Die Roeder von Diersburg


Gothaisches genealogisches Taschenbuch - 1855 - 481 ff

W[appen] - in Roth ein wagerecht liegender, einfacher, silberner Adler mit ausgebreiteten Flügeln, goldenem Schnabel u. dergleichen Klauen. Auf dem Helm der Kopf u. Hals eines silbernen Adlers mit geöffnetem, goldenem Schnabel und ausgestreckter, rother Zunge.

W[appen] - in Roth ein wagerecht liegender, einfacher, silberner Adler mit ausgebreiteten Flügeln, goldenem Schnabel u. dergleichen Klauen. Auf dem Helm der Kopf u. Hals eines silbernen Adlers mit geöffnetem, goldenem Schnabel und ausgestreckter, rother Zunge.
Die Familie der Freiherren Röder von Dierburg gehört zu dem ältesten Adel der Ortenau. wo sie in frühester Zeit die Burgen Hohenrode (Brigittenschloß) bei Achern, Rodeck im kappler Thale und Yberg besaß und sich von dort auch nach dem Elsaß verbreitete. Schon im dreizehnten Jahrhundert zweigte sich von dem Hauptstamm eine Seitenlinie ab, welche erst das Prädicat "von Yberg", dann das Pradicat "von Rodeck" führte, aber mit Anton um das Jahr 1499 erlosch. Eine spätere Theilung des Hauptstammes trat ein durch die Söhne Hans Il. Adams (geb. 1358), welcher 1413 im Gefolge des Markgrafen von Baden das Concil zu Constanz besucht hatte. Dessen älterer Sohn Diether († 1447), verm. mit Ursula geb. von Winterthur. setzte die Hauptlinie fort, die nach dem Aussterben der älteren rodecker Linie (s. oben) den Namen der neueren Linie Rodeck führte, aber zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Mannesstamme verblühte, Worauf Rodeck in den Besitz anderer Familien überging.

Dieter's Sohn Egenolf († 1500), war Landvogt des Bischofs von Straßburg in der Ortenau, auch 1463 Mit=Erwerber der Herrschaft Diersburg und 1474 Mit=Gründer des ortenauischen Ritter-Vereins.

Hans II. Undanks jüngerer Sohn, Ludwig (geb. 1379, † 1457) verm. mit Ursula geb. von Blumeneck. fuhrte den Beinamen "von Renchen". Sein Sohn Andreas II. (geb. 1410, † 1484), verm. mit Margareth Volker von Sulzbach, war Hauptmann in dem Kriege Kaiser Friedrich's III. gegen die Schtveiz und nachher Amtmann zu Lahr. Er hatte Forderungen an Erzherzog Sigismund, die er ·mit Gewalt geltend machen wollte; er ward deshalb in die Reichsacht erklärt, jedoch 1471 wieder daraus befreit. Im Jahre 1455 erwarb er die eine Hälfte der Herrschaft Thiersberg und 1463 die andere und diese gemeinschaftlich mit seinem Vetter Egenolf. 1474 erscheint er unter den Stiftern des Vereins der ortenauischen Reichsritterschaft. Sein Sohn Hans IX. (geb. 1452, † 1515), verm. mit. Anna geb. Schnewlin vom Weiher, hatte langjährige Streitigkeiten, erst

mit den Grafen von Geroldseck wegen Jagdrechts, dann mit dem Pfarrer feiner Patronats-Herrschaft zu Reichenbach; wegen des Lezteren verfiel er dem Kirchenbann bis kurz vor seinem Tode. Egenolf II. (qeb. 1475, † 1550), des Vorgenannten Sohn, in den Jahren 1518—1550 Stättemeifter zu Straßburg, vermählt I) mit Salome geb. von Müllenbeim († 1531), II) 1533 mit Clara geb. von Neueneck, war der Vater von Franz I. (geb. 1535, † 1575), verm. mit Martha Betschold von Kenzingen, und der Großvater von Georg VI. (geb 1556, † 1601), dem Stammvater aller gegenrwärtig noch blühenden Linien dieses Geschlechts. Dieser war Dutsch=Ordens=Ritter qewesen, hatte aber 1587 den Orden verlassen und die lutherische Confession angenommen, worauf er sich mit Ursula geb. von Fegersheim vermählte. Sein Geschlecht, das bereits dem Erlöschen nahe war, pflanzte er wieder dauernd fort. Er hinterließ drei Söhne.

