Ein unbekanntes Schloß auf dem ehemaligen Mühlsteinterritorium


Ein unbekanntes Schloß mit Vorburg auf dem ehemaligen Mühlsteinterritorium von Karlleopold Hitzfeld in die Ortenau 1970 477 ff.

Eine der packendsten Geschichten Hansjakobs ist sein "Vogt auf Mühlstein", die das Gemüt aller Leser bis in die Tiefen angesprochen hat. Dadurch ist der Mühlsteinhof vielleicht der bekannteste Hof im mittleren Schwarzwald geworden. Zu unbekannter Zeit wurde das Höhengelände Mühlstein-Schottenhöfen als selbständiger Zwergstaat aus der gengenbachischen Abteiherrschaft ausgegliedert. Als Hauptzugang, auch mit Auto, wählt man heute die Straße, die vom Hotel Schwarzer Adler in Unterharmersbach durch die Zinken Vorder- und Hinterhambach ins Gebiet der Schottenhöfe hinaufstreicht, von wo eine Abzweigung zum Mühlsteinhof führt.

Neue Entdeckungen haben nun überraschenderweise ergeben, daß in der Zeit der Selbständigkeit des Mühlsteingebietes der Hauptzugang vom Harmersbachtal aus zwischen Unter- und Oberharmersbach seinen Anfang nahm, heute Hagenbachtal genannt. Vor dem Hagenbachtal arbeitet ein Sägewerk und dahinter ist der zweite Bauer, Albert Lehmann, dem das ganze Gelände um den Ausgang des Tales gehört.

Hinter dem Hof zweigt ein Weg nach Südwesten (links) ab, steigt am jenseitigen Hang in den Wald hinein, biegt aber bald wieder nordwärts um. Plötzlich geht man durch eine torähnliche Lücke und steht auf einem flachen Platz, etwa 20 m mal 12 m groß, der kräftig in den Talraum hinausragt und auf drei Seiten steil ins Tal abfällt. Das ist der kegelförmige Schlößlebühl. So wird er als noch etwas weiterreichende Flurbezeichnung im Grundbuch von Oberharmersbach genannt. Wenn er jetzt nicht so vollständig mit Bäumen und Unterholz bewachsen wäre, würde die auffallende Bodengestalt sofort offenbar werden. Vor einiger Zeit gedachte Bauer Albert Lehmann hier eine Brunnenstube für eine Wasserleitung zu bauen und begann einen passenden Raum auszuschachten.

Es ist an dieser Stelle schon ungewöhnlich, daß man erst in etwa 1,5 m Tiefe auf festes Gestein stößt. Noch überraschender sind die festen Brocken darin. Da kamen rohbehauene größere und kleinere Steine aus dem Bodengestein zum Vorschein, dazwischen einfach behauene Sandsteine, die es hier als anstehendes Gestein überhaupt nicht gibt. Sie müssen also künstlich hierher gebracht worden sein. Dazwischen kamen noch andere seltsame Fundstücke zutage, so daß die Weiterarbeit an der Brunnenstube dankenswerterweise unterbrochen wurde.

Albert Lehmann (Vor Hagenbach) zog dann den in diesen Dingen erfahreneren Heimatforscher und Förster Eugen Lehmann zu Rat, der gleich ein altes Bauwerk vermutete.

Die kennzeichnenderen Fundstücke wurden durch Günther Haiss an bedeutende Fachgelehrte zur fachmännischen Begutachtung übergeben.

Inmitten des ausgeschachteten Erdreiches zeigte sich eine Brandschicht. Über und unter ihr wurden viele Dachziegelstücke, darunter halbrunde Hohlziegel, mit überstehenden Nasen gefunden und etliche Topfscherben, leider keine größeren Stücke, die auf die genauere Gefäßform hätten schließen lassen. Auch ein Stückchen angebranntes Holz war unter den Fundstücken der Brandschicht.

Als Ergebnis der Begutachtung wissen wir nun, daß es keine Römerziegel waren, denn diese kannten die nasenförmige Aufbiegung der Ziegel noch nicht. In der Nähe der Fundstätte an der Galgenbrücke befand sich seit alters eine Ziegelei. Jedoch kann mangels von Vergleichsstücken nicht unbedingt auf eine Herkunft der Fundstücke aus dieser Ziegelei geschlossen werden. Ein dicker, gewulsteter und gerillter Brocken sei wohl frühmittelalterlich; zu ihm gehört noch ein rotes Bodenstück. Man neigt dazu, dieses Gefäß der romanischen Zeit des Mittelalters zuzuordnen. Ein kleiner, schwarzer und gerillter Scherben könnte frühgotisch sein.

