Die Grimmelshausenfeiern in Renchen 1876 und 1879 in ihrem historischen Kontext


Zum 125. Jahrestag der Einweihung des Denkmals - Walter Ernst Schäfer - die Ortenau 2004 - S. 427 ff.

Das Vorspiel

Die Auseinandersetzungen um die Pläne, in Rastatt ein Denkmal für die 1849 erschossenen Aufständischen zu errichten, sind bekannt und ausreichend dokumentiert(1). Seit der standrechtlichen Erschießung von neunzehn Revolutionären in Rastatt im Zeitraum zwischen August und Oktober 1849 bemühten sich Bürger aus Rastatt, Verwandte und Freunde der Verurteilten, die Gräber der ohne Sarg und Gedenkzeichen auf dem Friedhof Rastatts Verscharrten zu erhalten und zu pflegen. Ab etwa 1873, im Kaiserreich, setzten Bestrebungen politischer Gesinnungsfreunde und Nachkommen der Erschossenen ein, eine Gedenkstätte und ein Denkmal zu errichten. Sie blieben, obgleich hartnäckig verfolgt, über fast fünfundzwanzig Jahre hinweg ohne Erfolg. Vor allem Militärbehörden, der preußische Festungskommandant von Rastatt, später das großherzogliche Innenministerium widersetzten sich den immer wieder aufgenommenen Bemühungen. Erst 1899 war es möglich, auf dem Friedhof von Rastatt, nicht allzu weit vom Ort der ursprünglichen Beerdigung, einen Gedenkstein, einen Monolithen, mit den Namen der Verurteilten zu errichten - auch im Kaiserreich nun ohne eine Feier oder auch nur eine Ansprache. Ein öffentliches Gedenken und damit eine Ehrung fand erst 1909 unter gewichtigen polizeilichen Sicherungsmaßnahmen auf Betreiben von Sozialdemokraten statt. Die hier sehr gerafft dargestellten Vorgänge, die erst nach rund sechzig Jahren zum Erfolg führten, sind exemplarisch für alle Bemühungen, an Orten in Baden die Erinnerung an Ereignisse der Revolution von 1848 - 49 und an die daran Beteiligten wach zu halten. Das großherzogliche Haus, die preußische Militärverwaltung und die badische Ministerialbürokratie suchten systematisch ein Gedenken zu verhindern.

Das Ringen von Bürgern und Demokraten zuerst um eine Gedächtnisstätte, dann um ein Denkmal war nun für Renchen insofern von Belang, als das Rastatter Komitee, das sich aus Persönlichkeiten mittelbadischer Städte gebildet und Geld gesammelt hatte, einmal, im Verlauf des Jahres 1874, Erfolg zu haben schien. Der Gemeinderat Rastatts und das zuständige Bezirksamt hatten der Errichtung eines Denkmals schon zugestimmt, der Auftrag für den Denkstein war vergeben, die Steinmetzarbeiten hatten schon begonnen, als eine Intervention des Festungskommandanten, des preußischen Generalleutnants von Gayl, alle Hoffungen zunichte machte. Der kommandierende General beschied das Komitee formaljuristisch:(2)

"Die Leichen gerichtlich zum Tode beförderter Individuen gehören dem Gericht, dies allein hat zu verfügen, wie und wo die Beerdigung stattfinden soll und ob ein Grabdenkmal zu errichten ist. Da nun das hiesige Gouvernementsgericht die Machtnachfolgerin des vormaligen badischen Kriegs-Gericht's, welches s. Z. die betreffenden Individuen zum Tode durch Erschießen verurtheilt hat, so wird die Genehmigung zur Aufstellung des Denkmals versagt."

In kühlerem Ton konnte man die Antragsteller nicht abfertigen. Allenfalls der wiederholte Begriff "Individuen" lässt eine abschätzige Gesinnung erkennen. Die neunzehn Erschossenen waren zumeist zu den Aufständischen übergetretene Offiziere und Soldaten. Nach legalen Begriffen hatten sie sich der Fahnenflucht und des Hochverrats schuldig gemacht. Eine Genehmigung von Seiten der Militärbehörden kam da nicht in Frage.

Von da an lag der so gut wie fertige Stein einige Jahre auf dem Werkhof des Maurer- und Steinmetzgeschäfts Breunig in Rastatt. In Renchen wusste man davon. Und als im Jahr 1876, dem 200. Todesjahr Grimmelshausens, dort der Plan reifte, ihm auf dem Friedhof von Renchen, der seine Asche birgt, ein Denkmal zu errichten, wandte sich Amand Goegg (1820 - 1897), früherer Finanzminister der Revolutionsregierung 1849 und respektierter Bürger Renchens, an das Komitee in Rastatt, um den nutzlos gewordenen Denkstein zu erwerben. Der Kauf kam zustande. Für 2.500 Mark kam der Gedenkstein nach Renchen und wurde am 17. August 1879 dort feierlich eingeweiht. Aus dem Revolutionsdenkmal wurde ein Poetendenkmal. In dieser und noch in ganz anderer Weise, von der noch die Rede sein wird, verschränkt sich die Wirkungsgeschichte Grimmelshausens mit bedeutsamen Ereignissen der badischen und der deutschen Geschichte.

Auch der Verlauf der Feierlichkeiten in Renchen, jener zum 200. Todestag Grimmelshausens und der späteren zur Einweihung des Denkmals sind bestens dokumentiert(3). Die Fakten liegen auf dem Tisch. Was fehlt, ist eine Untersuchung des historischen Kontextes, der Gesinnungen und politischen Einstellungen derer, die diese Feiern veranlasst und organisiert haben oder auch nur durch Zuschriften oder als Gäste sich daran beteiligten. Die Feiern des Jahres 1876 lassen sich aber nun nicht verstehen ohne den Rückblick auf die um den "Simplicissimus" geführten Debatten im preußischen Landtag vom März 1876. Es ist also nötig, weiter auszuholen.

Das 1899 errichtete Denkmal für die 1849 erschossenen Aufständischen auf dem alten Friedhof in Rastatt.
Das 1899 errichtete Denkmal für die 1849 erschossenen Aufständischen auf dem alten Friedhof in Rastatt.

Die Vorbereitungen für die Gedenkfeiern 1876

Die Anstöße zur Feier des 200. Todestages Grimmelshausens kamen von außen, von Literaten und Literaturwissenschaftlern. Der Tübinger Germanist und Vorsitzende des Literarischen Vereins Stuttgart, Adelbert von Keller (1812 - 1887) setzte sich mit Viktor von Scheffel (1826 - 1886) in Verbindung, dem Erfolgsautor, der in der "Seehalde", seiner Villa auf der Mettman bei Radolfszell, ein beschauliches Dasein führte(4). Adelbert von Keller war an einer Ehrung Grimmelshausens umso mehr interessiert, als er, zwar Experte für mittelalterliche Literatur, doch 1852 bis 1862 im Auftrag des Literarischen Vereins eine kritische Ausgabe des Simplicissimus besorgt hatte(5). Über Viktor von Scheffel ging die Anregung zu Ludwig Eichrodt (1827 - 1892), von Beruf Oberamtsrichter in Lahr, bekannter aber durch seine Satiren und Humoresken in Zeitschriften, durch seine Mitarbeit am Kommersbuch und durch Das Buch Biedermaier (1853). Damit war die Angelegenheit in die Ortenau getragen, ohne dass man wüsste, auf welchem Weg sie nach Renchen gelangte. Jedenfalls wurde zur Vorbereitung einer Gedenkfeier ein Ausschuss in Renchen gebildet(6). Ihm gehörten zwei Literaten an, eben Ludwig Eichrodt und der ihm befreundete, sehr viel jüngere Friedrich Geßler (1844 - 1891), der doch durch die Auffindung des Grabes von Friederike Brion in Meißenheim 1863 und durch sein national getöntes Drama Friedrich Staps über die Region hinaus bekannt geworden war(7). Unter ihnen darf man am ehesten Friedrich Geßler zutrauen, dass er Schriften und Biographie Grimmelshausens gut kannte. Die literarischen Kenntnisse Ludwig Eichrodts scheinen eher oberflächlicher Art gewesen zu sein(8). So war es auch Geßler, der bei der Feier in Renchen am 17. August die Festrede auf Grimmelshausen hielt, während Eichrodt in launiger Art der Tafelgesellschaft präsidierte. Aus Renchen selbst traten der Bürgermeister und eben Amand Goegg dem Ausschuss bei. Goegg war 1862 von der Großherzoglichen Regierung begnadigt worden und aus dem Exil heimgekehrt, hielt sich aber immer nur vorübergehend in Renchen, seiner Geburtstadt, auf(9).

Die Tätigkeit des Ausschusses und die Gesinnungen der Mitglieder sind nur in zwei Dokumenten greifbar, in einem Brief an die Redaktion einer unbekannten Zeitung und in dem vom Festausschuss unterzeichneten gedruckten Plakat zur Ankündigung der Feier(10). Man präsentierte Grimmelshausen als einen Volksschriftsteller und als einen "ächten Fortschrittsmann",

Sein Hauptwerk, "Der Simplicissimus", schildert uns Land und Leute aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges so treu und trefflich, von solch köstlichem Humor durchweht und so tief aus dem Volk heraus für dasselbe geschrieben, daß das Buch für alle Zeiten als ein kostbarer Schatz der deutschen Literatur gelten wird.

