Barockes Rathaus Offenburg


Max Wingenroth - Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, Tübingen 1908 - S. 504 - 510

Rathaus - Ein solches muß natürlich schon im 13. Jh. vorhanden gewesen sein, i. J. 1426 aber hören wir erst von einem Bau, auf einem verkehrt eingemauerten Stein im Hofe des heutigen Rathauses findet sich diese Zahl. Offenbar fand damals ein Neubau statt. Von diesem aber ist heute nichts mehr erhalten, dagegen noch einige Reste von jenem Bau, auf den die Jahreszahl 1521 in einem Raum an der Kornstraße hinweist. Zu Anfang des 17. Jhs. wurde die an der Hauptstraße gelegene Kanzlei abgebrochen und ein Neubau beschlossen, 1604 bis 1605 auch, also ziemlich rasch, aufgeführt, und zwar von "Meister Wendling Götzen dem Bildhauer" wie es scheint, da außer ihm kein Baumeister genannt wird.

Grundriß des Rathauses in Offenburg
Fig. 282. Grundriß des Rathauses in Offenburg

Zeitgemäß war der Bau im Stile der deutschen Spätrenaissance aufgeführt, es hat sich davon ein einziger Stein erhalten, mit Beschlägornament.(1) 1607 werden die Maler Friedrich Brändel und Hans Martin gemahnt, sich in der Ausmalung zu beeilen. Nach dem Brand von 1689 konnten zunächst nur einige Reparaturen an dem stehen gebliebenen Hintergebäude vorgenommen, unter anderem zur Verhütung größeren Unglücks der Giebel abgebrochen werden, wir finden diesbezügliche Notizen von 1691 bis 1700; die Stuben werden hergestellt, 1699 wird eine Uhr bestellt, 1700 ein "Türmle zu einer Glocken auf das Rathaus" errichtet.

1.) Abgebildet bei Walter, Das Rathaus etc., S. 6

Als die Stadt dann anfing, sich wieder zu erholen, wurde erst der Ausbau des Vorderhauses in Angriff genommen und am 7. April 1741 der Kontrakt darüber mit "Maister Mathias FuxBurger und Maurer allhier" abgeschlossen, der es übernimmt, "den völligen CantzleyBau, soviel die Maurer Arbeit betrifft, nach dem vorhandenen Riß auf seine eigene Kosten zu verfertigen und herzustellen, mithin das alte Dachwerk und Gemäuer bis auf die Fundamenta, wo es nöthig abzubrechen, die Kellerlöcher zu verändern, sodann sowohl die Hauptmauern, als die innern Scheidewände der untern und mittlem Contignation aufzuführen, die Riegelwände im dritten und oberen Stockwerk zu mauren, das Archiv und Küche zu gewölben, auch beede samt denen Gängen in allen dreien Contignationen mit Platten oder Ziegelsteinen zu belegen, die Feuerwände, Feuerherd und Kammer zu verfertigen, das ganze Gebäu außen und innen zu bestechen und auszustreichen, auch in allen Zimmern und Gemächern, wo man es verlangt, Wickelböden und Decken mit Hohlkehlen zu machen" etc.(1) Woher der Riß kam, ist nicht angegeben; die Vermutung Walters, daß er in Augsburg gefertigt sei, weil sich über den Fenstern des Erdgeschosses ein etwa einem Pinienzapfen verwandtes Gebilde findet, ist nicht stichhaltig, da das hier lediglich ein auch anderswo vorkommendes Ornament ist. Der Maurermeister muß der ganzen Ausführung nach übrigens ein so tüchtiger Künstler gewesen sein, daß wir ihm selbst die Konzeption zutrauen könnten; vielleicht hat es sich bei dem Riß nur um den Grundriß gehandelt.

