Die Trachten des Kinziggaues

Die Trachten des Kinziggaues - von Curt Liebich, Gutach - Badische Heimat 1935 S. 491 ff.

Betrachten wir die deutschen Gaue, in denen Tracht noch in Geschlossenheit oder größerem Umfang zuletzt getragen wurde, so ist es außer einigen Gegenden des äußersten Nordwestens, einigen Hessens und Frankens der Süden und in ihm wiederum die Gegenden an den Sprachgrenzen, wo die bodenständige Bevölkerung ein Vollwerk des Deutschtums war und blieb, das Elsass, besonders das Unterelsass, das nicht wie das Oberelsass von der Industriebevölkerung besiedelt war, ist es das deutsche Südtirol, beide nun dein deutschen Mutterlande entrissen. Hier stand die Tracht fest von Dorf zu Dorf, von einem Tal zum andern, jede in ihrer Eigenart. Geschlossen in ihrer Tracht stehen ferner die Bewohner der Lausitz, des Spreewaldes, dem Stamme nach Wenden, stehen die Bewohner Oberbayerns und des badischen Oberlandes, besonders des Schwarzwaldes, wenn auch da mancher Keil hineingeschoben, manche Ortschaft, manches Tal wankend oder der Tracht abtrünnig wurde. Am geschlossensten begegnen wir den Trachten im mittleren Baden, in: Renchtal, im Kinzig- und Gutachtal, wo sie auch die meiste Abwechslung aufweisen, bis hinauf auf die Hochebene der Baar.

Das Gebiet des Gutach-Kinzig-Gaues näher zu behandeln, soll unsere Aufgabe sein. Am seine Eigenart gegenüber anderen deutschen Gegenden ganz in uns aufnehmen zu können, wollen wir von weit her im Norden kommen und bei Offenburg den Schwarzwald betreten, ins Kinzigtal hineinwandern. Eine Welt mit ganz besonderen Netzen steigt vor ihm auf, eine abgeschlossene Welt voll Schönheit und Eigenart der Natur und des Volkes, das in diesem Waldgebirge lebt, seine Höfe baut in sonnigen, reichgesegneten Tälern mit fast südlichem Pflanzenwuchs, inmitten blumiger Wiesen, eingebettet in Obstgärten, oder wie ein Schwalbennest klebend an felsigem Hange, gleichsam herauswachsend aus dem Boden, im hohen, ernsten Tannenforst, hinaufkriechend auf weite Hochflächen, um dann dort, wo überhaupt noch menschliches Dasein möglich ist, allen Hochgebirgsstürmen und Wettern des Sommers und Winters trotzend, mühsam dem Boden das abzuringen, was es zum täglichen Leben braucht. Zerstreut über das ganze Gebirge, wie willkürlich hingeworfenes Spielzeug, liegen die tiefbedachten Schindel- und Strohdächer, die sammetbraunen Höfe und Hütten, einsam für den, welcher gewohnt ist, neben sich, über und unter, vor und hinter sich das flutende Leben der Menschheit zu spüren.

Diese Abgeschiedenheit, immer wieder bis zum nächsten Nachbar sich dehnend, musste diesem Volke ein besonderes Gepräge geben, das auch da im Wesen sich nur wenig änderte, wo es, durch die Umstände gezwungen, zu größeren Siedlungen sich zusammenschloss.

Wie nun die Verhältnisse des Gebirges auf den ganzen Charakter des Volkes einwirkten, so prägte sich dieser wiederum in der Kleidung aus, in der Tracht. Die Möglichkeiten eigener Erzeugung und Herstellung der Kleidung, das Anpassen an Klima und Tätigkeit waren, wie überall auf dem Lande, die Grundlagen zur Ausgestaltung bestimmter Formen, wozu Zeitepoche, Konfession, Stammes- oder auch Landeszugehörigkeit das ihrige beitrugen, aus der Kleidung das zu machen, was wir heute als das Getragene, die Tracht, vor uns sehen.

Der Hang der Menschheit, alles gleichzumachen, im deutschen Vaterland besonders seit den 70er Jahren, hat vernichtend und zersetzend auf die Volkstrachten gewirkt und sie in den meisten Gegenden bereits als der Vergangenheit anheimfallend zu Grabe getragen. Was aber dieser Teil des Schwarzwaldes noch in sich trägt und birgt, ist mehr noch an Erhaltenem, als manche große preußische Provinz im ganzen und weite deutsche Länderstreifen für sich beanspruchen können.

