Haigeracher Tor (Obertor) Gengenbach


Das Haigerachertor steht auf einem Fundament aus dem 13ten Jahrhundert und wurde auf diesem nach der Zerstörung Gengenbachs im 17ten Jahrhundert wieder aufgebaut. Heute zeigen sich Risse im Bauwerk Das Haigeracher- oder Obertor, eines der drei erhaltenen Stadttore Gengenbachs war Zugang zu und aus dem Haigerachtal, somit zum Schwarzwald entlang der Haigerach bis hinauf zur Kornebene. Das Haigerachertor steht auf einem Fundament aus dem 13ten Jahrhundert und wurde auf diesem nach der Zerstörung Gengenbachs im 17ten Jahrhundert wieder aufgebaut. Heute zeigen sich Risse im Bauwerk. Der Obertorturm - auch Haigeracher Tor - hat Risse. "Risse vom Scheitel bis zur Sohle" könnte man sagen, handelte es sich nicht um ein Bauwerk sondern um einen Menschen. "Das sind Botschaften, die uns richtig treffen" - so Bürgermeister Thorsten Erny im Gemeinderat. Mehrere Risse durch die gesamte Bauhöhe wurden von Stadtbaumeister Kälble festgestellt, welche dringendst einer Renovierung bedürfen. Nun sollen bauwissenschaftliche Untersuchungen "Licht ins Dunkel" bringen, weil die Ursache bislang nicht herauszufinden ist.

Erste Maßnahmen erfolgen in den frühen Oktoberwochen und in dieser Zeit bleibt die Duchfahrt gesperrt. Für erste Maßnahmen stellte der Gemeinderat 120.000 Euro zur Verfügung, wobei die möglicherweise unumgänglichen Reparaturen / Renovierungsarbeiden ein Vielfaches betragen dürften. Dies sollte ein Schmuckstück im Städtebild und ein Denkmal erster Güte Wert sein. Regierungspräsidium und Landesdenkmalamt sind in die Arbeiten bereits involviert. Ob Gengenbach für die erforderlichen Arbeiten auf Unterstützung mit Landesmitteln rechnen darf, ist im Augenblick noch offen.

Historische Ortsanalyse (Denkmalpflege BW - Gesamtanlage Gengenbach, Ortenaukreis):

Mehrgeschossiger, am Zugang zur nördlichen Victor-Kretz-Straße situierter Torturm mit Schießscharten und steilem, abgeschlepptem Zeltdach; als Teil der ehemaligen Stadtbefestigung über rechteckigem Grundriss massiv aus Bruchstein errichtet und bis auf die seitlichen Buckelquader verputzt; die korbbogige Tordurchfahrt tonnengewölbt; stadtseitig über Sandsteintreppen erschlossener kleiner Vorbau, der ehemals wohl der Fortführung des an der Stadtmauer angebrachten Wehrganges diente; die heute dort befindliche dreiteilige Laube stammt in Teilen aus dem sog. Pfaff ´schen Haus (Victor-Kretz-Straße 11)). Errichtet im 13. / 14. Jahrhundert und danach noch mehrmals umgebaut und erneuert; der Dachstuhl stammt aus dem 17. / 18. Jahrhundert, die Fenster der Turmstube datieren in dieselbe Zeit; das Fallgatter, ebenso wie das stadtseitig angebrachte Gengenbacher Wappen jüngst rekonstruiert bzw. neu angebracht. Der Turm als Teil des im 13. / 14. Jahrhundert errichteten Befestigungssystems (§ 28 Sachgesamtheit Stadtmauer und Graben) und als wichtige, die nördliche Stadtansicht prägende bauliche Dominante ist von hohem Zeugniswert für die Stadtgeschichte und Stadtgestalt.

Aus "Die Stadtbefestigungen von Gengenbach" von Martin Hesselbacher, Freiburg i. Br.: 

Die an das Offenburger Tor anschließenden Mauerzüge, die zunächst nach Norden und dann nach Nordosten führen, scheinen auf den ersten Blick vollkommen verschwunden zu sein. Geht man aber durch die innere "Engelgasse", die wohl mit Recht als eine der schönsten Fachwerkhausstraßen Deutschlands bezeichnet werden darf, dann wird man in dem leichten Bogen, den die eng aneinandergereihten Häuschen beschreiben, den Bereich der Inneren Stadtmauer erkennen, auf die sie mit ihren Außenmauern gebaut worden sind. Die Idylle dieses verträumten Stadtwinkels schließt die Tatsache der harten mittelalterlichen Zeit für die Engelgasse nicht aus, die einst das Ghetto der Juden war. Die zahllosen Fenster- und Türeinbrüche in die Außenwand der Inneren Stadtmauer haben leider ihre Existenz, von der äußeren Engelgasse her gesehen, völlig verwischen lassen. Geht man aber diese Gasse weiter, so bietet sich dem Beschauer plötzlich die wehrhafte Außenseite des "Schwedenturmes" dar, der in das Bruchsteinmauerwerk der hier noch beiderseits vorhandenen Inneren Stadtmauer eingebunden und selbst bis obenhin aus Bruchsteinen zusammengefügt ist.