1.) Walter a. a. O. S. 10

Mittelstück der Fassade des Rathauses zu Offenburg
Fig. 284. Mittelstück der Fassade des Rathauses zu Offenburg

Der Bau scheint ziemlich lange sich hinausgezogen zu haben, wenn wir daraus etwas schließen dürfen, daß erst 1784 die Schreinerarbeit für den Rathaussaal vergeben wurde. Er stand dann bis 1894, in welchem Jahre ein Umbau stattfand, der leider die Wendeltreppe zerstörte. Unser Grundriß (s. Fig. 282) zeigt den Zustand vor diesem Umbau. Das Gebäudedes 18. Jhs. ist ein regelmäßiges Rechteck, das seine Hauptfront mit je sieben Fensterachsen der Hauptstraße bezw. dem Markt zukehrt, während die eine Schmalseite an das Gasthaus "Zur Sonne" angebaut ist, die andere mit je drei Fensterachsen in die Kornstraße schaut. An die Rückseite stößt rechtwinklig, der Kornstraße entlang, das erhaltene Hintergebäude aus dem 16. Jh. an, sowie an den davon frei bleibenden Teil die Wendeltreppe, die den Zugang zu den verschiedenen Stockwerken des Hauptbaues vermittelte.

Die innere Einteilung des Hauptbaues geht aus dem Grundriß klar hervor. Die Fassade gegen die Hauptstraße zu ist von sehr wirkungsvollem Aufbau. Die drei mittleren Fenster sind von gequaderten Pilastern mit ionischen Kapitellen zusammengefaßt, über denen sich ein runder Giebel erhebt. Er ist dem Satteldach des ganzen Baues vorgesetzt. Die im ganzen Bau flachbogig geschlossenen Fenster sind in den zwei unteren Stockwerken mit einer an zwei Ecken konkav eingezogenen Gesimslinie überdeckt. Die jeweils drei Fenster zu beiden Seiten des Portals und das Balkons sind dadurch wieder zu einer Einheit zusammengefaßt, daß jeweils das mittelste von ihnen mit einem flachrunden Giebel gekrönt ist, auf dem unten das erwähnte pinienzapfenähnliche Gebilde, oben eine Blumenvase sitzt, während die Fenster auf den beiden Seiten flache Volutengiebel aufweisen mit Palmetten dazwischen. Auch die Keilsteine der Fenster sind verschieden behandelt, an den mittleren konsolenartig, unten mit Ranken- und Vorhangornament, oben mit Fratzen, während die Keilsteine der anderen Fenster ganz schlicht gelassen sind. Das rundbogige Portal ist von Pilasternflankiert, deren Füllungen mit Bandgeschlingornament verziert sind. Auf den freibehandelten Kapitellen sowie auf dem mit Löwenkopf versehenen Keilstein des Portals sitzen die in Karyatiden endigenden Konsolen auf, die den Balkon tragen mit seinem geschmackvollen, schmiedeeisernen Gitter.

Über der Balkontür in Relief von zwei Löwen gehalten das Wappen der Reichsstadt unter flachrundem Giebel (s. Fig. 284). Die Fenster des obersten Stockwerkes sind nur von einer Gesimslinie umzogen; entsprechend der unteren Rhythmisierung sind ihre Keilsteine entweder mit Palmetten verziert oder glatt gelassen. Im Giebel zwei blinde Rundfenster und das Mittelrund mit der Uhr. Auf ihm die Figur der Justitia. Die Behandlung der drei Fensterachsen der Seitenfassade gegen die Kornstraße ist die gleiche wie bei den vorderen Fenstergruppen, über ihnen erhebt sich in mehrfacher Einbiegung und Ausbiegung, mit großen Voluten auflagernd, der große Giebel des Daches. Auf seiner einmaligen, scharfen Knickung je eine Blumenvase, auf der Spitze die Büste des sagenhaften Offo. Nach dem Hof zu erhebt sich aus dem Satteldach ein kleines, mit einem Zwiebeldach gedecktes Glockentürmchen. Die Türflügel des Hauptportals Schnitzerei des 18. Jhs. mit schmiedeeiserner Füllung.

Im Hauptgeschoß der Rathaussaal mit Durchzugsbalken und sparsamen Stuckornamenten an den Decken, hier eine Standuhr in geschnitztem Holzkasten, das Uhrgehäuse selbst in Messing geschnitten und bezeichnet: Michael Guß 1776, während der Uhrenkasten laut Akten 1779 von Bildhauer Speckert gefertigt worden; das Uhrwerkstammt von Anton Höhrmann. Auf dem Korridor und in den Zimmern einige Ölgemälde, Porträts der Maria Theresia, Franz I. u. a.