Von diesen stiftete Franz Sebastian (qeb. 1588, † 165.), verm. mit Susanna geb. Zorn von Plobsheim, die Ältere, seit Mitte des vorigen Jahrhunderts wieder katholische Linie Philipp Dietrich, verm. mit Elisabeth geb. von Kagenec, Erbin von Rohrburg im heutigen Oberamt Offenburg, gründete die Linie der Freiherren von Röder zu Rohburg, welche 1811 nit dem ehemal. Ritterrath, Hauptmann unter Royal Alsace und badischen Kanmmerherrn Ferdinand August Frhn von Röder wieder verblühte; Georg Friedrich (geb. 1624, † 1668), marfgräfl. bad. Rath und Amtmann, ortenauischer Ritterrath und Ausschus, verm. mit Sabina geb. Stein von
Reichenftein, ist der Stifter der in mehreren Ästen und Unterästen noch blühenden jüngeren Hauptlinie gewesen.

In der älteren Hauptlinie folgten auf Franz Sebastian in gerader Stammreihe:

Georg Wolf (qeb. 1628, † 1699) zu Straßburg, verm. mit Eva Susanna geb. Zorn von Plobsheim;
Egenolf Friedrich (geb. 27. Nov. 1672, † 13. Mai 1740), landgräfl. hess. Kamumerjunker, verm. I) mit M. Elis.Eleon. geb. Pistorius von Nidda u. Reichenweiler († 1727), II) mit Maria Charlotte geb. Tertzy von Cronenthal;

Franz Ludwig (geb. 3. Oct, 1712, † 1757), verm. mit Aina Maria geb. von Olizy. Derselbe war der Großvater des dermaligen Seniors der Familie (s. unten).

In der jüngeren Linie folgte auf Georg Friedrich dessen Sohn Karl († 1685), hessen=darmstädt. Rath u. Kammerjunker, verm. mit Helena Sibylla geb. von Westerhagen.

Von den Söhnen aus dieser Ehe war Johann Philipp (geb. 1665, † 1709). nass. Oberst. verm. mit Franziska Charlotte Dorothea geb. von Edelsheinn der Stammvater des in zahlreicher Nachkomenschaft erblüheten ältern Astes der jüngeren Linie. Ihm folgte sein Sohn Johann Philipp Wilhelm (geb. 1707, † l771), reichsritterschaftl. -ortenauischer präsidirender Directorial=Rath, verm. I) mit Katharine Charlotte geb. Joham von Mundolsheim († 1748). II) mit Sophie Eleonore Friederike geb. von Dungern († 1811).

Wilhelm Friedrich (geb. 26. Aug. 1674, † 21. Januar 1772), der jüngere Sohn des obigen Karl († 1685), stiftete den jüngeren Ast. Er war hanauischer Hauptmann u. Kammerjunker und hinterließ von seiner Gemahlin Sophie Katharine Sabine geb. von Lehrbach einen Sohn Karl Ernst Wilhelm (geb. 1722. † 1772), verm. mit Katharine Sophie Charlotte geb. RGräfin von Wartenslebem dessen Sohnes Georg Friedrich (geb. 5. Dez.1762, † 27. Dec. 1822), grhzgl. bad. Kammerherrn u. Gen=Majors, weitere Nachkommenschaft...(siehe unten - Faksimile)

