Scharfrichterhaus Ettenheim - meisterhaftes Fachwerk

 
Scharfrichterhaus Ettenheim - Johannes Mengis erwarb das Haus als letzter Scharfrichter der Stadt Ettenheim. Heute präsentiert sich das ehem. Scharfrichterhaus - ebenfalls in privatem Besitz -  in einem sehr guten, jüngst (1990) aufwändig renovierten Zustand als eines der vielen stolzen Fachwerkhäuser EttenheimsIn Ettenheim waren Scharfrichteramt und Abdeckerarbeit in Personalunion gegeben und so lag es von Zeiten nahe, dass Amtsträger vor der Stadt(mauer) leben mussten. Beide Tätigkeiten waren sog. "unehrliche" Berufe und Menschen, die selbige Berufe ausübten wollte man nicht unter der Bürgerschaft. So wurde das Ettenheimer Scharfrichterhaus außerhalb der alten Stadtmauer als "Ackerbürgerhaus" errichtet:

Ackerbürger(haus):

Ackerbürger stellten seit dem Mittelalter innerhalb der städtischen Sozialstruktur eine Sondergruppe dar. Ein Ackerbürger war keinem der typisch städtischen Erwerbsstände zuzuordnen. Er war ein Bauer mit Bürgereigenschaft und bewirtschaftete seine Ländereien innerhalb der städtischen Feldmark, die durch ergänzende Pachtung von landwirtschaftlicher Nutzfläche anderer Bürger hinreichend große Wirtschaftseinheiten ergaben. Ackerbürger, also "Stadtbauern", gab es gleichermaßen in größeren wie kleineren Städten.

Das Scharfrichterhaus in Ettenheim dürfte in der ersten Hälfte des 17ten Jahrhunderts erbaut worden sein und wird erstmalig im Zinspflichtausweis der Pfarrei 1618 erwähnt. Eine gesicherte Bestimmung liegt seit 1712 vor, in welcher die aufwendigen Renovierungskosten des Scharfrichterhauses in der Ettenheimer Steuerakte ausgewiesen wird.

Johannes Mengis erwarb das Haus als letzter Scharfrichter der Stadt Ettenheim. Heute präsentiert sich das ehem. Scharfrichterhaus - ebenfalls in privatem Besitz -  in einem sehr guten, jüngst (1990) aufwändig renovierten Zustand als eines der vielen stolzen Fachwerkhäuser Ettenheims.

Hubert Kewitz: Für Erhalt des Scharfrichterhauses - Ettenheimer Heimatbote, 19.2.1988

Ettenheim. Der Arbeitskreis des Historischen Vereins, der sich die Erkundung des alten Stadtbilds und die Pflege der Ettenheimer Kulturdenkmäler zum Ziel gesetzt hat, befaßte sich bei seiner letzten Zusammenkunft eingehend auch mit dem vom Abbruch bedrohten alten Scharfrichterhauses, dem ehemaligen Allendorfschen Haus in der Muschelgasse. Dieses Gebäude ist seit einiger Zeit wieder - wie zu Scharfrichters Zeiten - im Besitz der Stadt, die es der Parkplatznot opfern möchte.

Der jetzige schlechte Zustand täuscht allerdings; das altertümlich schöne Fachwerk wäre nach Ansicht des Historischen Vereins, mit Mitteln der Denkmalpflege wiederhergestellt, ein Blickfang und Anziehungspunkt dieses zentrumnahen Vorstadtwinkels. Die spätere Verwendung wäre zu überlegen, eine erneute private Nutzung vielleicht das Naheliegendste.

Über die frühen Bewohner des Scharfrichterhauses arrowRight

Nach dem Urteil der Fachleute gehört das Haus zu den ersten Bauten, die um 1650, nach der Katastrophe im 30jährigen Krieg, wieder hochgezogen worden sind. Es sei aber auch nicht auszuschließen, daß es noch älter ist und die Einäscherung der Stadt durch Herzog Bernhard überlebt hat, meinen die Experten.

