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Philipp Jakob Siebenpfeiffer - 1789 bis 1845

Siebenpfeiffer war der Sohn eines Schneidermeisters aus Lahr, das zu dieser Zeit zu Nassau-Saarbr?cken geh?rte. Mit zehn Jahren verlor Siebenpfeiffer innerhalb eines Monats beide Eltern und kam in die Obhut von Verwandten. Nach Beendigung der Schule bekam er am 15. Februar 1804 mit 14 Jahren eine Anstellung als "Oberamtsschreiberincipient" in Lahr. Im Mai 1807 wurde Siebenpfeiffer zum "Oberamtsactuar" bef?rdert, im Oktober 1808 wurde er als "Renovator" und "Berains-Commissaire" an die Finanzverwaltung in Freiburg im Breisgau versetzt. Ab dem darauffolgendem Jahr konnte er - finanziell durch ein Stipendium seines Arbeitgebers unterst?tzt -ein Jura-Studium an der Universit?t Freiburg beginnen. Dort traf er mit zwei Pers?nlichkeiten zusammen, die seinen weiteren Werdegang nun ganz entscheidend beeinflussen sollten: Carl Wenzeslaus von Rotteck und Joseph Maria Weissegger von Wei?eneck. W?hrend die liberalen Auffassungen des ersten Gelehrten, der ihn sogar bei sich aufnahm, seine Weltanschauung nachhaltig pr?gen sollten und beide eine lange und innige Freundschaft verband, wurde der zweite Freiburger Professor nicht nur sein Doktor-, sondern auch sein Schwiegervater: 1814 heiratete er dessen Tochter Emilie. 1813 bestand Siebenpfeiffer erfolgreich sein juristisches Staatsexamen und beendete sein Studium mit einer Promotion. Zu erw?hnen ist au?erdem - aus der historischen Perspektive ?berraschend, aber durchaus dem Zeitgeist entsprechend - seine Antipathie Napoleon gegen?ber. Nachdem sich Siebenpfeiffer bereits 1806 einem "Bund gegen die Tyrannenherrschaft Napoleons" angeschlossen hatte, ?u?erte er sich am 6. Februar 1814 in einem Brief an Rotteck ganz euphorisch ?ber den Untergang der napoleonischen Herrschaft: "Euer Hochwohlgebohrn / theile ich in der Anlage ganz zitternd vor Freude die officielle Nachricht mit von dem gro?en von den Alliierten erfochtenen Siege". Und einige Zeilen weiter: "Freuen sie sich mit mir, wie alle guten Deutschen - Fluch den Napoleonen!".

Zun?chst aber profitierte Siebenpfeiffer nicht unerheblich von den neuen Verh?ltnissen. Im Januar 1814 trat er eine Stelle beim "?sterreichischen Generalgouvernement" in Colmar an, einer Art Besatzungsbeh?rde im Oberelsass. Es folgte nun eine regelrechte Odyssee, in deren Verlauf er in den folgenden vier Jahren zahlreiche Verwaltungst?tigkeiten in Diensten der bayerisch-?sterreichischen Landesadministration aus?bte. Colmar, Kreuznach, Trier und Ottweiler, Landau, Speyer, Frankenthal waren die Stationen seines Nomadendaseins als Verwaltungsbeamter, das ihn 1818 endlich nach Homburg f?hrte. Der Rheinkreis war in ein Dutzend "Landcommissariate" eingeteilt worden, und Siebenpfeiffer wurde jenes an der Grenze zu Preu?en zugeteilt. Von Homburg aus - heute Saarpfalz-Kreis, Saarland - hatte er 79 Gemeinden mit etwa 40.000 Einwohnern zu verwalten. Die erste H?lfte seiner Amtszeit war gepr?gt durch eine erste Stabilisierung nach den Umw?lzungen und Kriegen infolge der Franz?sischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft, zumal die Folgen der so genannten "Freiheitskriege" nach wie vor virulent waren. Krisen wie etwa Missernten, Hungersn?te, Epidemien sowie nicht zuletzt die Rezession der Wirtschaft veranlassten ihn, bei der Regierung des Rheinkreises um Unterst?tzung und Gegenma?nahmen nachzusuchen. Er scheute sich auch nicht, direkt bei den beiden bayerischen Regenten seiner Amtszeit, Max I. Joseph (bis 1825) und Ludwig I., auf Reformen zu dr?ngen, zumal "hausgemachte" Probleme wie Zollbestimmungen oder die ma?lose Ahndung der Forstvergehen die Krisen versch?rften. Siebenpfeiffer selbst setzte Akzente im fl?chendeckenden Neubau von Schulen, im Ausbau der Verkehrswege und in der Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verh?ltnisse. Und er publizierte: 1818 eine Art Bestandsaufnahme unter dem Titel "?ber Gemeindeg?ter und Gemeindeschulden", 1823 erschien das nicht minder aus eigenen Erfahrungen und eigener Praxis motivierte Buch". ?ber die Frage unserer Zeit in Beziehung auf Gerechtigkeitspflege.

