G. Fingerlin, Merowingerzeitliche Adelsgräber in der Peterskirche von Lahr-Burgheim - Archäologische Nachrichten aus Baden vol. 35 (1985) p. 23 - 35


Die kleine Kirche in Burgheim (Abb. 1) gehört zu den frühgenannten Gotteshäusern der Ortenau. Auf älteste Zeiten deutet auch das Patrozinium des heiligen Petrus, ähnlich zu bewerten, wie das des heiligen Martin von Tours, dessen Verbreitung in Südwestdeutschland offenbar mit der Expansion fränkisch-merowingischer Königsherrschaft zusammengeht. Immer wieder fand sich in vergleichbaren Fällen auch eine archäologische Bestätigung in Form merowingerzeitlicher Gräber in einem frühen Kirchenbau. Auch für St. Peter in Burgheim würde man nach heutigem Kenntnisstand eine merowingerzeitliche Kirche mit solchen "Stiftergräbern" fast selbstverständlich voraussetzen. Als man bei den Ausgrabungen 1954 / 55 tatsächlich auf einen solchen Befund stieß, war dies aber für den süddeutschen Bereich neu und überraschend, und die Grabungsberichte von damals verraten noch viel von der ersten Unsicherheit der Ausgräber, die ihren Augen nicht so recht trauen mochten, von ihrer Sorge, eine archäologische Stituation zu überfordern und in der Ausdeutung zu weit zu gehen.

Vor allem tat man sich damals schwer mit der Vorstellung einer aus Stein gebauten Kirche des 7. Jahrhunderts im rechtsrheinischen Gebiet, wo seit der alamannischen Landnahme (260 n. Chr.) römische Steinbautradition erloschen war. Allzu weit vor Karl dem Großen mochte man mit einem gemörtelten Sakralbau hierzulande doch nicht zurückgehen und so verlegte man den Zeitpunkt der Bestattungen, von denen die genaue Chronologie abhing, in die Jahrzehnte nach 700 oder sogar noch später. So konnte man eine Entstehung der ersten rechteckigen Steinkirche mit annähernd halbrunder Apsis erst im 8. Jahrhundert annehmen (Abb. 2), was dem geschichtlich über Kirchenbau und Alamannenmission Bekannten besser zu entsprechen schien. Auch überlegte man, ob die insgesamt etwa 25 Plattengräber, die man innerhalb und außerhalb der Kirche fand, nicht vielleicht älter sein könnten als der erste Steinbau. Auf nicht wenigen Bestattungsplätzen der Merowingerzeit, den sogenannten Reihengräberfeldern, sind nämlich später Gotteshäuser errichtet worden.

Abb. 1: Lahr-Burgheim, St. Peter von Süd - Zeichnung K. List, 1954
Abb. 1: Lahr-Burgheim, St. Peter von Süd - Zeichnung K. List, 1954.

