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Johann Heinrich Geiger
Johann Heinrich Geiger - ein mutiger Verleger

Johann Heinrich Geiger - Der Lahrer Hinkende Bote

Johann Heinrich Geiger (24.12.1764 - 7.2. 1849) Buchbinder, Drucker und Verleger - Der Vater des Hinkenden Bott aus Lahr

von Christel Seidensticker

Geboren wurde Johann Heinrich Geiger in der Geburtsstadt seiner Mutter Elisabeth Dreyspring, in Lahr. Hier besa? auch der Vater seit 1851 das B?rgerrecht, obwohl er in R?ppurr ans?ssig ist. Dies deutet auf Grundbesitz in Lahr und auch darauf, da? der Vater nicht ganz unverm?gend ist, denn das B?rgerrecht war immer auch mit Pflichten, vor allem finanziellen verbunden. Johann Heinrich Geiger wird Buchbinder wie sein Vater Christian Siegmund und sein Bruder Christian. Irgendwann einmal beschlie?t die Familie nach Lahr ?berzusiedeln. Mit noch nicht ganz 25 Jahren heiratet Johann Heinrich die Lahrerin Anna Baumann. Als ein gutes Jahr sp?ter die erste Tochter auf die Welt kommt, hatte auch er das B?rgerrecht in Lahr erworben. Weshalb sich die Familie entschlo?, nach Lahr zu gehen und wann dies genau geschah, ist nicht bekannt. Alle drei, der Vater und die beiden Br?der, betrieben etwa von 1790 an ihr Gewerbe in Lahr, der Vater geno? wahrscheinlich schon seinen Lebensabend, half wohl nur noch aus. Er war fast siebzig Jahre alt, wird aber noch etwa 15 Jahre leben.

War es der Familie in Karlsruhe zu unruhig geworden in jenen kriegerischen Zeiten unmittelbar nach der franz?sischen Revolution? Waren es Ger?chte vom Einmarsch der Franzosen? Hatte es Schwierigkeiten mit dem Markgrafen von Baden gegeben? Ern?hrte die Buchbinderei die Familie nicht mehr? Versprach man sich, in Lahr lebhaftere Gesch?fte machen zu k?nnen? Oder stand der Entschlu? Johann Heinrich Geigers zu diesem Zeitpunkt schon fest, es mit dem Buchdrucken zu versuchen und errechnete er sich in Lahr bessere Chancen? Immerhin gab es im Badischen privilegierte Drucker, in Lahr, das zu Nassau-Usingen geh?rte, k?nnte es Bedarf und weniger Schwierigkeiten gegeben haben. Das sind alles Spekulationen. Am wahrscheinlichsten ist, da? der Ortswechsel stattfand, um in den Genu? der Grundst?cke zu kommen. Neben der Buchbinderei, die damals immer auch mit dem Verkauf von B?chern einherging, handelten die Br?der mit Schreibwaren und Tapeten und stellten, wie schon in Karlsruhe, Spielkarten her. Hierf?r wurde sogar ein Kartenmacher eingestellt.

Schon bald nach der ?bersiedelung begann Johann Heinrich zu drucken. Sp?ter wird erz?hlt, er habe in Basel in einer in Konkurs gegangenen Druckerei Lettern und eine Presse erworben und diese zusammen mit seiner Frau Maria in einem Handwagen nach Lahr gebracht. Beide sollen sich dann das Drucken beigebracht haben. Tats?chlich stammen die f?r die fr?hen Drucke verwendeten Lettern aus einer Basler Schriftgie?erei. Doch das besagt nicht viel, denn die Schrifttype war weit verbreitet und wurde zu gleicher Zeit auch in Stra?burg verwendet. Von 1792 an bem?hte sich Johann Heinrich um ein Druckprivileg bei seinem Landesherrn in Wiesbaden, das er jedoch nie erhielt. Dennoch druckte er: Schilder f?r die in Lahr aufkommende Tabakindustrie, kleine Formulare und Protokolle f?r st?dtische Beh?rden, Schriften aus aktuellem und ?rtlichem Anla?, von 1796 die biblische Historie, den kleinen Katechismus und das Lesebuch und eine Fibel f?r das Oberamt. Vor allem aber lie? der von Stra?burg nach Ettenheim in der N?he von Lahr geflohene Kardinal Rohan von 1795 an seinen gesamten Bedarf bei ihm drucken, alle "in das geistliche Fach einschlagenden Schriften, Kirchenkalender und ?ffentlichen bisch?fliche Verordnungen hiesigen Kirchsprengels", wie ihm sp?ter bescheinigt wird. Auch das wird bescheinigt: "... da? man hierorts mit seiner Arbeit, Anstrengung und au?erordentlichen Dienst Flei? bestens zufrieden war; auch selber auf m?gliche Art empfohlen zu werden sich verdient gemacht hat."