Zur Geschichte Diersburgs von Otto Kähni - die Ortenau 1959, S. 61 / 68


Die Gemeinde Diersburg beging am 10. und 11. August 1957 die 700-jährige Wiederkehr ihrer ersten urkundlichen Erwähnung. Sie feierte das Jubiläum auf vorbildliche Weise. Am Sonntag, dem 11. August, bewegte sich durch die Dorfstraßen ein historischer Festzug, dessen außerordentlich geschickt zusammengestellten Gruppen die bedeutendsten Ereignisse und Gestalten der Dorfgeschichte in würdiger Form darstellten. Eines sehr starken Besuches erfreute sich die Ausstellung, in der Pfarrer Weimer Bilder und Dokumente zusammengetragen hatte. Die eigentliche Jubiläumsfeier fand am Abend des 10. August in Anwesenheit von Regierungspräsident Dichtel und anderen hohen Gästen statt. Der Vortrag, der die Bevölkerung in die Geschichte des Dorfes einführen sollte, stützte sich auf Urkunden und Akten des Gemeindearchivs, besonders aber auf das Quellenmaterial, das General Kurt Freiherr von Roeder im Familienarchiv der freiherrl. von Roederschen Familie gesammelt hatte. Er hat auch die in der Tagespresse erschienenen Aufsätze des verstorbenen Heimatforschers Pfarrer Romer zusammengetragen. Sie wurden ebenfalls verwertet.

Der römische "Heerweg"

Das in stiller Abgeschiedenheit gelegene Tal trat begreiflicherweise spät an das Licht der Geschichte. In römischer Zeit führte jedoch der Verkehr nahe am Talausgang vorbei. Die westliche Spitze des Tals durchzog die von Kaiser Trajan um 100 n. Chr. erbaute Straße, welche die römischen Bäder Baden-Baden und Badenweiler verband und über Offenburg, Zunsweier, Oberweier, Heiligenzell und Mietersheim führte und dann wieder der heutigen Bundesstraße 3 folgte. Anderthalb Jahrhunderte marschierten römische Legionssoldaten am Tale vorbei. Ein 1935 bei Entwässerungsarbeiten in der "Frauenmatte" entdecktes Holzpflaster ist vermutlich ein Stück dieser Heerstraße, die im Volksmund noch als "Heerweg" weiterlebt. Eine große Eiche, die an der Einmündung dieses Weges in die nach Oberschopfheim führende Allmendstraße stand, trug den Namen "Heereiche". Auch dieser Flurname ist noch bekannt. Der "Römerberg" aber, eine Erhebung in der Nähe des Rüttihofes, darf wohl mit den Römern nicht in Beziehung gebracht werden. Dieser Hügel war im 15. Jahrhundert im Besitz eines Ritters namens Hans Reme von Tiersperg, der in der Niederung zwischen dem Majoratshof und dem katholischen Pfarrhaus eine Tiefburg bewohnte und im Jahre 1477 urkundlich erwähnt wird. Daß im Diersburger Tal eine römische Siedlung stand, ist nicht anzunehmen; es ist bis heute noch kein Fund zutage getreten.

Die Burg und die ersten Siedlungen

Die Geschichte von Diersburg ist aufs engste mit dem Schicksal der gleichnamigen Burg verknüpft, die im 12. Jahrhundert im hinteren Tal gebaut wurde. Dieser „stein zu Tiersperg“, der 1197 zum erstenmal in einer Urkunde erscheint, war der westliche Stützpunkt eines Verteidigungssystems, mit dem das mächtige Geschlecht der Geroldsecker das Gebiet zwischen Kinzig und Schutter beherrschte. Die Tiersperger waren ein Zweig der Geroldsecker Dynastie. Ihre Burg zeigt in ihrer Anlage große Ähnlichkeit mit der Hohengeroldseck.