Tatsächlich gibt es in Burgheim wegen zahlreicher jüngerer Eingriffe und Störungen keinen wirklichen Schichtzusammenhang zwischen Kirche und Bestattungen, doch wird das zeitliche Verhältnis aus anderen Beobachtungen deutlich (Abb. 2). So sind die wegen ihrer reichen Beigaben wichtigen Gräber 1, 10 und 19 unmittelbar an das Fundament des Kirchenschiffs angesetzt, gleiches gilt auch für die ausgeraubten Steinkisten 14 und 15. Bei der Grabreihe 7, 18, 17 und 21 ist die Berücksichtigung der Westwand unschwer zu erkennen, schließlich sind fast alle Gräber auf die Längsachse der Kirche ausgerichtet. Somit ist der steinerne Rechtecksaal mit etwa halbrunder Apsis älter als die Bestattungen, die in seinem Inneren und in seiner unmittelbaren Umgebung angelegt worden sind. Allzu groß kann dieser zeitliche Vorsprung indes auch nicht gewesen sein, da der sakrale Bau ganz sicher zunächst seine Erbauer bzw. "Stifter" aufgenommen hat. Schließlich war dies eine ganz wesentliche Zweckbestimmung früher Kirchenbauten, ob es sich nun um Königsgrabkirchen in den zentralen Gebieten des Fränkischen Reiches handelt oder um bescheidenere "Eigenkirchen" adliger Familien irgendwo im ländlichen Raum, in der alamannischen oder bajuwarischen "Provinz". Damit scheidet auch die von den Ausgräbern zeitweilig erwogene Datierung der ältesten Mauerzüge in die Römerzeit aus, wenn auch durch verschiedene Hinweise gesichert ist, daß in unmittelbarer Nähe der Burgheimer Kirche ein größeres römisches Gebäude liegen muß. Vereinzelt wurden im frühen Mittelalter die Grabanlagen für die Erbauer von Kirchen schon von Anfang an geplant und sind dementsprechend im Grundriß ablesbar (z. B. Nischen). Derart bevorzugt wird selbstverständlich nur der eigentliche Stifter (oder das Stifterpaar), dem nach Rang und Verdienst um den Kirchenbau auch der beste Platz zusteht. Dieser konnte an der Südseite des Schiffes liegen, meistens aber wählte man die letzte Ruhestätte in der Nähe des Altars, ad sanctos, also bei den Heiligen bzw. bei den im Altar aufbewahrten Reliquien. Für die Nachkommen oder weniger prominente Familienangehörige der gleichen Generation blieben dann nur noch geringer bewertete Plätze in der Hierarchie der Toten.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es auffällig, daß in Burgheim kein hervorragend ausgestattetes Grab im Mittelschiff vor dem Altar gefunden wurde, ja daß überhaupt kein reiches Männergrab existiert. Der Grabungsbefund ist allerdings eindeutig: jüngere Zerstörungen gerade in diesem Bereich, sicher auch systematische Ausplünderung einzelner Bestattungen, sind für diesen Tatbestand verantwortlich zu machen, und es ist nur dem Zufall zu danken, daß im Inneren der Kirche zwei Gräber vornehmer Frauen, darunter eines ungestört, erhalten geblieben sind (Grab 1 und 10), zu denen noch ein weiteres (Grab 19) vor der südlichen Außenwand hinzukommt. Entsprechende Männergräber müssen dagewesen sein, und es ist das Verdienst K. Lists, auf einen ungewöhnlichen Sarkophag hingewiesen zu haben (Abb. 3), der offenbar mehrfach benützt und auch versetzt worden ist, den wir uns aber gut als Grabbehältnis des Burgheimer Stifters vorstellen können. Nächste Vergleichsstücke dieses aus Kalkstein sorgfältig gehauenen, dünnwandigen Sarkophags (Abb. 4) sind aus merowingerzeitlichen Kirchen etwa der Île-de-France (St. Denis) oder Burgunds bekannt und von dort ist dieser bis heute rechts des Rheins einzigartige Steinsarg auch nach Burgheim gekommen. Ein ähnliches, jedoch aus einheimischem Material gefertigtes Exemplar, kürzlich in der Martinskirche von Müllheim entdeckt, dürfte nach einem linksrheinischen Vorbild gearbeitet sein und sollte ursprünglich wohl auch zur Beisetzung einer prominenten Stifterpersönlichkeit dienen. Auch dieser Müllheimer Sarkophag ist übrigens nicht mehr an seiner ursprünglichen Stelle aufgefunden worden und enthielt auch nicht mehr die erste Bestattung.

Wenn es auch letztlich unbeweisbar bleibt, spricht doch vieles dafür, daß in Burgheim der einzige, für teures Geld importierte Sarkophag zunächst für den Stifter der Kirche bestimmt war und anfänglich etwa in dem Bereich gestanden hat, in den er, nach zeitweiliger Versetzung, dann wieder zurückkehrte und wo man ihn schließlich auch gefunden hat (Abb. 2).

Abb. 2: Lahr-Burgheim, St. Peter. Plan der ältesten Kirche (7. Jahrhundert) schräg schraffiert. Kleine Korrekturen an der Form der Apsis und baugeschichtliche Ergänzungen jüngerer Zeit (Ostapsis) sind auf diesem Plan noch nicht berücksichtigt - oben Abb. 2: Lahr-Burgheim, St. Peter. Plan der ältesten Kirche (7. Jahrhundert) schräg schraffiert. Kleine Korrekturen an der Form der Apsis und baugeschichtliche Ergänzungen jüngerer Zeit (Ostapsis) sind auf diesem Plan noch nicht berücksichtigt - unten
Abb. 2: Lahr-Burgheim, St. Peter. Plan der ältesten Kirche (7. Jahrhundert) schräg schraffiert. Kleine Korrekturen an der Form der Apsis und baugeschichtliche Ergänzungen jüngerer Zeit (Ostapsis) sind auf diesem Plan noch nicht berücksichtigt.