"Vielleicht wird mir auch hinterw?rts zum Vorwurf gemacht, da? ich kein gelernter Buchdrucker, sondern ein Buchbinder seie. Es ist wahr, ich habe nicht in Thor- und Narrheiten, oder in Schwelgereien aller Art meine fr?heren Jahre verlebt, sondern mir im Willen Kenntnisse zu sammeln gesucht, welche meine Eltern mir nicht geben konnten; aber dennoch habe ich sowohl in mechanischer als merkantilischer Hinsicht in 13 Jahren bewiesen, da? ich Buchdrucker bin." So schreibt er ?ber sich in einer Bittschrift von 1805. Zur?ckgerechnet ergibt sich, da? Geiger schon fr?her als 1794 zu drucken begann, dem Jahr, das als Gr?ndungsdatum der Druckerei schon im vorigen Jahrhundert von seinen Nachkommen gefeiert wurde. Das erste nachweisbare Druckdatum ist aus einer Rechnungsquittung f?r die Stadt Lahr aus dem Jahr 1794 zu entnehmen. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1803 trennten sich die Br?der. Johann Heinrich ?bernahm au?er der Buchdruckerei und der Kartenfabrikation den "Buch-, Papier- und Tapetenhandel und die Lesebibliothek", w?hrend der Bruder Christian die Buchbinderei weiterbetrieb und Bonbonnieren, Visitenkarten, kleine und gro?e Kupfer, Papierspitzen und kleine "L?dchen" (Sch?chtele) mit wohlriechenden W?sserchen verkaufte. Die Karten-Fabrikation hat Johann Heinrich erst 1817 "eingehen" lassen. Die Lesebibliothek ?bergab er 1816 seinem Schwiegersohn Theodor Kaufmann, dem Begr?nder des noch heute in Lahr ans?ssigen Druckhauses Kaufmann und des Verlags Ernst Kaufmann.