Anders steht es mit den Nasenziegeln. Sie können aus dem 14. bis 16. Jahrhundert stammen und stellen die ältesten Formen der Hohlziegel bei uns dar. Dachziegel dieses Profils, die mit Hilfe des Streichbrettes hergestellt sind, kommen zuerst im 13. Jahrhundert auf und halten sich sehr lange. Doch ist es auszuschließen, daß diese Ziegel nach dem 16. Jahrhundert gemacht wurden. Sie bleiben das Hauptmerkmal, daß hier ein bemerkenswertes Bauwerk gewesen ist. Die Zeit zwischen 1200 und 1600 kann leider nicht weiter eingeengt werden.

Daß unter den Tonwaren solche Ziegeln sind, spricht für einen gehobenen Wohnstil. Im Schwarzwald hat es auf dem Lande sonst bis ins 18. Jahrhundert kaum Ziegeldächer gegeben. Die übrigen Topfscherben sowie eine Ofenkachel sind nicht glasiert. Glasuren treten kaum vor dem 15. / 16. Jahrhundert auf, so daß wir auch hierbei auf das Mittelalter oder Spätmittelalter als Entstehungszeit deuten müssen.

Unser Mitarbeiter Rudolf Hahn forschte unermüdlich nach archivalischen Zeugnissen in den Gemeindearchiven dieser Gegend. Er fand schließlich den Nachweis, daß der Burghügel am Ausgang des Hagenbachtales Schloßbühl heißt. Das bestätigte die Erkenntnisse aus den Bodenfunden. Um 1550 lautet ein Eintrag in dem Berain 10 116 (Harmerspach): Bastian Lehemann gibt 9 Pfennig von 3 Juch Ackern im Schloffelde an der Gassen unter seinem Haus(1). In einem Ratsprotokoll (Oberharmersbach) vom 11. 1. 1700 wird Andreas Lehemann als Schloßbauer bezeichnet(2). Verblüffenderweise wird der Schloßhügel einige Jahrzehnte später das sog. Armen Bürgle genannt(3). Joseph Isemann im Lachengraben verkauft ein Stück Eichwald, das sog. Armen Bürgle, dem Antoni Heitzmann allhiesiger Burger vorm Hagenbach um 40 Gulden. Und wieder in einem Verkaufsprotokoll vom 27.5.1750 verkauft Martin Eyßeman im Kürnbach sein am armbürchle gelegenes Stück Rittfeld an Christian Breig um 140 Gulden.

Dagegen bei der Hofübergabe des Hofbauern Severin Heitzmann Vor Hagenbach an seinen gleichnamigen Sohn am 23.5.1838 steht wiederum eindeutig: Waldungen, 1/2 Jeuch Eichenwald am Schloßbähl(4), rings herum sich selbst. Ähnlich 1850: Hofübergabe an Benedikt Heizmann. Dort heißt es bei Punkt 22: 2 Jeuch Eichenwald beim Schloßbühl. Der Name ist somit endgültiger Flurnamen geworden.

Danach scheint es also so gewesen zu sein, daß früher ein burgartiger Bau dort stand, der im 18. Jahrhundert anscheinend verwahrlost war, von dem vielleicht damals noch Teile zu schen waren. Im übrigen war der Bühl mit Schäleichen bewachsen. Der auffallende Ausdruck "Armen Bürgle" mag darauf hindeuten, daß es sich um eine abhängige oder Vorburg handelt.

Wo aber war dann die Hauptburg?

In einer älteren Forstkarte der Gemeinde Harmersbach ist bei den Schottenhöfen ein Schloßacker eingezeichnet, der etwa 550 m hoch liegt. Dort lag also das chemalige herrschaftliche Schloßgut(5). Dieses war durch eine etwa 2 km lange Verbindungsstraße mit dem unteren Schloßbühl verbunden. Jetzt wird uns die Aufgabe des Bürgle auf dem unteren Schloßbühl klar. Es war eine Geleitstation mit Saumtieren und den zugehörigen Wagen. Lebensmittel und sonstige Sendungen, die auf der Harmersbacher Talstraße für das herrschaftliche Schloßgut herangefahren wurden, mußten hier auf kleinere Fahrzeuge oder auf die Saumtiere umgeladen werden für die Fahrt nach dem Schloßgut auf der Höhe.

Dort breitet sich eine weite, fast ebene Fläche auf dem Hochland der Schottenhöfe aus. Ringsum ist alles als Äcker angelegt. Nur mittendrin befindet sich ein größeres Landstück, in dem eine stärkere Quelle zutage tritt und nur Gras wächst. Nach langjähriger Beobachtung stellte Förster Eugen Lehmann an der auffallenden Verfärbung des Grases in diesem sog. Schioßacker fest: in geringer Tiefe beginnt schon steiniger Boden (eine sog. Steinrassel), darunter sind wohl auch Mauerreste, so daß außer Gras nichts angepflanzt werden kann an der Stelle, wo das Schloß gestanden hat, über dessen Namen und Aussehen wir nichts wissen. Das anstehende Gestein ist hier Gneis. Aber es finden sich da auch Sandsteinstücke, die also ebenfalls erst hierher gebracht werden mußten.