Sicheren Boden für geschichtliche Aussagen finden wir allerdings nur in den Gräbern, in denen ganz oder teilweise die ursprüngliche Ausstattung mit Beigaben erhalten geblieben ist. - Genau genommen ist dies nur bei den drei schon genannten Frauenbestattungen der Fall, doch läßt sich bei anderen Plattengräbern immerhin noch erkennen, daß ursprünglich vorhandene Gegenstände später entnommen worden sind. Auch für den Zeitpunkt dieser Ausplünderung gibt es Anhaltspunkte, ja sogar Hinweise darauf, wer für die Grabräubereien verantwortlich zu machen ist. Sehr wahrscheinlich jedenfalls waren es Bauleute der um 1035 geweihten neuen Kirche (zur Baugeschichte vgl. Literaturangaben), die beim Fundamentieren der Außenwände auf Plattengräber stießen, die massiven Steindeckel anhoben, Waffen und Schmuck herausholten und die Deckel wieder so "fachmännisch" an ihren Platz legten, daß bei der Ausgrabung 1954 / 55 zunächst alles in Ordnung schien. Wenn sich die damals entstandenen Verluste auch kaum abschätzen lassen, wenn durch das Fehlen der ehemaligen Beigaben auch viele Datierungsanhaltspunkte verloren sind, lassen sich die zur ersten Kirche gehörenden Gräber doch einigermaßen sicher beurteilen. Gleichartige Bauweise (teilweise gemörtelt), ihre Lage zum frühen Kirchenfundament, Beigabenreste und Spuren der Plünderung zeigen eben doch deutlich, daß wir alle Plattengräber einem einheitlichen Zeithorizont, der späten Merowingerzeit, zuteilen können. Darüber hinaus lassen die Reste einer reichen Ausstattung in Grab 1 und die vollständigen Inventare von Grab 10 und 19(?) erkennen, daß wir es hier mit den Angehörigen einer adligen Familie zu tun haben, die im 7. Jahrhundert in Burgheim ansässig war. Ein Vergleich mit zeitlich entsprechenden Gräbern auf den Friedhöfen der ländlichen Bevölkerung zeigt deutlich den großen Wertunterschied der Grabausstattungen und damit den hohen Rang der Burgheimer Familie oder Sippe.

Abb. 3: - Lahr-Burgheim, St. Peter. Der aus einem Stück gefertigte Kalksteinsarkophag, in dem die ursprüngliche Grablegung des Kirchenstifters vermutet wird.
Abb. 3: Lahr-Burgheim, St. Peter. Der aus einem Stück gefertigte Kalksteinsarkophag, in dem die ursprüngliche Grablegung des Kirchenstifters vermutet wird.

Auch in der Bauweise der Gräber, für die teilweise skulpierte Sandsteinplatten aus römischer Zeit verwendet worden sind, finden wir ein wichtiges Kriterium dieses sozialen Abstandes. Desto mehr gilt dies für die Schmuckstücke aus Gold und Silber, teilweise mit Einlagen aus Edelsteinen, für die es in Gräbern der nichtadligen Bevölkerung keinerlei Entsprechungen gibt. Dort kennt man nur Ohrringe aus Bronze, Fibeln, allenfalls aus dünnem Silberblech, alles ohne aufwendige Technik in einheimischen Werkstätten hergestellt. Demgegenüber fallen die Burgheimer Schmuckstücke nicht nur durch ihre komplizierte Herstellung aus dem Rahmen, sondern erweisen sich in vielen Fällen auch als Importstücke aus ferngelegenen hochqualifizierten Schmuckateliers. Sie sind daher auf den Wegen des Handels, vielleicht sogar auf Grund individueller Bestellung, möglicherweise als Sonderanfertigungen in die Hände ihrer Eigentümer gelangt. Nicht auszuschließen, daß einzelne Stücke auch von Frauen mitgebracht wurden, die mit ihrer Familie ins alamannische Gebiet gekommen sind oder in eine alamannische Familie eingeheiratet haben.