Burgruine Diersburg Aufn.: Grimm, Offenburg
Burgruine Diersburg Aufn.: Grimm, Offenburg

Der Name "Tiersperg" wird von dem althochdeutschen "Tior", d. h. Hinde - Hirschkuh, abgeleitet. Die Gemeinde führt dieses Tier in ihrem Wappen. Das Schloß war eine Ganerbenburg, d. h. eine Ritterkaserne, die von mehreren Familien zugleich bewohnt wurde. Von den Tierspergern vererbte es sich 1279 auf die Ritter von Schwarzenberg und kam am Ende des 14. Jahrhunderts über die Ettendorf je zur Hälfte an die Markgrafen von Baden und Hummel von Staufenberg, die ihren Anteil in der Mitte des 15. Jahrhunderts ebenfalls an die Markgrafen verkauften.

Unter dem Schutz der Burg siedelten sich Bauern an, Die Siedlung "Tiersperg" begegnet uns 1257 zum ersten Male in einer Straßburger Urkunde. Im Spätmittelalter lag aber auch im vorderen Tal ein Dorf. Es hieß "Regelhofen" und erscheint 1393, 1477 und 1488 in den Regesten der Markgrafen von Baden und in einer Güterbeschreibung des Klosters Alpirsbach. Ohne Zweifel ist diese Siedlung später entstanden als das Dorf unter der Burg. In dem engen Tal war sie jedoch auf die Dauer nicht lebensfähig. Infolge einer allgemeinen Agrarkrisis, die am Ende des Mittelalters zum Verschwinden vieler Dörfer führte, wurde auch Regelhofen wieder aufgegeben.

Das ritterschaftliche Dorf

Am 19. Mai 1455 belehnte der Markgraf den Oberamtmann seiner Herrschaft Lahr-Mahlberg, Andreas von Roeder, mit der Hälfte von Burg und Herrschaft Diersburg. Acht Jahre später erhielt dieser zusammen mit seinem Vetter Egenolf von Roeder auch die andere Hälfte als erbliches Lehen. Seitdem war diese Familie ununterbrochen im Besitz des Tales.

Mit dem Diersburger Tal hatte die Familie von Roeder auch das Patronatsrecht über die Pfarreien Hofweier, Oberweier und Schutterwald sowie einen Teil des Dorfes Reichenbach bei Lahr erworben. In der Ortenau besaßen sie zahlreiche grundherrliche Rechte. Dazu kam nun umfangreicher Grundbesitz im Diersburger Tal. 1539 kaufte Egenolf von Roeder den "Burggraben". 1574 erwarb Klaus von Roeder den Meierhof beim Schloß. Am Anfang des 17. Jahrhunderts gelangte Georg Friedrich von Roeder in den Besitz des "Hofgutes gegen dem Schloß", und 1828 brachte die Familie den Rüttihof auf der Gemarkung Zunsweier an sich.

Als Ortsherren waren die Freiherren von Roeder Obereigentümer der Allmende und als solche im Besitz der Jagdhoheit. Sie übten die Polizeigewalt sowie die niedere und hohe Gerichtsbarkeit und ein gewisses Besteuerungsrecht aus. Diersburg war ein ritterschaftliches Dorf. Die Bauern waren Hörige und Gerichtsuntertanen und leisteten der Herrschaft grund- und gerichtsherrliche Abgaben und Dienste. Daß die Ortsherrschaft ihre gerichtlichen Befugnisse mit Sorgfalt wahrnahm, beweist das "Claussche Gesetzbuch", welches das im Diersburger Tal geltende Recht enthielt und um 1600 von Junker Claus von Roeder neu geordnet und ergänzt wurde, Diersburg war ein kleiner Rechtsstaat.

Zwischen der Herrschaft und den Untertanen scheint immer ein patriarchalisches Verhältnis geherrscht zu haben. Von dem sozialen Geist der Herrschaft zeugt eine Reihe von Stiftungen, die sie im Lauf der Jahrhunderte dem Wohl der Bevölkerung zuwandte. Im Bauernkrieg hatten die Diersburger auch keinen Anlaß, sich gegen ihre Herrschaft zu erheben; sie beteiligten sich lediglich an der Plünderung des Klosters Ettenheimmünster und des Lahrer Stifts.

