Die ortenauischen Herren von Windeck in Josef Bader - Badenia 1839 I - S. 151 ff.
Zwischen Steinbach und Achern, wo sich aus der weiten Ebene eine Menge weinreicher Hügel und waldiger Berge erheben, deren Hintergrund der lang gedehnte Rücken der Herrenwiese bildet, in dieser heitern, gesegneten, wohlbewohnten Gegend, erheben sich unweit hinter Bühl, auf der Höhe beim Dorfe Waldmatt, zwei gewaltige Quaderthürme weithin über ihre Umgebung, während in halbstündiger Entfernung, jenseits des Neusazer Thals, auf dem Waldhügel hinter Lauf, ein dritter Geviertthurm, als entsprechendes Gegenstück, einsam über die Wipfel der Bäume hervorragt. Stolz und düster blicken diese Ueberreste einer eisernen Vorzeit auf die Straße herab. Der vorbeiziehende Wanderer betrachtet sie mit wechselnden Gefühlen und fragt sich unwillkührlich: Wer mögen die Ritter gewesen seyn, welche hier als Schirmer und Wohlthäter, oder als die Plage und der Schrecken des Gaues einst gehaust haben? Seine Neugier ist erwacht, die kühnen Thürme locken ihn nach ihrer freien, frohen Höhe.
Alt- und Neuwindek in der Ortenau]
Er hat sie erreicht und erlabt sich jezt im Genusse kühlenden Schattens, erfrischender Luft und einer Aussicht, welche das Herz in die angenehmsten Empfindungen versenkt. Welch' ein Garten ist diese Gegend! Das Füllhorn der Natur scheint über sie ausgeschüttet; sie prangt im Schmucke landschaftlicher Schönheit; sie athmet Reichthum und Gedeihen; sie wiederhallet friedlich und freudig vom regen Leben ihrer Bewohner.
Still entzückt von der blühenden Gegenwart wendet sich der Wandrer endlich zu den Trümmern der Vergangenheit. Das öde, gewaltige Gemäuer erfüllt ihn mit seltsamen Schauern, dunkle Bilder der Vorzeit steigen auf in seiner Seele, und abermals frägt er: Wer mögen sie gewesen seyn, die als gute oder böse Genien der Gegend einst aus diesen Mauern hervorgegangen? Da erzählen ihm die Bewohner einer benachbarten Hütte: "Die Burg, auf deren Trümmern Ihr steht, nennt man die alte Windek oder das Waldmatter-Schloß, und jenes dort ist Neuwindek. Vor mehreren Jahren feierte man hier ein Fest zu Ehren des adeligen Geschlechtes, welches diese Schlösser ehedem bewohnt hat(1). Es sollen stattliche Rittersleute gewesen seyn, welche in der Gegend reichbegütert waren und zu den Vasallen der mächtigen Grafen von Eberstein gehörten.
Wirklich waren die Windeker unter dem ebersteinischen Lehenadel lange Zeit der zahlreichste und ausgezeichnetste. Die Eiche ihres Geschlechtes wurzelte im Herzen der Ortenau und beschattete mit reichbelaubten Aesten weithin die Umgebung des Stammsizes. Aber die wuchernde Kraft erschöpfte sich, der Sturm der Jahrhunderte entzweigte einen Ast nach dem andern, und die Wurzeln vertrockneten. Jezt lebt in der Heimath der edelfesten Ritter kaum noch eine Erinnerung ihres einstigen Daseyns, und auch diese wäre im Zeitenwechsel verschwunden, klammerte sie sich nicht wie eine Epheuranke an das trozende Gemäuer der alten Stammburg. Wir wollen sie auffrischen aus den wenigen Pergamenten, welche sich im Schuz der Archivgewölbe erhalten haben. Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, und die Arbeit eines nüzlichen Vergnügens. Denn wer auch nur Einiges für die Kultur des vaterländischen Bodens, für die Aufnahme der heimathlichen Orte beigetragen, verdient das Andenken der Nachkommenschaft, und diese muß es ebenso erfreuen als belehren, von den Freuden und Leiden, von den Bemühungen und Thaten Derjenigen einige Kunde zu erhalten, welche uns da voraus gegangen sind, wo wir mit unserer Familie, mit unsern Freunden und Mitbürgern die Mühen und Ergebnisse des Lebens theilen.
