Wilhelm Hasemann dagger

Am 28. November 1913 ist in Gutach im Schwarzwald Unser Ehrenmitglied Maler Hasemann gestorben. Unser Verein verliert in ihm eines seiner verdientesten Mitglieder. Einer seiner wärmsten Freunde, der durch seine Kunst die Schönheit und den Zauber der Schwarzwaldlandschaft hinausgetragen hat in alle Welt, ist nicht mehr. Mit uns trauert um den Verstorbenen die badische Kunst, und nicht nur sie, auch die deutsche Kunst erleidet mit dem Heimgang Hasemanns einen schweren Verlust.

Wilhelm Hasemann ist wie so viele unserer hervorragenden Männer aus den bescheidensten Verhältnissen hervorgegangen Was er erreichte, hat er in hartem Kampfe und zähem Ringen dem Schicksal gleichsam abtrotzen müssen.

Fern vom Schwarzwald, seiner späteren Heimat, ist Hasemann im Jahre 1850 geboren. Sein Vater war Mechaniker zu Mühlberg an der Elbe. Durch die ganze Lage gezwungen, mußte der junge Wilhelm nach Absolvierung der Schule den väterlichen Beruf erlernen. Einige Jahre arbeitete er eifrig an der Drehbank, und es bedurfte schließlich der ernstlichen Vorstellungen einer befreundeten Familie, die von Wilhelms entschiedenem Talent überzeugt war, bis es gelang, dem Vater die Erlaubnis abzuringen, daß der Junge Maler werden und zu diesem Zweck die Akademie in Berlin besuchen dürfe. Über diese Erlaubnis hinaus freilich konnte der Vater seinem Sohn nicht viel zur Unterstützung bieten. Doch Wilhelm, der den Ernst und die Not des Lebens bereits kannte, war glücklich genug, nun wenigstens die Schranken nicht mehr zusehen, die ihm den Weg zum Ziele seiner heißen Wünsche bisher verschlossen hatten; mutig, voll Selbstvertrauen betrat er den Weg, gewillt, allen Entbehrungen trotzend, an der Verwirklichung seiner Träume zu arbeiten.

War Wilhelm Hasemann schon durch den Kampf ums tägliche Brot in seiner künstlerischen Ausbildung gehemmt, so traten bald noch weitere Hindernisse seinem Streben entgegen. Als im Jahre 1870 das Vaterland seine Söhne unter die Waffen rief, da wollte auch er nicht zurückbleiben. Da seine schwächliche Körperverfassung es nicht zuließ, daß er mit seinen akademischen Genossen als Freiwilliger in den Krieg zog, trat er in das Sanitätskorps ein. Lange war er in Feindesland als Samariter - tätig, bis ihn seine Kräfte verließen. Zur Wiederherstellung seiner Gesundheit mußte er in die Heimat zurückkehren, wo bald die alte Not wieder hemmend in Erscheinung trat. Mit großer Mühe gelang es ihm, die letzten Klassen der Akademie zu absolvieren; obwohl er für sich und für seine in Not geratenen Eltern sorgen mußte, konnte er sich eine kleine Summe ersparen, die es ihm ermöglichte, 1873 die damals durch den Grafen Kalckreuth vortrefflich geleitete Kunstschule in Weimar zu besuchen. Meister Karl Gussow war es hier, unter dessen Führung sich Wilhelms Talent entfalten konnte. Durch den Weimarer Meister Th. Hagen angeregt, versuchte sich Hasemann auch in der Landschaftsmalerei, in der er später Bedeutendes leisten sollte. Der Thüringer Wald gab ihm gar treffliche Anregungen, bot ihm eine Menge herrlicher Eindrücke, und eifrig malte er auf seinen Wanderungen nach der Natur. Land und Leute studierte er aufs Sorgfältigste, so daß Wesen, Charakter und Eigenart sich ihm tief einprägten. Durch Menzel, den er 1879 in Berlin zu seiner Freude persönlich kennen lernte, wurde Hasemann bestimmt, den Winter 1879 / 80 in der alten Kunststadt München zuzubringen. Doch bald sollte ihn sein Ruf, den er in den letzten Jahren erworben hatte, wieder von der schönen Isarstadt weglocken. Der Cottasche Verlag beabsichtigte nämlich von Berthold Auerbachs Novelle: Die Frau Professorin, eine illustrierte Ausgabe herzustellen und übertrug Hasemann die Illustrierung. Mit der Übernahme dieser Aufgabe trat nun ein bedeutsamer Wendepunkt im Leben des Künstlers ein; war sie doch die eigentliche Ursache der Übersiedelung des Meisters in den badischen Schwarzwald. Die Arbeit führte ihn also in jenen Teil unseres Schwarzwaldes, dessen ländliche Bevölkerung dem Dichter die Motive, dessen Dörfer und Landschaften ihm die Schauplätze seiner Schwarzwaldgeschichten gegeben hatte. Hier, speziell im malerischen Dorfe Gutach, wollte der Maler nun die erforderlichen Studien machen. Und bald fühlte sich der Künstler so heimisch, Land und Leute nahmen seinen Sinn so gefangen und gewannen so sehr seine Sympathie, dass er hier, im traulichen Dorfe Gutach, sein neues Heim gründete.

