in seiner Quellensammlung zur Landesgeschichte, Band 3, Tafel 9.
III.) Nach Mone.

Zuvor wäre etwas über die Herkunft der Scheiben zu sagen. Wie überall in jener Zeit haben auch in Lautenbach anonyme Meister gearbeitet. Das gilt nicht nur für den wohl dem Namen, aber nicht seinem Schicksal nach bekannten Baumeister der Kirche(I), sondern auch für die Schnitzer und Maler der Altäre und den Fenstermaler. Mangels urkundlicher Nachweise ist man ganz auf stilkritische Untersuchungen und Vergleiche angewiesen. Um die Altäre ist ja bereits ein ganzes Schrifttum entstanden, ohne daß die Frage endgültig und zweifelsfrei gelöst worden wäre(II). Im Falle der Fenster hat sich unseres Wissens nur Frankl(III) um den Meister gekümmert. Er kommt in seinen Untersuchungen auf Hans Wild, als dessen Sitz er Ulm annimmt, während Naumann(IV) die Wirkungsstätte dieses Meisters nach Straßburg verlegt. An der Urheberschaft Wilds scheint kein Zweifel zu sein, obwohl Frankl die Lautenbacher Fenster nicht kennt, da er in seinem Werk von "dem" Fenster spricht. Die Komposition der ganzen Arbeit läßt aber beim Vergleich mit andern Wildschen Arbeiten kaum einen Zweifel(V)

Leider blieben diese Meisterwerke oberrheinischer Glasmalerkunst im Laufe der Jahrhunderte nicht unberührt erhalten. Die Zeit hat ihr Zerstörungswerk — Gott sei Dank in nur bescheidenem Maß — getan, und eine "Restauration" hat zwar nicht die Scheiben, wohl aber die Komposition gründlich zerstört. Was vorher über die fünfzehn Fenster der ganzen Kapelle mit Beachtung der Lichtwirkung gleichmäßig verteilt war, ist seit 1878 bzw. 1882 unter Hinzufügung schlechter Neuschöpfungen in neun Fenster sinnlos und falsch zusammengepfercht. Daß dabei immer noch eine tiefe Wirkung erzielt wird, spricht weniger für das Können des neuen Glasmalers als für die Großartigkeii der ursprünglichen Zusammenstellung. Sie und die von den Werken ausgebende Wirkung ist selbst von Pfuschern nicht ganz tot zu machen.

I.) Hans Hertwig aus Bergzabern. Verschiedene Urkunden im Generallandesarchiv Karlsruhe, Allerheiligen.
II.) Vgl. das Literaturverzeichnis in der Inauguraldissertation von Kurt Willig: Die Lautenbacher Hochaltarflügel Freiburg 1931.
III.) Frankl, Beiträge zur Geschichte der süddeutschen Glasmalerei im 15. Jahrhundert. Dissertation. München 1911.
IV.) Naumann: Das Grünewaldproblem. Diederichs, Jena 1930.
V.) Nach der Drucklegung des Aufsatzes erscheinen von Hans Rott zwei Quellenbände im Monumentalwerk: Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im 15. und 16.Jahrhundert. Darin führt Rott den Nachweis, daß die Werke, die bisber fälschlicherweise Hans Wild von Ulm zugeschrieben wurden, in Wirklichkeit von Peter Hemmel von Andlau stammen, der seine Wohnung in Straßburg hatte. Damit ist unsere Ortsannabme bestätigt. Im Folgenden wäre nun statt des Namens Hans Wild immer Peter von Andlau zu setzen.

Lautenbach Grundriss Fensternumerierung
Um uns einen Überblick über diese Komposition machen zu können, müssen wir versuchen, den Gedankengang des Künstlers zu erkennen. Er hatte eine Marienkirche auszuschmückem Das Bildnis Mariens, das den Hochaltar und neben der Gnadenkapelle noch einen Seitenaltar schmückte, mußte auch ihm Mittelpunkt seiner Darstellung sein. So finden wir es in mancherlei Abwandlungen: Bald in einer Darstellung der Verkündigung - und das sogar zweimal - bald als thronende Herrscherin des Himmels, in der Strahlenglorie und als schmerzhafte Mutter, jedesmal einem Bilde des Hoch— oder eines Seitenaltars entsprechend. Die Anordnung der beiden Verkündigungsdarstellungen über dem Eingang und dem Hochaltar, als Endpunkte der Längsachse, hat Haardt zu der Bemerkung veranlaßt, daß das Fest der Verkündigung wohl Titularfest der Wallfahrt gewesen sei. Die heutige Übung(I) widerspricht allerdings dieser Haardtschen Vermutung. Sie scheint also noch nicht alt zu sein.

Die Stiftung der Fenster gab gleichzeitig Gelegenheit, den Stiftern ein künstlerisches Denkmal zu setzen. Diese erscheinen in gleichgroßen Scheiben, offenbar porträtähnlich abgebildet(II) und haben nach damaliger Sitte meist ihren Ramenspatron bei sich. So sind neben den Marienbildern zweimal Johannes der Täufer, Jakobus Major, Sebastian, Leonardus, Ursula, Katharina und Barbara vorhanden. Damit ist der Stoff gegeben, den der Glasmaler nun kompositionell zu bewältigen hatte.

