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Julius "Juller" Hirsch - *1892 in Achern ? 1943

Julius "Juller" Hirsch (* 7. April 1892 in Achern; ? wahrscheinlich 1943, zum 8. Mai 1945 f?r tot erkl?rt) war ein deutscher Fu?ballspieler und Opfer des Nationalsozialismus. Hirsch wurde 1910 mit seinem Heimatverein Karlsruher FV sowie 1914 mit der SpVgg F?rth deutscher Meister und spielte zwischen 1911 und 1913 sieben Mal f?r die deutsche Nationalmannschaft. Als Jude wurde er im M?rz 1943 wahrscheinlich nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet. Sein Todesdatum ist unbekannt, er wurde 1950 zum 8. Mai 1945 f?r tot erkl?rt.

Leben und Beruf

Julius Hirsch entstammte einer j?dischen Familie. Sein 1808 in Weingarten geborener Gro?vater Rafael Hirsch war das erste Familienmitglied, das nach dem preu?ischen Judenedikt von 1812 an diesen Namen trug. Rafael Hirsch war Landwirt und der Vater von Julius Hirsch, Berthold Hirsch, dem zweiten Kind der Bauernfamilie. Berthold Hirsch, gelernter Kaufmann und als Soldat im Deutsch-franz?sischen Krieg 1870/71 beteiligt, war deutsch-national eingestellt und erzog seine vier S?hne in diesem Sinne. Julius Hirsch wurde als j?ngster der vier S?hne und eines von sieben Kindern w?hrend eines Kuraufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt (Psychiatrie) im mittelbadischen Illenau bei Achern geboren. 1898 wurde er in Karlsruhe eingeschult und beendete seine Schulzeit mit der Mittleren Reife. Im Anschluss besuchte er eine Handelsschule und schloss danach eine zweij?hrige Kaufmannslehre bei der Karlsruher Lederhandlung Freud und Strauss am 1. Oktober 1908 ab. Bei dieser Firma war er noch bis zum 22. M?rz 1912 besch?ftigt.

Hirsch absolvierte vom 1. April 1912 bis zum 1. April 1913 sein "Einj?hriges" beim 1. Badischen Leib-Grenardier-Regiment 109. Unmittelbar nach dem Milit?rdienst zog es Hirsch nach N?rnberg, wo er eine Stelle bei der Spielwarenfabrik Gebr?der Bing AG antrat. Unklar ist, ob dieser Ortswechsel der Liebe zu seiner sp?teren Ehefrau Ella geschuldet war, ob ihn die berufliche Verbesserung lockte oder der Ruf seines ehemaligen KFV -Trainers William Townley, der mittlerweile in F?rth t?tig war.

Im Ersten Weltkrieg diente er bereits ab dem 7. August 1914 als Soldat und war vier Jahre lang an verschiedenen Kriegseins?tzen beteiligt. Zuletzt hatte er den Rang eines Vizefeldwebels erreicht und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.

1920 heiraten Julius Hirsch und Ella Karolina Hauser. Die geb?rtige Karlsruherin, Tochter eines Gastwirts aus Heidelsheim, war beruflich Modistin und arbeitete als Chefverk?uferin in einem Textilfachgesch?ft. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Heinold Leopold (* 1922) und Esther Carmen (* 1928) hervor. Ella Hauser war evangelisch, die gemeinsamen Kinder wurden dennoch j?disch erzogen. Nach der Geburt des Sohnes lebte die Familie in der Kaiserallee 123 im Stadtzentrum, 1934 wechselte sie ihren Wohnsitz nach Karlsruhe-Weiherfeld, Murgstra?e 7.

Beruflich war Hirsch nach Kriegsende zun?chst bis zum 30. M?rz 1919 wieder bei der N?rnberger Bing AG t?tig, danach kehrte er zur?ck nach Karlsruhe und arbeitete ab 1. April in der "Deutschen Signalflaggenfabrik" seines Vaters, die, nachdem sie im Krieg neben Flaggen auch Uniformen und Lederausr?stung f?r das Milit?r, die Polizei und die Post produziert hatte, auf die Fabrikation von Sportartikeln und Lederwaren aller Art umstieg; die Marke "Hirsch" wurde unter anderem f?r Lederfu?b?lle bald weltweit bekannt. 1926 ?bertrug der Vater Berthold Hirsch seine Gesch?ftsanteile an seine beiden S?hne Max und Julius. Im Jahr darauf erwarb auch Gottfried Fuchs, KFV-Weggef?hrte von Julius Hirsch und beruflich als Holzfabrikant t?tig, Anteile an der Firma. Durch dem Tod des Vaters 1931 wurden die beiden Br?der alleinige Gesellschafter. Der Betrieb musste wegen Forderungen aus einer B?rgschaft, die Max Hirsch gegeben hatte, jedoch liquidiert werden, das Konkursverfahren wurde am 10. Februar 1933 er?ffnet. Dadurch verlor Julius Hirsch seinen Arbeitsplatz als Gesch?ftsf?hrer der "Deutschen Signalflaggenfabrik".