Ungefähr die Hälfte des Schwarzwaldes durchschneidend, doch mehr von Nordwest nach Südost sich erstreckend, öffnet sich bei Offenburg das weite liebliche Kinzigtal, in welches die weiter abliegenden Gebirgsstöcke in sanften, aber doch wieder sehr ausgeprägten Linien von hüben wie drüben ihre letzten Hänge zu Tal schicken, an denen feuriger Wein wächst, die Edelkastanie in einzelnen mächtigen Stämmen oder in geschlossenen Waldungen gedeiht, Feigenbäume in geschützten Lagen reifen, seltene südliche Koniferen aus den Gärten uns den Gruß des sonnigen Südens zuwinken, ein seltener Obstsegen schon zu einer Zeit die Städte des Nordens versorgt, wenn dort noch niemand an dessen Ernte denken kann. Weite Wiesen in glänzenden: Frischgrün, üppige Felder, durchzogen von schattenden alten Obst- und Nussbäumen, alte Städtchen mit reicher Geschichte, wohlhabende Dörfer und überall zerstreut hervorlugend aus den Nadel- und Laubwaldlichtungen bis zu den höchsten Höhen die Bauernhöfe in ihrer charaktervollen Form, - das ist das kleine Stück Welt von etwa 60 bis 70 Kilometer Länge, dessen Bewohner wir uns näher anschauen wollen, weil sie uns schon interessieren, wenn wir auf dem Bahnsteig in Offenburg vor dem Zuge der Schwarzwaldbahn stehen, die zuerst unser Tal, das Kinzigtal, durchsaust, ehe sie ins weitere Gebirge tritt und dieses überklettert. Wenn wir die uns so bunt und fremdartig anmutenden Leute betrachten, die heiter schwatzend einsteigen oder aus den Wagenfenstern schauen, zwischen all den andern modernen Menschen Platz nehmen, die aussehen wie anderswo auch, heben sich unsere Kinzigtäler vorteilhaft ab, eine Bäuerin in solcher, die zweite in anderer Tracht, der Bauer aus dem oberen Kinzigtal mutet gar wie eine Andreas Hofer-Figur an. Wir steigen mit ihnen ein, wir wollen uns mit ihnen anfreunden. Es ist anscheinend leicht und doch nicht. Der eigenartige Charakter des Schwarzwälders tritt uns hier gleich im Kinzigtäler entgegen. Die "Wälder" (Schwarzwälder, die eigentlichen Bewohner des Gebirges) behaupten zwar, die "Täler seye keini Lütt", seien keine Leute, aber das trifft hier so wenig zu, wie die "Täler" es verantworten können zu sagen, dass die "Wälder kein Lütt seye". Wir wollen uns die "Täler" mit ihren ziemlich eigensinnigen Köpfen und die Tälerinnen mit ihren schalkhaften Augen, hinter die man nie blicken kann, genauer betrachten.

Der Bewohner des Kinzigtales ist Alemanne, in der Mundart derjenigen der Rheinebene sich anschließend, allmählich aber, bei Zusammenfluss von Kinzig und Gutach, die Kinzig hinauf im Schwäbischen sich verlierend, dem Gutachtal folgend nimmt er immer mehr die klaren, ausgeprägten Klangfarben und -formen des ostalemannisch-schweizerischen Dialekts, wie er im hohen Schwarzwald gesprochen wird, an.

Politische Zugehörigkeit, aus der Zeit von Deutschlands buntester Landkarte, hat fast gar keinen Einstich auf die Tracht ausgeübt, mehr die konfessionelle. Der Katholik liebt im allgemeinen bunte Farben, in Grund-, Mittel- und grellen Tönen, der Protestant mehr die Grundfarben. Das ist das erste, was uns als besonderes Merkmal entgegentritt. Die eigenartige geologische Form des Kinzigtales mit den vielen, oft sehr langen Nebentälern trug wiederum dazu bei, besondere Formen der Trachten hervorzubringen. Wohl nirgends in deutschen Gauen, ausgenommen im Unterelsass, wo ähnliche Entwicklungsgrundlagen waren, sind auf solch kleinem Raum so vielerlei verschiedene Trachten beisammen wie im Kinzigtal mit seinen Zuflusstälern, im ganzen Kinziggau.

Wir müssten von Rechts wegen auch das kurze Stück, welches die Kinzig vor dem Austritt aus dem Talgrund, wo sie schüchtern und vorsichtig als echtes Schwarzwaldkind die Ebene betritt und sich nicht mehr heimisch fühlt, wo sie nicht mehr über Wiesen und Steine und Felsen hüpfen und springen kann in wilder Jugendfrische und -freude, wo sie anfängt sich zu "genieren" und allmählich schon recht zaghaft die immer weiter zurücktretenden Berge betrachtet, wir müssten auch das kurze Stück Weges vom Austritt aus dem Tal bis zum Einfluss in den Rhein mit hinzurechnen, wo die Kinzig das Hanauerland durchzieht, da es in der Entwicklung der Trachten uns manchen Aufschluss gibt.

Rechnen nur aber die Kinzigtäler Trachten nur von der ersten Gemeinde am äußersten Flügel des Gebirges an, so kommen folgende Trachten in Frage:

1. die des unteren Kinzigtales, welche im Zell-Harmersbacher Tal am meisten zum Ausdruck kommt;

2. die unter dem Namen "Mühlenbacher Tracht" um Haslach sich gruppierende, in den Gemeinden Mühlenbach, Hofstetten und gegen den Hünersedel zu, in Steinach, Welschensteinach, Schnellingen, Bollenbach und neuerdings auch Fischbach getragene;

3. die Einbacher Tracht in Einbach und Fischerbach um Hausach herum, wo wir die Teilung vom oberen Kinzig- und dem Gutachtal vornehmen müssen;

4. die um Wolfach am stärksten sich häufende Wolftäler Tracht, die überall getragen wird in Oberwolfach, Schapbach, Rippoldsau, Kniebis, den Tälern der Gemeinde Kinzigtal, in St. Roman, Schenkenzell, Bergzell;

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Gutach (Kirnbach-Reichenbacher) Tracht. 1. u. 1a. Mädchen im Schäpel als Braut (Hochziteri) oder Brautjungfer (Gespiel), 2. Gutacher Bauer. 3. Kirnbacher Bauer mit Hochzeitstrauß am Hut. 4. Gutacher im Tschobe 5. Gutacher Mädchen im roten Hut. 6. Gutacher Frau. 7. u. 8. Mädchen und Frau mit der Kappe.