Wie der meiste niedere oder Dienstadel treten auch die Herren von Windek mit dem dreizehnten Jahrhunderte allmälig aus der Masse des Volkes hervor. Das Lehenwesen und die Ritterwürde, welche damals Hand in Hand die Vorrechte der adeligen Geburt schon vollkommen begründet und mit dem Glanz einer besondern Ehre umgeben hatten, bereiteten den Lehen- und Dienstmännern der Fürsten, Grafen und Dynasten eine breite Grundlage ihres Gedeihens und Emporblühens. Der niedere Adel vermehrte sich in dem Maße, daß man bald keine Stadt, keinen Flecken, kein Dorf mehr zählte, welches nicht sein eigenthümliches Herren-Geschlecht besaß, und daß die Burgen und Säßhäuser dieser Herren beinahe das ganze Land bedeckten.
Von der gewöhnlichen Menge dieses Adels zeichneten sich aber, wie es bei allen menschlichen Dingen der Fall ist, eine Reihe von Familien mehr oder weniger aus. Mehr oder weniger treten in jedem Gau einige Namen unterscheidend hervor und überglänzen durch Besizthum und Ansehen, durch Schicksale und Verdienste den Kreis ihrer Umgebung. So erscheint in der Menge des ortenauischen Vasallen- und Dienstadels die Familie von Windek wenigstens als eine der ältesten, reichsten und ausgebreitetsten. Sie besaß theils eigenthümlich, theils als Lehen von Eberstein, Vom Reich, Vom Hochstift Straßburg und andern, ausser den Burgen ihres Namens die Stadt Stollhofen und den Marktflecken Bühl, alsdann die Orte Niederschopfen, Hügelsheim, Nonnenweier, und Sellingen, ferner die Schlösser Wendelbach und Sand, endlich in verschiedenen Zeiten zu Altsweier, im Bühlerthal, zu Kappel, Neusaz, Waldmatt, Lauf, Sasbach und Sasbachwalden, zu Renchen, Achern, Gams- und Unzhurst, zu Hessenweiler, Ottersweier, Vimbuch, Schwarzach, Steinbach zahlreiche Leibeigene, Güter, Zehnten und Rechte; dreihundert Jahre hindurch verwaltete sie die Schuz- und Kastvogtei des Klosters Schwarzach; zu ihren Lehnleute gehörten die von Birken, von Speckbach und Diersburg; geblüht aber hat sie bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts, nachdem ihr Stamm zu Anfang des Vierzehnten in zahlreiche Aeste und Zweige ausgewachsen, worunter sich die zwei Hauptlinien von Alt- und Neuwindek namentlich ausschieden.
Aus diesen Vermögens- und Geschlechtsverhältnissen der Herren von Windek schließen wir leicht auf den Einfluß, welchen sie in ihrer Heimathgegend ausgeübt haben. Daß derselbe mehr schädlich als wohlthätig war, würde man ohne Grund annehmen. In den Chroniken ihrer Zeit treten die Windeker freilich mit Handlungen auf, deren Quelle nur jene ungezügelte Willkür seyn konnte, welche die Schattenseite des mittelalterlichen Adels bildet. Aber die Chronikschreiber waren großentheils ungerecht; das Auffallendere, Ungewöhnlichere, die Gräuel und Gewaltthaten haben sie getreulich verzeichnet, während das stille Verdienst des alltäglichen Wirkens ihrem Blicke und Griffel entgieng.