Abb. 4: Steinsarkophag nach einer Zeichnung von K. List, 1954
Abb. 4: Steinsarkophag nach einer Zeichnung von K. List, 1954.

Auf die Frage dieser fremden Einflüsse soll abschließend noch eingegangen werden. Zunächst wollen wir den Blick auf einige dieser Goldschmiedearbeiten lenken, auf technische und kunsthandwerkliche Besonderheiten, schließlich auch auf das Erscheinungsbild dieser kostbar gekleideten und in ihrer "Festtagstracht" bestatteten Frauen.

Vom ursprünglich wohl reichsten Inventar in Grab 1 (Abb. 5) sind leider nur wenige Stücke dem Blick der Grabräuber entgangen. Darunter befindet sich aber mit einem kugelförmigen Nadelkopf aus Gold ein Fundstück, das künstlerisch wie handwerklich unser besonderes Interesse verdient. Das vielleicht bei der Beraubung abgebrochene Zierstück besteht aus zwei halbkugeligen, an der Nahtstelle verlöteten Goldblechen. Eine aufgesetzte Zellfassung, gefüllt mit roten Almandinen um ein grünes Mittelfeld aus Glas, bildet die Bekrönung (Abb. 6.1), darunter sind Filigrandrähte und kleine Granulatkügelchen aus Gold zu einem arkadenähnlichen Muster zusammengelötet. Der innere Hohlraum dieses Nadelkopfes ist mit einer ursprünglich plastischen Masse gefüllt, die nach dem Einbringen aushärtete und der leichten und druckempfindlichen Metallhülle die nötige Festigkeit gab. Gleichzeitig war in dieser Füllmasse der Nadelschaft aus Bronze fest eingekittet.

So zeigt uns dieses als Haar- oder Gewandnadel zu deutende Fundstück den hohen Stand merowingerzeitlicher Goldschmiedekunst, die vollendete Beherrschung komplizierter Techniken und auch ein fundiertes Wissen über die Zusammensetzung geeigneter Füll- und Klebstoffe. Keine Frage, daß nur ein Meister seines Fachs dieses in derart unterschiedlichen Arbeitsgängen entstandene Schmuckstück in so hervorragender Qualität herstellen konnte. Vielleicht müssen wir sogar an ein größeres Atelier denken, in dem die verschiedenen Arbeiten wie Drahtziehen und Löten, Blechtreiben, Steineschleifen oder Kittmasse herstellen und Einbringen von verschiedenen spezialisierten Mitarbeitern durchgeführt wurden. Solche Werkstätten gab es im frühen Mittelalter vor allem an Königs- oder Herzogshöfen, aber auch in größeren Städten des linksrheinischen Gebiets, wo sich teilweise handwerkliche Traditionen aus antiker Zeit erhalten konnten. Es wundert daher nicht, daß wir die nächsten Vergleichsstücke zu unserer Burgheimer Nadel im eher städtisch geprägten fränkischen Rheinland finden, ohne daß wir allerdings den Herstellungsort genauer lokalisieren könnten.

Abb. 5: Lahr-Burgheim, St. Peter. Reste einer reichen Beigabenausstattung aus dem beraubten Grab 1. Goldener Nadelkopf, Tonspinnwirtel und Beinkamm. M. 3:4, Nadelkopf 1,5:1 - oben Abb. 5: Lahr-Burgheim, St. Peter. Reste einer reichen Beigabenausstattung aus dem beraubten Grab 1. Goldener Nadelkopf, Tonspinnwirtel und Beinkamm. M. 3:4, Nadelkopf 1,5:1 - unten
Abb. 5: Lahr-Burgheim, St. Peter. Reste einer reichen Beigabenausstattung aus dem beraubten Grab 1. Goldener Nadelkopf, Tonspinnwirtel und Beinkamm. M. 3:4, Nadelkopf 1,5:1.

Von ähnlicher Qualität sind die Schmuckstücke aus dem vollständig erhaltenen Grab 10, von denen die vierpaß- bzw. kreuzförmige Fibel (Gewandschließe) herausgegriffen sei (Abb. 7). Sie besteht ebenfalls aus Goldblech und ist in ihrer Grundform über einen Model getrieben. Konturlinien und hochstehende Grate werden durch aufgelötete Perldrähte betont, die Außenkanten sind mit vorspringenden Rundeln besetzt, in denen silberne Halbkugeln mit flachen Almandineinlagen abwechseln. Im quadratischen Mittelfeld sitzt eine weitere "Silberperle" als Mittelpunkt, gefaßt von vier dreieckigen Almandinzellen.