Er legte sich seine Aufgabe so zurecht, daß er in jedes Fenster - mit Ausnahme der beiden Achsenfenster - ein Andachtsbild zwischen zwei Stifterscheiben setzte, das Ganze auf Postamente aufbaute und mit Baldachinen krönte. Zur Erhöhung der Feierlichkeit gestaltete er die Baldachine im Chor zweizeilig (also doppelt übereinander), während sie im Langhaus einzeilig blieben. Die Chorfenster waren somit vierzeilig, die Langhausfenster dreizeilig Das einzige Fenster, das noch diese alte Anordnung zeigt, ist das Fenster in der Südostecke des Langhauses zwischen Gnadenkapelle und Lettner mit dem Bilde der Pieta und den Stiftern "Bernhart uß dem sultzbad" und seiner Frau. Es hat naturgemäß auch die tiefste Wirkung (Fenster 13).

Die Beteiligung bürgerlicher Familien neben dem Adel der Gegend ließ eine weitere Unterteilung zweckmäßig erscheinen. 

I.) Titularfest Maria Himmelsahrt, 15. August.
II.) Der geäußerten Vermutung, es handle sich lediglich um Typen, widerspricht die grundsätzliche Verschiedenheit der Gesichter, wie sie auch aus den alten Photographien vor der Restaurierung zu erkennen ist. Auch die bei Naumann abgebildeten Skizzen aus der Wiener Albertina sprechen für Naturstudien des Malers.

Der Chor ist den stiftenden Adelsfamilien vorbehalten, während die Bürgerbilder die Scheiben des Langhauses zieren(I). Und außerdem wurde noch die Farbenzusammenstellung zur Erreichung besonderer Wirkungen herangezogen. Wir holen dazu weiter aus.

Beim Betrachten der Baldachine fällt zunächst ein wesentlicher Unterschied ins Auge. Es gibt Baldachine, die aus gelbem Stein gehauen zu sein scheinen, und solche, die aus weißen Naturhölzern bestehen. In der Sprache des Mittelalters sind es also goldene Steinsäulen und silberne Roschranken. Heute hat man den Rest der Natursäulen in ein Fenster im Chor zusammengestellt, was der ursprünglichen Aufstellung widerspricht. Genaues Studium der Zusammenhänge zwischen diesen Farben und den Bildhintergründen zeigt, daß zu den silbernen Baldachinen rote Bildhintergründe traten, während sich die goldenen Säulen auf blauen Gründen aufbauten. Der Vergleich noch erhaltener Scheiben mit der Haardtschen Anordnung läßt die Regelmäßigkeit dieser Zusammenstellung erkennen. Ja, noch ein Weiteres geht daraus hervor. Der Glasmaler hat - wie das von Wild auch bei andern Kompositionen nachgewiesen ist(II) - im Chor eine regelmäßige Mischung beider Farben innerhalb eines Fensters gewählt, während im Langhaus die Fenster gewissermaßen einfarbig, aber dies in regelmäßigem Wechsel, blieben. Als Beispiel diene zunächst das schon erwähnte Pietafenster im Langhaus, das gelbe Baldachine über roten Bildhintergründen zeigt, während im südlich davon über der Gnadenkapelle stehenden Fenster weiße Baldachine über blauen Hintergründen stehen. Im Chor ziehen wir zunächst die unterste Bildzeile des links vom Hochaltar stehenden Schauenburgsensters heran, die an ihrem ursprünglichen Platz steht. über dem mit blauem Hintergrund versehenen Friedrich von Schauenburg standen ehemals - was an den in den oberen Ecken der Scheibe noch erkennbaren Diensten zu sehen ist - gelbe Steinbaldachine. Das gleiche gilt von dem Bild seiner Gattin Katharina von Sulzbach. Die Scheibe des dazwischen stehenden Johannes dagegen hat roten Hintergrund und gewissermaßen als durchgehende Basis weiße Holzstämme, aus denen sich der Rosenbaldachin ausgebaut hat.

Fenster 2. Friedrich von Schauenburg.
Meist alter Bestand. Kopf und Hände neu.
Das Fenster wäre also, von den Baldachinen aus gesehen, in den Farben gelb-weiß-gelb ausgebaut gewesen, was den Hintergründen blau-rot-blau entspricht. Das nun aus der andern Altarseite eingeglaste Fenster trug ursprünglich eine heute durch Nachbildung ersetzte Scheibe des Melchior von Schauenburg, die hl.Barbara und Veronikra von Schauenburg - wie wir bemerken, die zweite Bildzeile des ersterwähnten Fensters. Von den noch alten Scheiben hat Barbara einen blauen und Veronika (und damit auch der verschwundene Melchior!) einen roten Hintergrund. Dementsprechend sind hier die Baldachine weiß-gelb-weiß gewesen. Die weißen sind, soweit noch vorhanden, in Neuensteiner Fenster eingeglast.