Die Klio, Versuch einer Zeitung

Der Versuch, 1795 f?r den schw?bischen Dichter Gotthold Friedrich St?udlin eine Zeitung zu verlegen, mi?lang. Sie wurde nach der Muse der Geschichtsschreibung "Klio" genannt, erschien aber nur ein halbes Jahr, obwohl St?udlin ein ausgedehntes Korrespondentennetz aufgebaut hatte und Erfahrungen aus dem schw?bischen mitbrachte. Da die Druckerlaubnis f?r die Zeitung vom Nassauisch-Usingischen Landesherrn schwerlich zu erreichen gewesen w?re, druckte Geiger in Seelbach - oder gab es zumindest vor - mit "Hochgr?flich Leyen'schem Privilegium". St?udlin war ein Freund des 1791 verstorbenen Publizisten und Lyrikers Christian Friedrich Daniel Schubart, der f?r seine allzu freiheitlich gesinnte und deshalb unliebsame Zeitung in Festungshaft auf dem Hohenasperg schmorte. Auf den insgesamt 230 Seiten der "Klio" prangert St?udlin den Krieg an, preist jeden Hoffnungsschimmer auf Frieden, emp?rt sich ?ber die Barbarei und die Greuel der Jakobiner. Nach dem Krieg, so versprach er, wolle er "durch Aufs?tze aus anderen Gebieten, alte Geschichte, Moral, Poesie der Zeitung Mannigfaltigkeit geben". Doch dazu sollte es nicht kommen. Abonnenten und Anzeigenkunden blieben aus. Nach einem halben Jahr mu?ten St?udlin und Geiger aufgeben. Bei Geiger, seinem Verleger, wie St?udlin ihn ausdr?cklich nannte, ver?ffentlicht er auch zwei Schriften, die er in der "Klio" ank?ndigte: "Empfindungen bei der Nachricht von Robespierre's Fall und Tod" und f?r 8 Kreuzer "Geschichte der Feier des 50sten Amtsjahres des Herrn Reichsschulthei?en Freih. von Rienecker zu Offenburg. Dieser Beschreibung sind auch die 80 Emblemen, welche bei der zur Versch?nerung dieses Festes veranstalteten Beleuchtung angebracht waren, auch das Gedicht, welches die Handelsschaft dem Herrn Reichsschulthei?en ?berreichte, beigef?gt. Auch bei Buchbinder Lang in Offenburg ist diese Beschreibung in Kommission zu haben." In der 76. Nummer des Blattes vom 30. Juni 1795 k?ndigt St?udlin dem Publikum an: "da? die Laufbahn der Klio mit diesem Blatte sich endigt". Er ?berlebte das Ende seiner Zeitung nicht lange. Ein gutes Jahr sp?ter ertr?nkte er sich 38j?hrig in Stra?burg in der Ill. Er habe nun, so schrieb er an die Mutter, die von ihr so sehnlich erw?nschte Versorgung "im Grabe gefunden".

Das Wochenblatt

Einen neuen Anlauf wagte Geiger 1796 mit dem Lahrer Wochenblatt, ein bescheidenes und zun?chst nur aus einer einzigen Doppelseite bestehendes Mitteilungsblatt. Es vermeldete die "Gebohrenen, Copulierten und Gestorbenen", die Frucht- und Fleischpreise, amtliche Vorladungen und Mitteilungen, sonst nicht viel mehr. Trotz mancher Querelen, so etwa, wenn die Obrigkeit den Druck wegen eines Versto?es gegen die strengen Zensurgesetze verbieten mu?te, entwickelte sich das Bl?ttchen im Laufe des 19. Jahrhunderts zu dem, was heute noch als "Lahrer Zeitung" t?glich erscheint. Geiger hat 1808 die Redaktion selbst ?bernommen, nachdem ein Kirchenmann, Dekan Fecht, sie eine Zeitlang f?r ihn besorgt hatte.

Die Lesebibliothek Schon gleich zu Beginn seiner T?tigkeit in Lahr richtete Johann Heinrich Geiger eine Lesebibliothek ein. Sp?ter nannte er seine Gr?nde: "Das Lesen guter und n?tzlicher B?cher ist beinahe zum allgemeinen Bedurfni? geworden, und unverkennbar ist auch sein Nutzen in allen Klassen; der Verstand wird aufgehellt, die Gef?hle veredelt, so kann nur den Leser, nicht das Lesen ein Vorwurf tref-fen; und Lesen de?wegen als gef?hrlich zu verdammen wollen hie?e eben so viel, als das Feuer verdammen, weil es in den H?nden eines Unvorsichtigen Schaden stiften kann."

