Die M.A. von Rothschild’schen Lungenheilanstalt in Nordrach


Adelheid de Rothschild (1853 - 1935) und die Gründung der M.A. von Rothschild’schen Lungenheilanstalt in Nordrach - von Uwe Schellinger - in die Ortenau 2002 S. 519 ff.

Das heute noch existierende Gebäude der früheren jüdischen Lungenheilanstalt in Nordrach ist einer der bemerkenswertesten Orte südbadischer Geschichte im 20. Jahrhundert. An kaum einem anderen Ort traten zwei der Hauptziele des nationalsozialistischen Staates in so konzentrierter Weise auf: die Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens, sowie der Versuch, die "arische Rasse" zu vermehren. In dem stattlichen Haus in der Nordracher Ortsmitte war vor der NS-Zeit fast vier Jahrzehnte lang die einzige jüdische Krankenheilanstalt in der Ortenau ansässig. Der regionalgeschichtlichen Bedeutung des Gebäudes steht das geringe Interesse von Seiten der historischen Forschung gegenüber. Bislang ist die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner / -innen nur in Ansätzen bekannt(1).

Als der Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim in den Jahren 1998 / 1999 eine Ausstellung mit dem Titel Was blieb - Spuren jüdischen Lebens in der Ortenau vorbereitete und dafür nach Objekten bzw. Fundstücken des jüdischen Lebens aus der Region recherchierte, wurde ihm überraschenderweise eine massive Tafel aus Messing (55 cm x 68 cm x 11 cm) übergeben, die folgende Inschrift trägt:

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[Abbildung ersetzt mit Fotographie vom Originalort]

Noch im September 1991 war diese Erinnerungstafel in dem Südwestfunk-Film Nordrach und seine Sanatorien zu sehen gewesen(2). Danach verschwand das Stück aus dem Schwarzwaldort. Ein Schrottwarenhändler entdeckte die Tafel einige Jahre später wieder, kaufte sie und übergab sie im Vorfeld der Ausstellung dem Kippenheimer Verein. Dadurch konnte die Erinnerungstafel im Herbst 1999 in der ehemaligen Synagoge in Kippenheim präsentiert werden(3).

Schnell stand fest, dass es sich bei der wieder entdeckten Gedenktafel nur um ein ehrendes Andenken an die Gründerin der Lungenheilanstalt in Nordrach handeln konnte: Baronin Adelheid de Rothschild (1853 - 1935).

Gedenktafel (Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenhein e.V.)
Gedenktafel (Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenhein e.V.)

Adelheid de Rothschild wurde am 19. August 1853 als älteste Tochter von Baron Wilhelm von Rothschild (1828 - 1901) und dessen Frau Hannah Mathilde (1832 - 1924) in Frankfurt geboren(4). Sie war damit die Enkelin von Carl Mayer Rothschild (1788 - 1855), der im Jahr 1820 in Neapel den italienischen Zweig des auf seinen Vater Meyer Amschel Rothschild (1743 / 4 - 1812) zurückgehenden europäischen Familienimperiums gegründet hatte.

Baron Wilhelm Carl ("Willi") von Rothschild war der letzte Präsident des berühmten Frankfurter Bankhauses der Rothschilds, das nach seinem Tod geschlossen wurde. Der strenggläubige Wilhelm "war fast ein Stück Frankfurter Geschichte, ein fast eremitenhafter Mystiker und eine Säule der altkonservativen Observanz strengster Richtung", wie Paul Arnsberg ihn beschrieb. Ihrer tiefen Religiösität entsprechend waren sowohl Wilhelm als auch seine Frau Hannah außerordentlich aktiv auf dem Gebiete der zedaka, der Wohltätigkeit, die frommen Juden eine Pflicht ist. Das Mäzenatentum des Ehepaars war weithin bekannt. Von den Eltern, die in Frankfurt eher zurückgezogen lebten, hatte Adelheid neben ihrem Sinn für die Mitmenschlichkeit eine ausgesprochen religiöse Lebenseinstellung vermittelt bekommen; auch sie praktizierte zeitlebens ein jüdisch-orthodoxes Judentum(5).