Mit dieser Fibel, die ohne Frage in ihrer Grundform auch das christliche Kreuz enthält und zum Ausdruck bringt, besitzen wir aus Burgheim ein weiteres Beispiel hervorragender Goldschmiedekunst, wobei die Lokalisierung recht schwer fällt. Eine fränkische Herkunft ist jedenfalls unwahrscheinlich, da gute Analogien fast durchweg im alamannischen und bajuwarischen Süddeutschland gefunden worden sind. Einige Indizien sprechen sogar eher für eine alamannische, also einheimische Arbeit, wenn auch unverkennbar fremde Vorlagen mitverwertet worden sind. So sind beispielsweise die halbrunden Silberperlen nur als Imitationen echter Perlen zu verstehen, wie sie an gleichzeitigen Schmuckstücken aus dem Mittelmeergebiet (Byzanz) geläufig sind. Doch auch dieses Inventar enthält echte Importstücke: Amethystperlen und eine als Anhänger gefaßte langobardische Goldmünze (Abb. 8) stammen aus Italien, ebenso eine aus feinem Golddraht geflochtene Kette (Abb. 9). Möglicherweise sind auch einige andere Anhänger gleicher Herkunft. Aus fernen Ländern kam auch das Kleid, in dem die Frau bestattet wurde. Es zeigt goldbestickte Borten an Hals und Ärmeln (Abb. 6.3) und entsprach wohl in Schnitt, Material und Farbe den Gewändern, die wir beispielsweise von Darstellungen der byzantinischen Hofgesellschaft auf Mosaikbildern italienischer Kirchen kennen.

Abb. 6.1: Lahr-Burgheim, St. Peter. Goldener Nadelkopf aus Grab 1, zellgefaßte Edelstein- und Glaseinlagen, gerahmt von aufgelötetem Perldraht. M. 2:1. - Abb. 6.2: Lahr-Burgheim, St. Peter. Radförmiger Anhänger mit Innenkreuz aus geperltem Golddraht. Grab 10. M. 2:1. - Abb. 6.3: Lahr-Burgheim, St. Peter. Grab 10. Aus Goldlahn (dünne Blechstreifen) geformte Besatzstücke eines festlichen Gewandes. M. 2:1
Abb. 6.1.: Lahr-Burgheim, St. Peter. Goldener Nadelkopf aus Grab 1, zellgefaßte Edelstein- und Glaseinlagen, gerahmt von aufgelötetem Perldraht. M. 2:1.
Abb. 6.2.: Lahr-Burgheim, St. Peter. Radförmiger Anhänger mit Innenkreuz aus geperltem Golddraht. Grab 10. M. 2:1.
Abb. 6.3.: Lahr-Burgheim, St. Peter. Grab 10. Aus Goldlahn (dünne Blechstreifen) geformte Besatzstücke eines festlichen Gewandes. M. 2:1.

Leider fanden sich in Burgheim keine bestimmbaren Reste, so daß die Frage offen bleiben muß, dieses in "Goldbrokattechnik" verzierte Gewand aus echter Seide gefertigt war. In jedem Fall gehört die Vorstellung dieses Festkleides zum Bild, das wir uns von dieser Frau zu Lebzeiten und auf dem Totenbett machen können (Abb. 9). Eine Haarnadel trug sie nicht, dafür zwei große silberne Ohrringe mit aufgeschobenen Goldblechhülsen. Um den Hals lagen zwei Ketten, eine aus Goldperlen, Glasperen und Amethysten, die andere aus Golddraht, daran eine Münze und mehrere gelötete oder getriebene, teilweise steinbesetzte Goldanhänger befestigt.

Abb. 7: Lahr-Burgheim, St. Peter. Goldene Scheibenfibel mit Silberperlen und Edelsteineinlagen aus Grab 10.M. 1,5:1
Abb. 7: Lahr-Burgheim, St. Peter. Goldene Scheibenfibel mit Silberperlen und Edelsteineinlagen aus Grab 10.M. 1,5:1.