Grimmelshausen hat in seinen Schriften dem deutschen Volk nicht allein einen Spiegel vorgehalten, wie es ist, sondern ihm auch tapfer, mannhaft und als ächter Fortschrittsmann gezeigt, wie es sein sollte.

Der Begriff "Fortschrittsmann" war politisch beladen. Man muss etwa daran erinnern, dass es in Deutschland seit 1861 eine "Fortschrittspartei" gab, die für die konsequente Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie kämpfte und deren Abgeordnete bei der Debatte um den Simplicissimus im preußischen Landtag kurz zuvor für den Wert des Romans eingetreten waren. Grimmelshausen wurde auf diesem Plakat in die Nähe der Liberalen und "Fortschrittlichen" gerückt. Dafür war wohl vor allem Amand Goegg verantwortlich. Die übrigen Ausschussmitglieder stimmten zu oder widersprachen doch nicht. Unter den weitgespannten politischen Aktivitäten Goeggs trat besonders sein Einsatz für die Arbeiterbildung hervor. Er hatte seit 1869 einen Sitz im Zentralkomitee der deutschen Arbeiterbildungsvereine in Genf und sah in Grimmelshausen offenbar einen Schriftsteller, der den Bildungsinteressen breiter Volksschichten entgegenkommt(11).

Die erstaunliche Resonanz, die der öffentliche Aufruf des Ausschusses fand, ist nur vor dem Hintergrund einer aufgeladenen politischen Atmosphäre zu verstehen. Nur wenige Monate zuvor, im März 1876, hatte im preußischen Landtag in Berlin eine erregte, sich über mehrere Tage hinziehende Debatte über den pädagogischen Wert des Simplicissimus stattgefunden. Anlass war eine Jugendbuchausgabe des Romans, die im Vorwort des Bearbeiters, des Schriftstellers Elard Hugo Meyer, deutlich politische Akzente setzte, indem sie auf die Kritik hinwies, die Grimmelshausen am katholischen Klerus geübt habe. Als der preußische Kultusminister Adalbert Falk, ein Vertrauter Bismarcks, die Schrift für die Verleihung von Preisen an Schulen empfahl, musste das - vor der Folie des erbitterten Kulturkampfes in Preußen und in Baden - die Vertreter des Katholizismus, insbesondere der Zentrumspartei unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Burkhart von Schorlemer-Alst, provozieren. Die Beanstandungen am Simplicissimus von dieser Seite sind zur Genüge dokumentiert(12). Ich beschränke mich auf diejenigen Vorwürfe, für die man in Baden besonders hellhörig sein musste.

Hier war die Kulturpolitik der liberalen Regierung unter Friedrich I., vom Regierungsantritt als Prinzregent 1852 an, dann als Großherzog 1856, darauf gerichtet, den Einfluss und die Befugnisse beider Kirchen, der uniierten evangelischen, mehr aber noch die der katholischen, zurückzudrängen(13). Die großherzogliche Regierung suchte das durch eine lange sich hinziehende und graduell sich steigernde Folge von Maßnahmen und Gesetzen zu erreichen. Besonders heftig hatte sich der Kulturkampf in Baden am Schulaufsichtsgesetz von 1862 entzündet. Durch dieses Gesetz wurde den Kirchenleitungen und den Ortsgeistlichen die alleinige Aufsicht über alle Schularten und damit die Bestimmung über die Lehrpläne und die einzuführenden Lehr- und Lesebücher entzogen. Dafür sollte nun ein aus Vertretern der Staatsbehörden und der Kirchenleitungen gemischt zusammengesetzter Oberstudienrat für Gymnasien, ein Oberschulrat für die Volksschulen, auf der lokalen Ebene aber ein analog zusammengesetzter Ortsschulausschuss zuständig sein. Der badische Klerus wehrte sich erbittert gegen diese säkulare Einmischung in die Lehrinhalte aller Schulen. So forderte der katholische Curatklerus in einer Denkschrift des Jahres 1863:(14)

Jeder Confessiontheil, vertreten durch die Kirchenbehörde, soll den gebührenden Antheil an der Leitung seiner Schulen haben; diese Mitbetheiligung umfaßt sowohl die Organisation als die Führung der Geschäfte des Schulwesens: insbesondere muß der Kirchenbehörde bei der Erziehung, Berufsbildung, Prüfung, Disciplin und Ernennung der Lehrer; bei der Bestimmung des Lehrplanes, namentlich bei der Bestimmung der Zahl der Religionsunterrichtsstunden, der Schulbücher; bei Einrichtung des Volksschulwesens und darauf sich beziehenden Verordnungen, bei den Schulvisitationen und den Schulprüfungen die gebührende Mitwirkung eingeräumt werden.

Wir übergehen die folgenden Zusammenstöße zwischen Kirchenleitungen und Ministerien, Klerus und Ortsbehörden, etwa diejenigen aus Anlass des Gesetzes über das "Kulturexamen" 1867, mit dem den Theologiestudenten eine Prüfung unter anderem ihrer Kenntnisse in der Weltgeschichte und in der deutschen Literatur abverlangt wurde, und erwähnen nur, dass die Konfrontation in Baden gerade im Jahr 1876, als die Vorbereitungen für das Grimmelshausenfest in Renchen liefen, mit der Verkündigung der obligatorischen Simultanschule ihren Höhepunkt erreichte. Es war klar, dass in diesem erhitzten Klima die Katholiken in Renchen und in Baden die Berichte über die Debatten im preußischen Landtag gespannt verfolgten. Hier musste man in Erinnerung an die Revolutionsereignisse und an die preußische Militärjustiz registrieren, dass die Zentrumsabgeordneten in Berlin zum Beispiel in Olivier (Simplicissimus Buch IV, Kap. 15 - 17) eine Figur sahen, die nicht nur Steuerhinterziehung, auch Fahnenflucht praktizierte, und dieses als Empfehlung des Autors verstanden hatten(15). Und doch erklärt sich die aus der heutigen Perspektive unerklärlich vehemente Verurteilung des Romans nicht allein vor dem Hintergrund des Kulturkampfes in Preußen und in Baden. Nach gängiger Auffassung der Schulverwaltung wie einer Mehrheit der Eltern dieser Zeit hatte ein Schullesebuch in seinen Erzählungen positive Helden vorzuweisen, die als Exempelfiguren zur Nacheiferung dienen konnten. Ein Roman wie der Simplicissimus, der so stark von der pikaresken Tradition, also von fragwürdigen Figuren, bestimmt ist, konnte da von vornherein nicht in Frage kommen.

Amand Goegg nach einer Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1849, von Irminger. - In: Um Renchen und Grimmelshausen, hrsg. v. Grimmelshausen-Archiv Renchen, Renchen 1976, S. 172.
Amand Goegg nach einer Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1849, von Irminger. - In: Um Renchen und Grimmelshausen, hrsg. v. Grimmelshausen-Archiv Renchen, Renchen 1976, S. 172.

Doch direkte Bekundungen der Kritik am Roman sind aus der Renchener Umgebung, soweit ich sehe, nicht überliefert, obgleich doch der Literaturwissenschaftler Erich Schmidt Renchen für "einen wesentlich ultramontanen Ort" hielt(16). Man vermerkt aber die Auswirkungen des Streites um den Simplicissimus im Wortlaut des Dankschreibens der Stadt Gelnhausen auf die Einladung durch den Stadtrat von Renchen, wenn es heißt:(17)

Grimmelshausen, der in trübster Zeit für die deutsche Nation so Großes geleistet hat für die nationale Literatur und ein so männlicher Streiter war im Kampf gegen die Ränke einer herrschsüchtigen Geistlichkeit, die danach namenloses Unglück über Deutschland brachte ...

Die Grimmelshausenfeier am 17. August 1876

Das Fest in Renchen trug das charakteristische Wilhelminische Gepräge. Am Vorabend wurden die Renchener durch "Böllerschüsse und Zapfenstreich" aufmerksam gemacht(18). Am Festtag selbst empfing man feierlich die auswärtigen Gäste am Bahnhof Renchen und geleitete sie zur "Austheilung der Festzeichen durch die Festjungfrauen" in die Graf’sche Halle, wo sich um halb elf Uhr der Festzug aufstellte, der durch die fahnen- und girlandengeschmückte Hauptstraße zum Rathaus ging. Dort kredenzten die Festjungfrauen den Ehrenwein. Gegen Mittag bewegte sich der Zug - an die dreihundert Leute - auf den zum Festplatz hergerichteten Friedhof neben der Kirche. Musikalisch umrahmt vom Männerchor des Liederkranzes hielt Amand Goegg eine Ansprache. Die eigentliche Festrede war Friedrich Geßler aus Lahr übertragen. Das Festessen war für zwei Uhr nachmittags angesetzt und zog sich unter dem gutgelaunten Tafelpräsidenten Ludwig Eichrodt bis weit in den Nachmittag hinein. Den Abend füllten "Bankette mit Musik" in den Biergärten. Ein Feuerwerk vom Schlossberg beschloss den Tag.