Adelheid de Rothschild (1853 - 1935). Das Bild entstand anlässlich ihres 40. Geburtstags 1893. Es trägt die Widmung ihres Sohnes "A ma mère chérie. Souvenir du 19 Aout 1893. - James Armand." (Jüdisches Museum Frankfurt)
Adelheid de Rothschild (1853 - 1935). Das Bild entstand anlässlich ihres 40. Geburtstags 1893. Es trägt die Widmung ihres Sohnes "A ma mère chérie. Souvenir du 19 Aout 1893. - James Armand." (Jüdisches Museum Frankfurt)

Am 31. Oktober 1877 heiratete Adelheid 26-jährig ihren Cousin Edmond de Rothschild (geb. 1845) aus dem französischen Zweig der Rothschild-Familie(6). Edmond leitete seinerzeit das Pariser Bankhaus der Rothschilds. Während ihr Ehemann den luxuriösen Stil der französischen Metropole angenommen hatte, fehlte Adelheid "der Sinn für die Capriolen des Pariser Lebens". Nur eher widerwillig fügte sie sich nach ihrem Umzug nach Paris in die Rolle der mondänen Gastgeberin. Vielmehr setzte sie ihre Energien für wohltätiige Zwecke ein(7). Viele Mitglieder der Rothschild-Familie sind für ihr ausgeprägtes Mäzenatentum bekannt. Wohltätige Stiftungen gingen im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer öfter auf die Initiative der Frauen der Familie zurück(8), und neben anderen weiblichen Familienmitgliedern hatte Adelheid de Rothschild einen besonderen "Sinn [...] für das großzügige Wohltun". Nach dem Tod ihres Vaters wurde dessen Vermögen den beiden Töchtern Adelheid und Minna Caroline überschrieben. Zusammen mit ihrer Mutter gehörten sie zu den reichsten Frauen in Deutschland; zahlreiche Stiftungen sind auf ihr Engagement zurückzuführen. So gaben die Rothschild-Frauen etwa 1903 den Anstoß zur Gründung des Jüdischen Altersheims auf der Frankfurter "Zeil"; Adelheid stiftete weiterhin Mittel für das Rothschild-Kinderheim am Rödersbergweg sowie für das 1870 von ihrer Mutter gegründete Georgine-Sarah-von-Rothschild’sche Hospital(9). 1912 übergab sie der jüdischen Gemeinde das Gebäude des ehemaligen Bankhauses, wo in der Folge das "Museum jüdischer Altertümer" eingerichtet wurde.

Neben wohltätigen Stiftungen hing Adelheids Herz offensichtlich auch an der Kultur und Bildung. Besonders setzte sie sich für die Frankfurter Stadtbibliothek ein: "Die große hebräische Abteilung dieser Anstalt verdankt ihrer Hilfe die wertvollsten Handschriften und Bücher. Sie hat ein besonderes Interesse der Bibliothek ihrer Heimatstadt zugewandt und zu ihrem Aufblühen beigetragen."(10) Auch in ihrer neuen Heimat engagierte sie sich in vielfältiger Weise, wie man nach ihrem Tode betonte: "Hier kann nicht von all dem gesprochen werden, was sie für die Museen, Bibliotheken, Gelehrte und Künstler in Paris und Frankreich getan hat. So hat sie das große französische Künstlerheim gestiftet und erhalten und war Protektorin vieler Krankenanstalten und Waisenhäuser in Frankreich."(11)

Am 7. April 1903 rief Adelheid de Rothschild mit Stiftungsmitteln die "M. A. von Rothschild’sche Lungenheil-Anstalt" ins Leben, zum Andenken an ihren zwei Jahre zuvor verstorbenen Vater. Die Einrichtung der Stiftung ging auf eine Initiative von Michael Moses Mainz zurück, damals der wichtigste Berater der Frankfurter Rothschilds in Stiftungsangelegenheiten(12). Auf dessen Anregung hin habe die Baronin "ohne zu zögern" eine Million Mark dafür zur Verfügung gestellt.