Bildung f?r alle Klassen fordert er also, er verteidigt das Lesen, was damals so selbstverst?ndlich nicht war! Man erinnere sich, da? Schiller rund zwanzig Jahre zuvor Miller, den Vertreter des Kleinb?rgertums in "Kabale und Liebe" die Lesesucht seiner Tochter verdammen und von den B?chern sagen l??t, sie seien "Teufelszeug aus der h?llischen Pestilenzk?che der Belletristen". St?ck um St?ck erweitert Geiger seine Leihbibliothek. Er stellt 1800 "Hermann und Dorothea" neben den "Geist auf Frauenburg", "Moriz von Tannenhorst" neben "Herders Bef?rderung der Humanit?t" in drei B?nden, "Kotzebues neueste Schauspiele" neben "Shakespeares Schauspiele" und auch Titel wie Willibald und Hugo von Stadeck, genannt die St?rmer, eine Ritter- und Geistergeschichte durften nicht fehlen. Was uns heute der Krimi, ist in jenen Zeiten der Schauerroman. Volksaufkl?rung steht neben Schnulze, und ein wenig Lebenshilfe gibt es auch: 1800 gibt es einen Neuzugang: "Elisa oder das Weib, wie es sein sollte" und "?ber den Umgang der Weiber mit M?nnern." Das Angebot wurde eifrig genutzt, davon zeugen allein schon die vielen Inserate mit der Aufforderung, ausgeliehene B?cher doch, bittesch?n, wieder zur?ckzubringen.

Der B?rger

Geigers Aktivit?ten beschr?nkten sich nicht auf die Vermehrung seines weltlichen Verm?gens. Mit missionarischem Eifer setzte er sich f?r die Allgemeinheit ein. Er verbesserte die Versorgung der Armen in seiner Stadt. Nach dem Vorbild anderer St?dte gr?ndete er eine Armeninstitution, eine Spinn- und Webschule f?r die Armen, er plante eine Art Krankenkasse f?r Handwerksburschen, und das alles unter ganz pers?nlichem finanziellem und k?rperlichem Einsatz. So wundert es nicht, da? er, als es wieder einmal Probleme mit der Druckerlaubnis gab, vom Rath Johann Gottlieb Aemilius Langsdorf in einer Bittschrift an die Obrigkeit als "einer der bravsten und ernsthaftesten B?rger in Lahr" bezeichnet wurde, der "durch Flei? und Th?tigkeit sich und seine zahlreiche Familie auf eine ehrbare Art zu ern?hren wu?te, einen tadellosen Lebenswandel und regelm??ige Haushaltung f?hre, gute Kinderzucht halte, und sich um das hiesige Publikum vorz?glich dadurch verdient gemacht hat, da? durch seine Veranlassung und rastloses Bestreben das Armeninstitut nicht nur zu Stande gekommen sey, sondern auch er seit dessen Errichtung als einen der flei?igsten und th?tigsten Vorsteher und Mitarbeiter sich beweise, der alle Dienste unentgeltlich leiste und alles was dabey zu drucken war bisher unentgeltlich geleistet habe." Bis 1803 teilte Geiger den Zehrpfennig an die Armen pers?nlich aus, er ?bernahm die Kassenf?hrung, kassierte und quittierte die Spenden, setzte alle Mitteilungen der Institution - die Kassenberichte, den Dank an edle Spender - auf eigene Kosten in sein Wochenblatt. Gemeinn?tzige Beitr?ge aller Art, so teilt er seinen Lesern im Wochenblatt Ende 1803 mit, "werden mit verbindlichem Dank gratis einger?ckt". In Hungerszeiten stand er an den Suppent?pfen - buchst?blich bis zum Umfallen. W?hrend der Hungersnot von 1816/17 - immerhin war er da schon ?ber f?nfzig Jahre alt, was zu jener Zeit ein hohes Alter war - brach er zusammen und erkrankte auf den Tod. Doch "der gerechte Lenker des Himmels wollte nicht, da? dieser edle Mann sein irdisches Dasein der Unterst?tzung und Rettung seiner armen Mitmenschen zum Opfer f?llt." So ehrte ihn der damalige Oberamtsleiter Liebenstein nach seiner Gesundung. Als Geiger durch die "Gnade Gottes zur h?chsten Altersstufe des menschlichen Lebens gelangt" war und seinen 80. Geburtstag feierte, ?berreichte derselbe Liebenstein, nun badischer Minister, dem Jubilar die "gr??ere goldene Verdienstmedaille" von Baden.