Die ältere Bauweise zeigt sich zunächst darin, daß abweichend von der sonstigen Gepflogenheit des älteren Bauens innerhalb der Stadtmauern Erd- und Obergeschoß beide in Fachwerk erstellt worden sind. Wichtig ist dann vor allem, daß das Fachwerk als ausgesprochenes Sichtfachwerk gestalterisch ausgesprochen ehrgeizig konzipiert ist. Dies wird vor allem im Stubenteil mit seinem Rautenfachwerk und der aufwendigen Befensterung deutlich. Hinzu kommt, was in Ettenheim sehr selten ist, eine noch erkennbare reizvolle alte Farbfassung des Holzes und eine Bemalung (Bandelierung) der Gefachwandungen.

Der technische Zustand des Baukörpers ist nach der Aussage der Sachverständigen gut. Senkungen und Neigungen seien nicht festzustellen. Die tragenden Eckständer aus Eichenbalken sind ausgezeichnet konserviert, die Füllhölzer aus Nadelholz sind zu 70 bis 80 Prozent noch gut erhalten. Die zugehörige Scheune ist später angebaut und wohl nicht von denkmalpflegerischem Interesse. Hier zeichnet sich, wenn man sich zur Erhaltung des Hauptbaus entschlösse, die Möglichkeit eines Kompromisses ab. Angesichts der Bedeutung des Objekts als historisches und als Baudenkmal sollten jedenfalls die bisherigen Beschlüsse der Stadtratsgremien nicht das letzte Wort sein, meint der Historische Verein. Ettenheim hat eine Reihe schöner, liebevoll gepflegter Bauten, auf denen sein Ruf beruht. Aber es hat eigentlich wenig Gebäude von bescheidenem Rang, in denen sich aber dennoch der Geist der Jahrhunderte städtischen Lebens geradezu sinnbildhaft verdichtet: das Scharfrichterhaus ist eines davon. Wenn es verschwindet, ist wenig gewonnen, nur ein paar Parkplätze, ungleich mehr aber verloren: ein Stück Identität der Stadt, so die historisch Interessierten.

Der Scharfrichter stand in der Rangordnung der städtischen Dienste auf der untersten Stufe. Sein Tun war notwendig, machte ihn aber unrein und unehrlich, man mied ihn, und seine Kinder konnten nur ihresgleichen heiraten. Er war freilich kaum ausgelastet als Gerichtsknecht, mit Strafen zu Haut und Haar, oder gar als Henker am Hochgericht draußen westlich der Landstraße im Grün. Nur selten gab es so feierliche Tage wie 1718 die Aburteilung des "roten Peter", bei der alle so ergriffen waren, daß der arme Sünder noch den Galgen küßte, bevor man ihm den Garaus machte. Meist zog der Henker als Abdecker mit einem Karren, den ihm die Stadt stellte, zu seinen Geschäften aus. "Crepirtes Vieh" hatte er wegzuschaffen, einen "verreckten Ochsen" aufzuschneiden oder 1718 einen toten, in den Brunnen gefallenen Hund auf den Wasen zu tragen. Tollwütige Hunde waren abzutun, und wenn wieder einmal Wölfe im Niederwald heulten, zog er gern mit der Büchse auf die Jagd, denn dafür gab es gutes Schußgeld als Prämie.

Seine Wohnung stellte dem Scharfrichter die Stadt. Das Haus taucht zuerst 1712 in den Steuerrechnungen auf, als aufwendige Handwerkerarbeit "an des scharpfrichtersbehaußung" zu begleichen ist. Sein Bewohner, der "Meister", wie er auch genannt wird, ist aber schon seit dem 17. Jahrhundert greifbar. 1682 hören wir von Meister Diebolt Bengel, Scharfrichter und Abdecker, der lange diese ungebliebte Tätigkeit ausübt. Dann werden ein Johann Jacob Vollmer und ein Philipp Rein genannt, und seit 1759 ist Jacob Mengis Nachrichter in dessen Familie das Amt dann lange geblieben ist.

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