Zweck der Stiftung war die Verwirklichung eines eigenen Sanatoriums, in dem lungenkranke Jüdinnen unter der Einhaltung der jüdischen Speisegesetze Genesung finden konnten, was in den allgemeinen Anstalten weitgehend unmöglich war. Adelheid war es ein Anliegen, "daß die Anstalt nach den Grundsätzen des gesetzestreuen Judentums geführt werde."(13) Allerdings sah das Konzept vor, dass durchaus auch Angehörige anderer Konfessionen Aufnahme finden konnten. Sitz der neu eingerichteten Stiftung war das nordbadische Adelsheim. Die Stiftung hatte ein Grundkapital von 1 Million Mark sowie Grundstücke in Adelsheim im Wert von 23.000 Mark(14). Vorsitzender des 9-köpfigen Verwaltungsrats der Stiftung war der für Adelsheim zuständige Mosbacher Bezirksrabbiner Dr. Leopold Löwenstein (1843 - 1929)(15).

Nachdem man zwei Jahre lang "im ganzen badischen Lande nach geeigneten Plätzen Umschau gehalten" hatte, "die resultatlos verlief"(16), geriet Nordrach ins Blickfeld der Stiftungsverwaltung. Wohl nicht ohne Grund, denn schon zuvor hatten jüdische Kurgäste und Patienten den Weg in das bekannte Kurzentrum Nordrach, das "badische Davos"(17), gefunden. In Nordrach-Dorf, im Sanatorium von Dr. Otto Walther sowie in dem seit 1896 bestehenden Privatsanatorium von Dr. Karl Hettinger in der Ortsmitte, verweilten schon um die Jahrhundertwende jüdische (männliche und weibliche) Kurgäste(18).

Dr. Hettinger, der das Gebäude erst wenige Jahre zuvor erbaut hatte, befand sich inzwischen in beträchtlichen Finanzierungsschwierigkeiten für seine Anstalt und trennte sich deshalb von dem Haus. Am 5. Oktober 1905 kam es auf dem Notariat in Offenburg zum Kauf durch die Rothschild-Stiftung zum Preis von 450.000 Mark(19). Mit dem Gebäude erwarb die Stiftung auch ein zwei Hektar umfassendes Waldstück, auf dem später der kleine jüdische Friedhof der Anstalt angelegt wurde. Das von Karl Hettinger erbaute Gebäude bestand aus einem 4-stöckigen Hauptbau, einem 6-stöckigen Turm mit Treppenhaus, einem 4-5-stöckigen seitlichen Flügelbau, einer l-stöckigen Veranda, einem Kohlenhof, einer Garage, einer Waschküche sowie einer Liegehalle. Die Gesamtbaukosten hatten ursprünglich annähernd 350.000 Mark betragen(20).

Schon wenige Wochen später, am 15. November 1905, konnte das Rothschild-Sanatorium eröffnet werden. Die Arbeit in der Einrichtung wurde mit 7 Patientinnen aufgenommen. Darunter war auch "eine Patientin christlicher Konfession", die "auf Wunsch der Großherzogin Aufnahme fand".(21) Einen Monat später waren es dann schon 14 jüdische Frauen, die in der Kuranstalt behandelt wurden(22).

Im Vorfeld der Einweihung war vor allem in der Frankfurter Presse über das neue Sanatorium berichtet worden: Das Nordrachtal im Schwarzwald, in dem sich die Einrichtung befinde, zeichne sich "durch eine erfrischende Gebirgsluft, nebelfreie Lage und das Fehlen aller industriellen Betriebe aus."(23) Das Haus selbst wurde folgendermaßen beschrieben: "Das Anstaltsgebäude, ein massiver, völlig feuersicherer Prachtbau, auf einer Terrasse in der Mitte des Tals gelegen, entspricht in seiner Anlage, Konstruktion und Einteilung den modernsten Anforderungen der Hygiene In weitgehendem Maß. Es sind luftige Zimmer mit hinreichender Ventilation und ausgerundeten Ecken, breite, heile Korridore, eine nach Süden gelegene große Terrasse, Balkone, eigene vorzügliche Quellwasserleitung, elektrische Beleuchtung und Zentralheizung vorhanden. Die drei Liegehallen sind voneinander getrennt. Die Gesellschaftsräume und der Billiardsaal bieten den Kurgästen willkommene Gelegenheit zur Konversation und Zerstreuung nach Erledigung des täglichen Kurplans."(24) Zudem befand sich neben den 48 Krankenzimmern, Gesellschafts- und Leseräumen in dem Haus auch eine Synagoge(25).