I.) Die einzige Ausnahme, Anton von Ramstein, scheint nicht zum Renchtäler Adel gehört zu haben. Er ist nirgends aufzufinden. Ein Rarmstein war zu jener Zeit Vormund eines Oberkircher Kindes. Vielleicht rührt die Stiftung auch von den Beziehungen der Frau, einer gebotenen Stauffenberg, her.
II.) Fenster in Salzburg am Nonnenberg.

Wir verzichten darauf, auch für die beiden heute leeren kleineren Fenster des Chors, in denen die Neuensteiner Scheiben eingesetzt waren, den Einzelbeweis anzutreten Er läßt sich ebenso durchführen.

Der Glasmaler hat also durch besondere Zusammenstellung im Chor eine reichere Lichtwirkung zu erzielen versucht, als im ruhiger gehaltenen Langhaus. Bei beiden aber war durch Abwechslung der Farben einer einfarbigen Beleuchtung vorgebeugt und so ein diffuses Licht erzeugt worden, das dem Raum jenes mystische Halbdunkel verlieh, das gotischen Kirchen eigen ist. Obwohl durch genaue Zeichnung Wert auf die bildliche Darstellung der Fenster gelegt worden war, blieb die ältere Ausgabe der Fenster, die der Lichtgebung und Lichtbrechung, nicht vergessen. Wir leben in jener seit der Hochgotik, in der sich beide Aufgaben harmonisch verbinden. Der Zerfall der Glasmalerei in der Renaissance, der durch die Teilung der Arbeit in die des Kartonzeichners und die des Glasmalers hervorgerufen wurde, war also noch nicht eingetreten.

Um neben der Farbenverteilung auch einen Überblick über die Bildverteilung geben zu können, stellen wir die Fenster nach der Haardtschen Beschreibung zusammen. Wir numerieren zu diesem Zweck das Chorfenster hinter dem Hochaltar mit 1, die linke Seite des Chors mit 2 und 3, die rechte Seite mit 4 und 5. Die Zahlen in Klammer geben die heutige Stellung der Scheiben an.

Im viergeteilten Fenster 1 befanden sich in der unteren Bildzeile "Einer aus dem Kurhaus Bayern" (verschwunden), der Bischof von Straßburg (verschwunden), der Propst von Allerheiligen (2), während die letzte Scheibe schon 1750 zerstört war. Offenbar enthielt sie ein Bild der Gattin des durch ein Wappen gekennzeichneten Bayern (der nach Naumanns Vermutung ein Hanau-Lichtenberg gewesen fein foll, damals Stadtherr der Stadt Straßburg, das Original des "Gosthaischen Liebespaares", das dem Hausbuchmeister zugeschrieben wird). Die Zeile darüber trug die Darstellungen der Verkündigung und der Heimsuchung in der Reihenfolge: Gabriel, Maria, Maria, Elisabeth. Darüber standen die Baldachine in zwei Zeilen. Während die Verkündigung alt ist, wurde die Scheibe der Maria im Besuch 1878 nach einer Miniatur von 1320, also völlig stilwidrig, kopiert. Auf Grund einer erhaltenen Photographie hätte diese Figur nach einer Statue von Veit Stoß kopiert werden müssen(I).

I.) Man beachte z. B. die Kopfbedeckung und vergleiche sie mit den andern Scheiben.

Auch die Figur der Elisabeth ist stark geflickt Die Verkündigung deckt sich mit der von Wild geschaffenen in Salzburg(I), wobei, entgegen der sonstigen Übung, Gabriel von hinten an die auf einem Betstuhl kniende Maria herantritt. Da die Salzburger Verkündigung (an dem Nonnenberg) 1480 geschaffen wurde, ist anzunehmen, daß wir in Lautenbach einfach eine Kopie jenes Kartons vor uns haben. Wild kopierte bei seinem umfassenden Geschäftsbetrieb öfters. Fenster 2 haben wir bereits oben besprochen. Zeile 2 und 3 (ohne die überall neuen Postamente zu rechnen!) gehören nicht dazu. In Fenster 3 war neben der hl. Katharina (neu in 2) ein Neuensteiner ohne Namen (ersetzt in 4) und seine Frau Lucy von Großwyer (4). Fenster 4 hatte rechts und links von Barbara eine schon 1750 zerstörte Scheibe, die als Melchior von Schauenburg ausgemacht und durch eine jetzt in 2 befindliche Scheibe übelster Art ersetzt wurde (II), und dessen Frau Veronika von Schauenburg (2). Fenster 5 hatte den hl. Sebastian (verschwunden, Bild in 4 ist neu) und zwei Scheiben mit Doppelbildnissen Gebhard von Neuenstein mit Margarete von Gretzingen (4) und Hans von Neuenstein mit Magdalene von Belling oder Zellwang (4)(III). Diese Scheibe trug auch einst die Jahreszahl 1482. Neben der bereits genannten besonderen Farbenzusammenstellung und dem zweizeiligen Baldachinenaufbau ist bei allen diesen Scheiben zu bemerken, daß die grünen Fußböden ein eigenartiges Plättchenmuster mit Reliefkanten haben, das in den Langhausscheiben nie erscheint. Dort ist entweder Grasboden oder dunkler Untergrund. Eine Ausnahme bildet nur der glatte Plättchenboden der Verkündigung, die aber einst im Fenster über dem Eingang (jetzt durch die Orgel verdeckt) stand.