Der Familienvater

Auch einige Zeugnisse ?ber das Familienleben Johann Heinrich Geigers haben sich erhalten. Neben Jugenderinnerungen von Enkeln, geben vor allem zw?lf Briefe einen direkten Einblick. Der j?ngste Sohn Karl hat sie 1808 dem Bruder Johann Heinrich nach T?bingen geschrieben, wo dieser eine Buchhandelslehre bei Cotta begonnen hatte.

In folgendem Brieftext von Karl Geiger lernen wir den Drucker Geiger als einen biedermeierlichen Vater kennen.

Lieber Heiner,

Mit vielem Vergn?gen las ich Deinen ersten Brief aus T?bingen vom 17. M?rz; aber die Art wie ich ihn erhielt, machte mir auch viel Vergn?gen; denn ich wurde mit demselben sowohl als auch mit des Vaters Ankunft (in Lahr) ?berrascht. Derselbe kam schon Dienstags nachmittags um halb 2 Uhr gesund und wohlbehalten mit des hiesigen Kronenwirts Fuhre, die er auf dem Hausacher Markt angetroffen hatte, hier an. Da projektierte nun die Lisette, die Vize-Mutter, eine ?berraschung f?r mich, die mich auch wirklich sehr ?berraschte. Ich komme um 7 Uhr nach Hause und frage nach dem Vater; aber niemand will etwas von ihm wissen; endlich geben sie mir Deinen Brief, der mit der Post mu?te gekommen sein; ich las ihn vor, und alle wunderten und freuten sich ?ber das, was sie schon lange wu?ten; wie ich aber fertig bin, so - denk Dir meine Freude - schallt`s hinter dem Umhang, wo der Vater ausruhte, hervor: - "Guten Abend, Karl!" - Das ?brige denke Dir hinzu; sonst wird das Blatt voll, ehe ich recht anfange.


Andere Briefstellen zeigen, wie besorgt der Vater um die Bildung seiner Kinder und um den liebevollen Umgang miteinander war. Die Kinder besuchten das P?dagogium, wie das Gymnasium in Lahr hie?, sie lernten also auch Latein und moderne Fremdsprachen. Sohn Karl erhielt zus?tzlichen Franz?sisch-Unterricht, als er schon als Lehrling im Kontor der Druckerei arbeitete. Auch die vier T?chter wurden flei?ig zum Lernen angehalten. Auch der musische Bereich kam nicht zu kurz. Die S?hne erhielten Geigen- und Fl?tenunterricht und f?r die k?rperliche Ert?chtigung sorgten Reitunterricht, lange Spazierg?nge im Sommer, im Winter Schlittschuhlaufen. Einer seiner vielen Enkel, Gustav Kaufmann, erinnerte sich noch als alter Mann am Ende des 19. Jahrhunderts gerne an den "Geiger-Gro?vater". In seinem Haus, im Garten und auf den Feldern habe er die gl?cklichsten Stunden verbracht. Er erz?hlt auch, wie der Gro?vater einmal ohne Auftrag f?r die Stadt f?r 8 000 Gulden Wiesen gekauft habe. Da die Verwaltung diesen Kauf nicht genehmigte, soll er sich entschlossen haben, sich aus allen ?ffentlichen ?mtern zur?ckzuziehen und unter Zukauf von weiterem Landbesitz selbst Landwirtschaft zu betreiben. Er hielt K?he und Schweine, versorgte die Familien seiner Kinder mit Milch und Speck. "Er war ein wahrer Patriarch", schreibt der Enkel. "Ein unersch?tterliches Gottvertrauen war seine Signatur, dabei war er au?erordentlich mild in seinem Urteil ?ber andere." Als Johann Heinrich Geiger 1839 die Goldene Hochzeit feierte, lebten von seinen sechs Kindern noch drei. Der Tag wurde feierlich begangen. Die Kinder mit ihren Ehem?nnern und -frauen und 24 von insgesamt 27 Enkelkindern brachten am fr?hen Morgen ihre Geschenke in das festlich geschm?ckte Haus. Ein Transparent mit Bl?tenkr?nzen, Engeln und Bibelspr?chen war ?ber der T?r angebracht, und an den Fenstern hingen Girlanden von Immortellen. Die zwei ?ltesten Enkelinnen traten an das Bett der Gro?eltern und trugen selbstverfa?te Gedichte vor. Dann ging es in den Garten, wo ein Triumphbogen mit der ?berschrift "Herzlich willkommen" errichtet worden war. Als das Jubelpaar ihn betrat, sprach die ?lteste Enkeltochter das "Lied von der Goldenen Hochzeit" des Dichters Albert Knapp.

