Heimatliebe und Weltbürgertum - Manfred Hildenbrand - die Ortenau 1988, S. 513 ff.


Zum 90. Geburtstag des Malers Professor Otto Laible

Heimatliebe und Weltbürgertum schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich. In welcher Weise ein badischer Maler heimatverbunden und zugleich weltoffen sein kann, zeigt das umfangreiche Oeuvre des Künstlers Professor Otto Laible, dessen 90. Geburtstag seine Vaterstadt Haslach i.K. vom 8. bis 29. Mai 1988 mit einer großen Gedächtnisausstellung im ehemaligen Kapuzinerkloster in Haslach beging.

In Haslach i. K. hat am 14. Januar 1898 das Leben von Otto Laible begonnen, und hier ging es auch am 22. April 1962 in seinem Atelierhäuschen zu Ende. Zwischen diesen 64 Jahren liegt ein durch künstlerisches und pädagogisches Arbeiten erfülltes, freilich zu früh beendetes, aber im hinterlassenen Werk und in den Schülern weiterwirkendes Leben. Wohl waren Ausgangs- und Schlußpunkt dieses Künstlerlebens das reizvolle Städtchen im Kinzigtal, aber in den Jahrzehnten dazwischen formte das in seinen Bildern fruchtbar gewordene Erlebnis der großen europäischen Malerlandschaften Frankreichs, Italiens, Spaniens, Hollands und der Schweiz die geistig-künstlerische Haltung Otto Laibles, den Haslach zu seinen berühmtesten Söhnen zählen darf.

Otto Laible vor seine Ölgemälde "Am Meeresstrand Eckernförde" von 1952
Otto Laible vor seine Ölgemälde "Am Meeresstrand Eckernförde" von 1952

Otto Laible, der als Sohn des Haslacher Lehrers Eduard Laible geboren wurde, hatte schon in jungen Jahren keinen anderen Wunsch, als seiner künstlerischen Begabung zu leben. Er wollte auf keinen Fall Lehrer werden, wie es seine Familie von ihm verlangte. Man schickte ihn aufs Lehrerseminar, und als dies zu Mißlichkeiten führte, steckte man ihn in eine Graveurlehre, was von Otto Laible als Zwang und nicht als eigentliche Berufung empfunden wurde, obwohl es künstlerisches Schaffen immerhin tangierte. Bis 1915 hielt er es in dieser Lehre aus, und dann brachte der Kriegsdienst bis 1918 zwar keine glücklichen Erlebnisse - er machte die mörderischen Materialschlachten bei Verdun und an der Somme mit und wurde verwundet - aber wenigstens Aufschub der Berufsfrage, bis er ihr mit 20 Jahren sicherer entgegentreten konnte.

Die Studienjahre in Karlsruhe

Die Familie drängte ihn zwar immer noch, einen "soliden" Beruf zu ergreifen, doch der junge Laible war jetzt entschlossen, Künstler zu werden. So einigte man sich zunächst auf einen Kompromiß: Otto Laible sollte sich auf der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe als dekorativer Entwerfer und Schmuckzeichner ausbilden lassen. Dies gelang auf Anhieb so gut, daß er den ersten Preis in einer Fachklasse erhielt und dann mit einem Teil der Schule nach Pforzheim übersiedelte, wo die Praxis der Schmuckerzeugung ihm gute berufliche Chancen eröffnen konnte.

Aber gerade durch diese Erfolge in seinem Selbstbewußtsein gestärkt und überzeugt, daß er Besseres und Wesentlicheres leisten könnte und müßte, faßte er endgültig den Entschluß, nicht angewandter, sondern freier Künstler zu werden. 1921 begann er sein Studium an der Landeskunstschule in Karlsruhe, an der seit Mitte des 19. Jahrhunderts, seit Johann Wilhelm Schirmer 1834 Direktor geworden war, sich eine nahezu ununterbrochene Tradition hervorragender Malerei entwickelt hatte. Für das Schulgeld und den Unterhalt mußte Laible allerdings weitgehend selbst aufkommen. Er verdiente sich das Nötigste durch grafische Aufträge und Bemalen von Vasen der Karlsruher Majolika-Manufaktur.