Fenster 4. Lucy von Großweier.
Vor der Wiederherstellung.

Im Langhaus beginnen wir auf der Kanzelseite mit dem Fenster über dem Lettner als 6, darunter 7, über der kleinen Türe 8, großes Fenster 9 und kleines Fenster 10. Die andere Seite wird entsprechend mit 11, 12, 13 und 14 bezeichnet. Die Stirnwand trägt Nr. 15.

Fenster 6, heute leer, trug das Bild Marias (9) zwischen Heinrich Wegstein und dessen Frau Barbara (9); Fenster 7 war zerstört. Fenster 8 hat noch die alten, zum Teil geflickten Scheiben. Es ist der Gekreuzigte mit Blutzeugen und Ant. von Ramstein sowie Barbara von Stauffenberg.

Im heute vierzeiligen Fenster 9 befanden sich Conrat Wegstein und dessen Frau Kathrin, dazwischen Johannes. Diese drei Scheiben bilden heute die unterste Bildzeile des Fensters.

I.) Frankl.
II.) Statt die andern Ritter, die kniend mit betenden Händen und ohne Helm dargestellt sind, als Vorbild zu nehmen, kopierte Beiler das Bild aus einem Ritterbuch mit Helm und gezücktem Schwert.
III.) Die Figur der Frau ist neu, die Unterschrift desgleichen. Sie stimmt auch bei den andern Neuensteinern mit Ausnahme Gebhards nicht. Die 1878 noch vorhandenen Scherben sind verschwunden.

Das kleine Fenster 10 mit der wundervollen Verkündigung war ursprünglich als einziges Fenster der Kapelle leer.

Auf der andern Langhausseite in Fenster 11 war ein heute verschwundenes Marienbild, Jakobus der Ältere (8), Mann und Frau ohne Namen (9 - das Ehepaar Johannes Noret, Notar in Oberkirch, vergleiche Umschrift im Spruchband!). In Fenster 12 unter dem Lettner waren zwei Bildscheiben, Leonhardus und Ursula, ersterer nachgebildet (aber falsch!) in 2, letztere stark geflickt im neuen Anbau. Dabei soll ein Johannes Neuenstein, Notar(I) gewesen sein. Es wird sich wohl um das Bauernpaar ohne Namen in Fenster 9 handeln. Vielleicht hat man einmal die beiden Scheiben oben und unten vertauscht. Es ist kaum anzunehmen, daß der Spruch des Notars: "S jocop ein bilger gut...halt uns in hut" neben Leonard und Ursula gestanden haben soll, indes St. Jakob in einsamer Größe oben thronte! Fenster 13 hat, wie bereits ausgeführt wurde, noch seine alte Gestalt. In Fenster 14 sind zwei

I.) Das ist falsch gelesen. Die Inschrift bei der noch in Fenster 9 vorhandenen Notarscheibe heißt: Johannes Noret. Da die Umschrift im Spruchband heißt "S iocop ein bilger gut..." ist anzunehmen, daß die Scheibe mit der des hl. Jakobus gepaart war.

Scheiben, die thronende Maria und Frau Anna Distelzweig alt, während die Figur des Distelzweig durch Nachbildung ersetzt ist. Im Fenster 15 der Stirnwand war die Verkündigung (10) eingeglast. Daneben müssen noch zwei weitere Scheiben gewesen fein. Es handelt sich dabei wohl um ein Wappen des Bischofs, das, aus Resten zusammengestellt, heute im Anbau zwischen den neuen Scheiben, dem hl. Joseph und einem Bischof, steht. Es fällt auf, daß in keinem Fenster das Bild oder Zeichen des Herrn von Bach ist. Der letzte Bach war aber mit Friedrich von Schauenburg zusammen Bauherr der Kirche(I). Sein Wappen ziert ja das Portal. Es dürfte nicht falsch fein, wenn wir annehmen, daß Bild oder Wappen des Bauherrn sich einst in diesem Fenster, für das kein Beleg mehr vorhanden ist, befand.

Der Vollständigkeit halber erwähnen wir noch das Fenster im Anbau von 1897. Es enthält neben den beiden aus Resten zusammengeflickten Scheiben mit der hl. Ursula und dem Wappen des Bischofs von Straßburg zwei neue Scheiben mit dem hl.Joseph und einem Bischof mit Monstranz, die in den 90er Jahren von Märzweiler in Freiburg geliefert worden sind. Auch die Baldachine sind neu.