5. die Lehengerichter, die in Abformen um Alpirsbach herum und auf der württembergischen Hochebene von Schramberg herüber gegen Freudenstadt sich verliert.

Wir müssen nun wieder dem Laufe der Kinzig bis Hausach folgen und ihrer Schwester, der Gutach entgegenwandern im wohl schönsten aller Schwarzwaldtäler, in dem Lieblichkeit des Kinzigtales und Hoheit des eigentlichen Schwarzwaldes in wundervollsten Berglinien, Höhen- und Breitenverhältnissen sich wohltuend vereinigen. Hier ist als

6. die charakteristischste unserer Trachten zu finden, die auch in dem gegen Wolfach ausmündenden, dem Gutachtal parallel gehenden Kirnbachtal und dem bei Hornberg auslaufenden Reichenbachtal mit seinen Nebentälern getragen wird, mit geringen Unterschieden, besonders in der Männerkleidung.

Die Lehengerichter, Gutacher, Kirnbacher, Reichenbacher Tracht ist protestantisch, da diese Gebiete früher zu dem der Reformation angeschlossenen Württemberg gehörten, während die bereits erwähnten, außer dem protestantischen Hanauerland, reichsunmittelbar, fürstenbergisch, österreichisch waren oder unter dem Krummstab standen. Zu Vorderösterreich gehörte auch die

7., hier zu besprechende Tracht, die getragen wird in den Hochtälern und der Hochebene von Lauterbach bei Schramberg, die wieder Verwandtschaft zeigt mit den Trachten die Gutach aufwärts über Triberg bis an die Quellbäche und Zuflüsse der Gutach. Sind hier, wie z. B. in Schonach und Schönwald, den ehemals vorderösterreichisch katholischen Orten, nur noch Reste vorhanden, so wird über den Quellen des Nussbachs, eines Zuflusses der Gutach unterhalb Triberg, auf den Hochlagen, die sich dort ausdehnen bis gegen Villingen einerseits, bis Tennenbronn und wieder anschließend über die Bergebene an Reichenbach, Lauterbach andererseits in den protestantischen Gemeinden an der Wasserscheide Rhein-Donau, an der Quelle der letzteren, der Brigach, Sommerau, St. Georgen, Langenschiltach, Evangelisch-Tennenbronn, Stockburg, Peterzell-Königsfeld, Weiler, Mönchweiler meist noch Tracht getragen, die schon den Höhencharakter aufweist. Wir nehmen sie noch, soweit sie in das Quellgebiet der Gutach sich hineindehnt, zu den Trachten des Gutach-Kinzig-Gaues, und wegen der regen Verbindung der Bewohner dieses Gaues über die Sättel- und Passübergänge ins Elztal über Triberg-Schonach, Hornberg-Gutach-Büchereck, Haslach-Mühlenbach, die Trachten des obersten Elztales, des Prechtales und nördlich der Kinzig über Wildschapbach oder Oberwolfach oder über das Harmersbacher Tal hinüber ins Renchtal, dessen Bewohner wie dessen Trachten herüber und hinüber verwandtschaftliche Beziehungen unterhalten. Dann kehren wir über die rebengesegneten Hänge des Schwarzwaldes zwischen Renchtal und Offenburg wieder ins Kinzigtal zurück und haben ein landschaftlich hervorragendes, vielgestaltiges und an Volkstum überreiches Gebiet durchquert.

Als in der Erscheinung ältester Tracht wollen wir mit der Gutacher beginnen. Haben die Trachten des unteren Kinzigtales meist den Leitstempel der Biedermeierzeit, der 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts in sich aufgenommen, die Schapbacher- usw. Tracht, besonders die der Männer, die Lebensfreudigkeit des 18. Jahrhunderts, wie auch die Lehengerichter, so haben wir in der Gutacher trotz Einflusses verschiedener Zeitepochen Urformen, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgreifen.