Zur Arbeitssuche hielt sich Hirsch zun?chst f?r kurze Zeit in der Schweiz auf, und anschlie?end, ohne sich in Karlsruhe abzumelden, in Frankreich. Im Elsass trat er am 15. Juni 1933 eine Trainerstelle bei der F.A. Jllenkirchen-Graffenstaden an. Am 25. M?rz 1934 kehrte er aus Frankreich zur?ck und bem?hte sich um eine Anstellung als Trainer, doch obwohl er Zeugnisse von verschiedenen Institutionen vorweisen konnte, insbesondere auch das von Ivo Schricker ausgestellte, dem einstigen Mitbegr?nder und Spieler des Karlsruher FV, der inzwischen FIFA-Generalsekret?r war, bot sich ihm keine Chance. Mittlerweile vereinslos, schloss er sich nun dem j?dischen Verein Turnclub 03 Karlsruhe an, der im Sportbund "Schild" des Reichsbunds J?discher Frontsoldaten (RJF) organisiert war, und arbeitete dort als Fu?balltrainer.

Beruflich war er ab dem 1. April 1934 als Handelsvertreter f?r Manufakturen und W?sche, ab 18. Mai als Hilfsbuchhalter der j?dischen Zellstoff- und Papierfabrik Vogel & Bernheimer t?tig. Nach der "Arisierung" dieses Betriebs am 1. April 1938 war er kurzzeitig als Holzsch?ler besch?ftigt, bevor er schlie?lich am 30. Juni 1938 erneut seine Arbeit verlor. Ein zu dieser Zeit gestarteter Versuch Hirschs, in der Schweizer Nationalliga als Fu?balltrainer unterzukommen, scheiterte.

Sportliche Karriere

Hirsch begann seine Fu?ballkarriere als Zenhnj?hriger 1902 beim 1891 gegr?ndeten Karlsruher FV. Diese Mannschaft z?hlte in den Anfangsjahren des Fu?balls in Deutschland zu den St?rksten, von 1901 bis 1905 gewann der KFV in jedem Jahr die s?ddeutsche Meisterschaft und wurde 1905 deutscher Vizemeister. Im selben Jahr verlie? man den angestammten "Engl?nderplatz", auf dem "Juller" das Fu?ballspielen erlernt hatte, zugunsten des neugebauten und mit einer Zuschauertrib?ne ausgestatteten "Stadion an der Telegrafenkaserne".

Im Alter von 17 Jahren geh?rte Julius Hirsch erstmals der Stammformation des KFV an: Dem im Januar 1909 aus Prag nach Karlsruhe berufenen englischen Trainer William Townley fehlte f?r ein Sonntagsspiel gegen Freiburg ein Linksau?en f?r die damals schon etwas in die Jahre gekommene Mannschaft, so dass der Jugendspieler seine erste Bew?hrungschance erhielt. Hirsch lieferte ein gutes Spiel ab und schoss ein Tor, so dass Townley ihn trotz Einw?nde der "Alten" fortan auflaufen lie?. In dieser Saison 1909/10 lieferte sich die Mannschaft in der S?dkreisliga ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Lokalrivalen und deutschen Meister des Vorjahrs, dem Karlsruher FC Ph?nix. Der KFV konnte sich schlie?lich durch ein 3:0 in einem Entscheidungsspiel durchsetzen, erreichte damit die Endrunde und gewann schlie?lich das Endspiel um die Deutsche Fu?ball-Meisterschaft 1910 am 15. Mai in K?ln durch ein 1:0 nach Verl?ngerung gegen Holstein Kiel.