Gar manche herrliche Schöpfung ging seitdem aus dem Künstlerheim hervor. Hasenmann, der seinem Heim treu blieb, hatte sich bald in alle Verhältnisse eingelebt und sich an Land und Leute gewöhnt, Sitten und Gebräuche wurden ihm gut bekannt, wie er auch rasch verstanden hat, in Herz und Gemüt der biederen Schwarzwälder hineinzublicken und sie in ihrem Innersten zu erfassen. Er liebte Land und Leute, und was er unS vors Auge zaubert, ist gemalt "durchs Augenglas der Liebe", ohne daß er Landschaft und Gestalten unnatürlich schmeichelt.

Verdienst- und Verständnisvoll wirkte der Künstler auch auf dem Gebiete aller der Bestrebungen, welche auf die Erhaltung unserer Volkstrachten und die Hebung der ländlichen Wohlfahrt gerichtet sind. Eine große Freude war es ihm daher, als ihm im Jahr 1905 der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege und im Jahr darauf der Badische Verein für Volkskunde in gerechter Würdigung seiner großen Verdienste einen Ehrenplatz anwiesen, und mit gleicher Liebe ist er nach der Verschmelzung der beiden Vereine der "Badischen Heimat" treu geblieben.

Ein bösartiges Krebsleiden setzte im Sommer 1913 dem Wirken des rastlosen Künstlers ein unerbittliches Ende. Am 28. November ist er gestorben, und am 30. November ist er zu Gutach in das selbstgewählte Grab gesenkt worden. Pfarrer Nuzinger, den langjährige Freundschaft mit dem feinsinnigen Künstler verband, widmete ihm einen tief empfundenen Nachruf, ein letztes Abschiedswort, zugleich ein Mahnruf an seine Freunde aus dem Gutachtal. Wir geben daraus folgende Ausführungen hier wieder:

"Ein reiches Leben ist von uns gegangen, und wir alle haben aus seinem Reichtum schöpfen dürfen. Wer dieses Leben in seiner ganzen Weite und Tiefe umfassen und beschreiben wollte, der müsste ein Buch schreiben, und es müßte ein herzbewegendes Buch werden. Das Buch müsste unseren Wilhelm Hasemann schildern als Künstler und als Menschen denn in beidem ist er ein Meister gewesen. Nicht als ob beides bei ihm neben einander hergegangen wäre. Nein, er konnte nur darum dieser Künstler sein, weil er dieser Mensch war. In seiner Kunst lebte seine Seele, prägte sich sein inneres Wesen aus und das war: Liebe, Güte, Freundlichkeit, feines, zartes, weiches Empfinden, tiefes Verstehen, fromme Ehrfurcht.