Wir können von dieser Tracht ausgehend die Entwicklung und den Aufbau der anderen verfolgen. Das jedem Fremden Auffallendste ist der Hut der Mädchen und Frauen mit seinen roten bzw. schwarzen "Bollen", Wollrosen. Die Form ist eng geflochtenes und eng übereinandergelegtes Stroh mit weißem Gipsüberzug. Der Kopf flach. Die Wollrosen liegen gehäuft wie auf einem umgekehrten Teller auf dem Hut, und doch in bestimmter Anordnung. Gehen wir beim Aufputzen des Hutes der Sache auf den Grund, verfolgen wir an Hand von Gutacher Hüten aus früheren Epochen, beim Anschauen anderer Hüte aus dem Schwarzwald, der Schweiz, dem Elsass die Anordnung dieser Wollrosen, so erkennen wir als Urform das christliche Kreuz mit den drei Kreuzstützen.

liebich 02Weiblicher Formensinn und Hang zum Ausschmuck versah die Enden und Ecken der meist aus Stroh geflochtenen Kreuzbalken und -stützen mit Wollröschen oder bunten Bändern. (Basler Museum, Zürcher Nationalmuseum, verschiedene Lokalmuseen). Mit den Jahren wurden diese Zierate immer größer, die Form des Kreuzes ganz verdeckend oder verlassend, bis schließlich von seiner ursprünglichen Gestalt nichts mehr übrigblieb wie die Anordnung der, wie am Gutacher Hut, dicht aneinander sich schmiegenden Rosen (Bollen). Doch nicht überall verschwand die Kreuzform so. Bei heute noch getragenen Hüten, wie im Lehengericht, wo aller Zierat aus Stroh geflochten ist, ist die Gestalt des Kreuzes noch erkennbar.

Vom Schwarzwald aus, wo die Strohflechterei daheim war, gingen die Strohflechterinnen oder Huthändler in die benachbarten Gebiete des Elsass, der Schweiz. Die gleiche Sprache, die gleiche alemannische Stammeszugehörigkeit war den Leuten früher trotz politischer Trennung auch für die Kleidung ein größerer Kitt als vor wenigen Jahren noch das Allerweltsmodejournal internationaler Charakterlosigkeit. Durch all die Trachten Oberbadens, des Schwarzwaldes, des Elsass, der Schweiz, Oberschwabens, Vorarlbergs weht ein gemeinsames Band der Stammeszugehörigkeit.

Ich muss mich natürlich darauf beschränken, nur die Trachten des von mir umgrenzten Gebietes zu besprechen und nur Fragen zu streifen, soweit sie für die Entwicklung und den Aufbau derselben in Betracht kommen und in Zusammenhang mit den anderen stehen, da ein näheres Eingehen darauf ein Werk für sich bilden würde.

Von alten Leuten, die noch im 18. Jahrhundert das Licht der Welt erblickt hatten, hörte ich, dass in Gutach und dann wohl auch im weiteren Gebiete früher auch die Männer Bollenhüte getragen haben sollen. Ein Beweisstück ist nicht mehr vorhanden, wohl aber ist auf einem Holbeinschen Holzschnitte ein Schnitter mit solchem Hute abgebildet. Dass Holbein die Typen seiner Landsleute aus der engeren Heimat entnahm, ist wohl selbstverständlich.

Bei der Gutacher Tracht fällt zweitens die "Kappe", Haube, auf, die erwachsene Mädchen und Frauen unterm Hut, kleine Mädchen ohne den Hut tragen. Es ist wieder die Urform der den Kopf bedeckenden Haube, zu der im 18. Jahrhundert der Spitzenschleier trat. Die Zöpfe hängen hinten unter der Kappe heraus, durchflochten mit blauen bis fast auf den Boden reichenden Bändern, und zwei an der schwarzen Seitenkappe angebrachte schwarze schmale Bänder bringen die beiden Zöpfe nebeneinander in die gewollte Lage und die Kappe in die richtige anschmiegende Form, indem sie über den Kopf gegen die Stirn zugezogen und zusammengebunden werden.

Diese unscheinbaren Bändchen mit dem winzigen Schleifchen nun haben sich, je näher es Straßburg und der Rheinebene zugeht, immer mehr ausgewachsen, wurden immer mehr als Zier verwandt, bis sie jene große Form annahmen, die heute die elsässischen "Schlupfe", die Kopfbedeckungen aus dem Hanauerlande, dem Ried, dem Kaiserstuhl und dem Markgräflerlande, dem badischen Münstertal aufweisen, derart, dass die eigentliche Kappe Nebensache, die Schleife Hauptsache wurde.

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Kinzigtäler Hüte nach Skizzen aus dem Maler Sandhaasschen Nachlass (um 1850)

Hatte nun hier im Gutachtale die Kappe keine Gelegenheit sich auszubauen, weil der Hut das Wichtigere war, so wuchs die Haube im Kinzigtal, infolge anderer Frisur zur Bodenhaube sich gestaltend, je näher Straßburg, sich zum Hauptschmuck des Kopfes heraus, ließ für den Hut keinen Platz, und dieser verschwand allmählich und diente nur in einfachsten, breitrandigen Formen als Schutz gegen die Sonne, schließlich lediglich bei der Arbeit. Zuerst aus buntem Brokatstoff, später mit Flittern und Perlen, wurde der Boden der Kappe in reichen Ornamenten bedeckt, die Schleife des Bändchens, das der Kappe über dem Scheitel Halt gewähren sollte, wurde zum Schmuck, das Bändchen in seiner Eigenschaft als Hebe verschwand als überflüssig wie bei der Einbacher, der Kinzig- und Wolftäler Haube, bei welch letzterer die Schleife mit Draht gebogen gewölbt über der Kappe thront. Bei der Mühlenbacher Kappe, die im allgemeinen den Boden zieratlos ließ und die Seiten mit Goldfiligran ausschmückte, blieb es auch schleifenlos. Dort erhielt sich auch das Haltbändchen in seiner ursprünglichen Form.