Markgenossenschaft und Kirchspiel Oberschopfheim-Diersburg

Im Diersburger Gemeindearchiv liegt die Abschrift einer Urkunde vom 11. August 1455. In der Einleitung wird von "Spänn und Zweyung zwischen den gemeinen Dorfleuten zu Oberschopfheim und Diersburg betr. ihre Kirch und Almendt von Welden" berichtet. Es wird betont, daß "beede Theil des gemeinen Banns Leute seynd". Die beiden Gemeinden bildeten also eine Markgenossenschaft und hatten ein gemeinsames Kirchspiel. Ihre Pfarrkirche war die Gutleutkirche, deren Ruine heute noch vor dem Dorf Oberschopfheim in der Ebene steht. Als Ortsherr von Diersburg und Oberamtmann der Herrschaft Lahr-Mahlberg, zu welcher Oberschopfheim gehörte, war Andreas von Roeder für beide Gemeinden die vorgesetzte Behörde und infolgedessen zur Schlichtung des Streits berufen.

Die Vergleichsurkunde bestimmte unter anderem Folgendes: Jedes Jahr sollten die Oberschopfheimer zwei Heimburger und einen Bannwart, die Diersburger einen Heimburger und einen Bannwart wählen. Diese sollten den "gemeinen Bann mit Wälden getreulich schirmen, bauen und entbauen". Zur Unterhaltung der Kirche sollten die Oberschopfheimer zwei, die Diersburger ein Drittel der Kosten tragen. Auch die Oberschopfheimer Tanzlaube sollte gemeinsam unterhalten werden. Sollte sie im Krieg zerstört werden, so waren die Diersburger nicht beitragspflichtig. 1579 mußte für die beiden Gemeinden eine Waldordnungerlassen werden. Aber im Jahre 1603 sah sich der Waldherr Claus von Roeder veranlaßt, die Diersburger in Schutz zu nehmen; denn die Oberschopfheimer hatten ihnen ihre Weide verboten, ihr Vieh nach Oberschopfheim getrieben und gepfändet. Die Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden gestalteten sich auch fernerhin nicht glücklicher.

Franz Sebastian Röder von Diersburg 1588 - 1663. Ölgemälde - Aufn.: Grimm, Offenburg.
Franz Sebastian Röder von Diersburg 1588 - 1663. Ölgemälde - Aufn.: Grimm, Offenburg.

Eine Fülle von Akten im Familienarchiv der Freiherren von Roeder erzählen von andauernden Händeln. Erst im Jahr 1786 nahmen sie mit der Auflösung der Markgenossenschaft ein Ende.

Reformation und Gegenreformation

Im 16. Jahrhundert erfuhren die kirchlichen Verhältnisse durch die Glaubenskämpfe eine Umgestaltung. Der Diersburger Ortsherr Egenolf von Roeder, Stettmeister der Stadt Straßburg, die ein Hort der evangelischen Bewegung war, schloß sich der neuen Lehre an und besetzte die Burgkaplanei, in welcher seit 1471 auch für die Diersburger Bauern die Messe gelesen wurde, mit einem evangelischen Prediger. Nach und nach traten viele Untertanen zur neuen Lehre über. Die Oberschopfheimer Pfarrkirche wurde Simultankirche. Als 1594 die Herrschaft Lahr-Mahlberg für fünf Jahrzehnte an die evangelischen Markgrafen von Baden-Durlach kam, führten diese auch in Oberschopfheim die neue Lehre ein. Die Rückkehr der katholischen Markgrafen von Baden-Baden brachte dort die Wiedereinführung des alten Bekenntnisses. Das hatte zur Folge, daß auch viele Diersburger wieder zum katholischen Glauben zurückkehrten. Die tolerante Ortsherrschaft ließ sie gewähren. Der protestantische Teil der Diersburger Bevölkerung wurde der Pfarrei Friesenheim, 1676 vorübergehend Kippenheim, zugeteilt. Der Pfarrer von Friesenheim bzw. Kippenheim hielt für die Protestanten in der Oberschopfheimer Kirche Gottesdienst. Im Jahre 1767 bekamen die Diersburger Protestanten einen eigenen Pfarrer. Es war der Kippenheimer Vikar Joh. Friedrich Pfäfflin. Dessen Nachfolger wurde Gottfried Marx, der Schwager von Goethes Jugendgeliebten Friederike Brion. Unter seiner Amtszeit wurde die evangelische Pfarrkirche gebaut. Die Karholiken blieben bis 1864 nach Oberschopfheim eingepfarrt. Die Gemeindeämter und Dienste waren von alters her bis auf den heutigen Tag nach dem Grundsatz der Parität verteilt. Es ist ein Ruhmesblatt in der Geschichte Diersburgs, daß das Verhältnis zwischen den Konfessionen immer friedlich war.