Es waren nicht allein der Zapfenstreich und die Böllerschüsse, die dem Fest ein gewisses militärisches Gepräge gaben, es war auch der Veteranenverein, der wie der Bürgerverein mit seiner Fahne am Festzug teilnahm. Er durfte nach den Siegesfeiern von 1871 nicht fehlen. Über den Friedhof hallte das Pathos der Weihegesänge: "Das ist der Tag des Herrn" von Konradin Kreutzer, aber dann doch auch ein Chorgesang, der an die Zeit Grimmelshausens, an den Dreißigjährigen Krieg, erinnerte, "Nun danket alle Gott" von Martin Rinckart 1636 gedichtet. In der zweiten Hälfte des Tages kamen die leiblichen Genüsse nicht zu kurz, wie alle Berichterstatter in Zeitungen lobend erwähnen. Schon beim Umtrunk am Morgen wurde ein charakteristischer Wein der Gegend gereicht, ein Klingelberger (womöglich aus Oberkirch, das man damals noch nicht als Grimmelshausenort anerkannt hatte).

Der Wortlaut der beiden Reden von Amand Goegg und Friedrich Geßler ist nicht überliefert. Zeitungsberichten kann man entnehmen, dass Goegg sich vorgenommen hatte, den Lebenslauf Grimmelshausens mit dem Schwerpunkt auf der Renchener Zeit zu umreißen. Die politischen Untertöne waren verhaltener als in der Vorbereitungsphase des Festes. Die Karlsruher Zeitung - ein regierungstreues Blatt - bescheinigte Goegg:

Er gab in volksthümlicher, tendenzfreier, eindringlicher Rede ein Lebensbild Grimmelshausens(19).

Offenbar hatte man mit dem Blick auf seine revolutionäre Vergangenheit Befürchtungen gehabt. Ein kurioses Detail seiner Ansprache hat der Germanist Erich Schmidt, Dozent an der Universität Straßburg, überliefert:(20)

Sehr wirkungsvoll war zum Beispiel die Schilderung des Grimmelshausenschen Wappens; es enthalte zwei ausgebreitete Flügel - "so wie sie heut die Herren Eisenbahnbeamten tragen" - weil der Herr von Grimmelshausen hoch auffliegen wollte, und drei gekrümmte Nägel, weil er die Pfaffen und Deutschenfeinde mit scharfen Krallen anpackte.

Diese kleine Stichelei gegen den Klerus konnte der ehemalige Volksheld von 1849 dann doch nicht unterdrücken. Ernst gemeint war sie wohl kaum. Es gehörte schon viel Phantasie dazu, die Wolfsangeln in Grimmelshausens Wappen als gekrümmte Nägel zu verstehen.

Friedrich Geßler umriss in seiner Rede den zeithistorischen Umkreis der Schriften Grimmelshausens. Den Kern bildete jedoch, wie Erich Schmidt berichtete, "eine sorgfältige Inhaltsangabe des Simplicissimus". Als Experte in Sachen Grimmelshausen und Moscherosch war Schmidt drei Jahre später, bei der Einweihung des Denkmals 1879, noch voll des Lobes über die Rede Geßlers:(21)

Damals hat ein um Grimmelshausens Andenken hochverdienter Mann sein Leben und seine Werke mit der anschaulichsten Frische eingehend geschildert.

Auch bei ihm achtete man genau auf die politischen Zwischentöne. So berichtete die Straßburger Zeitung:(22)

In Verbindung mit der Lebensgeschichte Grimmelshausens gab Herr Geßler ein Bild der Zeit, in der der Dichter lebte, sowie des damaligen Standes der deutschen Literatur, welche durch den "Simplicissimus" in so tiefwirkender Weise bereichert wurde. In seiner überall sachlich gehaltenen Rundschau citirte der Redner zur Veranschaulichung des großartigen Humors Grimmelshausen’s mehrfach wörtliche Stellen aus seinen Werken und betonte mit besonderem Nachdrucke dessen deutsch-patriotisches Wirken im Dienste des damaligen Bischofs von Straßburg, jenes Egon von Fürstenberg, der, kaum ein Jahrzehend später Ludwig XIV. an den Pforten des Münsters mit jener sattsam bekannten Wiederholung eines Bibelwortes empfing.

Die aufwühlenden Ereignisse des deutsch-französischen Krieges und die Siegesfeiern hallten nach, von Straßburg aus gesehen verständlicher Weise besonders. Geßler vergaß offenbar nicht, die Ereignisse bei der Kapitulation Straßburgs 1681, die Begrüßung Ludwigs XIV. durch Franz Egon von Fürstenberg vor dem Münster und sein Zitat von Luk. 2: 29 - 30: Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen mit der Rückgewinnung des - von preußischer Artillerie zerbombten - Straßburg zu kontrastieren und beide Ereignisse unter dem nationalen Gesichtspunkt zu werten(23). Geßler übersah wie so viele deutsche Zeitgenossen, dass sich das Heilige Römische Reich deutscher Nation mit seinem schwachen Interesse an den oberrheinischen und elsässischen Reichsteilen kaum mit dem 1871 geschaffenen Zweiten Kaiserreich und die auf Neutralität bedachte Bürgergesinnung des 17. Jahrhunderts kaum mit der national aufgeheizten Stimmung im Deutschland des 19. Jahrhunderts vergleichen ließ.

Auch die dem Zentrum nahestehende Presse nahm prompt Anstoß an diesen Bemerkungen. Der Badische Beobachter vom 20. August 1876 berichtete:(24)

Als zweiter Redner trat ein Herr Geßler aus Lahr auf und suchte den Gefeierten als Schriftsteller zu schildern. Anfangs enthielt er sich jeder anstößigen Bemerkung und behandelte sein Thema sachgemäß. Schließlich konnte er es nicht lassen, kulturkämpferisch zu sein und etwas hineinzuziehen, was garnicht dazu gehörte. Statt dem damaligen Bischof von Straßburg zu danken, daß er Grimmelshausen in seinem Lande eine Stelle gegeben, wo er im vielbewegten Leben Ruhe fand und Muse genug, um seine besten Schriften zu verfassen, so machte er dem Manne einen Vorwurf daraus, daß er im Jahre 1681 den König von Frankreich Ludwig XIV. an den Pforten des Münsters empfangen, wobei er die Worte der hl. Schrift aussprach: Nun dimittis servum etc. Der Ausdruck der Freude galt dem Umstande, daß der Bischof von Straßburg wieder den Dom als seine Kirche erhielt durch den Wechsel der Herrschaft. Wenn die Herren wissen wollen, was katholische Priester über den Raub Straßburgs urtheilten, so mögen sie den hierüber vom französischen Bischof Fenelon an den König geschriebenen Brief lesen. Bischof Egon konnte nicht anders, als seinen Herrscher zu empfangen und seine Freude darüber auszusprechen, daß er wieder ein Recht im schönen Dom habe. Warum beim Feste eines Convertiten so Culturkampf treiben?

Eine recht eigenwillige Interpretation der Begrüßungszeremonie vor dem Straßburger Münster 1681 und der dabei gesprochenen Worte. Und ob man Geßlers Erinnerung daran als "Kulturkampf" bezeichnen will, ist Ermessenssache. Jedenfalls wird deutlich, wie genau man links und rechts auf jedes Wort achtete.

Die Festgäste - es müssen über zweihundert gewesen sein - kamen zum größten Teil aus den mittelbadischen Städten Baden-Baden, Bühl, Achern und Offenburg, aber auch aus dem nahe gelegenen Straßburg. Sie gehörten, soweit man erkennen kann, der liberalen oder radikaldemokratischen Richtung an. Gewiss hatte Amand Goegg unter Freunden aus Revolutionstagen geworben. So schickte Karl Blind aus London einen Glückwunschbrief(25). Doch persönlich waren keine der politischen Freunde zugegen. Georg Herwegh war schon ein Jahr zuvor in Baden-Baden gestorben. Berthold Auerbach, den man erwartet hatte, kam nicht. Man darf sicher sein, daß auch Friedrich Geßler, der 1863 das Grab von Friederike Brion in Meißenheim entdeckt und vermocht hatte, dass sich 1867 über zweihundert Poeten aus ganz Deutschland mit Beiträgen an seinem Friederiken-Album beteiligt hatten, unter diesen für Teilnahme am Fest geworben hatle(26). So kam der Aesthetiker Friedrich Theodor Vischer, Professor am Polytechnikum in Stuttgart, aus diesem Anlass nach Renchen. In der Mehrheit aber, soweit man erkennen kann, Persönlichkeiten liberaler Gesinnung. Der Staatstheoretiker Professor Johann Caspar Bluntschli aus Heidelberg, Mitglied der ersten badischen Kammer, schickte eine Grußadresse(27). Amtsrichter Mallebrein aus Baden-Baden, der Sammler der Murg-Sagen, war selbst dabei. Die Germanistik und die literarische Welt waren allerdings schwach vertreten. Adelbert von Keller hatte sich wegen Krankheit entschuldigen lassen. Allein Erich Schmidt vertrat die Germanistik. Doch war Georg Längin, der evangelische Stadtpfarrer von Karlsruhe - er hatte eben (1875) das Lebensbild von Hebel erscheinen lassen - zugegen(28). Aus der Ferne grüßten Viktor von Scheffel (Radolfzell), August Stöber (Mühlhausen im Elsass)(29). Angesichts vorausgehender Befürchtung von Journalisten, die Ankündigung des Festes sei ein großes Wagnis, konnte der Festausschuss, konnte die Stadt Renchen zufrieden sein.

