Die ersten Nordracher Köhlertage lassen alte heimische Kunst aufleben


Der Köhler: "ein Zauberer" - von Inka Kleinke-Bialy - Nordracher Heimatbrief 2019

Bis in die 50er Jahre hinein wurden in Nordrach zwei Kohlemeiler betrieben. Bei den ersten Nordracher Köhlertagen nun kann man vom 17. bis zum 25. Mai einem Köhler zuschauen, wie er einen Meiler aufbaut, abbrennt, die fertige Holzkohle erntet. Im Jahr 2002 entdeckte man an Nordrachs südlichem Moosbach einen historischen Kohlemeiler, der in den 1940er und 50er Jahren von einem heimischen Köhler betrieben worden war. Um einen sogenannten Teer- oder Salveofen handelte es sich, zur Umwandlung von Harz zu Teer benutzt.

Während der Nordracher Köhlertage hingegen geht es um die Herstellung von Holzkohle, die dazu notwendigen Buchenscheite liegen bereits parat. "Der Meiler, den wir hier in Nordrach während rund viereinhalb Tagen daraus bauen wollen, wird einen Durchmesser von fünfeinhalb Metern haben und ist zweieinhalb Meter hoch", erklärt Thomas Faißt. Aus Seewald bei Baiersbronn wird er anreisen, um diese alte Handwerkskunst zu demonstrieren. Mehr noch: Er wird sie leben. Wird rund um die Uhr beim Meiler sein, offen für Begegnungen und Gespräche. "Ich versuche, die alte Kunst der Köhlerei auf eine erlebbare Art den Menschen näher zu bringen. Denn wenn man nicht dabei ist und das vor Ort sieht, dann macht das keinen Sinn."

Thomas Faißt beim Aufbau eines Kohlemeilers - Foto: Inka Kleinke-Bialy
Thomas Faißt beim Aufbau eines Kohlemeilers - Foto: Inka Kleinke-Bialy


Märchen als Auslöser

Wer es wissen will, dem erzählt der Mittfünfziger dann auch, wie er dereinst zur Köhlerei gekommen ist: genau genommen über das Hauff’sche Märchen "Das kalte Herz". Das spielt im tiefen Schwarzwald des 19. Jahrhunderts und handelt von einem Köhler – dem Kohlemunkepeter – der sein Herz für Macht und Reichtum gegen eines aus Stein eintauscht. "Als junger Bursche" hatte Faißt die Geschichte gelesen. "Jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sozialkritik oder des Mich-Verändern-Wollens", so der gelernte Förster und Holzfäller mit der philoso-phischen Ader. Vielmehr packte ihn ein Rätsel, welches das Märchen gar nicht thematisiert: "Warum wird durch das Verbrennen von Holz in einem Kohlemeiler ein Produkt erzeugt, das noch viel heißer verbrannt werden kann als das Ausgangsmaterial Holz?"

Der Wunsch, da einmal genauer hinzuschauen, wurde in ihm schlagartig erneut entfacht, als er Jahre später auf einen Köhler auf der Schwäbischen Alb stieß. Einen Tag lang schaute er zu, wie der arbeitete, legte auch selbst mit Hand an. Im folgenden Jahr dann - 2001 - "habe ich das erste Mal in Baiersbronn bei mir zuhause im Wald einen Meiler aufgebaut und abgebrannt."

In den 1940er und 50er Jahren wurde von einem heimischen Köhler zwei historische Kohlemeiler betrieben. Diese Handwerkskunst wird vom 17. bis 25. Mai wieder lebendig. - Foto: Inka Kleinke-Bialy
In den 1940er und 50er Jahren wurde von einem heimischen Köhler zwei historische Kohlemeiler betrieben. Diese Handwerkskunst wird vom 17. bis 25. Mai wieder lebendig. - Foto: Inka Kleinke-Bialy


Wesensverwandlung

Die Köhlerei mache etwas mit ihm, erzählt Thomas Faißt, weil sich im Kohlemeiler "etwas ganz verwandelt: Holz in Kohle." Nicht bloß um einen chemischen Prozess handele es sich dabei, dessen federleichtes Endprodukt zu 90 Prozent aus Kohlenwasserstoff besteht. Vielmehr "ist das fast eine komplette Wesensveränderung, die da während des Abbrandes stattfindet." Eine Art ehrfürchtige Be- und Verwunderung schwingt in seiner Stimme mit und lässt erahnen, wie sehr er für diese Kunst im wahrsten Sinne des Wortes brennt, "im weitesten Sinne könnte man einen Köhler auch als Zauberer bezeichnen." Weil im Inneren des Meilers etwas vor den Augen Verborgenes geschieht.

Der Meiler, wie Thomas Faißt ihn aufbaut, in der Form eines großen Maulwurfhügels, "ist etwas grundsätzlich anderes als ein fest gemauertes Gewölbe, in dem Holz verkohlt wird", erklärt er, "es ist etwas sehr, sehr Verletzliches, Filigranes, Empfindliches." Weil es sich im Laufe des Abbrandes ständig verändert: Das Holz verliert an Volumen und Masse, der Meiler wird kleiner, er rückt in sich zusammen. Dieses etwa eine Woche dauernde Sich-Reduzieren zu begleiten, stellt eine der Hauptaufgaben des Köhlers dar.

Balance-Akt

Zunächst aber muss in einer mühsamen, kleinteiligen Arbeit auf einer ebenen Fläche gespaltenes Holz aufgeschichtet werden. In der Regel Meterstücke - stehend um einen mittigen Schacht. Der besteht aus vier dünnen Fichtenstangen, die mit Eisenringen zusammengehalten werden. "Früher waren es teilweise über 100 Raummeter Ster, die in so einem Meiler verbaut wurden", erzählt der Köhler. Und erklärt, dass beim Schichten des Holzes Hohlräume so weit wie möglich vermieden werden müssen. "Je dichter und homogener der Meiler sitzt, umso ruhiger lässt er sich nachher beim Abbrennen führen und etwas steuern." Denn wenn die Hitze auf einer Seite schneller fortschreitet als auf der anderen, dann gerät der Meiler in ein Ungleichgewicht "und dann ist es schwierig für mich, den wieder in eine Balance zu bringen." So, wie es generell im Leben darum gehe, "dass man in Balance ist."

Pyromane?

Von wegen! Das aufgestellte Holz wird mit Kohlelösche zugedeckt, "quasi das Recycling-Material meines vorherigen Meilers", bestehend aus Kohlenstückchen, Kohlenstaub und krusiger Erde. Diese Schicht bleibt so beweglich und modellierbar, dass Thomas Faißt immer wieder auf dem Meiler herumgehen kann, um mit seinem Gewicht die während des Abbrandes entstehenden Hohlräume zusammen zu drücken. "Ich bitte zu bemerken, dass ich natürlich kein Pyromane bin", betont er mit einem Augenzwinkern. "Ich fürchte Feuer, sehr - und habe eine hohe, hohe Demut vor dem, was Feuer tun kann." Aber er spüre auch eine "unglaubliche" Kraft, die Feuer auf ihn ausübe. "Es hängt für mich direkt mit meinem Leben zusammen. Ich erachte es für mich als notwendig, um Dinge in mir zu verwandeln."

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