Der kleine, schnelle Hirsch war f?r seine geb?ckte Laufhaltung und einen starken linken Schuss bekannt. Er begann auf der Linksau?enposition, wechselte aber schon bald auf Halblinks: Zusammen mit Gottfried Fuchs und Fritz F?rderer bildete er das Innensturmtrio des Karlsruher FV, das auch gemeinsam in der Nationalmannschaft zum Einsatz kam. "Vor allem der Karlsruher Innensturm F?rderer, Fuchs, Hirsch, dem damals ein sagenhafter Ruf vorausging, imponierte mir mit seinen technischen Kunstst?ckchen und bestechenden Kombinationsz?gen so sehr, dass ich sie heute noch in der Erinnerung nachziehen k?nnte." ?u?erte sich der sp?tere Bundestrainer Sepp Herberger, der als Jugendlicher Spiele des KFV besucht hatte, ?ber das St?rmergespann. Aus der "Wettspielchronik des Karlsruher Fussball-Vereins e.V." geht hervor, dass Hirsch zwischen dem 21. August 1910 und dem 21. September 1913 81 Spiele f?r die 1. und ein Spiel f?r die 2. Mannschaft des Vereins bestritten hat, davon 54 gemeinsam mit F?rderer und Fuchs.

Zwischen 1910 und 1913 gewann Hirsch mit dem Karlsruher FV drei Mal die s?ddeutsche Meisterschaft und stand 1912 erneut im deutschen Meisterschaftsfinale gegen Kiel, das jedoch mit 0:1 verloren ging. Im selben Jahr gewann er mit der s?ddeutschen Auswahl den Kronprinzenpokal, im Endspiel, das mit 6:5 gegen Brandenburg gewonnen wurde, erzielten Fuchs drei und Hirsch zwei Tore.

Aufgrund seiner Leistungen wurde Hirsch insgesamt siebenmal in die Deutsche Nationalmannschaft berufen. Sein Deb?t gab er am 17. Dezember 1911 in M?nchen beim 1:4 gegen Ungarn. Bei seinem zweitem Einsatz, dem 5:5 am 24. M?rz 1912 in Zwolle gegen die Niederlande, schoss er vier Tore, seine einzigen im Nationaltrikot. Dieses Spiel, in dem neben Fuchs sieben weitere KFV-Spieler sowie zwei Fu?baller des Lokalrivalen Karlsruher FC Ph?nix antraten, wurde von Fachleuten zu den besten L?nderspielen der deutschen Nationalmannschaft vor dem Ersten Weltkrieg gez?hlt. Diesem Einsatz verdankte Hirsch auch die Nominierung f?r die Mannschaft, die bei den Olympischen Spielen 1912 auflaufen sollte. Hirsch stand in zwei der drei Partien der deutschen Elf auf dem Platz, die allerdings gegen ?sterreich mit 1:5 und Ungarn mit 1:3 verloren wurden. Beim 16:0-Sieg gegen Russland, bei dem Gottfried Fuchs zehn Tore erzielte, fehlte Hirsch. 1913 folgten drei weitere Eins?tze in L?nderspielen gegen die Schweiz (1:2), D?nemark (1:4) und Belgien (2:6).

Die letzten drei Spiele im Trikot der deutschen Nationalmannschaft fielen bereits in die Zeit, in der Hirsch nach seinem Ortswechsel f?r die SpVgg F?rth auflief. Mit dem fr?nkischen Verein, deren Kapit?n er war und der bereits seit 1911/12 von William Townley betreut wurde, wurde er 1914 durch einen 3:2-Sieg nach Verl?ngerung in Magdeburg gegen den VfB Leipzig erneut Deutscher Meister. Die Spielzeiten 1914 bis 1918 wurden wegen des Ersten Weltkriegs nicht ausgetragen. 1919 wechselte er zur?ck nach Karlsruhe, dort beendete er 1925 seine Fu?balllaufbahn. Neben den zwei Meistertiteln hatte Julius Hirsch vier s?ddeutsche Meisterschaften errungen.

Verfolgung

Nach der Macht?bernahme der Nationalsozialisten wurde Hirsch wegen seiner j?dischen Abstammung verfolgt. Als die Sportvereine 1933 ihre j?dischen Mitglieder ausschlossen, schrieb Julius Hirsch "seinem" Karlsruher FV:

"Ich lese heute im Sportbericht Stuttgart, dass die gro?en Vereine, darunter auch der KFV, einen Entschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV, dem ich seit 1902 angeh?re, meinen Austritt anzeigen. Nicht unerw?hnt m?chte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Pr?gelkinde der deutschen Nation auch anst?ndige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt."