Diersburg im Dreißigjährigen Krieg

Dieser Krieg, der große Aderlaß des deutschen Volkes, hat auch im Diersburger Tal furchtbar getobt. Es mußte nicht nur unter den feindlichen Truppen leiden; auch die Kaiserlichen haben der Bevölkerung ungeheure Kontributionen auferlegt. Schon 1632 schrieb der Vogt: "Die Diersburger können unmöglich ferner mehr Haber, Heu und Geld auftreiben, dann wir allbereit mehr schuldig sind als das ganze Tal wert ist." In den folgenden Jahren haben die Schweden und Franzosen in grausamster Weise geplündert und gebrandschatzt. Über die Leiden unserer Vorfahren sind wir durch das von dem Familiensenior Franz Sebastian von Roeder hinterlassene Tagebuch gut unterrichtet. Er hatte vor den Schweden, den Verbündeten seines Lehensherrn, fliehen müssen. Von Plobsheim im Elsaß, der Heimat seiner Gattin aus, wandte er sich an den kaiserlichen General von Reinach. Der Hilferuf ist erschütternd: "Dem Herrn General mag ich nicht verhalten, wasgestalten mir durch die schwedische Armee nicht allein das Thal Diersburg, sondern auch das Haus, darin ich Wohnung gehabt, ausgeplündert und in die äußerste Noth gesetzt, mich bis aufs Hemd ausgezogen und salvo honore baarfuß unter großen Schlägen und mit großer Lebensgefahr vom Haus vertrieben, daß weder ich noch die armen Leuth auf diese Stund weder Pferd noch Vieh, noch anders mehr zu leben haben, also sie jetztmalen auch von kaiserlichen Soldaten weder Tag noch Nacht Ruhe haben mögen, sondern sich bei dieser kalten Winterszeit in den Wäldern mit Weib und Kind wie das unvernünftige Vieh aufhalten und verfrieren müssen." Die Burg war unbewohnbar, die Bauern bettelarm; denn fünfmal war das Dorf geplündert worden.

Sebastians Bruder, Georg Friedrich von Roeder, schildert in einem Brief an die Ortenauer Reichsritterschaft die grenzenlose Not in nüchternen Zahlen: "Anno 1633 haben sich in dem Thal Tiersberg 40 Bürger befunden. Anjetzo seyndt von denselben noch übrig nachfolgende Bürger: erstlich Georg Cunz, ein 70 jähriger alter Weber, so schier nie mehr gehen kann; Georg Benz der Schulmeister, der hat nur ein Auge und eine Handt; Adam Keller, der jetzige Vogt; Martin Moll, ein Rebmann, hat drei Kinder; Hans Cunz, der gewesene Vogt, har vier Kinder." Zwölf Menschen haben also den Krieg überlebt. Aber die Talbewohner kamen noch lange nicht zur Ruhe. Die Truppen Ludwigs XIV. von Frankreich suchten auch Diersburg heim. Im Holländischen Krieg (1678) sprengten sie das Schloß in die Luft.