Das Material sind Bruchsteine, an den Gewänden und skulpierten Teilen roter Sandstein, im Innern teilweise Riegelwände. Das anstoßende Hintergebäude zeigt im Erdgeschoß und ersten Geschoß nochdie geradsturzigen, teilweise noch mit einem Mittelpfosten versehenen Fenster mit abgefasten Sandsteingewänden aus dem 16. Jh., im Erdgeschoß auch noch die alte Einteilung (dient als Polizeiwachtstube). Über dem mittleren Doppelfenster desselben im Sturz ein Stein eingemauert, der nach Walter ehemals am Sturz des hier vorhandenen, abgebrochenen Portals sich befand, zwischen dem zweimal wiederholten Stadtwappen die Jahreszahl 1521 und das Zeichen (s. Fig. 282).

Heute tritt man zunächst in einen von einem Kreuzrippengewölbe überspannten Raum, hinter dem ein zweiter, ähnlicher liegt. Aus dem ersteren gelangt man durch eine Tür mit abgefastem Gewände in die einstige Torhalle, - die etwa 1,75 m breit und 5,75 m lang - mit einem Netzrippengewölbe überdeckt ist, dessen schlicht mit einer Hohlkehle profilierte Rippen ohne Konsolen in der Wand verlaufen. Sie haben vier (der fünfte ist weggelassen) Schlußsteine, an denen das Stadtwappen, ein Christuskopf, ein Stern und eine sechsblättrige Rose skulpiert sind. Aus einer Rippenkreuzung schaut der Kopf des Künstlers hervor - anders wird er wohl nicht zu deuten sein - der den Bau errichtet, und daneben an der Rippe das Meisterzeichen(1) (s. Fig. 285). Im Hof, an der Rückseite des Neubaues, befand sich in achteckigem Türmchen die Wendeltreppe, der Schneck, die nach Walters Behauptung auf Grund älterer Aussagen aus dem zerstörten Pfalzgebäude hierher transferiert wurde.(2)

Kopf des Baumeisters, im älteren Teil des Rahthauses zu Offenburg
Fig. 285. Kopf des Baumeisters, im älteren Teil des Rahthauses zu Offenburg

Nach den über den "steinenen Schnecken an der Pfalz" erhaltenen Urkunden ist derselbe in den Jahren 1614 und 1615 von "Meister Wendung Götzen dem Bildhauer und Steinmetzen" errichtet worden, also dem Meister des Renaissancerathausbaues. Aus dem Rathaus stammte ein gutes schmiedeeisernes Renaissancetürbeschläg mit Knauf, das sich ehemals im Besitze des Kaufmanns Albrecht Fischer befand. Pfalz und Laube standen noch seit dem Brand in Mauerresten, die mit dem Einsturz drohten. Endlich 1784 beschloß man daher ihren Abbruch.

1.) Von Walter nicht richtig wiedergegeben.
2.) Walter, Das Rathaus etc., S. 12.

Interessant ist dabei der Umstand, daß sich dafür u. a. ein Maurer aus dem Bregenzer Wald Anton Hirschspiel anbietet, daß also damals noch diese Bauschule bis hierher tätig war. Doch erhielten die ortsansässigen Meister den Auftrag. Damals erschienen Pfalz und Laube als zwei Gebäude, doch dürfte Walter mit der Ansicht recht haben, daß sie ursprünglich nur eines bildeten, in dem zu ebener Erde die Brotbänke und Gaden, im oberen Stock die Pfalzwirtschaft war. Es war ein gewaltiges Gebäude, das nach allem da stand, wo jetzt das Kriegerdenkmal steht, offenbar in der ersten Hälfte des 16. Jhs. erbaut, denn seit 1565 hören wir in den Protokollen von der "neuen Pfalz"(1). Nach dem Brande erbaute man, da ein städtisches Wirtshaus Bedürfnis schien, vor diesem zerstörten Bau an der Stelle des heutigen Drakedenkmals ein neues Gebäude (1727), das jetzt auch verschwunden ist.

1.) Walter a. a. O. S. 21.

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