Johann Heinrich Geiger war sein Leben lang gottesf?rchtig und gegen Ende seines Lebens fast fanatisch fromm. Dar?ber legen Texte aus seiner Feder im Hinkenden Boten und im Wochenblatt ein lebendiges Zeugnis ab. "Der liebe Gott segnete mich ?ber Verdienst", schreibt er als 77j?hriger an seinen Sohn. "Ihm, dem liebevollen Vater im Himmel habe ich alles zu verdanken."

Im hohen Alter druckte und verteilte er pietistische Schriften und forderte seine Mitb?rger auf, den sinnlich-irdisch gesinnten Menschen zu ert?ten, um im Land des Friedens ewige, nie versiegende Freude und Seligkeit zu genie?en. Doch ein ?berliefertes Zitat belegt, da? ihn seine Fr?mmigkeit nicht gehindert hat, an diesseitigen Freuden teilzunehmen. Eine gute Predigt, so soll er gesagt haben, komme ihm vor wie ein geistiges Sch?pple, gerade wie wenn man einmal ins Wirtshaus gehe, um sich leiblich zu erquicken. Ein harter Schlag traf ihn, als sein Sohn Karl im Neuenburger See ertrank. Im Hinkenden Boten auf das Jahr 1814 lie? er seine Leser an seinem Schmerz teilhaben.

"Ich hatte einen Sohn, der gut und brav war und mir viele Freude machte, und mich hoffen lie?, da? er mich im Alter tr?sten und unterst?tzen werde. Und er ging am 2. Januar des vorigen Jahres nach Neuch?tel, um sich Kenntnisse zu sammeln im Handlungsfache und in Sprachen. Da trieb es ihn am 7. Juli abends um 6 Uhr zu baden im See. Ein Freund nur begleitete ihn. Er ging in den See, noch ehe der Freund v?llig entkleidet war, er glitschte aus auf einem Felsen und der Todesengel zog ihn hinab, und er ertrank; alle Mittel, ihn ins Leben zu rufen, waren vergeblich. - Seine Freunde und Landsleute wanden Kr?nze um seine Leiche, und legten ihn ins Grab.

Dar?ber bin ich nun sehr betr?bt, und mein Herz ist voll Trauer und kann es noch nicht fassen, warum der J?ngling von 20 Jahren, dessen Herz so voll Verlangen war, sich zum guten Menschen und n?tzlichen B?rger zu bilden, so fr?he und auf solche Weise seinen Tod fand. Da dachte ich in meiner Betr?bnis, ich will es meinen Lesern erz?hlen und dadurch mein Herz erleichtern." Erst als er 77 Jahre alt war, ?bertrug er seinem Sohn Johann Heinrich den "Gesch?ftsbetrieb". Nach seinem Tode am 7. Februar 1849 lie?en seine Hinterbliebenen folgende Anzeige in das Wochenblatt einr?cken: "Unser heimgegangener Vater, Gro?vater und Urgro?vater, Johann Heinrich Geiger, hat auf seinem Todtenbette den Wunsch ge?u?ert, wenn er doch noch Abschied nehmen k?nnte. Indem wir dies in seinem Namen auf diesem Wege tun, sagen wir denselben zugleich herzlichen Dank f?r die durch die zahlreiche Begleitung zu seiner Ruhest?tte dargelegte Teilnahme." Ein Motiv seines Handelns findet sich immer wieder in den Ver?ffentlichungen, die aus Geigers Druckerpresse kommen. Er will Vorbild sein f?r die Enkel, f?r sp?tere Generationen, f?r die Menschen sp?terer Jahrhunderte: "Mit Segen werden unsre Nachkommen Eure Namen nennen, Euch nachahmen und wohlt?tig sein, wie Ihr auch waret."