Es war kein Zufall, der ihn in dieses Tal geführt hat, das ihm zur zweiten Heimat werden sollte. Hier fand er, was seine Seele suchte, was seinem inneren Wesen entsprach: die sanften Wellenlinien der Berge, den rauschenden Bach, den weichen Teppich der grünenden Matten, die wogenden Ährenfelder, die bescheidene Erika am Waldesrand, die goldenen Ginsterbüsche an den Hängen der Berge, die dunkeln schweigenden Tannenwälder, die Blütenpracht der Bäume im Frühjahr, den alles vergoldenden Herbst und den glitzernden Silberschmuck des Winters, das melodische Geläute der weidenden Herden, die träumenden Mühlen am Bach, die traulichen Bauernhöfe an die Bergwände gelehnt und inmitten des Tals das ehrwürdige Kirchlein mit seinem im Sonnenschein glänzenden Helm. Und in diesem Tal die Menschen, die ihm so feierlich schienen in ihrer alten heimischen Tracht, Menschen von weichem tiefem Gemüt, Menschen, deren Seelen ihre geheimnisvollen Winkel haben, Menschen mit stolzem Selbstgefühl und von bescheidener Anspruchslosigkeit, Menschen, die festgewurzelt sind in der irdischen und ewigen Heimat.

Unser entschlafener Meister war ein Künstler der Heimat. Er hat ihr gedient nicht nur mit seiner Kunst, sondern auch mit Rat und Tat, mit dem selbstlosen, hingehenden Sinn, der ihm eigen war und den er stets bewiesen hat. Die Wohlfahrt zu pflegen, gemeinnützige Bestrebungen zu fördern, das war ihm keine Spielerei, das war ihm Bedürfnis seines Herzens, das schien ihm der Opfer wert zu sein, die er dafür brachte.

Liebe Freunde vom Gutachtal! Ihr habt es selbst gefühlt: hier war einer, der euch von Herzen lieb gehabt hat, der in seinen Bildern das Beste eures Wesens zur Darstellung gebracht hat, der an dieser seiner selbstgewählten Heimat hing mit allen Fasern seines Herzens. Hier in dieser stillen Friedhofsecke hat er sich seine letzte Ruhestätte selbst gewählt, als er sich dessen bewußt war, daß er zum Tode verwundet sei und seine Tage sich dem Ende zuneigen. Hierher in die Heimat hat es ihn gezogen, als draußen die ärztliche Kunst sich vergeblich bemüht hatte, sein teures Leben zu verlängern. Hier wollte er sterben und begraben sein.

Ein Grabhügel wird sich hier erheben und wenn ihr in Zukunft vor dem Grabmahl steht, zu dem ihr wohl manchmal in stiller Ehrfurcht wandern werdet, so dürft ihr euch sagen: Wilhelm Hasemann, er war unser, er hat unser Volk und unsere Heimat liebgehabt, er war unser Ehrenbürger, wir wollen sein Gedächtnis allezeit in Ehren halten. Dann aber wird sein Bild mahnend zu euch sprechen: Seid treu, treu der Heimat, treu den guten Vätersitten, treu dem Glauben, treu im Wirken für eure und eurer Nachkommen Wohlfahrt!

Wir grüßen dich, du guter, edler, treuer Mann mit dem weichen Herzen und mit der starken Kraft in der Seele, die auch das Schwerste zu tragen und durchzukämpfen wußte still verschwiegen wie ein Held.

Wir danken dir für das, was du uns gewesen bist und was du uns gegeben hast. Du hast uns das Dichterwort vorgelebt:

Das Höchste bleibt ein freier Wille,
der unverwirrt von Fleisch und Blut
fest und getreu in Sturm und Stille
das Gute, weil es gut ist, tut."

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