Als erster leitender Arzt des Nordracher Rothschild-Sanatoriums wird Dr. Markus Max Isserlin (1874 - 1965) genannt(26). Isserlin, der aus einer russischen Rabbinerfamilie stammte, war vor seiner Tätigkeit in Nordrach seit 1900 langjähriger Assistent der "Israelitischen Kuranstalt für arme Israeliten" in Bad Soden im Taunus gewesen, einer Einrichtung, die 1886 / 87 ebenfalls von den Frankfurter Rothschilds gegründet worden war(27). Anscheinend kehrte Isserlin später auch wieder an seinen früheren Wirkungsort nach Bad Soden zurück(28).

Ob hingegen Adelheid de Rothschild selbst jemals in Nordrach war, ist bislang noch unbekannt. Die Stifterin hat sich jedoch zumindest jederzeit finanziell verantwortlich für die Einrichtung gezeigt und "bis 1933 die laufenden Fehlbeträge [...] immer wieder ersetzt."(29)

Zum Zeitpunkt der Einrichtung der Nordracher Lungenheilstätte - Adelheid war damals 52 Jahre alt - hatten sie und ihr Mann sich schon auf einem anderen Gebiet außerordentliche Verdienste erworben. Seit etwa 1882 hatte sich Edmond de Rothschild den Aufbau und die Unterstützung jüdischer Siedlungen in Palästina zur Lebensaufgabe gemacht. Edmond lag besonders das Schicksal der in diesen Jahren in ihrer Heimat verfolgten und von dort vertriebenen russischen Juden am Herzen, denen er die Niederlassung in Palästina ermöglichen wollte. Adelheid ihrerseits rief zu diesem Zweck eine Unterstützungsgesellschaft jüdischer Frauen ins Leben(30). Fast alle der in diesen Jahren von Einwanderern aus Osteuropa ins Leben gerufenen Neugründungen wandten sich an Edmond de Rothschild, um von ihm Unterstützung zu erhalten. Mit großem Engagement widmete er sich, mit Hilfe seiner Frau, dieser Aufgabe. Neben dem Aufbau der Landwirtschaft, war Edmond besonders die Einrichtung von sozialen, kulturellen und religiösen Institutionen und Strukturen ein Anliegen. Er kümmerte sich bei diesem Aufbauwerk selbst um die meisten Einzelheiten und wurde so zum überall bekannten Wohltäter, zum verehrten "Vater des Yishuv".

1903 bestanden am Ende einer ersten Einwanderungswelle (Erste Aliya) 28 jüdische Siedlungen in Palästina, 19 davon waren von Baron Edmond de Rothschild ganz oder teilweise finanziert worden(31). In den beiden Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende reisten er und seine Frau Adelheid mehrfach ins Heilige Land, um die dortigen Entwicklungen direkt beobachten zu können. Zehn Jahre nach ihrer Hochzeit war Adelheid offenbar das erste Mal mit ihrem Mann in Palästina unterwegs, eine Reise, die Derek Wilson anschaulich beschreibt: "In Begleitung seiner Frau fuhr er [Edmond de Rothschild, U.S.] bis Port Said auf der eigenen Jacht, dann zog er, weniger auffällig, nach Jaffa, wobei er nicht überall dem Trubel entging, den die Ankunft eines Rothschilds bewirkte. Schließlich folgte die holpernde Fahrt in einem stickigen Wagen mit geschlossenen Fensterblenden, dem die Dienerschaft in einem Respektabstand folgte, fünfzig Meilen weit durch Staubwolken bis nach Jerusalem."(32)

Im Jahr 1900 hatte sich Edmond persönlich aus dieser umfangreichen Arbeit zurückgezogen und die Geschäfte der von ihm eingesetzten Jewish Colonization Association überlassen. Im Jahr 1925 führte die beiden Rothschilds schließlich eine letzte Reise nach Palästina.

1934 starb Edmond de Rothschild. Schon ein Jahr danach, am 22. Juni 1935, verstarb Adelheid de Rothschild im Alter von 82 Jahren in Paris(33). Am Gebäude der von ihr gestifteten Nordracher Lungenheilanstalt wird daraufhin die eingangs erwähnte Gedenktafel angebracht worden sein.