Seit Herrn Melchior, einem persönlich sehr angesehenen Mann, welcher mit dem Jahre zwölfhundert und zwölf die Reihe der urkundlich bekannten Namen von Windek eröffnet(2), bis in die Zeiten König Rudolf des Ersten kennen wir beinahe nichts von der Familie, als ihre Mishellungen wegen der Schirmvogtei über die Abtei Schwarzach. Es war dieses Amt ein Lehen des Reichs in der Hand des Burggrafen von Nürnberg, welcher dasselbe den Windekern als Untervögten oder After-Schuzherren verliehen hatte, bei denen es nach altem Herkommen, nicht wie anderwärts an den ältesten, sondern an alle zugleich lebenden Mannssprößlinge des Geschlechtes vererbte. Hiedurch aber entstund eine unabsehbare Kette von Irrung und Hader. Denn während die Vögte das reiche Stift mit Erpressungen und Anmaßungen aller Art bedrängten(3), zerfielen sie auch unter sich selbst, und die getheilten Interessen führten zu Ausbrüchen der gereizten Leidenschaft, welche für das Gotteshaus, für die Familie und die Umgegend gleich verderblich seyn mußten. Das Uebel wurde endlich so arg, daß der König den windekischen Brüdern und Vettern bei Strafe des gänzlichen Verlustes der Schirmvogtei befahl, sie einem Einzigen aus ihnen zu überlassen(4).
Die Folgen jener Familienzwiste bei der großen Zertheiltheit des Stammgutes thaten sich bald genug auf eine traurige Weise kund, und wurden die Quellen neuer Zerwürfnisse und Uebelstände. Schon im Beginne des vierzehnten Jahrhunderts war Herr Eberhard genöthigt, die Stadt Stollhofen mit den Dörfern Sellingen und Hügelsheim an den Markgrafen von Baden zu verkaufen(5).
Mit dieser Veräusserung eines so wichtigen Theiles der Stammerbschaft war der erste Schritt zum Zerfalle des windekischen Wohlstandes gethan. Es folgten ihm mit jeder Generation neue und häufigere(6), und mochte andrerseits durch Heirathen, Erbschaften und Ankäufe auch manch' schöne Erwerbung gemacht werden(7), so gieng der Gewinn derselben in den Verlusten wieder auf, welche die Folge einer zersplitterten und leichtfertigen Wirthschaft waren. Für das Zusammenhalten des Besizthums sorgte weder ein bestimmtes Hausgesez, noch ein altes Herkommen; die Zweige der Familie wurden immer zahlreicher, ihre Erwerhältnisse immer verwickelter, ihre Bedürfnisse gesteigerter und ihre Güter an Werth geringer. Zu dieser innern Fäulniß kam alsdann noch der Sturm äusserer Ereignisse, welcher das lockere Gebäude vollends erschütterte, und beim Erlöschen der Familie nichts als ein Paar Trümmerstücke in die Hand der Erben gelangen ließ!
Den empfindlichsten Schlag von Außen hatte die windekische Familie im Schleglerkriege zu erleiden. Wir wissen, daß dieser Krieg aus der Eifersucht des niedern Adels gegen die überhand nehmende Macht der Fürsten entstanden war, und in seinem Verfolge einer Menge von Privatinteressen als willkommenes Mittel diente. Welchen Zusammenhang die persönliche Feindschaft zwischen dem straßburgischen Domprobst Hamann von Kyburg und dem Dekan Johann von Ochsenstein mit der politischen Verbindung der Schlegler auch haben mochte, jedenfalls erscheinen die Windeker auf Seiten der leztern, und Herr Reinhard ließe sich zum Werkzeug eines Fauststreiches gebrauchen, der seine ganze Familie in die Gefahr des entzündeten Krieges stürzte. Es war im Jahre dreizehnhundert und siebzehn, als er einstmals nächtlicher Weile jenen Domdekan von Ochsenstein in seiner Wohnung zu Straßburg festnahm und heimlich nach Windek führte. Dieser Vorfall erregte großes Aufsehen und traf namentlich den Ehrgeiz der Straßburger, welche ob einer so frechen Verlezung ihres Stadtfriedens in erbitterten Unwillen geriethen. Sobald sie den Thäter erkundigt hatten, stund schon ihre Mannschaft gerüstet, eine blutige Rache zu nehmen. Windek aber hatte starke Mauern und muthige Vertheidiger. Nachdem zwei volle Wochen in vergeblicher Belagerung der Burg und in nuzloser Verwüstung der Umgegend verflossen, verglichen sich die Partheien und es ward Friede. Doch nur ein fauler Friede; denn er erzeugte auf's neue den Krieg. Abermals zog die straßburgische Waffenmacht vor Windek, und da sie auch diesmal an der Stärke des Schlosses scheiterte, entschädigte sie sich durch die grausamste Verwüstung der windekischen Besizungen. Herr Reinhard hinwiederum mit seinen Helfern rächte sich hiefür auf jede mögliche Art, und der kleine tägliche Krieg währte ein volles Jahr, ohne ein anderes Resultat zu haben, als die beiderseitige Ermüdung. Im Frühlinge tausend dreihundert drei und siebzig endlich kam ein definitiver Friede zu Stand, welcher die Windeker mit der Stadt versöhnte, und ihnen eine Summe von viertausend Gulden als Azungsvergütung für den gefangenen Domdekan auswarf, aber auch die Bedingung auflegte, innerhalb dreier Jahre keinen Schlegler in ihrer Burg mehr zu hausen und zu hofen(8).