Einen neuen Anlauf der Zeitungsgr?ndung unternahm Geiger 1796. Das zun?chst nur doppelseitige "Wochenblatt" entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu dem, was heute noch als "Lahrer Zeitung" t?glich erscheint.

Ein wagemutiger Unternehmer war Johann Heinrich Geiger, der als gelernter Buchbinder in Lahr eine Druckerei und einen Verlag aufbaute. Der erste Versuch Johann Heinrich Geigers 1795 eine Zeitung zu verlegen, mi?lang. "Klio", wie sie nach der Muse der Geschichtsschreibung genannt wurde, erschien nur ein halbes Jahr. Johann Heinrich Geiger ?bertrug einige Jahre vor seinem Tod einen Teil der Gesch?fte an seinen Sohn. Das Schriftst?ck dazu beendete er mit dem Satz: "Gott begleite aus Gnade diese Uebereinkunft mit seinem Segen, Amen! Joh. Heinrich Geiger, am 13. Febr.1841."

Am 3. M?rz 1839 feierten Johann Heinrich und Anna Maria Geiger Goldene Hochzeit, zu der insgesamt 24 von 27 Enkeln anwesend waren.


Der Lahrer Hinkende Bote
Aus dem Verlag Schauenburg (Geschichte des Verlags):

Verlag und Druckerei wurden von dem 1788 von Karlsruhe nach Lahr ?bersiedelten Buchbinder Johann Heinrich Geiger (1764-1849) 1794 begr?ndet. Aus diesem Jahr stammt das erste nachweisbare Druckerzeugnis, eine Rechnung der Stadt Lahr. Wahrscheinlich hat er aber schon seit 1792 gedruckt.

Er druckt f?r die aufkommende Lahrer Industrie vor allem Etiketten, f?r den vor der franz?sischen Revolution nach Ettenheim geflohenen Kardinal Rohan Geistliches und auch ein ABC Buch. Schon fr?h stellt er "Sack- und Comtoirkalender" her. Nebenbei betreibt er eine Leihb?cherei und mit seinem Bruder zusammen weiterhin eine Buchbinderei, er stellt Spielkarten her und besorgt B?cher.

Kalender: Die Taschen- und andere Kalender werden bis zum Ende der Firma (1995) ein Hauptzweig sein. 1894 erh?lt die Firma ein Patent f?r seinen "Aus beweglich miteinander verbundenen Platten gebildeten Kalender". Viele Kalender werden auf den gro?en Industrieausstellungen der Welt pr?miert. so etwa auch auf der Weltausstellung von Chicago 1893. 1933 gr?nden die Kalenderfirmen Ashelm (Berlin), Lukas (Wuppertal) und Schauenburg (Lahr) die Kalender-Verkaufsgesellschaft mbH mit Sitz in Berlin und firmieren unter dem Firmenzeichen Glocke. Nach Kriegsende werden Kartelle dieser Art verboten. Ashelm 1955 geht in Konkurs. Bis 1961 sind nun Lucas und Schauenburg Konkurrenten. Dann teilt man sich das Programm. 1988 erwirbt Schauenburg die Firma Lucas.

Zeitung: Im Zeitungsbereich ist die Firma seit 1795 t?tig. Zun?chst bringt der schw?bische Dichter Gotthold Friedrich St?udlin ab Januar 1795 drei Mal in der Woche eine Zeitung heraus: "Klio, oder neue politische Zeitung" mit vor allem politischen Nachrichten. Politische Intrigen und st?ndige Geldnot zwingen St?udlin, nach einem halben Jahr die Zeitung einzustellen.