Der Vergleich der noch vorhandenen alten Scheiben mit den Baldachinen und Hintergründen zeigt, daß der Maler auch hier auf die Lichtwirkung der farbigen Gewänder Rücksicht genommen hat. Die Scheiben hatten wohl, was schon die Umschrift in den Spruchbändern und die Unterschrift beweisen, bildliche Ausgaben. Doch waren die Aufgaben mit der ursprünglichen, der reinen Lichtwirkung, harmonisch verbunden. Im Gegensatz zu der reinen Lichtwirkungsausgabe der Gotik, die sich nicht scheute, ein grünes Pferd oder verschiedenfarbige Nimben[Erklärung unten] zu zeigen, ist hier schon der Übergang zum Raturalismus zu spüren. Hier ist die Zeichnung sehr wichtig, allerdings noch in Verbindung mit satten Farben. Wir können beobachten, wie Wild versucht, die Konturen der Figuren mit der Verbleiung zusammenzulegen(II), damit das Bild nicht unterbrochen wird. Noch werden keine Handlungen dargestellt. Jede Scheibe ist ein in sich abgeschlossenes Bildnis. Die Malerphantasie kann sich nur in der Ausgestaltung der Hintergründe und vor allem in der Gestaltung der Baldachine auswirken Das tut sie ja, wie schon ein obeflächlicher Vergleich der verschiedenen Baldachine zeigt, gründlich. Man beachte einmal die Blattsäulen, die verschiedensten Kreuzblumen, die Gewinde, die Vögel und Tiere, die gerade hier in reicher Fülle Verwendung gefunden haben.

I.) Nach Urkunde im Generallandesarchiv Karlsruhe, Allerheiligen. Friedrich von Schauenburg und Georg von Bach waren in jener seit Pfandherren des Tals, wofür sie dem Bischof 10.000 Mark Silber geliehen hatten. Bei der Grundsteinlegung der Kapelle legten beide "einen Schilling auf den Stein und rittent enweg".
II.) Vgl. z.B den Engel der Verkündigung!


Fenster 2. Veronika von Schauenburg.
Alter Bestand.
[Nimbus / Nimben] - Der Heiligenschein, der Nimbus oder die Gloriole ist eine Leucht- oder Lichterscheinung um den Kopf oder den ganzen Körper einer Personendarstellung.

Auf die Auswirkung der Farben haben wir bei der Besprechung der Baldachinanordnung bereits Bezug genommen. Es kommen nun noch die Farben der Gewänder dazu. So entsteht im Chor ein heiteres, gebrochenes Licht — man denke an die Silberbaldachine das häufige Vorkommen von Blau, die hellen Rüstungen der Ritter, Hermelinbesätze der Frauenkleider, häufiges Weiß -, während im Langhaus ein dunkles, sattes Rot vorherrscht. Nur die Scheibe über der Gnadenkapelle, die im Schatten des dahinter liegenden Pfarrhauses steht und kaum einen Sonnenstrahl durchzulassen hat, ist hell gehalten. Alle in der Glasmalerei damals bekannten Farben kommen vor. Da finden wir die aus Metalloxyden gefärbten roten, blauen, violetten, gelben, grünen Gläser, besonders häufig aber das eben seinen Siegeszug beginnende Silbergeld, das aus einer Mischung von Schwefelsilber und Ocker hergestellt wurde und bei Heiligenscheinen und Haaren besonders reiche Verwendung fand(I). Man vergleiche diesen Ton am besten bei den Engelslocken der Verkündigung oder dem Johannesbart in 2 mit dem dunkleren Goldgelb aus Antimon in den Baldachinen bzw. dem Johannesgewand. Daneben fehlen auch die rein weißen Töne nicht. Man glaubt, man habe eine lebendige Illustration der "Glasmacherkunst" des Theophilus vor sich, in der es heißt: "Das Glasgemälde habe auch irgendein Ornament, nämlich auf Gewändern, Litzen, Feldern in Saphir, Grün, Weiß, Purpurhell Die Felder, welche bei Buchstaben mit Farbe bedeckt werden, mit seinem Rankenwerk bemalen. Dann und wann Getier, Vögel, Gewürm und nackte Gestalten Auf Felder von unbemaltem Rot setze Gewänder mit hellem Weiß..." Man sehe sich daraufhin die Baldachine im Fenster 4 an, auf deren Spitzen jene merkwürdigen Vögel sitzen, oder im Fenster über der Gnadenkapelle, auf deren mittleren Baldachinspitzen ein scharfes Auge oder das Glas zwei kauernde Löwen erkennen kann! Das ist schon beinahe Miniaturarbeit! Die Zeichnung ist also sauber und genau ausgebildet - die Farbenwirkung kann jeder weiteren Erläuterung entbehren.

Es wird schwer zu entscheiden sein, ob Hans Wild seine Scheiben noch selbst entwarf, Maler und Glasmaler also in einer Person vereinigt waren, oder ob die Trennung in Kartonzeichner Und Techniker bereits vollzogen war. Naumann nimmt das letztere an. Er denkt bei dem Kartonzeichner an einen Vertreter der oberrheinischen Kunst in Straßburg. Damit schneiden wir die Frage der Vorbilder und Quellen des Glasmalers bzw. seines Kartonzeichners an.

Betrachtet man die weitverbreiteten Werke Wilds genau, so lassen sich, und dies gerade in Lautenbach besonders, eine Reihe Entlehnungen aus Werken berühmter Zeitgenossen feststellen. 