Das über die Dächer des Wehrgangs hinausragende Obergeschoß des Turmes mit Schießscharten und polygonalem Dach ist vorgekragt, damit in seinem Innern genügend Platz vorhanden war für Schützen, Waffen und Munition. Man konnte daher von diesem Geschoß aus nach allen Seiten hin den eingedrungenen Gegner unter Feuer nehmen. Der nach der Stadt zu offene Turm erhielt aus Anlaß des Stadtjubiläums einen neuen Treppenaufgang bis zum besagten Obergeschoß. Von dem durch seine alten Häuser besonders reizvollen Altstadtteil "Gänsbühl" aus kann der Turm jetzt wieder nach jahrhundertelanger Vergessenheit bestiegen werden. Der Zugang erfolgt durch ein in Sandstein neugemauertes Rundbogentörchen neben dem alten Gerberhaus. Durch die schmiedeeiserne Tür sieht man die Treppe zum Turm hinaufführen, von dem man einen schönen Einblick in die Gassen und Höfe um den Gänsbühl genießen kann. Zwischen dem Schwedenturm und dem unweit gelegenen Haigeracher Torturm ist die Innere Stadtmauer noch erhalten und auf Höhe des ehemaligen Wehrgangs eingeschossig mit Wohnhäusern überbaut, Mit ihren überkragenden Fachwerkwänden und den steilen Dächern geben sie den Eindruck, als ob sie schon von jeher mit der Mauer zusammen errichtet worden wären.

Gengenbach - Markt mit Brunnen und Haigeracher Tor - Zeichnung von Karl Weysser, 1869 (Archiv StAfD Karlsruhe)
Gengenbach - Markt mit Brunnen und Haigeracher Tor - Zeichnung von Karl Weysser, 1869 (Archiv StAfD Karlsruhe)

Der Durchlaß der nach Norden, d. h. nach dem Haigeracher Tale, führenden Marktstraße durch die Stadtbefestigung wurde gesichert durch den Obertorturm, auch "Haigeracher Torturm" genannt. Er dürfte in der Sicht mittelalterlicher Stadtbaukunst als der bedeutendste der drei Tortürme gewertet werden, denn er schließt das einmalig großartige Bild der Straße nach Norden ab. Vom Mittelpunkt der Stadt her steigt sie nach Norden zu stetig an, sich gleichzeitig verengend, so daß die Häuser ihrer Westseite fast kulissenartig hintereinandergestaffelt sind, während die Häuser der Ostseite kontinuierlich die Straße begleiten. Trichterförmig rücken so die beiden Straßenwände aufeinander zu, überragt und zusammengehalten von dem schweren gedrungenen Bauwerk des Tores. Seine behäbige Durchfahrt geht stadtseits zunächst durch einen Vorbau, der eine hölzerne Galerie mit Pultdach trägt. Die hübschen gedrechselten Balustersäulchen des Brüstungsgeländers der Galerie stammen von dem ehemaligen städtischen Kanzleigebäude am Marktplatz, dem "Pfaff'schen Hause". Dieser Vorbau diente als Verbindung zu dem beiderseits anschließenden Wehrgang, zu dem auch eine Freitreppe rechts um den Vorbau herum- und hinaufführt. Darüber erhebt sich der kubische Turmschaft, ganz aus Bruchstein gemauert, allseitig verputzt und an den Ecken mit Bossenquadern eingefaßt. Die schmalen Schlitze seiner Schießscharten mit dahinter im Mauerwerk liegenden Kammern zum Schießen mit Armbrüsten und Bogen weisen auf seine frühe Erbauungszeit (Mitte des 13. Jahrhunderts), noch vor Erfindung der Feuerwaffen, hin. In Richtung des Wehrgangs ist der Turm aber schon mit sogenannten Schlüsselscharten ausgestattet, welche erst später zum Sichern des Wehrgangs mit Hakenbüchsen und Musketen eingebaut worden sind.