So bekam die Gutacher Kappe als einzigen Schmuck den Schleier, der, rechts und links an den Seiten hochgebogen wie ein durchsichtiges Schwarzwälder Walmdach, das Gesicht umrahmt. Die Form der Gutacher Kappe findet sich wieder im Appenzeller und Berner Oberland, wie ältere Stahl- und Kupferstiche, alte Familienbilder und Gemälde uns besagen. Im Appenzeller Museum war eine solche, die der Entwicklung der jetzigen Appenzeller Kopfbedeckung, die einem alten Griechenhelm ähnelt, als Grundlage diente und genau der Gutacher glich. Sie wurde leider vernichtet, weil die Motten sie zerfressen hatten (!). Die rechts und links wie bei der Gutacher aufgebogenen Seiten der Spitzen wurden zum besseren Halt mit einer Spange befestigt, die heraufgebogenen Seiten immer mehr ausgebaut wie zwei ausgebreitete schwarze Ballfächer, bis von der eigentlichen Urform der Spitzenkappe nichts mehr zu sehen war.

Im Berner Oberland wurde die glatte Spitze in Spitzenornamente verlängert und mit Draht in besonderer Form nach oben und in die Seiten gebogen. In der Grundform besteht aber auch hier das Gemeinsame mit der Gutacher Kappe, auch dieselbe Bauart der Höfe und Häuser im Schwarzwald, im Aargau, Solothurn, Berner Unterland, dieselbe Tracht und Sprachgemeinschaft.

Der Rock der Gutacherin mit dem heute fest darangenähten Mieder (Leibchen, Libli) aus geblümtem Sammet, dem das frühere so schöne, jedoch umständliche Schnürmieder weichen musste, ist reich gefältelt, aus selbstgefertigtem Stoff, Wifel genannt - das Wort kommt schon im frühen Mittelalter vor -, der schwarz gefärbt und glänzend appretiert wird.
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Walmen nennt man den weit überhängenden Dachgiebel des Schwarzwaldhauses.


Er lässt die Füße frei. Die Fältelung in der Hüfte, etwa 5 Zentimeter lang, ist so eng, dass nur ein Mann, ein Schneider, keine Schneiderin, imstande ist, diese Arbeit mit Kraftaufwand zu bewältigen. Die Hemdärmel sind weit und bauschig und lassen Ellbogen und Unterarm frei. Über dem Mieder wird das Koller (collium) übergezogen, das mit bunten, mit gelber und weißer Seide bestickten Bändern, Flitter (Flinterli) und Perlen am Halskragen benäht ist und die Anfangsbuchstaben von Vor- und Zunamen der Trägerin enthält. Das Koller als Halskragen, das den freigelassenen Teil des Mieders (Leibchens) oben bedeckt, kommt wieder in allen schwäbisch-alemannischen Trachten vor. Mit bunten Bändern unter den Armen festgehalten, haben diese in der Schweiz allmählich die Gestalt von langen silbernen Ketten angenommen.

Zur Kleidung gehören ein rotwollener Unterrock, der dem Oberrock den richtigen Sitz gibt, weiße oder blaue Strümpfe, ausgeschnittene, früher absatzlose Schuhe, sogenannte Watschen. Ein kurzes graziöses Jäckchen aus schwarzem Tuch, Lasting oder seidener Tschope, Schobe (ital. ginbetto - Mieder, Leibchen?)(1) rot gefüttert, eine vielgefältelte Schürze (Fürtuch) vervollständigen die Tracht.

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1. Bauernpaar im Staatskleid aus dem Wolf-Kinzigtal ("Fürstenberger Tracht"). 2. Bauer im Schope und niederen Schuhen. 3 Frau im Feldarbeitskleid. 4. Mädchen im Spenzer. 5 Mädchen im Mieder. 6. u. 7. Mädchen im Schäpel, 8. Haarfrisur. 9. Im Winter 10. u. 11. Kappenträgerinnen von vorn, von hinten. 12. Mädchen von hinten

Die Kirnbacherin trägt die gleiche Tracht, sie hält sie fast noch echter als die Gutacherin. Es sind nur kleine Kennzeichen des Unterschieds, so unten innen im Rocksaum ein rotgemustertes Bändchen, oben am Mieder ein Schleifchen, und hinten am Tschobe vier statt wie in Gutach zwei Zwickel.