Es fällt auf, dass von den Katholiken Renchens keine Äußerung zu diesem Fest und seinem Verlauf aufzufinden ist. Es scheint so, als hätten sie sich stillschweigend distanziert.

Die Vorbereitungen zur Errichtung des Grimmelshausen-Denkmals

Die Anstöße zur Errichtung des Denkmals im Jahr 1879 kamen dieses Mal nicht von außen, von der Wissenschaft, sondern aus dem mittelbadischen Raum und aus Renchen selbst, und zwar in unmittelbarer Folge der Feier von 1876. Es waren zunächst Teilnehmer an dieser Feier, die den Entschluss schon während der Festlichkeit fassten, "Grimmelshausen soll in seiner Vaterstadt ein Denkmal haben.(30) Das wird bestätigt durch einen Brief Ludwig Eichrodts aus Lahr vom 21.8.1876 - also unmittelbar nach der 200-Jahrfeier - an den Bürgermeister von Renchen, in dem es heißt:(31)

Es sind auch seither Stimmen laut geworden, einen Denkstein auf dem Festplatz anzubringen, der Fremden Auskunft gibt und nach Renchen ziehen wird. Das kann der Stadt nützen.

Es bildete sich während oder gleich nach dem Fest ein Komitee, welches sich die Verbreitung der Schriften Grimmelshausens sowie die Errichtung eines Denkmals für denselben zur Aufgabe machte(32). Den Vorsitz übernahm der Fabrikant Otto Behrle, dessen Firma in Renchen Mühlsteine herstellte. Mitglieder waren der Renchener Bürgermeister Paul Behrle und sieben weitere Persönlichkeiten, darunter der Adler-Wirt Alois Brandstetter und Kauf- und Handelsleute aus Renchen(33). Sie entfalteten eine rege Aktivität, die mit dem Aufruf "An die Deutschen im In- und Ausland" (so dass auch deutsche Emigranten in den Vereinigten Staaten angesprochen werden konnten) einsetzte und um freiwillige Spenden für ein Denkmal warb. Friedrich Geßler hatte den Aufruf formuliert. Neben den Komiteemitgliedern zeichneten aber nun markante Persönlichkeiten des literarischen und wissenschaftlichen Feldes diesen Appell, in alphabetischer Reihenfolge:(34)

Professor D. Felix Dahn in Königsberg
Ludwig Eichrodt, Oberamtsrichter in Lahr
Friedrich Geßler in Lahr
Amand Goegg in Renchen
Universitätsprofessor Dr. Adelbert von Keller, Tübingen
Universitätsprofessor Dr. Erich Schmidt in Straßburg
Professor L. Stephan in Offenburg
Professor Fr. Th. Vischer in Stuttgart

Überraschend ist diese Namensliste nicht. Mit Ausnahme von Felix Dahn und Ludwig Stephan, einem Gymnasiallehrer aus Offenburg, waren alle schon Teilnehmer an der Feier 1876 oder hatten doch durch Zuschriften sich interessiert gezeigt. Wie aber kam Felix Dahn (1834 - 1912), der seit 1872 eine Professur des Rechts in Königsberg einnahm und gerade eben den ersten Band seines so gewinnträchtigen historischen Romans Ein Kampf um Rom publizierte, in diese Renchener Gesellschaft? Auch hierfür, so darf man sicher annehmen, war Friedrich Geßler verantwortlich. Er hatte schon 1867 Dahn - damals noch Dozent für Deutsches Recht an der Universität München - zu einem Beitrag zu seinem Album für Friederike Brion bewegen können(35). In diesem und in anderen Fällen scheint der unermüdliche Friedrich Geßler der Verbindungsmann zu einem weitgespannten Netz von Literaten gewesen zu sein. Bei Felix Dahn mag ein politischer Beweggrund für seinen Anschluss an den Renchener Kreis mitgesprochen haben. Er hatte sich schon als Student bei der Verteidigung seines Lehrers in München, eines Philosophen, gegen klerikale Angriffe einen Ruf als standfester Liberaler erworben.

Der Erfolg dieses Aufrufs kann nicht allzu groß gewesen sein, trotz der illustren Namen: es kamen rund fünfhundert Mark zusammen. Erst im Juni 1879 - über Aktivitäten des Komitees in den Zwischenjahren ist nichts bekannt - hatte man die Idee, zur Finanzierung des Denkmals den Antrag an das zuständige großherzogliche Bezirksamt in Achern zu stellen, eine Lotterie durchführen zu dürfen(36). Der Antrag wurde genehmigt. Es wurden viertausend Lose zum Preis von einer Mark hergestellt und vertrieben. Die ausgesetzten Preise geben Einblick in die literarischen Präferenzen des Komitees. Der erste Preis war ein Ölgemälde, eine Landschaft im Wert von hundert Mark. Doch die zweiten Preise waren Stahlstiche des Porträts Kaiser Wilhelms I. in Goldrahmen. Dann folgten - neben Tafelsilber - literarische Preise: Berthold Auerbachs Romane in zwölf Bänden und dessen Schwarzwälder Dorfgeschichten, sämtliche Werke von Schiller, von Friedrich Theodor Vischer und ein wissenschaftliches Werk von Karl Simrock - eine Ausgabe von "Tristan und Isolde" des Gottfried von Straßburg - wohl der Nähe zur oberrheinischen Metropole wegen. Dazu kamen natürlich die Schriften Grimmelshausens, die Gesamtausgabe von Heinrich Kurz (1863 - 1864) und einhundertzwanzig Exemplare des Simplicissimus in der Ausgabe von Oskar Ludwig Bernhard Wolff, die 1875 in vierter Auflage erschienen war(37). Es waren rund 250 Preise auf 1.000 Lose angesetzt - eine nicht schlecht bestückte Lotterie. Der Erlös von rund 2.500 Mark war ausreichend, um den Denkmalstein für die Aufständischen in Rastatt zu erwerben - Amand Goegg hatte dorthin die Verbindung gehalten. Beeilung war geboten(38). Schon am 14. Juli 1879 stellte der Steinmetz Breunig aus Rastatt, dem er abgekauft worden war, den Sockel des Denkmals auf dem Friedhof von Renchen auf(39). Schon Anfang August war es so weit, dass den Zeitungsredaktionen die Ankündigung der Einweihungsfeier übermittelt werden konnte, die dann an einem heiteren Sonntag, am 17. August 1879, stattfand.

Das Einweihungsfest

Das Plakat mit dem Programm der Festveranstaltung ist überliefert(40). Wir begnügen uns mit der Feststellung, dass sie sich nicht wesentlich von den Festlichkeiten drei Jahre zuvor unterschied. Auffallend ist wieder die militärische Begleitmusik mit Böllerschüssen ("Geschützdonner") und einer Militärkapelle, die dieses Mal die Gäste schon am Bahnhof Renchen begrüßte. Wieder marschierte der "Militärverein" (auf dem Programmzettel 1873 noch "Veteranenverein" benannt) von Militärmusik begleitet im Festzug mit. Die Gesangsbeiträge erhielten dieses Mal eine besondere Note dadurch, dass ein aus Renchen stammender Musiker, Ignaz Heim (1818 - 1880) das Gedicht Komm Trost der Nacht aus "Simplicissimus" I, Kap. 7, vertont hatte und die Liedkomposition mit einem gemischten Chor, von einem Orchester begleitet, zur Aufführung brachte(41). Wieder schäumte nachmittags über der üppigen Tafel in Wirtshäusern und abends bei den Bällen die Feststimmung auf. Alles Herrliche, was man in Wort und Rede, in Speise und Trank nur bieten kann, wurde uns in reichem Maße zu Teil urteilte ein begeisterter Reporter in seinem Festbericht(42).

Einweihung des Grimmelshausen-Denkmals in Renchen 1879. In: Um Renchen und Grimmelshausen, hrsg. v. Grimmelshausen-Archiv Renchen, Renchen 1976, S.143.
Einweihung des Grimmelshausen-Denkmals in Renchen 1879. In: Um Renchen und Grimmelshausen, hrsg. v. Grimmelshausen-Archiv Renchen, Renchen 1976, S.143.

Wieder hielt Amand Goegg die Eröffnungsrede und skizzierte die Lebenslinien Grimmelshausens, den Akzent auf den Bürgermeister von Renchen legend (der Text ist nicht erhalten). Mit der eigentlichen Festrede war nun der erst 26-jährige Professor für deutsche Literatur an der Straßburger Universität, Erich Schmidt (1853 - 1913) betraut. Er hatte als Schüler von Wilhelm Scherer eine brillante Karriere gemacht und war zwei Jahre zuvor, 1877, Ordinarius geworden(43).