Die alte Windek aber, welche in diesem Kriege ihrer zweimal angedrohten Zerstörung glücklich entgangen war, sollte dennoch das fünfzehnte Jahrhundert nicht ohne einen merklichen Unfall erreichen. Eine Brunst, deren Ursache man nicht mehr kennt, raubte ihr einen Theil der Wohngebäude, was für die Familie um so empfindlicher seyn mochte, da sie ziemlich gedrängt darin wohnen mußte. Denn nicht einem Zweige allein etwa gehörte sie als Behausung an, sondern sie war getheilt unter mehrere, welche einander gegenseitig ihre Antheile je nach Umständen und Bedürfnissen käuflich, pfand- oder miethweis abtraten oder selbst in fremde Hände veräusserten(9), wie solches fortwährend auch mit ihren Leibeigenen, Zehnten nnd Gülten geschah. Man hat keinen Begriff mehr von dem sonderbaren Kleinhandel mit diesen Vermögensstücken, worin sich die damalige Gesellschaft aus Mangel an Metallgeld und wegen des Zinsverbots(10) bewegen mußte. Indem der geschraubte Finanzzustand uralt und allgemein war, durchkreuzten sich die verschiedenartigsten Interessen, Rechte und Ansprüche, welche unaufhörlich neue Mishellungen, Prozesse, Vergleiche oder Gewaltstreiche herbeiführten. Die Urkunden über diese Verhältnisse waren daher von äusserster Wichtigkeit und wurden mit großer Sorgfalt ausgefertigt, verwahrt und vererbt. Da bei dem Brande zu Altwindek ein Theil des dortigen Archives ein Raub der Flammen geworden, so war es eine besondere Angelegenheit der Familie, die eingebüßten Urkunden möglichst wieder herzustellen und für ein neues gemeinschaftliches Briefgewölbe zu sorgen (11).
Mit dem Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts trat für die windekische Familie eine folgenreiche Veränderung ein. Derjenige Theil nämlich der Grafschaft Eberstein, welcher damals an das Haus Baden gelangte, zog auch die ebersteinischen Lehenrechte Über Windek nach sich, und wir sehen von dem an die Enkel Herrn Melchiors völlig in die badischen Vasallenverhältnisse verwebt und in verschiedenen Diensten des markgräflichen Hofes erscheinen(12). Zu Altwindek aber, welches damals zwischen Markgraf Jakob, Wyrich von Hohenburg und Hans Reimbold von Windek getheilt war, entstund sofort auch eine Burgfriedens-Einung(13), wie Solches bei den meisten Schlössern von Belange der Fall war, um den überhand genommenen Irrungen und Händeln ihrer zahlreichen und stets wechselnden Besizer zu steuern.