Auch aber auf sch?ngeistigem Terrain versuchte sich der Landcommiss?r mit der Feder. "Baden-Baden oder Rudolph und Helmina" nannte er sein volumin?ses "Episches Gedicht in zw?lf Ges?ngen", das bei Georg Ritter in Zweibr?cken erschien: eine Reisebeschreibung, durchwoben von einer Verwechslungsromanze zweier Liebesp?rchen, die sich in Baden abspielt und in der autobiografische Ans?tze ebenso wenig verkennbar sind wie eine geh?rige Portion Heimweh. Nicht zu ?berh?ren sind auf den 445 Seiten aber auch Untert?ne der Resignation. Die Ver?nderung und Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verh?ltnisse, die sich Siebenpfeiffer aufs Panier geschrieben hatte, kamen schlie?lich nicht von der Stelle, sein eigenes Engagement in dieser Hinsicht sah er ohne greifbare Erfolge, ohne Fortschritte. Hatte er schon 1821 in einem Anflug von Frustration an Rotteck geschrieben: "Was liegt der Welt an den Erzeugnissen des Westrich ?", hatte er 1823 hinzu gef?gt: "Mein Herz ist trocken", so deutete sich in seinem lyrischen Deb?t aber erstmals auch der Oppositionelle Siebenpfeiffer an: "Krank der Adel, es b?umt sich der Esel, worauf er geritten" oder "Krank auch mancher Regent aus Furcht vor dem Fieber der Freiheit", hei?t es an einer Stelle beispielsweise. Gleichwohl kommt die so artikulierte Kritik ?ber den Ansatz nicht hinaus. Vielmehr ist es die biedermeierliche Betonung des Privatlebens und der Gl?cksfindung im pers?nlichen Bereich, von denen die Verse dominiert werden und die auch Siebenpfeiffers folgende Homburger Jahre wesentlich pr?gen sollten. Mit zu diesem Schritt beigetragen haben mag wohl auch der Nachwuchs, der sich bei Siebenpfeiffers einstellte. Am 19. Juli 1826 wurde die Tochter Cornelia geboren, und zur Taufe stifteten die Eltern der Protestantischen Kirche eine bis heute erhaltene Patene, eine silberne Schale, auf der der Name des Kindes und als Taufdatum der 13. September 1826 eingraviert sind. Zur evangelischen Kirche hatte Siebenpfeiffer ohnehin ein enges Verh?ltnis, war er doch schon 1821 Mitglied der Synode der pf?lzischen Landeskirche. Mit Carl Gottfried Weber, dem Homburger Dekan und Stadtpfarrer, war er eng befreundet - im Gegensatz zu dessen katholischem Kollegen Johann Jackel, zu dem er zeit seiner zw?lfj?hrigen Amtszeit und noch dar?ber hinaus eine erbitterte Feindschaft pflegte. Wenn sich irgend die M?glichkeit der Auseinandersetzung bot, geriet er sich in die Haare mit dem Geistlichen, den er einmal als "dummen Bauer und Jesuitendiener" titulierte.