Edmond und Adelheid de Rothschild in Palästina 1925 (Repro: Jüdisches Museum Frankfurt; Original: Central Zionist Archives, Israel)
Edmond und Adelheid de Rothschild in Palästina 1925 (Repro: Jüdisches Museum Frankfurt; Original: Central Zionist Archives, Israel)

Festzuhalten gilt, dass sich die Gründung der Nordracher Lungenheilanstalt für jüdische Frauen in eine ganze Anzahl ähnlicher wohltätiger Initiativen von Adelheid de Rothschild einreihen lässt.

Die Stifterin musste selbst nicht mehr erleben, wie die von ihr geförderte Kuranstalt im Jahr 1942 durch die Nationalsozialisten aufgelöst wurde, wie man Patienten und Personal nach Darmstadt und dann weiter in die nationalsozialistischen Konzentrationslager verschleppte, wie deren Besitz zerstört und gestohlen wurde(34), um danach in dem Haus ein Mütterheim des "Lebensborn e.V." und damit eine Anstalt für Heinrich Himmlers SS einzurichten(35).

Edmond und Adelheid hatten den Wunsch geäußert, in Palästina begraben zu werden. 1954 wurden deshaib die Särge des Ehepaares nach Israel überführt, dort in Ramat Hanadiv, einer Anhöhe nahe der von Edmond unterstützten Siedlung Zichron Yaacov beigesetzt. Das Doppelgrab trägt die schlichte Inschrift: "Hier ruhen Baron Edmond de Rothschild, der 'Vater des Landes' und seine Gemahlin Baronin Adelheid, 'eine Frau, die zu Gott betete'."(36)

Im kommenden Jahr 2003 wird der 150. Geburtstag von Adelheid de Rothschild und der 100. Jahrestag der Errichtung ihrer "M.A. von Rothschild’schen Stiftung" gekommen sein.

Überführung der Leichname von Edmond und Adelheid de Rothschild 1954 Repro: Jüdisches Museum Frankfurt; Original: Central Zionist Archives, Jerusalem)
Überführung der Leichname von Edmond und Adelheid de Rothschild 1954 Repro: Jüdisches Museum Frankfurt; Original: Central Zionist Archives, Jerusalem)

Der Zeitpunkt scheint passend, um die Geschichte des Nordracher Rothschild-Sanateriums und der vielen dort zwischen 1905 und 1942 auf Genesung hoffenden Menschen, das Schicksal der in dieser Anstalt arbeitenden jüdischen Ärzte und Pflegerinnen sowie schließlich des kleinen, zur Einrichtung gehörenden jüdischen Friedhofs in Nordrach systematischer aufzuarbeiten(37).