I.) Das ermöglichte das Zusammenbrennen von Gesicht, Haar und Nimbus aus einer Scheibe ohne Verbleiung. Die Farben fließen so weicher ineinander über. Sonst ist überall die Verbleiung möglichst den Konturen angeglichen.

Was heute als Plagiat bezeichnet wird, war unter den mittelalterlichen Künstlern mehr üblich, als man gewöhnlich annimmt(I). Wir finden sogar in Werken Dürers, Schongauers und Grünewalds Teile, die andern Kunstwerken entlehnt sind. Dadurch ist auch ein weiteres Zeitkriterium gegeben. Es wird bei einem Meister wie Wild kaum anzunehmen sein, daß er Elnflüsse verwendet, die nicht mehr "modern" sind. Die nähere Prüfung zeigt nun

I.) In einer Straßburger Malerordnung von 1516 wird zum erstenmal das Arbeiten nach älteren Vorlagen verboten. Sonst kann ein Stück nicht als Meisterstück anerkannt werden. (Rott, Quellen und Forschungen..., Bd. III).

eine sehr große Abhängigkeit von den Gestaltungen — meist Stichen - des "Vaters der oberrheinischen Kunst", Meister ES. Sein Name istverschollen(I). Nur die Anfangsbuchstaben kennzeichnen seine Blätter. Er ist, wie aus dem gesamten, neuerdings von Lehrs herausgegebenen Werke hervorgeht, eine Art "arbiter elegantiarum", der tonangebende, Mode schaffende Künstler seiner Zeit. Neben einer großen Zahl Andachtsbilder stehen Spielkarten, Kostüm- und Modezeichnungen. Die Art dieser Bilder läßt aus den Sitz des Künstlers in einer größeren Stadt schließen, als die nur Straßburg in Frage kommt. Daraus weisen besonders die Mariendarstellungen hin. Die Straßburger Madonna hatte den Titel einer "Kaiserin des Himmels" bekommen. Sie trägt die kaiserliche Bügelkrone. Auf den Stichen ES' wird sie immer mit diesem Straßburger Emblem dargestellt. Und nun vergleiche man die Lautenbacher Kronen damit! Schon diese Abhängigkeit Wilds läßt auf eine große Vertrautbeit mit dem Werke ES' schließen. Aber die Abhängigkeit ist, von dieser Äußerlichkelt abgesehen, weit größer. Das weit offene, gebauschte und gewellte Haar der Figuren mit der sorgfältigen Einzelzeichnung, das in seinem hellen Glanz in den Lautenbacher Scheiben entzückt, ist eine Eigentümlichkeit des ES! Dazu kommen die merkwürdig gespreizten Finger in verschiedenen Bildern, z. B. der Veronika von Schauenburg. Auch der Gesichtstypus, der verschlossen, in sich versunken, dem oberflächlich Betrachtenden fast nichtssagend ist, stammt von den Bildern des alten Meisters. Man kann die Entwicklung dieses Typus verfolgen von ES über Schongauer bis zu seinem Höhepunkt Grünewald. Damit ist der Kreis ausgezeigt, in dem auch Hans Wild fußt. Man könnte schon seine Madonna im Strahlenkranz in Fenster 9 als Kopie des ES ansprechen, wenn nicht auch andere Künstler dieses Motiv verwendet hätten. Dagegen ist das Bild der thronenden Himmelskaiserin in Fenster 14 über der Gnadenkapelle die genaue Kopie des Stiches ES von 1457(II). Was wir als Original an dem Lautenbacher Fenster bewundern, ist hier schon alles da. Neben der Komposition als Ganzes finden wir die Schmuckblätter an den Steinsäulen, die auch in den hellen Baldachinen vorkommenden eigentümlichen Vögel(III), die eigentümlich scharfe und kantige Faltenbehandlung der Gewänder. Eine weitere Entlehnung von ES dürfte der auffallende Mantelverschluß der Madonna im Verkündigungssenster über dem Hochaltar sein.

gb 04
Fenster 9. Heinrich Wegstein und seine Frau Barbara.

Fast ganz alter Bestand.

I.) Es wäre zu erwägen, ob E nicht den Namen und S Straßburg bedeutet habe.
II.) In der Sammlung Lehrs erscheint dieses Bild zweimal. Einmal mit der Jahreszahl 1457 — offenbar für Einsiedeln gearbeitet — und dann ohne Zahl mit der Signierung Israhel von Mekenem. Als Reichsdruck erschienen unter Nr. 424.
III.) Die Vögel erscheinen neben einer Serie, die in merkwürdigen Zusammenstellungen die Buchstaben des Alphabets bilden, in einzelnen Blättern als Säulenschmuckfiguren.