Die Männer tragen lange, schwarze, knopflose Sammetröcke, "Kittel", rot gefüttert, breitrandigen, "hasehärenen" Hut, schwarze zweireihige Sammetweste (Brusttuch) mit hohem, nicht ganz zusammenschließendem Kragen, weichem, hohem, bei Ledigen um die schwarze Seidenbinde - Halstuch - umgeschlagenen Hemdkragen, dunkelblaue Tuchhosen. Die kurze Lederhose mit weißen oder blauen Strümpfen sieht man seit etwa 30 Jahren nicht mehr. Für gewöhnlich wird statt des langen Kittels eine kurze dunkelblaue Jacke (Tschobe) getragen. In Kirnbach haben die Männer am Kittel einen Stehkragen wie am Brusttuch, während der Gutacher Kittel einen weiten Halsausschnitt aufweist. In Reichenbach tragen die Männer blaue Tuchweste mit buntglänzenden Knöpfen - auch wird die Gutacher Weste getragen - und langen blauen Tuchkittel, ähnlich dem Gutacher. Der Schnitt des Gutacher Kittels ist wohl älteren Datums als der wohl ins 18. Jahrhundert zurückgehende Kirnbacher oder gar Reichenbacher Kittel. Die am Hals weit ausgeschnittenen, nur mit Haften versehenen Röcke dürften ihren Schnitt wohl aus dem 16. und 17. Jahrhundert herleiten.

Die Kittel bestanden früher aus weißem Leinen, grün gefüttert. Die Weste, das "Brusttuch", war ein Brustlatz, rot, mit den verzierten, in Haften an den kurzen Lederhosen einhakenden Hosenträgern (Reffs) darüber.

Zur Hochzeit, bei Hochzeitsfesten als Ehrenjungfrauen, im Reichenbach auch bei der Konfirmation, wird die Brautkrone aufgesetzt, das "Schäpel", aus bunten Glasperlen, Spiegeln und Glaskugeln, Silberplättchen, um den Hals ein vielgefältelter breiter Leinenkragen, der Form nach wohl aus dem 17. Jahrhundert, ein besonderer Tschobe wird an der Taille geschlossen getragen und der mit kleinen runden Spiegeln und Zierat versehene Brautgürtel darüber gebunden. Oben an den Tschobenärmeln befindet sich eine Art Schwalbennest, wie bei den Spielleuten unseres Heeres in der Farbe des Tschobe. Dies Schwalbennest rührt wohl auch aus dem 17. Jahrhundert her. Die Zöpfe, eng und starr geflochten, erhalten Flitterschmuck, oben und an den Enden, von welchen aus breite Bänder, lilaseiden mit Ornamenten, bis fast an den Boden reichen. Die hierzu gehörigen Strümpfe sind aus Seidenhasenhaar gestrickt. Die roten Bollenhüte werden nur von Jungfrauen, die sich der Unbescholtenheit rühmen dürfen, getragen.

Schöne Mieder in bunter Farbzusammenstellung, aber meist geschmackvoll, mit breiten roten Bändern, eingefasst mit weiter weißer Halskrause, tragen die Wolf- und Kinzigtälerinnen. Darüber wird eine kurze, oben offene, unten eng geschlossene Jacke getragen, welche mit breitem besticktem Band, an der Schließe in breiter Schleife endigend, das schwere seidene, um den Hals und Nacken gelegte Tuch festhält. Diese Jacken, Schoben, sind an den Ärmeln bis zum Ellbogen oft reich bestickt. Für gewöhnlich wird ein anderes Jäckchen, der Spenzer, getragen, unten geschlossen, oben geöffnet, über welchen der weiße Hemdkragen und das Tuch halb hervorlugen. Kleine Mädchen tragen nur diese Jacke.

Der Rock ist verschiedenfarbig, auch kariert, und lässt wieder die Füße, die in weißen Strümpfen und niedrigen Schuhen stecken, frei bis über die Knöchel. Der Schnitt des Rockes ist ähnlich dem in Gutach. Die Schleierkappe lässt vorn eine schwarze Schleife.

1.) In Bayern und Tirol Joppe genannt. Im Bregenzerwald heißt das ganze aneinanderhängende Frauenkleid Juppe.


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1. Mädchen im Mieder, 2. im Tschobe, beide mit der Kappe. 3. u. 4. Frau im Tschobe und hemdsärmlig. 5. Kind (Haarfrisur). 6. Braut im Schäpel

herabhängen, der Kappenboden ist gewölbt und mit Silber- und Goldstickerei versehen. Eine ähnliche Form der Kappe findet man im benachbarten Renchtal, nur mit gestärktem, schmalen Schleier. Diese Renchtäler Kappe ist einfach, weil hier wie in im Gutachtal der Hut die Hauptsache geblieben ist

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7 - Mädchen von hinten - 8 - Bauer im Tschobe

Zur Hochzeit, zu hohen kirchlichen Feiertagen wird wie in Gutach der Schäpel getragen, an rotseidenen Bändern befestigt, doch in einfacherer Machart und in mehr zylindrischer, doch sehr schöner Form. Die Schürze aus verschiedenfarbiger Seide ist glatt und bedeckt nur geringen Raum des Rockes, nicht wie in Gutach, wo sie, schwarz, fast mit dem Rocksaum abschneidet und etwa die Hälfte des Rockumfanges bedeckt. Abscheulich wirkt eine neue Modeunart, indem die Schürzen mit bunten Blumen bemalt werden. Hoffentlich lässt diese Geschmacklosigkeit bald wieder nach.