Seine Lehrer an der Landeskunstschule waren zunächst Georg Scholz, ein profilierter Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Malerei und Zeichnung, sowie Walter Conz, ein hervorragender Lehrer für die grafischen Techniken, vor allem die Radierung. Schließlich war Laible zehn Jahre lang Meisterschüler bei Ernst Württemberger, jenem begnadeten Lehrer, der eine ganze Malergeneration an der Karlsruher Landeskunstschule prägte. Die extreme Gespaltenheit der zwanziger Jahre spiegelt sich in Laibles Akademielehrern wider. Ernst Württemberger war der Erbe von Hans Thoma und damit Sachverwalter der Maltradition bis ins 19. Jahrhundert zurück. Georg Scholz sprach mit seinem bösen sozialkritischen Realismus die Ziele der Revolution, von George Grosz und der Dada-Bewegung aus. Beide Professoren bestimmten gleichermaßen Laibles Werdegang in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren, wobei Württembergers Lehre sich vor allem handwerklich und im genauen Studium der alten Meister, vornehmlich der Franzosen des 19. Jahrhunderts, auswirkte, während Scholz dem jungen Maler den Blick auf die soziale Realität, auf die Großstadt und ihre Menschen schärfte. Otto Laible hat zeitlebens diese elementaren Grundlagen in seinem Werk verarbeitet.

Das Frühwerk und die Pariser Studienaufenthalte

Das Frühwerk Otto Laibles ist gekennzeichnet durch die Umwelt seiner Schwarzwälder Heimat. Da gab es meisterhafte Skizzen, mit dem Bleistift schnell hingeworfen, die Haslacher Charakterköpfe und Originale aus Laibles Jugend darstellen. In der Meisterschaft, den Zeichenstift zu gebrauchen, hatte Laible viel Verwandtes mit seinem Landsmann, dem "närrischen" Maler Carl Sandhaas, dem anderen großen Haslacher Künstler. Mehrere Ölbilder des jungen Laible zeigen die landschaftliche Eigenart seiner engeren Heimat, ihre Menschen, Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche - alles in meisterhafter Form festgehalten. Die allmonatlichen Viehmärkte in Haslach, alte Höfe im Kinzigtal, Frauen und Mädchen in Tracht, Bauernfamilien, Seiltänzerszenen, malerische Winkel in Haslach sind Motive, die er aufgegriffen hat. Klarheit und Zartheit sowie eine nie in expressionistische Leidenschaft verfallende gegenständliche Thematik sind die Kennzeichen des jugendlichen Malers. Laible gehörte nie zu den radikalen Experimentatoren der abstrakten Malerei, vielmehr blieben seine Arbeiten stets durch formale Ausgewogenheit und malerische Feinfühligkeit gekennzeichnet.

Chlochards in Paris. 1926, Rohrfeder
Chlochards in Paris. 1926, Rohrfeder

Von Haslach führte der Weg Otto Laibles in die Welt. Auf Anraten von Professor Ernst Württemberger ging Laible zum Studium nach Paris. Er erlebte die französische Hauptstadt als künstlerische Offenbarung und besuchte Paris von 1924 bis 1932 regelmäßig in den Sommermonaten zu Studien an den verschiedenen privaten Akademien. Die französischen Studienjahre waren ausgefüllt mit intensivem Studium der großen französischen Maler. Von ihnen gibt es ausgezeichnete Kopien, die Laible fertigte.