Auch unter diesen Anhängern findet sich einer mit dem Kreuzsymbol (Abb. 6.2). Der Gürtel war mit einer einfachen Eisenschnalle geschlossen. Sie konnte in Material und Form unauffällig bleiben, da sie wahrscheinlich durch einen Umhang verdeckt wurde und an der Tracht nicht sichtbar war.

Vom Gürtel hing ein langes "Gehänge" aus eisernen Kettengliedern und Perlen bis zu den Knöcheln herab. An solchen Ketten wurden verschiedene Utensilien des täglichen Gebrauchs wie Kamm, Schere, Messer und eine beutelartige Tasche getragen. Die Länge dieses Gehänges zeigt an, daß auch das Kleid entsprechend lang zugeschnitten war. Unter seinem Saum wurden lederne Schuhe sichtbar, bei denen man aber in diesem Fall auf Metallbeschläge verzichtet hatte. Nach besser erhaltenen Beispielen waren diese Schuhe möglicherweise mit eingeschnittenen Ornamenten verziert.

Abb. 8: Lahr-Burgheim, St. Peter. Grab 10. Langobardische Goldmünze aus Italien, als Anhänger gefaßt, geprägt zwischen 584 und 615 nach Chr. M. 2:1
Abb. 8: Lahr-Burgheim, St. Peter. Grab 10. Langobardische Goldmünze aus Italien, als Anhänger gefaßt, geprägt zwischen 584 und 615 nach Chr. M. 2:1.

Deutlich unter dem Ausstattungsniveau dieser beiden Gräber liegt das außerhalb der Kirche gefundene Grab 19, das allerdings gestört und teilweise beraubt(?) worden ist. Eine bescheidene Scheibenfibel aus Silberblech (Abb. 10) zeigt als zentrales Motiv ein gleicharmiges Kreuz. Von der Halskette sind nur wenige Perlen aus Amethyst, Bernstein und Glas erhalten. Wertvollste Beigabe waren in diesem Fall Schnallen und Riemenbeschläge der Schuhe (Abb. 11/12), was auf eine andere Tracht als bei Grab 10 schließen läßt. "Singulär und extravagant" hat Friedrich Garscha in seinem Katalog der alamannischen Grabfunde Südbadens die Verzierungen dieser beiden Schnallen und Riemenzungen genannt, die in der Tat sehr ungewöhnlich sind, sowohl in technischer Hinsicht wie auch unter ornamentgeschichtlichen Vorzeichen. Die Beschläge sind aus Bronze gegossen und tragen aufgelegte Silberblechstreifen, in die Ranken und Blütenkelche, also pflanzliche Muster, eingezeichnet und mit schwarzem Schwefelsilber (Niello) ausgefüllt sind. Zum Kontrast der goldglänzenden Bronze gegen schwarz-silberne Ornamentstreifen treten eingelassene rote Almandine als belebendes Element hinzu.

Abb. 9: Lahr-Burgheim, St. Peter, Grab 10. Zum Inventar gehört noch die Scheibenfibel Abb. 7 und die Münze Abb. 8. 1 - 2: Silberne Ohrringe mit goldenen Blechhülsen. 3: Goldener Fingerring mit Bernsteineinlage. 4 - 12: Verschieden geformte Goldanhänger. 13 - 16: Glasperlen von Halskette. 17: Silberner Armring. 18 - 20: Perlen aus Goldblech. 23: Kette aus geflochtenem Golddraht. 22: Blaue Glasperle. 21, 24, 26 - 33: Amethystperlen. 25: Saphirperle. 34 - 44: Teile des Gürtelgehänges, eiserne Stabkettenglieder, daran befestigt Glasperlen. M. 1 - 2, 17, 34 - 44 = 1:2; sonst =1:1
Abb. 9: Lahr-Burgheim, St. Peter, Grab 10. Zum Inventar gehört noch die Scheibenfibel Abb. 7 und die Münze Abb. 8.
1 - 2: Silberne Ohrringe mit goldenen Blechhülsen. 3: Goldener Fingerring mit Bernsteineinlage. 4 - 12: Verschieden geformte Goldanhänger. 13 - 16: Glasperlen von Halskette. 17: Silberner Armring. 18 - 20: Perlen aus Goldblech. 23: Kette aus geflochtenem Golddraht. 22: Blaue Glasperle. 21, 24, 26 - 33: Amethystperlen. 25: Saphirperle. 34 - 44: Teile des Gürtelgehänges, eiserne Stabkettenglieder, daran befestigt Glasperlen. M. 1 - 2, 17, 34 - 44 = 1:2; sonst =1:1.