Da ES aber bereits 1467 gestorben ist, unsere Fenster aber erst 1482 fertiggestellt wurden, müssen sich noch spätere Einflüsse geltend machen. Wir finden sie z.B. in der Pietagruppe in Fenster 13 neben der Gnadenkapelle. Diese fällt auf durch eine vom Gewohnten abweichende Zeichnung. Der Leichnam Christi aus dem Schoß der Mutter läßt, als Neuheit jener Zeit, den Arm schlaff herunter hängen, so daß die Hand am Boden liegt. Der rechte Fuß ist durch die Totenstarre in der nach abwärts gerichteten Haltung, wie sie durch die Festnagelung bewirkt worden war, geblieben. Die Gruppe wird überragt durch ein Kreuz, dessen Querbalken aus dem Längsbalken aufsitzt ... Am Querbalken hängen die Marterwerkzeuge, Geißel und Rute. Die Kopie dieses Fensters, erweitert durch Dazustellen einiger Personen, bildet das Mittelstück eines Triptychons in der Darmstadter Galerie, das dem Hausbuchmeister zugeschrieben wird. Hier wäre allerdings der Einfluß umgekehrt, da das Triptychon erst in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden ist.

gb 05
Fenster 9. Johannes Noret und Frau

Vor der Wiederherstellung.

Nun blieben noch die Schongauereinflüsse zu beweisen. Zunächst stellen wir fest, daß die wirbelartig gedrehten Stirnschöpfe, diese Korkzieherlocken eine typische Erfindung Schongauers sind. Weiter ziehen wir diesmal die Stifterbilder bei. Bei den adligen Frauen fallen die Köpfe Veronikas von Schauenburg und der Frau des Gebhard von Neuenstein mit ihrem feinen "Gebände" besonders auf. Sie könnten Kopien eines Studienblattes fein, das sich in der Albertina in Wien befindet und mit dem Monogramm Schongauers gezeichnet ist. Das Blatt zeigt diesen Frauenkopf mit dem eigentümlichen Gebäbde von vorn, von der Seite und im Halbprofil und ist offenbar eine Studie am Modell für ein Bild.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Fenster nach dieser Studie (auch wenn sie ursprünglich nicht für diesen Auftrag gemacht wurde!) verfertigt wurden(I).

Als letzter Hinweis für die Zusammenhänge des Glasmalers mit dem Straßburger Künstlerkreis diene das Bildnis der Elsa in Fenster 13 (Elsa, Frau des Hans Bernhart us dem Sultzbad). Der Kopf dieser Bauersfrau (vgl. die unterschiedliche Gewand- und Kopfbedeckungsbehandlung im Gegensatz zu den adligen Frauen!) entspricht einem Grabsteinbildnis im Straßburger Münster, das von Niklas Gerhaerd stammt. Es handelt sich um das Grabmal einer Bockin, in der von diesem Bildhauer (dem Schöpfer des Baden-Badener Kruzifixes) erfundenen Art des Fensterbildes.

I.) Veröffentlicht bei Naumann, Grünewaldproblem.

Hans Wild soll, wie Frankl nachzuweisen versucht, in Ulm beheimatet gewesen sein. Frankl kann allerdings auch nur stilkritische Beweise beibringen. Der große Auftrag des Glasmalers in Straßburg und Lautenbach sowie weitere elsässische Aufträge sprechen an sich nicht gegen diese Annahme. Der Lautenbacher Auftrag könnte sehr gut über die Familie Bach gekommen sein, da Wild kurz zuvor in Schwaben(I) einen Fensterauftrag ausführte, in dem eine gebotene Bach als Stifterin vorkam. Doch lassen die gar so engen Beziehungen Wilds zum Straßburger Kreis eher an einen Wohnsitz in Straßburg denken. Gerade von Lautenbach aus betrachtet, ist das wahrscheinlicher, da der ganze Austrag, vom Steinmetzen bis zum Altarfasser in straßburgische Hände kam.

Nun bliebe zum Schluß noch ein Wort über die "Restauration" der Fenster im Jahre 1878 zu sagen, um den heutigen Zustand ganz verstehen zu können. Das ist ein dunkles Kapitel und hat seiner Zeit viel Staub aufgewirbelt. Über die Verhandlungen, die auf Veranlassung Mones 1882 stattfanden, liegen Akten im Pfarrarchiv Lautenbach. Aus ihnen geht folgendes hervor: Im Jahre 1878 wurden die Scheiben ohne Einwilligung der Gemeinde aus den Fenstern genommen und, in Kisten verpacht, nach Heidelberg geschickt. Wie ich aus mündlicher Überlieferung weiß, hat der damalige Bürgermeister noch auf dem Bahnhof Appenweier zwei solcher Kisten beschlagnahmen und zurückhalten können. Es waren im ganzen neben den Scheiben vier Kisten mit Fragmenten. Die Unterschriften und Umschriften waren fast alle, wenn nicht erhalten, so doch in Bruchstücken bei den Fragmenten zu finden. Man denke bloß an die außerordentlich wichtige Datierungsscheibe, deren Jahreszahl damals noch vorhanden war. Der Glasmaler schickte erst 1882, als Mone bereits seinen Feldzug eingeleitet hatte, eine Kiste mit Fragmenten zurück.