Montmatre Paris. 1932, Öl
Montmatre Paris. 1932, Öl

Das Wirken der Linie und die lineare Bildkonstruktion hatte sich Laible vorzüglich bei Ernst Württemberger in Karlsruhe angeeignet. Zuchtvoll und streng hatte er die Linie gehandhabt. In Paris wurde seine Hand gelöst. Seine Linien wurden leicht und melodiös, und bald beherrschte er virtuos die Tonskala, ließ sie an- und abschwellen im Puls seiner sensiblen Hand. In Paris lernte Laible auch erst richtig die Farben sehen, ihren Schmelz, feine und feinste Nuancierungen, ihre Klänge, ihre Augenmusik der malerischen Kontraste. Otto Laible entwickelte und pflegte in jener Zeit seine kultivierte Malerei und malte Bilder, in denen Paris lebt: der Himmel, die Seine, die Häuser, die Straßen, die Menschen. Es gibt nicht wenige Verehrer der Malerei Otto Laibles, die gerade diese Bilder aus Paris besonders schätzen. Und in der Tat, sie sind an Malkultur, an Feinheit der "peinture" kaum zu übertreffen. Bessere Straßenbilder hat auch Utrillo nicht gemalt, luftigere Flußbilder nicht Pissaro, köstlichere Cafèhausszenen nicht Toulouse-Lautrec. Als Zeichner fixierte Laible jetzt souverän die Spontaneität des künstlerischen Augenblicks, wobei er konzentriert alles Überflüssige wegließ und dadurch der schnell das Lineare erfassenden Zeichnung, zugleich in der Stufung der Graus bis zur Sattheit des vollen Schwarzstrichs, das Atmosphärische der Situation, sensible Valeurs hinzugewann.

In seinen nun folgenden Reisen nach Holland fand Otto Laible die Iyrische Auflösung des Hell-Dunkel, dieses eminent malerische Licht, das meerdunstmild die Farben der Dinge mattiert, ihnen die feinsten Hell-Dunkel-Abstufungen schenkt. Es entstanden Häuserbilder, in denen ein paar braunen Klinkerwänden die erstaunlichsten Farbmodulationen abgeschmeichelt wurden, es entstanden Straßenbilder, in denen das geschäftige Leben der Händler kreist, Brücken und Takelagenbilder, in denen schon die Weite des Meeres schwingt.

Damen in einem Pariser Café. 1932, Bleistift
Damen in einem Pariser Café. 1932, Bleistift

Seit 1929 war Otto Laible als freischaffender Künstler endgültig in Karlsruhe ansässig. 1932 widerfuhr ihm eine doppelte Ehrung: Er erhielt den Badischen Staatspreis und den Kunstpreis der Stadt Karlsruhe.

Die schwierigen Jahre der NS-Zeit

Im Jahre 1933 schlug man Otto Laible für den Rompreis und für eine Professur an der Staatlichen Kunstakademie in Karlsruhe vor. Doch in diesem Jahr der Machtübernahme durch das Dritte Reich änderte sich die deutsche Kulturpolitik entscheidend. Das künstlerische Schaffen sollte von nun an in den Dienst der Nation eingegliedert werden und sich nicht mehr frei entfalten dürfen. Die Kunst sollte durch Darstellung schöner blonder Menschen die Rassenpolitik des Nationalsozialismus unterstützen und durch Darstellung heroischen Verhaltens Leitbilder für das verführte Volk schaffen.

Türme der Stadt Karlsruhe. 1932, Öl
Türme der Stadt Karlsruhe. 1932, Öl

Bauernhochzeit in Hofstetten. 1932, Öl
Bauernhochzeit in Hofstetten. 1932, Öl

Viehmarkt in Haslach. 1931, Öl
Viehmarkt in Haslach. 1931, Öl

Laible schloß sich dieser Aufforderung zu falschem Pathos nicht an und zog deshalb in Karlsruhe, wo die Nazi-Kulturpolitik bald fanatisch verfochten wurde, scharfe Kritik auf sich. Gerade das, was ihn künstlerisch so weit vorangebracht hatte, machte ihn jetzt verdächtig: seine Liebe zu Paris, zur französischen Malerei, zu ihrer frohen Botschaft aus Licht und Farbe. Wer so malte, wurde damals der geistigen Konspiration mit dem französischen Erbfeind bezichtigt, zumal, wenn er noch Briefe mit jüdischen Freunden in Frankreich wechselte. Die Nazi-Machthaber bezeichneten Otto Laible als "Französling" und versagten ihm jede öffentliche Chance.