Der Wiederaufbau im 18. Jahrhundert

Im Zug des Wiederaufbaus, der nur langsam vor sich gehen konnte, änderte das Tal sein Gesicht. Zur Wiederinstandsetzung der Burg fehlten die Mittel. Die Steine der Mantelmauer verwendeten die Freiherren von Roeder 1763 beim Neubau der Pfarrkirche Hofweier, für deren Turm sie baupflichtig waren. Es lag auch im Zug der Zeit, daß der Adel von seinen Bergschlössern herunterstieg und in der Ebene weiträumige Schloßanlagen errichtete. So baute auch Sebastians Sohn, Georg Friedrich von Roeder, am Rande des vorderen Tales neben dem ausgegangenen Regelhofen, wo noch einige Häuser, wie z.B. die untere Mühle, standen, im Jahre 1659 den Majoratshof, der im 19. Jahrhundert nach einem Senior den Namen Philippshof erhielt. Seine Witwe erstellte 1698 einen schönen Fachwerkbau. Nach Johann Philipp Wilhelm von Roeder, dem Präsidenten der Ortenauer Reichsritterschaft, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts dieses Haus in seinen Besitz brachte, gab man ihm den Namen Präsidentenhaus. Mit dem Schloß- und Ortsherrn hat sich auch die Mehrzahl der Bürger im ehemaligen Regelhofen angesiedelt. So wurde der Schwerpunkt der Gemeinde vom hinteren in das vordere Tal verlegt.

Philippshof, erbaut 1650 - Aufn.: Grimm, Offenburg
Philippshof, erbaut 1650 - Aufn.: Grimm, Offenburg

Durch Rodungen an den Rändern des Talgrundes wuchs die Siedlung. Die Einwanderer kamen aus der näheren und weiteren Umgebung sowie aus der Ferne: Die Feger 1682 aus Nordrach, 1694 die Rösch aus Biberach und die Kempf aus Berghaupten, 1704 die Strubinger aus Schaffhausen bei Breisach, 1704 die Harter aus Schwaibach, 1735 die Seger aus Altdorf (Schweiz). Diese Familien sind zusammen mit den Kunz, Benz, Keller, Blum, Feißt und Matt, die schon vor 1680 im Tal wohnten, die Diersburger Stammfamilien.

Zu den christlichen Familien gesellten sich die Juden. Im Gegensatz zu anderen Herrschaften duldete die freiherrliche Familie von Roeder deren Zuzug. Im Laufe des 18. Jahrhunderts ließen sich da und dort Juden im Tale nieder. Schon 1766 war in Diersburg ein jüdischer Lehrer tätig. Der Wunsch nach einer geschlossenen Siedlung führte dazu, daß die jüdische Gemeinde im Jahre 1791 die "Strittmatt" erwarb. Auf diesem Gelände entstand die sogenannte Judenstadt mit Synagoge, Schulhaus, Gasthaus und Metzgerei.

Als dann 1786 durch die Aufhebung der Markgenossenschaft die wirtschaftliche Verbindung mit Oberschopfheim gelöst und der "Fuchsbühl" Eigentum der Gemeinde Diersburg wurde, erfolgte dessen Rodung. Ein neuer Ortsteil entstand.

Karl Christoph Freiherr von Roeder 1789 - 1871. Ölgemälde - Aufn.: Grimm, Offenburg
Karl Christoph Freiherr von Roeder 1789 - 1871. Ölgemälde - Aufn.: Grimm, Offenburg

Diersburg in den letzten 150 Jahren

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfuhren die staatsrechtlichen Verhältnisse eine große Umwälzung. Der Armeebefehl Napoleons I. vom Jahre 1805 machte den ritterschaftlichen Zwergstaaten ein Ende. Sie wurden mediatisiert, d. h. sie verloren ihre reichsunmittelbare Stellung und wurden den Fürsten unterstellt. So wurde auch das Tal Diersburg in den badischen Staat eingegliedert. Die. freiherrliche Familie von Roeder behielt noch einige politische Befugnisse, jedoch nur nach Maßgabe der Landesgesetze. In den folgenden Jahrzehnten wurden auch diese durch die Gesetzgebung beseitigt.