Hirschs Schicksal ist das vieler national gesinnter Juden, die sich nicht vorstellen konnten, dass der Staat ihnen als kaisertreuen Deutschen und Frontsoldaten des ersten Weltkrieges nach dem Leben trachten w?rde. Er verdr?ngte - wie viele seiner Glaubensgenossen - die Gefahr, bis eine Flucht nicht mehr m?glich war.

Auf der R?ckreise von einem Besuch von Verwandten in Frankreich im November 1938 sprang Hirsch aus dem fahrenden Zug. Er wurde daraufhin in die psychiatrische Klinik in Bar-le-Duc eingeliefert, da er depressiv wirkte. Nach seiner R?ckkehr nach Karlsruhe im Jahr 1939 lie? er sich von seiner evangelischen Ehefrau scheiden, um diese und die gemeinsamen Kinder Heinold und Esther vor Verfolgung zu sch?tzen. Hirsch wurde vom St?dtischen Tiefbauamt Karlsruhe als Hilfsarbeiter auf einem Schuttplatz zwangsverpflichtet.

Im Februar 1943 wurde dem jetzt 50-j?hrigen Julius Hirsch von der Gestapo mitgeteilt, dass er sich zu einem Transport zum "Arbeitseinsatz" einzufinden habe. Vor dort wurde er gemeinsam mit elf weiteren badischen Juden am 1. M?rz 1943 [1] ?ber den Stuttgarter Hauptbahnhof ?ber Trier, D?sseldorf und Dortmund nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er am 2. M?rz gemeinsam mit 1500 Personen ankam. Im Eingangsbuch des Konzentrationslagers sind aus diesem Transport nur 150 Menschen namentlich registriert - der Name Julius Hirsch findet sich hier nicht, so dass sich hier seine Spur verliert. Sein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte, die am 3. M?rz in Dortmund abgestempelt wurde (vermutlich hat er sie dort aus dem Zug geworfen): "Meine Lieben. Bin gut gelandet, es geht gut. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Gr??e und K?sse euer Juller".

Das Todesdatum von Julius Hirsch ist unbekannt geblieben, er wurde 1950 vom Amtsgericht Karlsruhe mit Datum vom 8. Mai 1945 f?r tot erkl?rt. Gleichzeitig wurde eine "Entsch?digung" in H?he von 3.450 DM verf?gt.

Seine beiden Kinder, die bereits 1938 als "Mischlinge ersten Grades" die Schule verlassen und ab 1941 einen Judenstern tragen mussten, wurden am 14. Februar 1945 vom Hauptbahnhof Karlsruhe zum "Arbeitseinsatz" in das KZ Theresienstadt deportiert; Heinold war zu diesem Zeitpunkt 22, Esther 17 Jahre alt. Beide wurden durch die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 7. Mai 1945 befreit und kehrten am 16. Juni nach Karlsruhe zur?ck.

Ehrungen
    * Im Jahr 2005 rief der Deutsche Fu?ball-Bund
      den Julius-Hirsch-Preis ins Leben.
      Er soll besonderen Einsatz f?r Toleranz und Menschenw?rde,
      gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus
      auszeichnen.

    * Die "Sportpl?tze am Eichkamp" in Berlin, auf denen unter anderem
      der j?dische Fu?ballklub TuS Makkabi Berlin seine Heimspiele
      austr?gt, wurden Hirsch zu Ehren im Jahr 2006 in
      "Julius-Hirsch-Sportpl?tze in Eichkamp" umbenannt.

    * Im Rahmen des Projekts "Stolpersteine" wurde am 9. November 2006 ein
      Gedenkstein f?r Julius Hirsch vor dem Haus Murgstra?e7
      im Karlsruher Stadtteil Weiherfeld-Dammerstock gesetzt.

    * Die Schulsporthalle des Ludwig-Marum-Gymnasiums und der
      Geschwister-Scholl-Realschule in Pfinztal-Berghausen ist nach
      Julius Hirsch benannt.

Weblinks:

Eintrag in Gedenkbuch f?r die Karlsruher Juden
W?rdigung durch den DFB
Das legend?re Innentrio F?rderer/Fuchs/Hirsch
Fu?ballgeschichte - Das Auge stolpert (Zeit.de)
Artikel zur Rolle des DFB in der Nazizeit (Stattzeitung f?r S?dbaden, Nov. 2005)
Artikel "Worte gegen das Vergessen" auf fussball-kultur.org