Es begannen schwere Jahre für den Künstler. Neben dem Atelier in Karlsruhe richtete er sich in seiner Heimatstadt Haslach auf dem "Rotkreuz" ein kleines Atelierhäuschen ein und lebte von Gelegenheitsarbeiten, die ihm zufielen. Freunde vermittelten Grafikaufträge, Bauern im Kinzigtal kauften seine Blumenbilder, bestellten ihre Porträts. Auch zahlreiche Haslacher Bürger kauften damals seine Bilder. Viel kam nicht dabei heraus. Wann immer seine kargen Mittel es ihm erlaubten, unternahm Laible Reisen, um sein Blickfeld zu erweitern und Eindrücke zu sammeln. 1933 fuhr er nach Holland, 1935 nach Florenz, Rom und noch einmal nach Paris.

Den Zweiten Weltkrieg hat Otto Laible als einfacher Soldat vom ersten bis zum letzten Tag miterlebt. Als Soldat nutzte er jede Gelegenheit, Maler zu sein. Was er jedoch damals nicht malte, sind die Sujets der Kriegsmaschinerie und ihre Zerstörungen: rollende Panzer, angreifende Flugzeuge, zerschossene Häuser, Züge von Gefangenen. 

Russischer Bauernjunge. 1943, Bleistift
Russischer Bauernjunge. 1943, Bleistift

Betrachtet man seine Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg, hauptsächlich Zeichnungen und Aquarelle, dann gewinnt man den Eindruck, daß er mit seiner Kunst dem Krieg eher aus dem Weg gehen wollte und das Menschliche suchte, wo es noch übriggeblieben war. Beeindruckend sind besonders Laibles Zeichnungen, die er im Rußlandfeldzug fertigte: Verängstigte russische Bäuerinnen und Mädchen, schlaksige junge Bauernjungen, der durch den russischen Steppenwinter ziehende Schlitten, das dörfliche Treiben auf schlammigen Wegen, das Markttreiben in Smolensk, eine russische Bauernstube mit unverwechselbaren Typen aus der russischen Landbevölkerung.

Das Spätwerk der Nachkriegszeit

Nach kurzer englischer Gefangenschaft kehrte Otto Laible Ende 1945 nach Karlsruhe zurück. Sein Atelier in der Gartenstraße in Karlsruhe war den Bomben zum Opfer gefallen. Ein Großteil seines Frühwerkes war zerstört. Sofort begann er wieder zu malen, zu zeichnen, zu aquarellieren. In den folgenden Jahren holte man nach, was 1933 nicht geschehen konnte. Im März 1949 wurde Otto Laible Professor an der traditionsreichen Staatlichen Kunstakademie in Karlsruhe und lehrte dort gemeinsam mit Walter Becker, Erich Heckel, Karl Hubbuch, Georg Meistermann und Wilhelm Schnarrenberger. Zahlreiche Reisen an die Ostsee, nach Sylt, nach Spanien spiegeln sich in seinen Bildern wider, die in den fünfziger Jahren entstanden. Er reiste wieder nach Frankreich und besuchte dort vor allem Paris. Die Stadt und ihre Kunst hatten durch den Krieg ihre Anziehungskraft nicht eingebüßt.

Spanisches Fest. 1954, Öl
Spanisches Fest. 1954, Öl

Das damals entstandene Spätwerk Laibles ist stark beeinflußt durch die französischen Maler Henry Matisse und Georges Braque, deren wohlgestimmte Farbigkeit und dekorative Liniensprache, aber auch deren einfache Abstraktion Laible begeisterte. Die Landschaft, die menschliche Gestalt und das Stilleben wurden in seinem Spätwerk zu Hauptmotiven seiner Malerei. Dabei kam die Beschäftigung mit den Gesetzlichkeiten des Ornaments, das in seiner natürlichen Flächigkeit das Gesamtschaffen Laibles bestimmte. Körper und Raum wurden nicht mehr in erster Linie als plastische Dimension gesehen, sondern als Angebot zu rhythmisch-dekorativer Flächenspannung. In seinem Spätwerk gelang Laible eine neue Bildform: Freie ornamentale Kompositionen, großzügige Malereien in Aquarell und Öl. Spontaner Ausdruck, sicheres handwerkliches Können und lateinische Klarheit der Formulierungen vereinigen sich zu Bildern von großartiger existenter Sicherheit. Ein paar Häuser erwachen aus ihrem staubigen Schlaf. Muscheln am Strand von Eckernförde werden zu neuem Dasein erweckt. Ein Büschel Unkraut wird zur Arabeske. Ein Tisch mit einer gemusterten Decke, Krug, Schale, ein paar Flaschen, Früchte - die Dinge sind fern von Sinnlichkeit und doch sinnenhaft, schön. Das Geheimnis dieser Schönheit ist eine rhythmische Verwandlung, vor allem aber eine farbliche Verwandlung; Laible bevorzugte jetzt Farben von gedeckten Tönen, die sich meist aus dem Farbklang Rot-Beige und Blau-Grün aufbauen. Wir entdecken jetzt in seinen Bildern schwebende Eisblaus, tiefe Goldocker, erdige Rots, luftige Grüns, spritzige Gelbs, sanfte Violetts, vorwitzige Oranges, köstliche silbrige Rosas und Olivgraus, ernste Ultramarins.