Das 19. Jahrhundert brachte auch die kirchliche Trennung von Oberschopfheim. Die Verhandlungen zogen sich jedoch schr lange hin. Erst 1864 wurde die katholische Pfarrei gegründet. Aber schon seit 1831 steht die katholische Kirche. Ein eifriger Förderer des Kirchenbaus war der damalige Senior Karl Christoph von Roeder, mit dessen Tod die katholische Linie der Familie erlosch. Vermutlich erhielt die Pfarrei ihm zu Ehren den Schutzpatron Karl Borromäus. Karl Christoph von Roeder stand mit der Konstanzer Hofmalerin Marie Ellenrieder in freundschaftlicher Verbindung. Auf seinem Herrensitz auf dem Fuchsbühl hat sie einige Monate gearbeiter. Dort entstand auch das Altarbild, auf dem sie dem hl. Karl Borromäus die Züge ihres adeligen Freundes verlieh.

Der katholische Bevölkerungsteil wurde im Laufe des Jahrhunderts durch den Zuzug folgender Familien aus der Umgebung gestärkt: Spitzmüller (1811 aus Oberschopfheim), Moser (1831 aus Schuttertal), Jehle (1837 aus Kuhbach), Armbruster (1841 aus Gengenbach), Kälble (1849 aus Bermersbach), Eisenmann (1356 aus Reichenbach bei Lahr}, Räpple (1871 aus Berghaupten), Hogenmüller (1879 aus Hofweier), Schwendenmann (1891 aus Welschensteinach).

Marie Ellenrieder. 1791 - 1863. Selbstbildnis - Aufn.: Grimm, Offenburg
Marie Ellenrieder. 1791 - 1863. Selbstbildnis - Aufn.: Grimm, Offenburg

Trotz dieser Einwanderung war die Bevölkerungsbewegung rückläufg. Im Jahre 1823 zählte Diersburg 892 Einwohner. Bis 1852 stieg die Bevölkerungsziffer auf 1200, sank in den nächsten drei Jahren auf 1100 und erreichte die Zahl von 1852 nicht mehr. Erst durch den Zuzug von 165 Heimatvertriebenen nach 1945 stieg die Einwohnerzahl wieder an und beträgt heute 1220. Diese rückläufige Bewegung hat verschiedene Gründe. Einmal steht der Einwanderung eine beträchtliche Zahl von Auswanderern gegenüber. Nicht weniger als 200 Diersburger sind in den Jahren 1833 bis 1897 nach Amerika ausgewandert. Viele trieb die Not. Das nationalsozialistische Regime vertrieb die Juden. Das abgelegene Tal bot auch nicht genügend Verdienstmöglichkeiten. In dem durch Berge und Wald eingeengten Tal konnte weiterer Grund und Boden nur in beschränkten Maße landwirtschaftlich genutzt werden. Die handwerklichen Kleinbetriebe und Steinbrüche können nur einer kleinen Zahl der männlichen Bevölkerung Arbeit bringen. Die Hoffnung, die man auf den benachbarten Kohlenbergbau setzte, erfüllten sich nicht. Die Zigarrenfabriken können nur die weibliche Bevölkerung beschäftigen. Der Weg zu den Betrieben und Ämtern der Kreisstadt Offenburg ist weit. Heute jedoch ist die Stadt leicht zu erreichen. Dank der günstigen Omnibusverbindung ist Diersburg dem Verkehr angeschlossen.

Könnte aber das stille, zwischen Wäldern und Weinhügeln anmutig gelegene Tal nicht ruhebedürftigen Fremden Erholung bieten? Die Gemeindeverwaltung ist ernstlich bestrebt, diese Möglichkeit zu nutzen. Der Fremdenverkehr kann eine neue und vielleicht verheißungsvolle Entwicklung einleiten.


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