Mit einer Handbewegung, einem Nebensatz, tat Schmidt die Kritik des Zentrums am Simplicissimus, die Debatte im preußischen Landtag, ab: von dem zimperlichen Ekel, der auch die geniale Darstellung des Wüsten nicht verträgt, rede ich natürlich nicht(44). Er konnte das um so entschiedener, als er Grimmelshausen als den Dichter deutscher Lebensart im Kampf gegen Überfremdung präsentierte. Die Woge des seit 1871 neu entzündeten Nationalbewusstseins hielt an. Als ein aus dem wiedergewonnenen Straßburg Kommender konnte er darauf besonders Nachdruck setzen. So überrascht es nicht, dass Schmidt in seinem literarhistorischen Exkurs Grimmelshausen umstandslos in die Reihe jener Satiriker rückte, die wie Moscherosch, Johann Balthasar Schupp, Johann Lauremberg und Friedrich von Logau aus der Verantwortung für das "Deutschtum" die A-la-Mode Kultur in ihren verschiedenen Facetten bekämpft hatten. Dies war nach Schmidt nötig, weil im 17. Jahrhundert Gelehrte für Gelehrte reimten, weil die Deutschen hinter den Ausländern herliefen, weil nur das ganz Ungewöhnliche, darum Unnatürliche, Krasse noch wirkte und die Dichtung den nährenden Zusammenhang mit dem Leben, mit dem Volk verlor(45). Bei dieser Stilisierung Grimmelshausens als Dichter aus dem Volk und für das Volk - sie sollte beträchtliche Folgen haben - konnten folgerichtig nur die simplicianischen Romane Grimmelshausens Geltung beanspruchen. Dessen Idealromane und ein Teil seiner Traktate wurden abgewertet:(46)

Wen anders als den Fachgelehrten kümmern heute die steifen langweiligen biblischen, ritterlichen, halbhistorischen Romane Grimmelshausens: Joseph, Dietwald und Amelinde, Proximus und Lympida, oder die Phantasie "Der fliegende Wandersmann nach dem Monde" oder trotz einigen sehr frischen, drastischen Partien das Traumgesicht "Mir und Dir", oder der Spuk von Alraunen (Galgenmännlein), oder seine satirischen Bildspielereien und Kalender?

Auch in seinen Werturteilen war der junge Schmidt nicht zimperlich. Der Simplicissimus aber galt als Lebensbeichte Grimmelshausens: Die eigentlich hohe Schule war für ihn das Leben. Immerhin ging der Literarhistoriker anders als die literarischen Dilettanten über die Betrachtung des Romans vor der Folie von Grimmelshausens Biographie hinaus. Vom zeitgängigen Positivismus angeregt, fragte er nach dem Erlebten, aber auch nach dem Erlernten und bezog die pikaresken Romane und die Gesichte Moscheroschs in die Interpretation des Simplicissimus mit ein. Die Rede Schmidts kam gut an, das Echo in der liberalen Presse war begeistert. Der Reporter des Badener Wochenblatts berichtete, Schmidt habe in ächt wissenschaftlicher und doch populärer Weise die Bedeutung des Tages geschildert(47). In dessen Berichterstattung wurden dann die Literaturverhältnisse des 17. Jahrhunderts noch grobschlächtiger vereinfacht als in Schmidts Rede - zum größeren Ruhm Grimmelshausens:

Man hat die Periode, in welche Grimmelshausens literarisches Schaffen fällt, die Zeit der Nachahmung genannt - und mit Recht. Armseliger hat es wohl nimmermehr in unserer Literatur ausgesehen, als gerader in jener Zeit, wo alle und jede deutsche Ursprünglichkeit, aller Sinn für vaterländisches Wesen verwischt schien. Französische, italienische, spanische Dichter waren es, die ihre Stoffe dem deutschen Dichterling darboten, die dieser dann frisch, frei, fromm, froh, seinen Landsleuten zu Nutz und Frommen, nachkaute. Und wenn wir in dieser Wüstenöde, zu welcher die Dichter jener Zeit - Buchholz, Anton Ulrich von Braunschweig, Ziegler u. a. - den deutschen Dichterhain umgeschaffen, auf ein so lebensfrisches, gerade Deutschheit athmendes Werk treffen, wie Grimmelshausens Simplicissimus, so geht dem Deutschen das Herz auf.

Auch müsste im Spannungsfeld des Kulturkampfes die im Grund durch den Sterbeeintrag im Renchener Kirchenbuch gelöste Frage von Grimmelshausens Konfession noch einmal aufgerührt werden:

War er Katholik oder Protestant? Wir können diese Frage weder aus seinem Leben, noch aus seinen Schriften beantworten. Nur soviel steht fest, daß er, wie in wissenschaftlicher Beziehung, so auch in seinem religiös-sittlichen Denken und Fühlen hoch über seiner Zeit stand.

Der Berichterstatter konnte das offenbar weniger von sich behaupten.

Es fehlen zureichende Angaben über die Beteiligung an der Einweihung des Denkmals. Offenbar hatte man sich Hoffnung gemacht, das Interesse der germanistischen und historischen Fachwissenschaft werde größer sein als im Jahr 1876. Doch Adelbert von Keller, Felix Dahn, auch Viktor von Scheffel ließen sich entschuldigen, schickten Grußbotschaften(48). Von der Teilnahme anderer Wissenschaftler ist nichts bekannt. Aus London schickte Karl Blind (1826 - 1907), der an der Revolution 1848 / 49 beteiligt war, eine Grußadresse(49). Auch fand die Feier bei den öffentlichen Ämtern nun mehr Beachtung als die 200-Jahrfeier 1876. Selbst das großherzogliche badische Ministerium des Inneren grüßte die Festgesellschaft.

Die Errichtung des Grimmelshausen-Denkmals - eine Ersatzhandlung?

Es wurde in jüngster Zeit, in Zusammenhang mit dem 150-jährigen Jubiläum der badischen Revolution 1998 / 99 die Frage aufgeworfen, wie weit bei der Denkmalseinweihung die Erinnerung an die frühere Bestimmung des Denkmals, an 1848 / 49 überhaupt, mitschwang, ja, es wurde die Hypothese aufgestellt, die Errichtung des Denkmals in Renchen sei eine Ersatzhandlung für den missglückten Versuch gewesen, ein Denkmal für die Erschossenen in Rastatt zu erstellen(50). Erweisen lässt sich diese Hypothese nicht. Man weiß von der Teilnahme früherer Revolutionäre - von Amand Goegg abgesehen - nichts. Die namentlich bekannten Verfasser des "Aufrufes" aus Rastatt, mit dem am 26. April 1874 zu Geldspenden für das Denkmal in Rastatt aufgefordert worden war, traten in Renchen beim Fest 1879 nicht hervor(51). Dass der eine oder andere Festteilnehmer sich an die ursprüngliche Bestimmung des Denkmals erinnert haben mag, bleibt unbestritten, doch fehlen Zeugnisse. Unter den Zuschriften fällt in Hinsicht auf diese Frage allenfalls diejenige von Karl Blind auf, der mit Datum vom 13. August 1879 aus dem Exil in London schrieb:(52)

So Manches, was Grimmelshausen einst schrieb, klingt leider heute an deutsche Verhältnisse an, nachdem doch erst acht Jahre verflossen sind, seitdem wir in gerechtem Kampf uns die gebührende Stellung errangen. Doch die Zuversicht auf die kommende Freiheit und ganze Einheit unseres Vaterlandes soll uns nimmermehr verlassen ...

Immerhin ein Hinweis darauf, dass durch die Verfassung des Reiches von 1871 - die viele für ein Provisorium hielten - die ersehnte Freiheit noch nicht gewonnen sei. Doch sind in den Reden der Feiernden selbst - und wohl auch in der Ansprache von Amand Goegg nicht, die Zeitungsreporter hätten es sonst vermerkt - keine Anspielungen auf 1848 zu vermerken.

In seiner Darstellung des Ringens um ein Denkmal für die Achtundvierziger in Rastatt verweist Meinhold Lurz einerseits auf auffällige Kalenderdaten, andererseits auf die Inschriften auf dem Grimmelshausen-Denkmal. Der Denkmalsockel ist - ohne eine Feier - am 14. Juli 1879, dem Datum des französischen Nationalfeiertags, erstellt worden. Das Denkmal selbst ist im August 1879, ungefähr fünfzig Jahre nach der Erschießung der Rastatter Aufständischen, eingeweiht worden. Es trägt als Aufschrift einen von Friedrich Geßler verfassten Spruch:(53)

Deutsch Volk, belogen und betrogen
Im Streit um hohes Ideal,
Durch Noth und Elend durchgezogen,
Aus Wunden blutend ohne Zahl,
Einfält’gen Herzens, tief verwildert,
Berührt doch von der Muse Kuß,
Deutsch Volk, du warst, den er geschildert,
Der arme Simplicissimus.

Die ersten beiden Verse wollte Meinhold Lurz zwar einerseits auf die Situation der Deutschen im Dreißigjährigen Krieg, andererseits aber auch im Sinne der Revolutionäre von 1849 auf Deutschlands Gegenwart bezogen sehen - eine gewagte Hypothese. Die rasche Aufstellung des Denkmalsockels am 14. Juli ergab sich aus dem erfolgreichen Abschluss der vom Festkomitee durchgeführten Lotterie im Sommer 1876 und dem drängenden Termin des Todestages Grimmelshausens am 17. August. Auch wurde die Aufstellung des Sockels, soweit bekannt, nicht gefeiert. Die rasche Verwirklichung des Plans von 1876, also innerhalb von drei Jahren, war möglich, weil eine rührige Sammeltätigkeit und Zufälle wie die Möglichkeit des Erwerbs eines schon weitgehend fertigen Denkmals mitgeholfen haben.