Stilleben. 1950, Aquarell
Stilleben. 1950, Aquarell

"Alles, was in Otto Laible angelegt war, seine Musikalität, seine Lebensfreude, sein Erzähltalent, alles, was er erstrebt und erlernt hat, seine zeichnerische Virtuosität, sein hochsensibles Farbgefühl, der Hang zu rhythmisch-dekorativen Zusammenschlüssen, die intellektuelle Kühle, mit der er die bildnerischen Medien bedachte, und die emotionale Wärme, die er den Erscheinungen der Welt entgegenbrachte, all das wird sichtbar in seinen späten Werken." (Gerhard Grimm, Der Maler Otto Laible, München 1970, S. 31/32). Dies wird auch überzeugend belegt mit den großen Wandmalereien, die Laible 1953 an den Außenfassaden des Haslacher Rathauses anbrachte. Mit diesem großen Auftrag seiner Vaterstadt bewies er, wie meisterhaft er nicht nur die Geschichte Haslachs und das Brauchtum des Kinzigtals darzustellen wußte, sondern auch, wie sicher er seine Bildglieder in die vorhandene Architektur einbaute und so eine hervorragende Gesamtkonzeption schuf. Mitten im reichen Schaffen wurde Otto Laible von schwerer Krankheit heimgesucht. Seine Bilder gewannen an Verinnerlichung, zeichneten sich aus durch die Gelassenheit und Weisheit des Alters, durch die Noblesse des Mannes von Welt, durch seine Kultur, dem Leben Stil zu geben, durch einen unnachahmlichen Charme, jener Verzauberung, die sein Spätwerk charakterisiert. Noblesse, Kultur und Charme - sie mündeten 1962 in einen allzu frühen Tod.

Wegschleife über Haslach (Urenkopf). 1951, Öl
Wegschleife über Haslach (Urenkopf). 1951, Öl

Was den Besucher von Otto Laibles Bildern besonders beeindruckt, sind die malerische Kultur, die strenge Konsequenz der Darstellung, der ausgeprägte Sinn für Ordnung und Klarheit, die Sicherheit in der Verwendung der klassischen Mittel der Malerei und Bildarchitektur, die trotz einer fesselnden künstlerischen Spannung nie zu unkontrollierten Entladungen führte, sodann die lichte Farblichkeit seiner Bilder, die trotz der französischen Leichtigkeit und Delikatesse des Kolorits von einer Gründlichkeit in der Durcharbeitung der Komposition geprägt wird. Otto Laible war ein unermüdlich schaffender, schöpferischer Künstler, der auch in seinem privaten Bereich die Ruhe, Stille und Harmonie, das klassische Maßhalten, das seine Bilder auszeichnet, geschätzt hat. Um ihn hat es nie Wirbel gegeben, er war ein stiller Mann, ein Mann der Intensität, der bis zuletzt dem handwerklichen Geiste treu blieb, in dern er aufwuchs und in dem er seine Bilder schuf. "J’aime la rege qui corrige l’Emotion." Dieses Wort von Georges Braque, das Laible selbst gern zitierte, umreißt und charakterisiert wohl am besten sein Leben und Werk. Für Laible war Malerei in erster Linie Sache der Empfindung, aber auch des analytischen Verstandes. Man findet bei Laible kein Bild, in der er sein Temperament nicht unter Kontrolle zu halten wußte. Für ihn war Malerei die vornehme geistige Konzeption eines Künstlers, der sich der großen Tradition der europäischen Malerei verantwortlich wußte.