Das Besondere an diesen Stücken, die nach allerdings weniger kostbaren Vergleichsfunden aus einer alamannischen Werkstatt Südwestdeutschlands stammen, sind die pflanzlichen Elemente, ein Rückgriff auf antike Vorlagen, wie er wenig später für die karolingische Renaissance kennzeichnend ist. Ranken und Blüten waren zuvor der germanischen Kunstübung völlig fremd, die ihre Ziermuster aus Tieren bzw. tierischen Elementen und ineinander verflochtenen Bändern komponierte. Es erscheint kennzeichnend, daß wir in adligem Milieu auch die frühesten Zeugnisse eines sich wandelnden Kunstverständnisses antreffen, bei einem Personenkreis, der eben auch in solchen Fragen tonangebend und führend, in gewissem Sinne avantgardistisch war.

Abb. 10: Lahr-Burgheim, St. Peter. Silberne Scheibenfibel mit eingepreßtem Kreuzzeichen aus Grab 19. M. 2:1
Abb. 10: Lahr-Burgheim, St. Peter. Silberne Scheibenfibel mit eingepreßtem Kreuzzeichen aus Grab 19. M. 2:1.

Verschiedene archäologische Argumente sprechen also dafür, und es läßt sich auch kaum durch andere Überlegungen in Frage stellen, daß es eine adlige Familie, ein adliger Personenkreis ist, der in der ältesten Kirche von Burgheim bestattet liegt. Unter diesen Bestattungen muß sich auch die des Stifters befunden haben, seine Gemahlin können wir mit einiger Gewißheit in Grab 1 oder Grab 10 vermuten. Allerdings dürfen wir nicht voraussetzen, daß in dieser Zeit hoher Rang sich immer und ausschließlich in reicher Totenausstattung kundtun müsse. Allein schon die Bestattung in und bei einer Steinkirche hebt jedes einzelne Grab über gewöhnliches Maß hinaus, und die Unterschiede in den Grabinventaren müssen nicht unbedingt Rangunterschiede der Lebenden widerspiegeln. In dieser Zeit, dem späten 7. Jahrhundert, sind auch beim Adel durchaus schon beigabenlose Bestattungen denkbar, wie wir es beispielsweise von fränkischen Königen wissen. Schließlich dauert es nicht mehr lange, bis christlich-kirchlicher Einfluß die Sitte der Totenbeigaben fast völlig verdrängt haben wird. Nicht zu vergessen bleibt die teilweise Beraubung, so daß aus dem recht unterschiedlichen Bild, das uns die Plattengräber vermitteln, doch nicht auf größere soziale Differenzierung innerhalb dieser Grupppe geschlossen werden darf.

Abb. 11: Lahr-Burgheim, St. Peter. Schuhgarnitur aus Grab 19, bestehend aus zwei Schnallen und zwei Riemenzungen. Bronze mit Silberblecheinlagen und kleinen Almandinen. Etwa natürliche Größe
Abb. 11: Lahr-Burgheim, St. Peter. Schuhgarnitur aus Grab 19, bestehend aus zwei Schnallen und zwei Riemenzungen. Bronze mit Silberblecheinlagen und kleinen Almandinen. Etwa natürliche Größe.

Die nächste Frage, die sich von archäologischer Seite stellt, ist die nach der Herkunft dieses Personenkreises. Immer wieder kam zur Diskussion, ob es sich hier um eine "autochthone" alamannische Familie handle oder um eine fränkische, die im königlichen Auftrag bestimmte Aufgaben der Verwaltung und der Rechtsprechung im alamannischen Gebiet übernommen hätte. Querverbindungen zum fränkischen Gebiet finden sich tatsächlich an verschiedenen Stellen. Noch einmal sei an den Steinbau der Kirche selbst erinnert, dann an den Kalksteinsarkophag und schließlich an fränkische Importstücke wie die goldene Nadel aus Grab 1. Dem stehen aber auch eindeutig süddeutsch-alamannische Arbeiten und Importe oder Einflüsse aus dem byzantinischen Italien gegenüber. Vielleicht ist ja auch in dieser Zeit die Frage, ob fränkisch oder alamannisch gar nicht mehr richtig gestellt. Denkbar ist jedenfalls, daß sich der vom König abhängige Adel des fränkischen Reiches, zu dem im 7. Jahrhundert Alamannien ja seit langem zählte, untereinander auch über die Stammesgrenzen hinweg versippt und verschwägert hat. Anders als in der frühen Merowingerzeit (6. Jh. n. Chr.) läßt sich jedenfalls mit archäologischen Mitteln eine bestimmte Stammeszugehörigkeit nicht mehr herausfinden, wahrscheinlich eben auch deshalb, weil schon eine weitgehende Vermischung stattgefunden hat und jedenfalls für den Adel mit seinen weitreichenden Verbindungen auch Kostbarkeiten "aus aller Herren Länder" erreichbar waren.