Abgesehen von diesem Kleinkrieg, pr?sentierte sich Siebenpfeiffer als loyaler Diener seines Herrn, revolution?re Ambitionen waren bei dem Homburger Landcommiss?r, der 1827 zu den Gr?ndern des "Central-Musikvereins der Pfalz" in Kaiserslautern z?hlte, nicht auszumachen. Als der bayerische K?nig Ludwig I. im Sommer 1829 Visite in der Pfalz und dabei auch in Siebenpfeiffers Zust?ndigkeitsbereich Station machte, hatte dieser auf das K?nigspaar eigens Lobgedichte verfasst. Freilich brodelte es unter der Oberfl?che schon merklich, zumal Siebenpfeiffer unverrichteter Dinge mit der Zensur Bekanntschaft gemacht hatte. Unter Pseudonym hatte er f?r das offizi?se Blatt "Inland" mehrere Artikel verfasst. W?hrend jene, in denen er sich ?ber Ackerbau und Viehzucht auslie?, wenigstens noch abgedruckt wurden, fielen seine politischen Forderungen - die er zuvor schon in Briefen an den bayerischen K?nig und seine Beh?rden artikuliert hatte und die ohne Reaktion geblieben waren- der Schere zum Opfer.

Als dann mit der Julirevolution des Jahres 1830 der Wind der Freiheit erneut von Frankreich her?berwehen zu schien, platzte ihm sozusagen der Kragen. Nun setzte er seinen schon l?nger gefassten Plan um, mit journalistischen Mitteln die Missst?nde anzuprangern. Im Herbst 1830 erschien die Erstausgabe seiner Zeitschrift "Rheinbayern", in der unter der scheinbar loyalen ?berschrift "Nur keine Revolution in Deutschland" die Dinge beim Namen genannt wurden. Siebenpfeiffer wurde sofort von seinem Amt als Landcommiss?r suspendiert; die Versetzung in das schw?bische Kaisheim, wo er als Zuchthausdirektor arbeiten sollte, lehnte er ab.

Stattdessen setzte er nun alles auf die journalistische Karte, bot mit seinen Bl?ttern "Rheinbayern" und "Der Bote aus Westen" der erstarkenden liberalen Opposition in der Pfalz wirkungsvolle Sprachrohre. Siebenpfeiffer war es au?erdem, der es dem M?nchener Journalisten Johann Georg August Wirth schmackhaft machte, in die Westpfalz umzusiedeln. Von Homburg aus sollte dieser seine "Deutsche Trib?ne" unter dem Schutz der Rheinischen Institutionen unbehelligt von der Bayerischen Regierung und ihrer Zensur produzieren k?nnen. Die Erstausgabe dieses wichtigsten Blattes der liberalen Opposition im Vorm?rz erschien in Homburg/Pfalz am 1. Januar 1832.

Zum gleichen Zeitpunkt verlie? Siebenpfeiffer Zweibr?cken, um sich im ostpf?lzischen Oggersheim niederzulassen und von dort aus seine nunmehr in "Westbote" umbenannte Zeitung herauszugeben. "Rheinbayern" erschien nun unter dem Titel "Deutschland" - mithin ein Signal daf?r, dass Siebenpfeiffer seinen Wirkungskreis nun nicht mehr allein auf die Pfalz beschr?nkt sehen wollte. Stets war der Kampf f?r "Pre?freiheit" Thema in seinen Zeitungen und Artikeln, wie ein roter Faden zieht sich das kompromisslose Engagement f?r die Freiheit der Presse durch die verschiedenen Publikationen - seien es die Zeitungen, seien es die "Flugschriften", die im Falle der Zensur als Ausweichmedium dienten

. Die Entwicklung eskalierte, als unter Mitwirkung Siebenpfeiffers am 29. Januar 1832 im Rahmen eines Festbanketts f?r den Landtagsabgeordneten Friedrich Sch?ler in Zweibr?cken der "Deutsche Vaterlandsverein zur Unterst?tzung der freien Presse" (kurz: "Pre?verein") gegr?ndet wurde. In kurzer Zeit dehnte sich diese politische Organisation ?ber ganz Deutschland aus, rund 5000 Menschen traten ihr bei. Selbst in Paris fanden die Ziele des Vereins gro?e Resonanz, Emigranten wie die Schriftsteller Heinrich Heine und Ludwig B?rne verfolgten die Ereignisse in Zweibr?cken mit gro?er Spannung.