Die in Frage stehenden Verszeilen des Denkmalspruches wurden von Erich Schmidt in seiner Festrede, von den Journalisten in ihren Berichten eindeutig auf die Verhältnisse im 17. Jahrhundert bezogen. Ihr Verfasser, Friedrich Geßler, war zwar ein aufrechter Liberaler, aber in keiner Phase seines Lebens ein Sympathisant der Revolutionäre. Ja, er hatte sich in Gedichten von revolutionären Ideen eindeutig distanziert(54). So bleibt als Faktum eben nur, dass - kurios genug - aus dem Revolutionsdenkmal ein Grimmelshausen-Denkmal geworden ist.

Ein Nachspiel

Um den alten Friedhof in Renchen wurde es in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts still. Eine größere Feier gab es erst wieder nach dem Ersten Weltkrieg, als 1924 der 300. Geburtstag Grimmelshausens zu feiern war - Grimmelshausenexperten hatten das Jahr 1624 als mutmaßliches Geburtsjahr festgelegt. Über die Gestaltung des Festes ist, soweit ich sehe, wenig bekannt, doch dokumentiert eine kleine, von der Gemeinde Renchen herausgegebene Broschüre und ein Anhang zur Zeitschrift Die Ortenau, Jahrgang 1925, die aus diesem Anlass gehaltenen Reden.(55)

Als anerkannter Wortführer der akademischen Grimmelshausenforschung gab Jan Hendrik Scholte aus Amsterdam am 13. Juli 1924 einen Überblick über das Gesamtwerk Grimmelshausens. Als Festredner war jedoch Wilhelm Engelfried Oeftering (1879 - 1940) vorgesehen, der durch eine historische Darstellung der Literatur der Ortenau hervorgetreten war und einige Jahr später mil seiner umfassenden Geschichte der Literatur in Baden (Teil I, 1930 - Teil III, 1939) ein vorzügliches Arbeitsinstrument für die Regionalhistoriker ausarbeiten sollte(56). Oeftering, zu dieser Zeit noch Bibliothekar der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, hatte unter dem Pseudonym Engelbert Hegaur sich schon mehrfach auch mit Grimmelshausen befasst. So hatte er schon 1909 eine populäre Ausgabe des Simplicissimus bei Langen in München herausgegeben. Beim gleichen Verlag erschienen 1923 bis 1925 die Simplicianischen Bücher in drei Bänden von ihm(57). Auch hatte er vereinzelte Studien zu Grimmelshausen verfasst(58).

In seiner Festrede von 1924 knüpfte Oeftering an die Feiern von 1876 und 1879 an und gab einen Rückblick:(59)

Bald 50 Jahre sind es her, da trafen sich an derselben Stelle, wo wir heute tagen, eine Reihe von deutschen Männern aus verschiedenen Teilen des Vaterlands, um das Andenken an Grimmelshausen zu feiern, um es dem Schutt der Vergessenheit zu entreißen und dem Streit der Tagesmeinung gegenüber hoch zu halten. Das war im Sommer 1876, als der 200. Todestag des Simplizissimusdichters sich jährte, und drei Jahre darauf vereinigte sich abermals eine frohe Schar, diesmal um den Denkstein für Grimmelshausen zu enthüllen und einzuweihen. Beide Feiern waren getragen von einer frohen und stolzen Grundstimmung, die sich an dem endlich erfüllten Traum eines geeinten und emporsteigenden Vaterlandes erquickte. In den Festreden und Denksprüchen klang ein warmer Patriotismus, der leuchtenden Auges hinüber über den Rhein zu den Vogesenbergen und nach Straßburg blickte. Heute, da wir uns wiederum im Zeichen Grimmelshausens hier vereinen, tun wir es mit umflorten Fahnen und einem wehen Druck im Herzen. Aber wir wollen nicht dem Schmerz und der Klage Raum geben, sondern, im Gedenken an den Mann, dessen Name uns hier zusammenrief, die Glut der Hoffnung auf eine bessere und helle Zukunft schüren und angefacht halten. Er selbst ist ja als Mensch und Dichter ein Wegweiser aus trüber Zeit zu lichter Zukunft. Schlimmer noch als heute war in seinen Tagen Deutschland zertreten und zerfetzt, der Name Vaterland war zerflattert, und doch steht Grimmelshausen, uns zum Trost, als ein Beispiel des Aufstiegs und der sittlichen Wiedergeburt vor unserem Geiste. Er und sein Werk sollen darum heute mehr denn je wie ein Höhenfeuer unsere Blicke aufwärts lenken.

Wieder färbten die Zeitereignisse, der Versailler Vertrag, Inflation und Wirtschaftskrise, auf die Feierlichkeiten und die Festrede ab. Doch der Grundtenor, das Festhalten an der "kernhaft deutsch-vaterländischen Gesinnung" blieb der gleiche wie 1876 und 1879. Grimmelshausen als Zeuge für Nationalbewusstsein in schwerer Zeit, und auch die Gewichtung der verschiedenartigen Schriften Grimmelshausens hatte sich nicht grundlegend verändert. Die Idealromane wurden auch von Oeftering als unangemessene Konzessionen an barocke Modeströmungen abgewertet, die simplicianischen Romane als Zeitberichte hochgeschätzt(60). Doch im Ganzen waren die Urteile und Wertungen Oefterings relativ sachgerecht und tendenzfrei.

Das wurde anders nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933. Oeftering schloss sich, wie so viele andere Literaten und Heimatdichter völkisch-nationaler Prägung der "Bewegung" an, zumindest in ihren Anfängen. Zeugnis dafür ist ein Drama, publiziert in dem von der "Badischen Heimat" herausgegebenen Ekkart-Jahrbuch 1936, das aus einem Vorspiel ("Auftakt") und drei dramatischen Szenen ("Bildern") besteht(61). Sie umreißen signifikante Lebensstationen Grimmelshausens: seinen Dienst als Musketier in der Garnison Offenburg 1639, seine Funktion als Regimentssekretär in Offenburg 1640 und seine - fiktive - Begegnung mit Springinsfeld in seinem Wirtshaus zum Silbernen Sternen in Gaisbach. Oeftering verstand es, die Hauptfiguren um Grimmelshausen in Offenburg, Gaisbach und Renchen, den Wachtmeister Henninger, seine Tochter Katharina, Grimmelshausens Gattin, seine fünf Kinder, den Springinsfeld und den Freiherrn Hans Reinhard von Schauenburg im Drama zu verknüpfen und in Szene zu setzen.

Aus heutiger Perspektive ist vor allem das "Vorspiel" von Interesse. Es zeigt eine Schulklasse mit ihrem Lehrer auf dem Klassenausflug, der von Oberkirch über die Schauenburg nach Gaisbach - die Einkehr dort für eine Limonade nicht vergessen - führt, und am Grimmelshausen-Denkmal in Renchen sein Ziel findet. Im Angesicht des Denkmals aber, auf dem gedachten Grab Grimmelshausens, hält der Lehrer seine Gedächtnisrede. Sie stellt Grimmelshausen als "Mann der Tat", nicht nur "der Feder" vor - das meint, als Soldaten, und beruft sich dabei auf nichts mehr als auf seinen Kriegseinsatz beim Einfall der französischen Armee unter Turenne 1675 (über den so gut wie nichts überliefert ist). Dass eine solche Profilierung Grimmelshausens als namhafter Kriegsheld gemeint war, gab schon der Titel des Kurzdramas zu erkennen: "Grimmelshausen. Lebenslauf eines Soldaten, Volksmannes und Dichters"(62). Auch die Schüler sollten schon mit militärischem Schneid auf die Bühne ziehen. Das Drama beginnt:

Auftakt

Ein Lehrer und Schüler auf einem Klassenausflug kommen nach Renchen an das Grimmelshausen-Denkmal, das im Schatten hoher Bäume neben der Kirche steht.

Die Buben singen: Wir zogen in das Feld
Wir zogen in das Feld
da hättn wir weder Säckl noch Geld
Strampedemi
/: a la mi presente
al vostre signori :/
Lehrer: So ihr Buben, Achtung halt! Hier rasten wir im Schatten der Bäume
Buben (lustig): Au sauber.

Das Andenken an Grimmelshausen, den man doch auch - man denke an die Jupiterepisode im Simplicissimus oder an den Stoltzen Melcher - als Pazifisten verstehen könnte, der die ahnungslose Jugend vor dem Kriegsdienst warnt, wurde wieder einmal politisch genutzt(63). Hinter den fröhlichen Buben auf der Bühne im Jahr 1936 zeichnen sich die Marschkolonnen der Deutschen Wehrmacht ab, die im März 1936 vertragswidrig die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes besetzten.

Denkmäler überdauern. Doch sie erscheinen von Epoche zu Epoche in anderem Licht. Dass Grimmelshausen und sein Werk sich immer wieder leicht auf den aktuellen Zeithorizont beziehen ließen, hat gewiss mit der ironischen oder dialektischen Argumentationsweise und Darstellungsabsicht des Autors zu tun. Bei den Debatten im preußischen Landtag und den Feiern in Renchen kam jedoch erschwerend hinzu, dass die Kontrahenten, Liberale und Zentrumsabgeordnete, die Schriften Grimmelshausens gar nicht oder sträflich oberflächlich gelesen hatten und sich von geprägten Vorurteilen, von dem nationalen Selbstbewusstsein auf der liberalen Seite, von der Wertung von Literatur nach ihrem Vorbildcharakter auf der konservativen Seite, leiten ließen. Diese Beobachtung mahnt, sich die Durchdringung von Erkenntnis und Interesse beim Leser bewusst zu halten.