Bei diesem Schloßacker liegen nun ebensolche Ziegelstücke wie bei der Vorburg vor Hagenbach neben anderen Fundstücken, woraus sich gleichfalls der Zusammenhang der beiden Burgen ergibt. Die Fundstücke liegen wie ein niedriger Wall geschichtet in einer Linie im und auf dem Boden.

Das herrlichste Stück, das früher nach Abgang des Schlosses dort bei der Quelle noch lange ein einsames Dasein führte, ist der ehemalige Schloßbrunnen aus rotem Sandstein, aus einem Stück gehauen, mit einem Durchmesser von etwa 1,50 m und einer Tiefe von 60 cm. Förster Lehmann fand auch die nicht mehr völlig lesbare, eingehauene Jahreszahl mit den Ziffern über 1600. Dieser frühere Schloßbrunnen steht jetzt abseits von seinem früheren Standort bei dem 1936 errichteten Neumaierhof. Das abgegangene Herrenhaus auf dem Schloßacker ist der Wohnsitz der Eigentümer dieser Herrschaft in jener Zeit gewesen, als diese Höhenlandschaft ein selbständiges Herrschaftsgebiet war und der Familie Röder von Diersburg gehörte. Bride Röderin hatte dieses selbständige Land als Heiratsgut erhalten, als sie sich mit dem Edelknecht Jacob Wormser(6) verheiratete. 1512 verkaufte das kinderlose Paar diese Kleinherrschaft für 240 rheinische Gulden wieder zurück an die frühere Eigentümerin, die Abtei Gengenbach, unter Abt Philipp von Eselsberg (1507 bis 1531)(7). Danach waren die beiden Burgen als Herrschaftssitze nicht mehr nötig, fanden andere Verwendung und verfielen allmählich.

Unbekannt waren bisher die Grenzen dieser selbständigen Herrschaft Mühlstein, weil seit 1817 dieses Gebiet unter die Gemeinden Nordrach, Unter- und Oberharmersbach aufgeteilt wurde. Versuchen wir daher, die ehemalige Fläche dieses Territoriums zu umschreiben. Die heutige Grenze zwischen Unter- und Oberharmersbach war vom Harmersbach aus bis zur Höhe 512,2 m wohl die alte Grenze des Herrschaftsgebietes Mühlstein. Vom Punkt 512,2 zog sie nach Südwesten über den Höllhaken auf dem Rücken des Hullert über Punkt 383,3 m hinab bis zum Schottenhöferbächlein als dem südlichsten Punkt, von dort genau nach Westen bergauf zum Kuhhornkopf (654,3 m), auf dem Bergrücken nordwärts weiter zum Punkt 444,6 m, westlich vom Heugraben und Buchbühl über die Höhen 557,8 m, 512,1 m, 584,0 m (nördlich vom Mühlsteinhof) über die Flacken zur Höhe 565,1 m, über Punkt 602,2 m zum Täschenkopf 825,4 m (damals genannt der First, der nördlichste Punkt des Gebietes), über die Höhenpunkte 729,3 m, 689,2 m, 600,1 m, 570,4 m und von da über den Höhengrat südwärts vom Klaibachtal bis wieder zum Harmersbach.

Das von diesen Grenzpunkten umschlossene Gebiet war die Herrschaft Mühlstein mit den beiden Schloß oder Bürgle genannten Gebäuden. Nur die wenigen genannten Überreste und die Flurbezeichnungen zeugen noch von ihrem früheren Vorhandensein.

1.) Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 66.  
2.) Ratsprotokoll Oberharmersbach 13/4.  
3.) Gemeindearchiv Oberharmersbach CV 4 / 3 und CV 3 / 27 ao 1734 und 4. 6. 1734; CV 5 / 6 vom 27.5.1750.  
4.) Grundbuch Oberharmersbach C IV, 1 / 3, 465.  
5.) Später auch als Reutegut bezeichnet.  
6.) Die Edelknechte von Wormser sind zuvor auf einem Hofgut im Zinken Rot / Unter-Harmersbach nach weisbar.  
7.) Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 67, Ne, 626, Bl. 257 - Mühlstein vom 11.11.1512.  

Quellen: Außer den im Text und in den Anmerkungen aus den Archiven gemachten Angaben der Augenschein der Örtlichkeiten und der Fundstücke, die Mitteilungen von Förster Eugen Lehmann und vom Hofbauer Albert Lehmann, von Gewerbeoberlehrer Rudolf Hahn sowie die schriftlichen Gutachten über die Funde, die mir Günther Haiss zugänglich machte.

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