Anmerkungen

1.) Vgl. bisher Kluckert, Hans-Georg: Nordrach als ehemaliger Lungenkurort. In: Die Ortenau 72 (1992, 250 - 270. Ansonsten fand die Heilanstalt nur in Übersichtsdarstellungen Erwähnung: Vgl. Hundsnurscher, Franz / Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Stuttgart 1968, 229 f.; Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden- Württemberg, Stuttgart 1988, 411 f., Krause-Schmitt, Ursula: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerständes und der Verfoleung 1933 - 1945, Bd. 5 / 2, Stutteart 1997, 100  
2.) Ich danke Jürgen Stude, Offenburg, für diesen Hinweis. Der Bericht (24' 35") wurde in der SWF-Reihe Ebbes am 14.9.1991 gesendet  
3.) Schellinger, Uwe / Stude, Jürgen: Was blieb - Spuren jüdischen Lebens in der Ortenau, unveröffentlichtes Manuskript, Kippenheim 1999, Objekt Nr. 24  
4.) Zu den Eltern vgl. Amsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution III: Biographisches Lexikon der Juden in den Bereichen Wissenschaft, Kultur, Bildung. Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt am Main, Darmstadt 1983, 383 - 398  
5.) Heuberger, Georg: Die Rothschilds. Eine europäische Familie, Sigmaringen 1994, bes. 185 - 189  
6.) Das Ehepaar hatte drei Kinder: James, Maurice und Miriam  
7.) Vgl. Wilson, Derek: Die Rothschild-Dynastie. Eine Geschichte von Ruhm und Macht. Wien-Darmstadt 1989, 341 - 364, bes. 357  
8.) Dabei gab es Unterschiede in der inhaltlichen Ausrichtung der jeweiligen Stiftungen. Gut erforscht ist etwa das vielfältige Stiftungswirken von Adelheids Cousine Hannah Louise (1850 - 1892). Vgl. Schembs, Hans-Otto: Hannah-Louise von Rothschild. In: Die Rothschildsche Bibliothek in Frankfurt am Main, hrsg. von der Gesellschaft der Freunde der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1988, 11 - 26. Vgl. auch Heuberger, Die Rothschilds (wie Anm. 5), 121 - 128 bzw. 191 - 196  
9.) Vgl. Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution II: Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden von 1789 bis zu deren Vernichtung in der nationalsozialistischen Ära, Darmstadt 1983, 59 - 150, passim; bzw. Heuberger, Die Rothschilds, 194 f.  
10.) Freimann: Zur Erinnerung an Baronin Adelheid von Rothschild s. A. In: Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt 13 (1935), Nr. 11, Juli-Ausgabe {Institut für Stadtgeschichte Frankfurt / M.)  
11.) Ebd.  
12.) Arnsberg: Geschichte der Frankfurter Juden II, passim bzw. III, 293  
13.) Schwarzwälder Post / Zell a. H. vom 23. November 1905  
14.) Vgl. Arnsberg: Geschichte der Frankfurter Juden II (wie Anm. 9), 126 - 128; Lustiger, Armo (Hrsg.}: Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1988, 152 f.  
15.) Dr. Leopold Löwenstein (1843 - 1929) war zuerst Bezirksrabbiner in Gailingen am Bodensee, danach in Mosbach. Er war zudem vielfältig schriftstellerisch tätig und wurde als Regionalhistoriker bekannt. So verfasste er 1879 eine Geschichte der Juden am Bodensee und Umgebung, 1895 eine Geschichte der Juden in der Kurpfalz sowie 1898 eine Biographie des berühmten badischen Oberrabbiners Nathanael Weil (1687 - 1769) aus Karlsruhe  
16.) Schwarzwälder Post / Zell a. H. vom 23. November 1905  
17.) Kluckert: Nordrach als ehemaliser Lungenkurort (wie Anm. 1), 268  
18.) Gemeindearchiv Nordrach: XV / 2105. Zu den verschiedenen Sanatorien vgl. Kluckert, Nordrach als ehemaliger Lungenkurort (wie Anm. 1)  
19.) Gemeindearchiv Nordrach, VIII / 4 / 1448. Bei dem Kauf wurde die Stiftung durch den Karlsruher Rechtsanwalt Dr. Max Freiberg vertreten  
20.) Gemeindearchiv Nordrach, XVIII / 5 / 2365  
21.) Schwarzwälder Post / Zell a. H. vom 23. November 1905  
22.) Gemeindearchiv Nordrach, XV / 2105, Fünf Jahre später (1910) war die Belegung auf 34 Jüdinnen gestiegen  
23.) Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M.: "Kleine Presse Frankfurt" vom 7.12.1905, Nr. 287, 1 f. bzw. Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt: "Frankfurter Zeitung / Abendblatt" vom 8.12.1905, Nr. 340, 3  
24.) Ebd.  