Dem Wiederaufbau nach der Zerstörung 1689 ist die Erhöhung des Turmschaftes um ein Geschoß zuzuschreiben, die ohne Eckquaderung erfolgte. Die in diesem Geschoß befindliche Turmstube erhielt ihr Licht durch je vier im Flachbogen geschlossene Fenster. Heute befindet sich in der Turmstube der Versammlungsraum der St. Georgs-Pfadfinderschaft, ein sinnvoller Zweck für den alten Turm. Mit der Aufstockung erhielt der Turm einen steilen, aus dem Viereck ins Achteck übergehenden Helm. Die unter der Leitung von Architekt Dipl.-Ing. Schwarze, Gengenbach, in jüngst vergangener Zeit durchgeführten Herrichtungsmaßnahmen haben in mancherlei Hinsicht das historisch getreue Aussehen des mittelalterlichen Turmes wieder gewinnen lassen, wobei als eine der gelungensten Maßnahmen die Wiederanbringung eines Fallgatters, im Volksmund "Rechen" genannt, zu betrachten ist. Daß ein solches Gatter im Mittelalter an diesem Turm vorhanden war, zeigen die zu beiden Sciten der äußeren Toröffnung senkrecht hochlaufenden Gleitrinnen aus Sandstein und ein über dem Tor befindlicher Mauerschlitz für die Zugkette. So ließen sich leicht die Dimensionen für eine Nachbildung des alten Gatters ermitteln. Es handelt sich hier um ein außen laufendes Gatter, wie es nach der Beschreibung Pipers in seiner "Burgenkunde" bei Stadttoren des Mittelalters häufiger vorkam, im Gegensatz zu den bei Burgtoren allermeist hinter der äußeren Bogenöffnung laufenden Gattern, wie aber auch beim Kinzigtorturm in Gengenbach oder gar beim Gutgesellentor am Aufgang zum Münsterberg in Breisach, wo die letzte Entwicklungsstufe, das sogenannte "Orgelwerk", erreicht war. Bei diesem hingen die einzelnen Pfähle des Gatters für sich mit Ketten an einem Wellenbaum, ohne selbst miteinander verbunden zu sein, um so dem vordringenden Feinde die Möglichkeit zu nehmen, alle Pfähle gleichzeitig hochzuziehen. Nach Piper hatte das Fallgatter als ein mit den Kreuzzügen aus dem Orient nach dem Abendland herübergekommenes Verteidigungselement eine zweifache Aufgabe, nämlich erstens die dahinter befindlichen Torflügel zu schützen und zweitens den Torweg nach außen zu sperren, um einem an anderer Stelle in die Stadt eingedrungenen Feind den raschen Rückzug abzuschneiden.

Als ein in jedem Falle für die Geschichte der Verteidigungskunst interessantes Element wurde also dem Haigeracher Torturm das Fallgatter wieder vorgehängt, bestehend aus mächtigen Eichenpfählen, die nach unten zugespitzt sind und in Eisenschuhen stecken. Zwei Querbalken, welche in die steinernen Gleitrinnen eingreifen, halten die Pfähle zusammen. Das vierzig Zentner schwere Gatter hängt an einer kräftigen Eisenkette, die durch den von jeher hierfür bestimmten Mauerschlitz läuft, damit das Gatter bei gelegentlichen Anlässen heruntergelassen werden kann. Eine zweite Maßnahme, im Sinne einer Korrektur aber, bildete die Hochführung der sichtbaren Sandstein-Eckquaderung beim Turmstubengeschoß bis zum Dachgesims. Doch die dritte Ergänzung dürfte wohl als die schönste Bereicherung des Turmes von den meisten empfunden werden. In Anlehnung an vorhandene Bildunterlagen wurde die Stadtseite des Turmes wieder wie früher bemalt. Sie erhielt unterhalb der Turmstubenfenster die Sonnenuhr und darunter zwischen den beiden Schießscharten das im Stil leider etwas zu spät ausgefallene Stadtwappen: Den Reichsadler mit dem Brustschild, der den springenden Salm zeigt, im Volksmund auch Gangfisch genannt, von welchem der Name der Stadt abgeleitet wird. Infolge der Freilegung der Fachwerkkonstruktionen der Häuser entlang der Victor-Kretz-Straße tritt heute der Haigeracher Torturm als massiver Festungsbau noch viel stärker im Stadtbild in Erscheinung als früher. Von diesem Turm ab verlief die Befestigungslinie in südöstlicher Richtung nur in Form der Inneren Stadtmauer mit Wehrgang sowie mit dem daran entlang geleiteten Bach und nach dem Kastelberg zu mit einem ummauerten Wall. Direkt neben dem Haigeracher Torturm war der Durchlaß für einen Wasserlauf in die Hauptstraße an Stelle des ehemaligen Haigeracher Baches, und neben dem oben schon einmal erwähnten zerstörten Rondelturm war ein zweiter Durchlaß für den Klosterbach, der auch gleichzeitig die Klostermühle betrieb und dies heute noch tut. So waren auch in Bezug auf die Wasserversorgung Klosterbezirk und Stadtbezirk völlig voneinander getrennt.

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