Die ständige Otto-Laible-Ausstellung im "Freihof" in Haslach

Am 26. Juni 1985 wurde vom baden-württembergischen Wissenschaftsminister Professor Dr. Helmut Engler im Hansjakobhaus "Freihof" die ständige Otto-Laible-Ausstellung eröffnet. Der "Freihof" beherbergt seitdem nicht nur das Werk Heinrich Hansjakobs und die Bilder der Maler Carl Sandhaas (1801 - 1859) und Louis Blum (1822 - 1854), sondern auch einen wesentlichen Teil des Oeuvres von Otto Laible. Die Witwe des Künstlers, Frau Johanna Laible, hat als großzügige Geste für diese Ausstellung zahlreiche Bilder aus dem malerischen Nachlaß ihres Mannes der Stadt Haslach vermacht.

In der ständigen Otto-Laible-Ausstellung sind neben verschiedenen Erinnerungsstücken an den Menschen Otto Laible eine umfangreiche Sammlung von Ölbildern, Aquarellen und Zeichnungen des Künstlers zu sehen, insgesamt fast zweihundert Bilder. Die Haslacher Ausstellung ist motivlich von seltener Konzentration, enthält sie doch vornehmlich Laibles Kinzigtäler Bilder. Die Darstellungen aus dem Kinzigtal und aus der bäuerlichen Welt rings um Haslach sind ein Dokument der Verbundenheit mit der heimatlichen Region und ihrer Kultur. Für den weltoffenen Maler Otto Laible, dessen künstlerische Heimat Paris und die große französische Maltradition wurde, blieb die Vaterstadt Haslach zeitlebens eine Art Fluchtburg. In seinem Atelierhäuschen am Waldrand über Haslach zog sich der Künstler oft zurück, um in Ruhe und Konzentration zu arbeiten.

Selbstporträt. 1930, Öl
Selbstporträt. 1930, Öl

So sehen wir in dieser Ausstellung, daß für den Maler der Pariser Straßencafes, der Amsterdamer Hafenbilder, der Ostseestrände und der spanischen Terrassen auch die Motivwelt in und um Haslach stets interessant blieb: die Altstadt Haslachs, die Gehöfte in den Tallagen des mittleren Schwarzwaldes, die Bauern in den niedrigen Stuben, an der Hochzeitstafel im Dorfwirtshaus, beim sonntäglichen Kirchgang, die Frauen und Mädchen in Tracht, die Viehhändler auf dem Haslacher Schweinemarkt. Otto Laible hat sie treffend erfaßt in großartigen Porträt- und Figurenzeichnungen, in subtil aus Valeurs entwickelten Ölbildern, in spritzig und gleichzeitig bedacht entworfenen Aquarellen. Es sind Bilder von bewußter Zurückhaltung der Farbgebung, aber eindringlicher Typisierung, Bilder, heute bereits von geschichtlichem Gewicht in unserer so veränderten Welt. Die im "Freihof" in Haslach ausgestellten Bilder zeigen überzeugend, daß Heimatliebe und Weltbürgertum bei Otto Laible eng zusammengehörten.

Die Aufnahmen wurden vom Verfasser zur Verfügung gestellt.

Literaturauswahl

Gerhard Grimm, Otto Laible - der Mann und sein Werk. Ekkhart-Jahrbuch 1964, S. 125 - 133.
Gerhard Grimm, Der Maler Otto Laible. München 1970.
Hans H. Hofstätter, Otto Laibles Zeichnungen. Karlsruhe 1978.
Leo Mühlfahrt, Otto Laible, Leben und Werk. Schriftreihe der Museumsgesellschaft Ettlingen e.V., Bd. 13. Ettlingen 1978.
Ingrid Popp, Der Maler Otto Laible (1898 - 1962). Dissertation Karlsruhe. Freiburg 1986.
Ludwig Vögely, Dem Maler Otto Laible. Badische Heimat 4 / 1987, S. 569 - 580.

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