Die zahlreichen "Festbankette", die von der demokratischen Bewegung speziell in der ersten H?lfte 1832 gefeiert wurden - unter dem Deckmantel der Geselligkeit bestand allein die M?glichkeit, sich politisch zu artikulieren und zu organisieren -, lie?en die Idee eines gro?en "Nationalfestes" reifen. Siebenpfeiffer brachte dann im Januar 1832 erstmals eine solche Demonstration ?ffentlich ins Spiel. Als Schauplatz schlug er zun?chst Kaiserslautern vor. Es kam schlie?lich Ende Mai auf der Hambacher Schlossruine zu der machtvollen, letztendlich aber wirkungslosen Demonstration. Auf bis zu 30.000 wird die Zahl der Teilnehmer gesch?tzt. In zahlreichen Reden wurden, mehr oder weniger radikal, Freiheit, Demokratie, ein deutscher Nationalstaat oder auch ein vereinigtes demokratisches Europa gefordert. Die Wortf?hrer, die untereinander schon vor dem Hambacher Fest zerstritten waren, kamen in einer nachbereitenden Sitzung zu keinem Ergebnis, was die weitere Vorgehensweise anbelangt. "Jeder solle auf eigene Faust handeln", war die einzig greifbare Devise, die ausgegeben wurde. Das Fehlen einer konzertierten Strategie lie? der Obrigkeit viel Spielraum zum Eingreifen.

In den folgenden Wochen wurden die Redner der Reihe nach verhaftet, nur wenigen - wie etwa Friedrich Sch?ler und Joseph Savoye - gelang die Flucht ins sichere Ausland. Am 18. Juni 1832 wurde Siebenpfeiffer in Haardt festgenommen, mehr als ein Jahr sp?ter begann in Landau der spektakul?re Assisenprozess gegen die Hambacher Akteure. An dessen Ende stand der sensationelle Freispruch durch das Geschworenengericht, was f?r die Angeklagten aber nicht in jedem Fall auch Freiheit bedeutete. Siebenpfeiffer wurde dem Zuchtpolizeigericht Frankenthal ?berstellt, das ihn wegen "Beamtenbeleidigung" zu zwei Jahren Haft verurteilte.

Mit Hilfe von Freunden konnte Siebenpfeiffer am 14. November 1833 aus dem Gef?ngnis fliehen und ?ber das Elsass in die Schweiz entkommen. Er erhielt in der Schweiz nicht nur Asyl, sondern auch eine Anstellung an der Universit?t Bern als au?erordentlicher Professor f?r Straf- und Staatsrecht.

1835 starb Siebenpfeiffers Ehefrau. Ab 1841 machten sich erste Anzeichen seiner Geisteskrankheit bemerkbar. Einige Jahre sp?ter musste er in die Heil- und Pflegeanstalt B?mpliz bei Bern eingewiesen werden. Dort starb Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer im Alter von 55 Jahren am 14. Mai 1845.

In Gedenken an Siebenpfeiffers journalistische Arbeit wird seit 1987 alle zwei bis drei Jahre der Siebenpfeiffer-Preis f?r engagierte Journalisten vergeben. Der Preis wird von der Siebenpfeiffer-Stiftung verliehen, die ihren Sitz in Homburg hat. In Homburg befindet sich auch das Siebenpfeiffer-Haus, welches eine Ausstellung ?ber Siebenpfeiffer sowie Seminarr?ume enth?lt.

Weblinks:

Siebenpfeiffer Stiftung
demokratiegeschichte.eu
Initiative Buchkultur