Anmerkungen:

1.) Mir sind die folgenden Darstellungen bekannt geworden: Kraemer, Hermann: Das Denkmal für die standrechtlich Erschossenen, in: Heimatbuch des Landkreises Rastatt Nr. 1 (1974), 143 - 148; Kelletat, Alfred: An Grimmelshausens Denkstein, in: Abhandlungen aus der Pädagogischen Hochschule Berlin Bd. VII, hrsg. v. Rektor der Pädagogischen Hochschule Berlin, Berlin 1979, 291 - 296; Lurz, Meinhold: Sozialdemokraten contra preußisches Militär und badisches Innenministerium. Das Denkmal der 1849 erschossenen badischen Revolutionäre in Rastatt, ein Anlaß politischer Auseinandersetzung, in: Bergmann, Klaus / Schörken, Rolf (Hrsg.): Geschichte im Alltag - Alltag in der Geschichte, Düsseldorf 1982, 110 - 143.  
2.) Zitiert nach Lurz. Meinhold: Sozialdemokraten, a. a. O., 114.  
3.) Lorenz, Egon, Renchen, hat verdienstvollerweise die in Renchener Beständen vorhandenen Archivalien (Briefe, Plakate, Drucksachen usw.) zur 200-Jahrfeier des Todestages Grimmelshausens 1876 reproduziert: Dokumentation 1876 - 200. Todestag, in: Um Renchen und Grimmelshausen, hrsg. v. Grimmelshausen-Archiv Renchen, Renchen 1976, 96 - 147; folgende Presseberichte von der Feier wurden mir bekannt: Gg.Lg.: Die Grimmelshausen-Feier in Renchen, in: Karlsruher Zeitung, Sonntag, 20. August, und Dienstag, 22. August 1876; Anonym: Aus der Ortenau, in: Badischer Beobachter, 20. August 1876. Der Germanist Erich Schmidt hat in: Simplicissimusfeste in Renchen, in: Charakteristiken, Berlin 1886, 96 - 110, die Erinnerung an beide Feiern, die von 1876 und 1879, festgehalten. S. auch Hegaur, Engelbert: Grimmelshausen und das Jahr 1876, in: Wegweiser. Volkskalender für das Jahr 1912, Stuttgart 1912, 58 - 60. Von den Feierlichkeiten zur Aufstellung des Denkmals 1879 berichten folgende Presseartikel; Anonym: Renchen, in: Rastatter Wochenblatt Nr. 86 (1879) vom 24.7.1879; Anonym: Renchen, in: Rastatter Wochenblatt Nr. 94 (1879) vom 12.8.1879. Ich danke dem Stadtarchivar von Rastatt, Herrn Reiss, für die Beschaffung dieser Artikel. Anonym: Die Enthüllung des Grimmelshausen-Denkmals in Renchen, in: Ortenauer Bote, reproduziert in: Dokumentation 1879 - Denkmal, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 140; Anonym: Die Grimmelshausen-Feier in Renchen am 17. August 1879, in: Badner Wochenblatt, reproduziert in: Dokumentation 1879 - Denkmal, a. a. O., 141; Geßler, Friedrich: Der Grimmelshausen-Tag in Renchen, reproduziert in: Dokumentation 1879 - Denkmal, a. a. O., 135, Die Festrede von Erich Schmidt ist abgedruckt in: Literarische Beilage der Karlsruher Zeitung Nr. 22 vom 31. August 1879 und reproduziert in: Dokumentation 1879 - Denkmal, a. a. O., 137 - 140. Die folgenden Darstellungen des Festes sind mir bekannt geworden: Geßler, Friedrich: Das Grimmelshausen-Denkmal in Renchen, in: ders.: Gesammelte Dichtungen, hrsg. v. Karl Mayer. Lahr o. J., 335 - 338, wieder abgedruckt in: Grimmelshausen. Dichter und Schultheiß. Festschrift der Stadt Renchen, Renchen 1976, 80 - 81; Kistner, C.: Das Grimmeishausen-Denkmal zu Renchen, in: Ekkart-Jahrbuch 3 (1922), 66 - 69; Behrle, Rudolf: Hans Jakob Christoff von Grimmelshausen. Leben und Werk. Bühl 1971, 61 - 66; Kelletat, Alfred: An Grimmelshausens Denkstein, a. a. O.; Pillin, Hans-Martin: Die Grimmelshausenstadt Renchen und ihre Geschichte. Bd. 1, hrsg. v. d. Stadt Renchen. Offenburg 1992, 78 - 81.  
4.) Karlsruher Zeitung vom 20. August 1876: "Die Anregung zur Feier ging von dem Tübinger Professor Adelbert von Keller aus, dieser schrieb an Scheffel und Scheffel an seinen Freund Eichrodt in Lahr."  
5.) Battafarano, Italo Michele: Grimmelshausen-Bibliographie 1666 - 1972. Werk-Forschung-Wirkungsgeschichte. Unter Mitarbeit von Hildegard Eilert, Napoli 1975, Nr. 116, 77.  
6.) Vgl. den Brief des Ausschusses an eine unbekannte Redaktion vom 28. Juli 1876, in: Lorenz, Egon: Dokumentation 1876, a. a. O., 97.  
7.) Friedrich Geßler wurde seit der Monographie von Adolf Bartels: Friedrich Geßler. Sein Leben und seine Werke, Lahr 1892, kaum mehr gewürdigt. Einen Lebensabriss gab Jörger, Karl: Friedrich Geßler, in: Geroldsecker Land 1968 / 69, 56 - 62; s. auch Obert, Alois: Zum 100. Geburtstag von Friedrich Geßler, in: Geroldsecker Land 1991, 56 - 61; Bohnert, Gabriele: Bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts in Lahr, in: Geschichte der Stadt Lahr, hrsg. v. d. Stadt Lahr, Bd. 2, Lahr 1991, 197 - 218, hier 215 - 218.  
8.) Gelegentlich ging Eichrodt fahrlässig mit literaturhistorischen Fakten um. Schäfer, Walter E.: Eichrodts Gedicht "Hohengeroldseck" - ein "höherer Blödsinn"? In: Eichrodt, Ludwig: 1827 - 1892. Herr Biedermaier und seine Welt. Eine Ausstellung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, hrsg. v. d. Bad. Landesbibl. Karlsruhe, Karlsruhe 1992, 99 - 111.  
9.) Dinkelacker, Iris: Amand Goegg 1820 - 1897. Biographische Dokumentation, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 207. 213 bis 214 gibt Iris Dinkelacker einen Überblick über die rastlose Reisetätigkeit von Goegg.  
10.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 97, 98.  
11.) Dinkelacker, Iris: Amand Goegg, a. a. O., 208: Goeggs Einsatz für die Arbeiterbildungsvereine.  
12.) Simplicius Simplicissimus. Grimmelshausen und seine Zeit, hrsg. v. Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster in Zusammenarbeit mit dem Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität. Münster 1976, 217 - 222; Meid, Volker: Grimmelshausen. Epoche - Werk - Wirkung. München 1984, 226 - 228. Dass man auch von einem dezidiert katholischen Standpunkt aus den "Simplicissimus" sehr positiv werten konnte, bewies Joseph von Eichendorff in seiner "Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands" (1857). Dazu Schäfer, Walter E.: Moscherosch und Grimmelshausen im Urteil Tiecks und Eichendorffs, in: Europäische Barock-Rezeption. Hrsg. v. Klaus Garber, Teil I, Wiesbaden 1991 - Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung Bd. 2, 513 - 526, bes. 522 ff. Doch von der Literaturgeschichte Eichendorffs wussten die Berliner Zentrumsabgeordneten wohl nichts.  
13.) Von den zahlreichen Darstellungen des Kulturkampfes in Baden nenne ich nur: Hug, Wolfgang: Geschichte Badens, Stuttgart 1992, 265 - 272 (mit weiterführenden Literaturangaben); Baden - Land - Staat - Volk, hrsg. v. Generallandesarchiv Karlsruhe in Verbindung mit der Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation, Karlsruhe 1980 (= Schriftenreihe der Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation Bd. 3), 167 - 170.  
14.) Baden - Land - Staat - Volk, a. a. O., 167.  
15.) Simplicius Simplicissimus, a. a. O., 218.  
16.) Schmidt, Erich: Charakeristiken, a. a. O., 97.  
17.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 100.  
18.) Die folgende Schilderung des Festes nach dem Programmzettel, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 104, und den in Anm. 3 genannten Zeitungsberichten.  
19.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 107.  
20.) Schmidt, Erich: Charakeristiken, a. a. O., 98.  
21.) Schmidt, Erich: Festrede, a. a. O., 137.  
22.) Lorenz, Egon: Die Grimmelshausen-Feier in Renchen, a. a. O., 110.  