gb 06
Das ganze Fenster 9 nach der Wiederherstellung

Mone fand nämlich aus einer Reise in Venedig im Kunsthandel eine Scheibe, die er als von Lautenbach stammend erkannte. Er ging dieser merkwürdigen Sache nach und entdeckte, daß in Lautenbach eine Reihe Scheiben fehlte, andere durch Neuarbeiten ersetzt waren. Auf seinen Alarmruf sandte die Firma sofort die Kiste Fragmente und sieben Scheiben, die "irrtümlich" zurückgeblieben waren. Darunter befand sich die herrliche Verkündigung in Fenster 10! Sie war hopiert worden! Mone stellte fest, daß die Kopien zwar sehr genau gemacht gewesen seien, die Neufassungen dagegen außerordentlich schlecht. Auch die Flickstellen lassen zu wünschen übrig. Ohne aus die einzelnen Fenster einzugehen, erwähnen wir die Anstände bzw. Vorschläge für Veränderungen, die Mone in seinem Gutachten vom 20. Mai 1882 machte. Die Scheibe Leonhardts (Fenster 2) ist falsch geflickt. Der Name darf nicht auf dem Spruchband stehen, sondern gehört in den Nimbus. Außerdem kann es 1482 niemals St. Leonhardus geheißen haben. Es muß entweder sanctus leonardus oder deutsch hlg. lienhard heißen. Die Figur Mariens beim Besuch (1) muß nach Veit Stoß kopiert werden. Der Hintergrund in der Scheibe der hl. Elisabeth ist falsch. Es gab damals keine Landschaftshintergründe mit Gebäuden. Melchior von Schauenburg (2) ist völlig neu zu machen. Er darf niemals mit bloßem Schwert und mit dem Heim auf dem Kopf in der Kirche knien! Verschiedene Inschriften haben 1882 gefehlt, sind aber offenbar auf Betreiben Mones wieder eingesetzt worden. Ganz verschwunden ist die Scheibe eines knienden Bischofs, die der ältere Mone noch gesehen und in seiner Ouellensammlung zur Bad. Landesgeschichte, Band 3, Tafel 9, abgebildet hat. Der Hintergrund in der Scheibe der hl. Ursula ist falsch. Er müßte vor allem blau sein. Bei den Zusammenhängen der Farben in den einzelnen Bildern ist das nicht gleichgültig. Die neue Katharina in Fenster 4 hätte nach der hl. Barbara in 2 gerichtet werden müssen. Beide sind 1523 das Vorbild für die Figuren der Seitenaltäre gewesen. Auch der Hintergrund der aus Resten zusammengesetzten Wappenscheibe im Neubau ist nicht richtig. Die schlechten Baldachine sind ohne weiteres von den alten zu unterscheiden. Die Postamente sind alle neu. Nun fragen wir uns, was wir eigentlich ansehen sollen, wenn wir den naturnächsten Eindruck gewinnen wollen. Das ist immerhin noch so viel, daß sich die Fahrt nach Lautenbach lohnt. Da wäre zunächst das Pietafenster neben dem Lettner, das als Original bezeichnet werden kann. Zusammenstellung und Lage entsprechen den ursprünglichen Absichten. Das gleiche gilt vom Fenster über der Gnadenkapelle, in der nur die Figur des Mannes durch das grelle Rot als neu auffällt und bei der Betrachtung auszuscheiden hat. Dann wirkt die nun aus dem Giebelfenster des Langhauses in das kleine Fenster 10 versetzte Verkündigung durchaus ursprünglich. Sie besteht aus lauter alten Scheiben und war ursprünglich nur noch durch Stifter umrahmt.
Fenster 4. Gerhard von Neuenstein und Margarete von Gretzingen

Alter Bestand.
Neuer Bestand.

Auch das Fenster über der Seitentüre wirkt gut. Die Flickstelle im Frauengewand fällt nicht auf. In allen andern Fenstern sind die Scheiben allein zu betrachten. Fenster 1 liegt etwas hoch — Fenster 2 gibt bei Abdeckung der oberen Zeilen einen guten Originaleindruck, nur fehlen dann die Baldachine. Gut sind auch die Scheiben im Fenster 9. Am schlechtesten kommt Fenster 4 weg, da hier die meisten neuen Scheiben sind (Katharina, Sebastian und einige Baldachine) und auch die größten und gröbsten Flickstellen. Die Zusammenstellung aller weißen Rankenverzierungen wirkt durchaus kalt und unsachgemäß. Es ist schade, daß dadurch die herrliche Scheibe Gebhards von Neuenstein und die prächtigen Vögel aus den Baldachinspitzen nicht so zur Geltung kommen, wie sie es verdienen. - Das gute Fenster im Anbau gibt ein vorzügliches Vergleichsmaterial für alte und neue Glasmalerkunst.

So ist trotz der Verrestaurierung noch ziemlich viel gerettet. Die Lautenbacher Fenster haben als einzig erhaltenes vollständiges Werk Hans Wilds in Baden, besonders seit der Zerstörung der Fenster der Magdalenenkirche in Straßburg, Anspruch auf stärkste Beachtung. In der noch so gut erhaltenen alten Umgebung bilden sie ein hervorragendes Zeugnis aus der Zeit des Höhepunktes der gotischen Glasmalerkunst.

I.) Ottilie, geb. Bach, verheiratei 1471 mit Hans von Bubenhofen. Beide erscheinen 1476 in Tübingen auf einer Scheibe.

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