Besonders schön ist die Tracht der Männer, der lange schwarze Tuchrock mit hohem Kragen oder auch den kurzen Tschoben mit kurzen Schößen, letztere sich in zwei Falten hüben wie drüben an die Rückennähte ansetzend, ähnlich dem Koller eines Kriegsknechts des Dreißigjährigen Krieges. Die Weste ist zweireihig, oben weit offen, mit bunten Knöpfen, aus geblümtem Sammet, Hemd weiß, oft fein ausgenäht, weicher Kragen umliegend, mit kurzen, buntseidenem Halstuch. Kurze Kniehosen aus Lasting, lichtblaue Strümpfe bei Verheirateten, weiß bei Ledigen, hohe Stiefel, die obere Wade freilassend, oder auch niedrige Schuhe.

Die schöne Männertracht fängt auch hier zu weichen an, da die Haupt- und reichste Gemeinde Schapbach, die der ganzen Tracht eigentlich den Namen gab, darin mit sehr schlechtem Beispiel vorangeht

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Lauterbacher Tracht

Die im oberen Kinzigtal in Sprengeln in die katholische Gemeinde Kinzigtal(1) eingreifende und dann hinter Schiltach geschlossen auftretende Lehengerichter Tracht zählt mit zu den schönsten. Das Mieder, Leibchen, hat ähnliche Form wie das Kinzigtäler, doch mit breiten, grünseidenen Bändern eingefasst, aus geblümtem Sammetstoff, der Rock wie im Gutach- und Kirnbachtal aus schwarzem Wifel bestehend, ganz eng gefältelt bis zur Höhe der Hüfte, dann die Falten lose ausgehen lassend, lange weite Hemdärmel, Koller auch grün eingefasst, dazu lose ein buntes Seidentuch getragen. Zöpfe auch bei Verheirateten. Der Tschoben hat Ärmel, die oben lose, keulenförmig sind. 

1.) Die Lehengerichter nennen die katholische Kinzigtäler Tracht "Fürstenberger Tracht".


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Einbacher Tracht: 1. Hochzeitspaar. 2. Bub mit gesticktem rotem Brusttuch (Weste) 3. Bauer im Schobe. 4., 5. und 6. Frauen in der Kappe. 7. Mädchen von hinten. 8. Mädchen im Peter

Auf dem Kopf ein aus Bändern hergestelltes, eng anliegendes Häubchen, unter dem Kinn gebunden, mit zwei langen Seidenbändern, die oben eine kleine Schleife bilden, hinten herabfallend. Es gleicht der Urform der Radhaube, die im ganzen östlichen württembergischen Schwarzwald die Kopfbedeckung abgab, in Oberschwaben, auch in der Ostschweiz und vielen Reichsstädten, jetzt nur noch in wenigen katholischen Gemeinden dort getragen wird. Auf dieses kleine Häubchen wird ein wunderbarer gelber Strohhut mit schwarzen Strohverzierungen gesetzt, oder auch an langem breitem schwarzem Bande an der Hand getragen.

Auffallend ist die schöne Tracht der Männer. Blaue Tuchweste mit grünen Aufschlägen, grünseiden ausgenäht, mit zwei Reihen dicht aneinandergereihter, flacher Messingknöpfe; ebenso ist der Tschoben gehalten. Die Hüte wie im Gutach- und Schapbachtal. Den langen, blauen, grün gefütterten und ausgenähten Tuchrock sieht man nicht mehr so häufig. Wohl eine der schönsten Männertrachten.

Die Mädchen tragen zur Hochzeit Schäpel und Schäpelschmuck, sehr ähnlich dem in Gutach. Die alte Schramberger Tracht hatte die Radhaube, ganz ähnlich der heute noch um Rottweil getragenen, doch wird sie nicht mehr aufgesetzt.

Bei Schramberg sich an Lehengericht anschließend und bei Reichenbach dem Gutach-Kinzig-Gau die Hand reichend, ist noch die Lauterbacher Tracht zu erwähnen. Die Kleidung ist schwarz, schwarzer Tschobe mit oben gesteppten und ausgestopften Keulenärmeln, buntseidener Schürze, schwarzem Faltenrock, auf dem Kopfe einen schwarzen Strohzylinder mit aufgebogenem, geschweiftem Rand, oben weiter geschweift als unten, an beiden Seiten ein schwarzes Band, das den Zylinderrand mit dem Hutrand verbindet.

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Mühlenbach. 1. u. 2. Frau mit Goldhaube. 3. bis 5. Frau in der Winterhaube. 6. bis 8. Mädchen. 9. Bauer

Leider ist diese Tracht durch den zu starken Einfluss der Lauterbacher und Schramberger Industrie ganz im Aussterben begriffen.

Kehren wir nun über den Höhenpass des Fohrenbühl auf dem östlichen Gebirgskamm des Gutachtales zurück bis zum Zusammenfluss von Gutach und Kinzig, und wenden wir uns nun zu den Trachten des mittleren und unteren Kinzigtales.