Abb. 12: Lahr-Burgheim, St. Peter. Schuhgarnitur aus Grab 19 (wie Abb. 11). M. vergrößert
Abb. 12: Lahr-Burgheim, St. Peter. Schuhgarnitur aus Grab 19 (wie Abb. 11). M. vergrößert

Abschließend ist noch die Frage anzuschneiden, wo diese Familie ihren Wohnsitz hatte und welcher Art dieser Wohnsitz war. Dieses Problem ist hier deshalb an den Schluß gestellt, weil von archäologischer Seite eigentlich gar nichts zur Lösung beigetragen werden kann, solange nicht Grabungen konkrete Anhaltspunkte und Aufschlüsse geliefert haben. Wenn also immer wieder von einem Königshof in Burgheim die Rede ist, kann dies von der Archäologie noch nicht bestätigt werden, übrigens auch nicht von der urkundlichen Überlieferung. Trotzdem spricht vieles, ja eigentlich alles dafür, hier einen Königshof zu lokalisieren, also einen für sich gelegenen Herrenhof mit verschiedenen Wohn- und Ökonomiegebäuden, der einen Stützpunkt der königlichen Verwaltung in dieser Landschaft bildete. Ein gesicherter Königshof ist in ganz Süddeutschland noch nicht ergraben worden, doch gibt es Beispiele dafür, daß Adelshof und Kirche in engem räumlichen Zusammenhang lagen, was auch für Burgheim vorausgesetzt werden darf. Hier liegen die archäologischen Aufgaben der Zukunft, nach dem sakralen Bereich und der Welt der Toten auch die der Lebenden und den Ort ihres profanen Wirkens zu erforschen.

Ausgewählte Literatur:

- A.Eckerle, Merowingische Gräber im Bereich der Kirche St. Peter in Lahr, Stadtteil Burgheim. In: Neue Ausgrabungen in Deutschland (1958) 484 - 491;
- F. Garscha, Lahr-Burgheim. In: Die Alemannen in Südbaden. Katalog der Grabfunde (1970) 183 - 201;
- K. List, Zur Baugeschichte der merowingischen
Burgheimer Kirche St. Peter in Lahr. Ein neuer Befund und übersehene Funde. Geroldsecker Land 18, 1976, 56 - 63;
- ders., Der merowingische Königshof Burgheim und sein Herrengeschlecht. Geroldsecker Land 20, 1978, 133 - 144;
- A. Tschira, Ausgrabungen in der Kirche St. Peter in Lahr, Stadtteil Burgheim. In: Neue Ausgrabungen in Deutschland (1958) 477 - 483;
- B. Würfel (Hrsg.) 1035 - 1985. 950 Jahre Burgheimer Kirche "St. Peter" (1985). Mit Beiträgen von R. Gassert (Bibliographie), D. Kauß (frühe Geschichte), K. List (Baugeschichte) u. a. In diesem Sammelband ist der hier mit kleinen Änderungen und erweitertem Bildteil abgedruckte Beitrag über die Adelsgräber erstmals erschienen.

Abb. 1 und 4 nach W. Knausenberger, K. List, Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte von Lahr und Umgebung (1954) 4 und 15.
Abb. 2 nach E Garscha, Die Alamannen in Südbaden. Katalog der Grabfunde (1970) 185,
Abb. 10. Alle anderen Bildvorlagen: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Freiburg.
Abb. 12: Lahr-Burgheim, St. Peter. Schuhgarnitur aus Grab 19 (wie Abb. 11). M. vergrößert.

zurück