23.) Der Bericht über die Begrüßung Ludwigs XIV. durch den Straßburger Bischof z. B. in Forstmann, Wilfried / Haug, Eduard / Pfaehler, Dietrich / Thiel, Gabriele: Der Fall der Reichsstadt Straßburg und seine Folgen. Zur Stellung des 30. September 1681 in der Geschichte, Bad Neustadt a. d. Saale 1981, 40; die maßgebliche Geschichte der Stadt Straßburg in Livet, Georges / Rapp, Francis: Histoire de Strasbourg, Bd. 3 (über den Fall Straßburgs), Strasbourg o. J., 85 - 91 berichtet diese Episode nicht. Ihre Authentizität ist umstritten.  
24.) Anonym: Aus der Ortenau. a. a. O., 60.  
25.) Ein Zitat aus diesem Brief bei Hegaur, Engelbert: Grimmelshausen und das Jahr 1876, a. a. O., 60. Zu Karl Blind s. Anm. 49.  
26.) Geßler, Friedrich (Hrsg.): Friederiken-Album, Lahr 1867, mit dem Bericht des Herausgebers über die Auffindung des Grabes und die Friederikenfeier in Meißenheim 1860. Ich benutzte das Exemplar der Landesbibliothek Karlsruhe.  
27.) Hegaur, Engelbert: Aus der Ortenau, a. a. O., 60.  
28.) ebd.  
29.) Der Brief Scheffels reproduziert in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 103; darin: "Der heutige Festgruß wird wohlthuend in seine Gruft hinabklingen; wenn er ihn erwiedern dürfte, würde er vielleicht sagen: "Ihr habts gut im neuen deutschen Reich, bleibt in Einigkeit, Bildung u. Tapferkeit dessen würdig, bis der letzte Simplicissimus auf Nimmerwiederkehr verschwunden ist!" 
30.) Kistner, C.: Das Grimmelshausen-Denkmal, a. a. O., 67; Behrle, R.: H. J. Chr. v. Grimmelshausen, a. a. O., 61.  
31.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 102.  
32.) Brief des Festkomitees an das Großherzogliche Bezirksamt Achern vom Juni 1879, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 115.  
33.) Behrle, R: H. J. Chr. v. Grimmelshausen, a. a. O., 62.  
34.) ebd.  
35.) Zur Biographie Dahns: Martini, Fritz, in NDB 3 (1957), 482 - 484; Haberland, Detlef, in Killy. Walther (Hrsg.): Literatur-Lexikon Bd. 2, 510 - 511; Dahn hatte Beziehungen zu Scheffel: s. Siebs, F.: Felix Dahn und J. Scheffel, 1914; Geßler, Friedrich (Hrsg.): Friederiken-Album, a. a. O., 54 - 56.  
36.) S. das Gesuch an das Bezirksamt Achern (s. Anm. 32) und Behrle. R.: H. J. Chr. v. Grimmelshausen, a. a. O., 62.  
37.) Battafarano, I. M.: Grimmelshausen-Bibliographie, a. a. O., 77, Nr. 118; 87, Nr. 184.  
38.) Behrle, R.: H. J. Chr. v. Grimmelshausen, a. a. O., 62.  
39.) S. den Brief des Meisters Breunig aus Rastatt vom 1. Juli 1879, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 122 - 123, mit dem Bedauern: "Der Stein läst sich sehr schlecht reinigen er wird schön aber doch bei weiten nicht als wie neu" und der Ankündigung der Aufstellung des Sockels am 14. Juli. Das Denkmal beschrieben bei Brodbeck, Klaus: Grimmelshausen. Grimmelshausen im Spiegel zeitgenössischer Denkmäler, Gedenkstätten und Kunstwerke in der Ortenau, in: Simplicissimus heute. Eine Ausstellung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Präsidialabteilung der Stadt Zürich, Wolfenbüttel 1990, 56.  
40.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 125.  
41.) Eine Notiz über Ignaz Heim bei Pillin, Hans-Martin: Grimmelshausenstadt, a. a. O., 79.  
42.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 141.  
43.) Über das Interesse Erich Schmidts an elsässischer und oberrheinischer Literatur informiert sein Briefwechsel mit Wilhelm Scherer, seinem Vorgänger auf dem Lehrstuhl in Straßburg: Wilhelm Scherer - Erich Schmidt. Briefwechsel hrsg. v. Werner Richter und Eberhard Lämmert, Berlin 1963. Über seine politischen Gesinnungen s. Conrady, Karl Otto: Germanistik in Wilhelminischer Zeit, in: Bayerdörfer, Hans-Peter (Hrsg.): Literatur und Theater im Wilhelminischen Zeitalter, Tübingen 1978, 778 - 781.  
44.) Schmidt, Erich: Festrede, a. a. O., 140.  
45.) ebd., 138.  
46.) ebd., 139.  
47.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 141.  
48.) Geßler, Friedrich: Der Grimmelshausen-Tag in Renchen. a. a. O., 135 - 136 (Telegramm von Scheffel); ebd., 132 (Brief Adelberts von Keller).  
49.) Blind war der Verfasser der Flugschrift "Deutscher Hunger und deutsche Fürsten", 1847. Er war an den Aufständen unter Struve, 1848, und an der provisorischen Regierung, 1849, beteiligt und wurde 1849 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde jedoch aus dem Zuchthaus befreit und ging ins Exil nach England. 1850 wurde ihm das badische Staatsbürgerrecht entzogen. S. Lautenschlager, Friedrich: Karl Blind, in: Badische Biographien Bd. 6, Heidelberg 1935, 423 - 429.  
50.) Lurz, Meinhold: Sozialdemokraten, a. a. O., 118: "Latent diente das Grimmelshausen-Denkmal nach seinem Rastatter Aufstellungsverbot als Ersatz für das Denkmal der Revolutionäre".  
51.) Die Mitglieder des "Ausschusses zur Errichtung eines Grabdenkmals" in Rastatt sind bei Lurz, Meinhold: Sozialdemokraten, a. a. O., 113 namentlich genannt.  
52.) Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 131.  
53.) Das Manuskript der Denkmalinschriften von Friedrich Geßler in dessen Brief an Otto Behrle, in: Um Renchen und Grimmelshausen, a. a. O., 113 - 114.  
54.) So schätzte auch Bartels, Adolf: Friedrich Geßler (Anm. 7), 97 die politische Gesinnung von Geßler ein. Man vergleiche die Gedichte "Afterdemokraten" und "Auch ich bin ein Demokrat", in: Geßler, Friedrich: Gesammelte Dichtungen, hrsg. v. Karl Mayer, Bd. II, Lahr o. J., 62 - 63.  
55.) Johann Jakob Christian v. Grimmelshausen 1624 - 1924, hrsg. im Auftrag der Gemeinde Renchen von Batzer, Ernst, o. O. und o. J. (mit den Reden von Jan Hendrik Scholte, Wilhelm Engelbert Oeftering und einem Auszug aus dem Simplicissimus): Johann Jakob Chr. von Grimmelshausen 1624 - 1924, in: Die Ortenau 12 (1925), Anhang 3 - 40.  
56.) Zur Person: Bosch, Manfred: Wilhelm Engelbert Oeftering, in: Badische Heimat 72 (1996), 607 - 610.  
57.) Battafarano, I. M.: Grimmelshausen-Bibliographie (Anm. 5), Nr. 206, 91 und Nr. 238, 96.  
58.) Hegaur, Engelbert: Grimmelshausen, in: Ekkart-Jahrbuch 6 (1925), Nr. 2, 60 - 69; Oeftering, Wilhelm Engelbert: Grimmelshausen und das Badner Land, in: Der Schwäbische Bund 2 (1920), 140 - 146; Oeftering, Wilhelm Engelbert: Grimmelshausen und der Simplizius Simplizissimus, in: Die Grenzboten 4 (1912), Nr. 49, 447 - 456.  
59.) J. J. C. v. Grimmelshausen 1624 - 1924, a. a. O., 11.  
60.) ebd., 16: "Er schrieb einige Werke, die sich völlig auf der Linie des galanten Romans, der heroischen Poesie bewegen. Da konnte er seine Lesefrüchte und seine Beherrschung des gezierten Tones anbringen. Aber hier war er nicht er selbst; hier war er wohl Schriftsteller, aber nicht Dichter."  
61.) Grimmelshausen. Lebenslauf eines Soldaten, Volksmannes und Dichters in einem Auftakt und drei Bildern, in: Ekkart-Jahrbuch (1936), 46 - 59.  
62.) Diese Deutung Grimmelshausens als Soldat unterstreicht Oeftering in einem späteren Artikel: Hans Jakob Christof von Grimmelshausen. Soldat und Dichter 1622 - 1676, in: Mein Heimatland 25 (1938), 349 - 354.  
63.) Grimmelshausens Denkweise über Krieg und Frieden habe ich dargestellt in: Schäfer, W. E.: Der Dreißigjährige Krieg im "Soldatenleben" Moscheroschs und den simplicianischen Erzählungen Grimmelshausens, in: 1648. Krieg und Frieden in Europa. Textband II (Kunst und Kultur), hrsg. v. Klaus Bußmann und Heinz Schilling. Ausstellungskatalog Münster / Osnabrück, 24.10.1998 - 17.1.1999, 339 - 345 (mit weiterführender Literatur zum Thema).  

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