Wir finden unter den einzelnen Gemeinden im Schnitt der Frauenkleidung eine gewisse Gemeinsamkeit. Bis zu den Knöcheln reichende weitfaltige, meist schwarze aber auch bunte Röcke, das Mieder rot oder rosa, ganz schlicht, auch die Hemdärmel einfach, darüber ein Tschobe, vorn fast halbkreisförmig ausgeschnitten, an der Seite geschlossen, mit oben gesteppten, dann weitausholenden, nicht gepolsterten, nach unten sich verjüngenden Ärmeln. In Einbach, Mühlenbach usw. wird der oben offene Tschobe durch ein schwerseidenes Tuch ausgefüllt, im Harmersbachtal und unteren Kinzigtal kreuzweise darüber gebunden, auch in Mühlenbach usw., wenn es sich um sogenannte türkische Tücher handelt. Vielfach werden mehrreihige Granatketten um den Hals getragen, noch aus der Zeit, als im Harmersbacher Tal die Granatschleiferei in Blüte stand.

Sehr verschieden nur sind die Kappen in den einzelnen Gebieten, in Einbach, auch Fischerbach, sind sie rund, mit rundem, glattem, mit Silber oder Gold gesticktem Boden, einer nach beiden Seiten abfallenden schwarzen, manchmal auch noch roten Schleife. In Mühlenbach haben sie schwarzen Sammetboden, Goldfiligran an den Seiten, sind mitunter auch ganz aus Gold, in Harmersbach schwarz, in der Form der Einbacher sehr ähnlich, doch die ehemalige Haltschleife ist zu einer hohen, mit Draht gefestigten schwarzen Doppelschleife, wie schon eingangs erwähnt, die hoch über der Kappe thront, ausgewachsen. Der Schleier ist allen gemeinsam.

Im unteren Kinzigtal tragen die Frauen zur Tracht auch eine Art Kapotthut, wie er als Mode etwa in den 50er, 60er Jahren üblich war. Schön ist dieser nicht. In Mühlenbach ist auch eine, hauptsächlich im Winter getragene Kappe gebräuchlich, die an den Seiten sechseckigen gesteppten fortlaufenden Bänderschmuck hat, der Schleier gekräuselt, sonnenstrahlenartig abstehend, Sammetboden, hinten lange Bänder herabhängend, alles in Schwarz.

Die Frisuren weisen im allgemeinen die Haartracht der um den Kopf gelegten Zöpfe auf, in wechselnder Form, nur Mühlenbach hat eine Scheitelung in der Mitte, dann oben vom Scheitel nach beiden Seiten herunter nochmals gescheitelt, vorn die entstandene Haarfülle glatt und am Ohr erst herumgeleitet, dann hinten mit dem übrigen Haar zu einem starken Nest verflochten und mit großem Kamme zusammengehalten.

Die jungen Mädchen aller katholischen Gemeinden und Täler gehen nur barhäuptig, die Hauben dürfen erst die Verheirateten tragen (daher die Redewendung "unter die Haube" kommen). Nur wenn sie Pate (Gotte) stehen, dürfen sie die Haube an diesem Tage tragen. In Schapbach-Kinzigtal haben die Bräute das Recht, die Kappe zu tragen mit hängenden Zöpfen.

Das Schäpel ist nur in Einbach üblich, in den anderen Tälern des unteren Kinzigtales ein diademförmiger Kranz aus imitierten, weißen Orangenblüten und Silberfiligran, der auch im Elztal den Schäpel verdrängt.

Noch vielerlei Feinheiten in der Gestaltung der einzelnen Trachten gäbe es aufzuzählen, doch würde dies zu weit gehen. Es können hier nur die markantesten Züge angeführt werden.

Die Männertracht im unteren Kinzigtal ist ausgestorben, nur ein bestimmter Typus im Schnitt, vielleicht der Anfang neuer Tracht, zeigt uns den Kinzigtäler an. Sehr häufig ist sie noch im Harmersbacher Tal. Ein Kittel, nicht sehr lang, im Schnitt 17. Jahrhundert, die Schöße hoch ansitzend, aus blaugrauem Drillich oder auch schwarzem Tuch feuerrot gefüttert, zinnoberrote, weitausgeschnittene Weste mit zwei Reihen Messingknöpfen, gestärkter, aufrecht stehender Hemdkragen (Vatermörder).

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Harmersbach: 1. u. 2. Mädchen. 3. bis 5. Frauen in der Haube. 6. Harmersbacher Schütze. 7. Bauer im Leinenkittel (wie der Schütze). 8. Bauer im schwarzen Rock.

Noch fest halten die Einbacher an der Männertracht, wobei der schöne Tuchrock, schwarz, mit Rot ausgenäht und bestickt, auffällt. Im übrigen wird der blaue Tschobe mit großen Perlmutterknöpfen getragen. Auch sieht man noch allgemein viel Knaben in der Tracht mit oft wundervoller roter, gestickter Weste. Dass Einbach noch so festhält an der Tracht, ist nicht zuletzt das Verdienst des Stadtpfarrers von Hausach, Brunner, zu dessen Kirchspiel Einbach gehört.

Für den Trachtenforscher bleibt noch viel Arbeit; vor allem gilt es, Einzelheiten und Besonderes in den vielen kleinen Tälern des Gebietes festzustellen, um dann durch den Vergleich zu endgültigen Ergebnissen gelangen zu können.

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