Ein halbes Jahr sp?ter beginnt Geiger mit einer eigenen Zeitung. Zun?chst erscheint das Lahrer Wochenblatt einmal in der Woche, es besteht aus einem einzigen Blatt mit amtlichen Bekanntmachungen, Kirchenbucheintr?gen, wenigen privaten Anzeigen und ohne redaktionellen Teil.

Von 1803 an erscheint das Wochenblatt zweimal in der Woche, ab 1866 jeden Wochentag.

Von 1863 bis 1874 gibt es "Des Lahrer Hinkenden Boten illustrierte Dorfzeitung". Sie wird deutschlandweit in 12 000 Exemplaren vertrieben.

Von 1869 an hei?t die Zeitung "Lahrer Zeitung".

Als Stra?burg 1870 deutsch wird, investiert Schauenburg als erster Deutscher im Elsass. Er erwirbt die Druckerei Silbermann und erh?lt die Rechte f?r den "Niederrheinischen Kurier".

1890 erwarb Schauenburg auch das Frankfurter Journal, das er aber drei Jahre sp?ter wieder verkaufte.

Der Lahrer Hinkende Bote: Nachdem Geiger als Buchbinder schon lange den Basler Hinkenden Boten und andere Volkskalender gebunden und vertrieben hat, beginnt Geiger 1800 mit der Herstellung eines eigenen Kalenders. Der Lahrer Hinkende Bote gleicht zun?chst fast w?rtlich und im Titelkupfer dem Basler Hinkenden Boten. Schon in den ersten Jahren erreicht der Kalender eine Auflage von 20 000 Exemplaren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden es 1,5 Millionen sein.

1849 stirbt Johann Heinrich Geiger, sein Sohn Johann Heinrich (1791-1884) ist nun Alleinbesitzer, nachdem er schon zuvor die Gesch?fte weitgehend ?bernommen hat. 1850 stellt er den Verlagsbuchh?ndler Moritz Schauenburg (1827-1895) aus Herford ein. 1854 wird dieser sein Schwiegersohn. Obwohl die Besitzverh?ltnisse noch nicht endg?ltig gekl?rt sind, ?bernimmt dieser weitgehend die Gesch?fte, w?hrend ein Schwager im Au?endienst t?tig ist. 1864 wird Schauenburg Alleininhaber.

Verlag: Mit gro?em Geschick baut er den Verlag aus. Mit dem "Allgemeinen Deutschen Commersbuch", 1858 in erster Auflage erschienen, gelingt ihm der Durchbruch zu den ganz hohen Auflagenzahlen. Es erscheint noch heute - inzwischen beim Morstadt Verlag in Kehl - und hat ?ber 160 Auflagen erreicht. Auch ein anderes Verlagswerk erreicht hohe Auflagenzahlen. Der Heilige Antonius von Padua von Wilhelm Busch, erschienen 1870, wird schon in den ersten beiden Jahren in ?ber 35 000 Exemplaren verkauft, obwohl nach seinem Erscheinen der Verleger wegen Religionsbeleidigung angeklagt und das Buch bis zum Ende des Prozesses in Baden und anderen L?ndern (Preu?en, Bayern, ?sterreich) verboten wurde.

Die ersten beiden Adressb?cher der Stadt Lahr erscheinen 1864 und 1876. Gegen Ende des !9. Jahrhunderts sind dort auch die Telefonnummern der wenigen Anschl?sse in Lahr aufgenommen.

Auch auf technischem Gebiet kennt die Druckerei keinen Stillstand. 1884 erh?lt die Druckerei als erste in Deutschland eine Rotations-Zweifarbenmaschine. Eine 1902 erworbene Zeitungs-Rotationsmaschine kann in einer Stunde 12 000 achtseitige Zeitungen fertig zugeschnitten und gefalzt liefern. Im selben Jahr f?hrt die Lahrer Zeitung als erste deutsche Zeitung die neue Rechtschreibung ein. Ab 1905 arbeiten die Maschinen der Druckerei mit Elektrizit?t. Die Druckerei wird eine der ersten sein, die mit der elektronischen Datenverarbeitung arbeitet.