25.) Schwarzwälder Post / Zell a. H. vom 23. November 1905. Eine historische Abbildung des imposanten Gebäudes befindet sich u. a. in: Gall, Wolfgang M. / Huber, Heinz G.: Die Ortenau. Landschaft und Alltagsleben in alten Fotografien, Karlsruhe 1996, 92 f.  
26.) "Kleine Presse Frankfurt" vom 7.12.1905. Es folgten ihm als Ärzte Dr. Max Ascher und seit 1921 Dr. Nehemias Wehl  
27.) Vgl. Kromer, Joachim: Bad Soden im Taunus, Leben aus den Quellen, Frankfurt / M. 1990. 337 - 353. Die Gründung des Hauses in Bad Soden ging ebenfalls maßgeblich auf Michael Moses Mainz zurück. Interessanterweise gab es Ende 1938 auf Druck der Nationalsozialisten Pläne, die Anstalt in Bad Soden nach Nordrach zu verlegen  
28.) Dr. Max Isserlin war in Bad Soden eine bedeutende Persönlichkeit und unter anderem Vorsitzender der dortigen jüdischen Gemeinde. 1938 musste er die Zerstörung der Anstalt in Bad Soden erleben; er selbst wurde aus der Stadt vertrieben. Später konnte Isserlin zusammen mit seinem Sohn und seiner Frau nach England auswandern, wo er sich in Manchester niederließ. Wgl. Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn II, Frankfurt 1971, 256 - 259 bzw. Kromer, Bad Soden 344 f. und 350  
29.) Institut für Stadtgeschichte Frankfur / M.: Stiftungsabteilung Nr. 402, fol. 128  
30.) Lottmann, Herbert R.: Returm of the Rothschilds. The Great Banking Dynasty through two turbulent centuries, London-New York 1995, 92  
31.) Die Aufbauarbeit von Edmond de Rothschild in Palästina ist in letzter Zeit intensiv erforscht worden und wird eingehend beschrieben bei: Ran Aaronsohn, Rothschild und early Jewish Colonization in Palestine, Lanham-Boulder-New York 2000  
32.) Wilson: Die Rothschild-Dynastie (wie Anm. 7) 361  
33.) Vgl. Freimann: Zur Erinnerung an Baronin Adelheid von Rothschild s. A. (wie Anm. 10)  
34.) So sollen der überwiegende Teil der Hausbibliothek verbrannt sowie die medizinischen und wissenschaftlichen Werke des Arztes in die Lebensborn-Zentrale nach München gebracht worden sein. Vgl. Gemeindearchiv Nordrach, Nachträge / 3057  
35.) Die Geschichte des Nordracher Lebensborn-Heimes ist noch nicht eingehender untersucht worden. Vgl. allgemein Lilienthal, Georg: Der "Lebensborn e.V.". Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Stuttgart-New York 1985 sowie Schmitz-Köster, Dorothee: "Deutsche Mutter, bist du bereit ..." Alltag im Lebensborn, Berlin 1997. Signifikant für das wenig beachtete Nordracher Heim ist die Bemerkung der Autorin, dass ihr "über [...] Stil und Ausstattung" des im November 1942 eröffneten Hauses "nichts bekannt ist" (ebd. 71)  
36.) Wilson: Rothschild-Dynastie (wie Anm. 7), 489  
37.) Es ist zu betonen, dass in Nordrach keine eigene jüdische Gemeinde (kehilla} bestand. Die Ärzte und das Pflegepersonal waren hingegen polizeilich gemeldet. Als einziger Jude, der nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Rothschild-Anstalt in Nordrach lebte, wird man den Fotografen Wolfgang (Schmul-Wolf) Borowitzki (geb. 1892 in Krementschuk / Russland) anzusehen haben. Der unverheiratete Borowitzki war schon im Jahr 1917 als junger Mann von Straßburg nach Nordrach gezogen. Er wohnte in einer "bescheidenen Mietswohnung" (damals Haus Nr. 45) und unterhielt in Nordrach ein Fotoatelier, in dem er vor allen Vergrößerungen, Plaketten und Postkarten erstellte. Offenbar hatte er auch Mitarbeiter / -innen angestellt, die für ihn in der Umgegend Aufträge einholten: 1938 ist von fünf Angestellten die Rede. Wolfgang Borowitzki wurde nach dem Novemberpogrom 1938 abtransportiert. 1939 musste er sein Geschäft aufgeben. Umfangreiche Bestände seines Ateliers (ca. 20.000 Ansichtskarten und ca. 1.500 Druckvorlagen) wurden daraufhin von der Offenburger Firma Photo Grimm zu einem Preis von 1.000 RM "arisiert". Anscheinend konnte Borowitzki daraufhin auswandern, über sein weiteres Schicksal ist noch nichts bekannt. Zu Borowitzki vgl. Gemeindearchiv Nordrach VI / 1 / 941; V / 2 / 861; XI / 2 /1813; XV /2107: Generallandesarchiv Karlsruhe 505 / 202  

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