Seit dem Uebergange der windekischen Lehnherrlichkeit an Baden und dem hierauf errichteten Burgfrieden gestalteten sich die Verhältnisse der Familie allmählig wieder ruhiger und fester. Die alte Stammburg war aus ihrem Brandschaden wieder hergestellt; stolz erhoben ihre Zwillingsthürme das Haupt in die Ferne, während sie zunächst die bescheidenen Wohngebäude überschatteten, welche Ringmauer und Graben schüzend umzogen. Ohnweit des Burgthors lag ein kleiner Garten, am Bergabhange wechselte üppiges Buchengehölz mit Aeckern und Weingärten(14), deren Saum die Gefilde der Ebene berührten. Die herrliche Veste war auf weithin eine Zierde der Gegend, und mochte manchen wandernden Rittersmann in ihre gastlichen Mauern gelockt haben. Aber freilich diente sie jezt eher dem landesherrlichen Interesse, als den Gliedern der eigenen Familie, welche sich beinahe ganz auf ihre zweite Heimath, auf Neuwindek beschränkt sah. Zum Glück verminderte sich dieselbe im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts wieder etwas, nachdem sie es unter nicht weniger als sieben Häuptern mit mehr oder weniger Nachkommenschaft angetreten hatte(15). Die Söhne theilten sich gleichmäßig in die Stamm-Erbschaft, welche nach dem Verluste der Herrschaft Stollhofen, des Dorfes Nonnenweiler und mehrerer altwindekischen Erbstücke, noch hauptsächlich in Neuwindek, in einem Theile des Reichslehens zu Bühl, den Kirchensäzen zu Ottersweier und Kappel und der schwarzachischen Kastvogtei bestand. Viele Familienglieder waren daher genöthigt, in geistliche Stifte zu treten, oder Kriegs- und Civildienste zu suchen, um durch Pfründen und Besoldungen das fehlende Vermögen zu ersezen. Den Ruhm ihres uralten Adels erhielten sie übrigens immer noch in möglichstem Glanze, machten fromme Stiftungen zum dankbaren Gedächtnisse ihrer Vorältern, erschienen auf Turnieren und andern Ritterfesten, giengen mehrere glückliche Verbindungen ein, und konnten sich geschmeichelt fühlen, daß der markgräfliehe Hof sie gerne in seiner Umgebung sah(16).
In diesen Verhältnissen erreichte die windekische Familie noch mit zwei Hauptästen das sechzehnte Jahrhundert, als ihr greiser Stamm sich plözlich entlaubte und abzusterben drohte. Er beruhte allein noch auf Herrn Wolf, bis ihm dessen Gemahlin in vier Söhnen wieder neue Stüzen zu verleihen schien. Aber grausam vernichtete der Tod diese Hoffnung, indem er die drei ältern ereilte, bevor sie noch seine Nachkommenschaft gewonnen hatten, und auch Herrn Georg, den jüngsten, auf das Siechbette warf, als ihm seine dritte Gemahlin erst einen Erben geschenkt. Ueberhaupt war das Leben Georgs voll trauriger Vorzeichen des nahenden Falles seiner Familie. Denn nicht allein mußte er sehen, wie die Burgen seiner Väter, Alt- und Neuwindek, in Schutt und Asche sanken(17), sondern auch, wie das Vermögen der Familie durch unselige Verhältnisse beinahe vollends ein Raub fremder Hände ward. So hatten namentlich die Markgrafen von Baden die öftere Geldnoth derselben klug benüzt, und bereits einen großen Theil der windekischen Stammherrschaft an sich gebracht. Das bisherige gute Vernehmen zwischen den Vasallen und ihrer Lehnherrschaft wurde mehrfach gestört, es erhoben sich Irrungen wegen der betreffenden Antheile, und als Georg im Jahre fünfzehnhundert sieben nnd siebzig zur endlichen Hebung derselben eine spezielle Abtheilung eingieng, geschah es unter Ausdrücken, welche seine bedrängte Lage deutlich genug verrathen. "Es hätten, sagte er gegen Markgraf Philipp auf eine fast rührende Weise-, seine geliebten Vorältern nicht allein diesen Flecken Bühl und Bühlerthal, sondern auch andere ansehnliche Dörfer und Orte, neben ihren bewiesenen Treuen, an das fürstliche Haus Baden um ein ganz Geringes kommen lassen. Nun wüßte er sich nicht anders zu berichten, als daß er ein gleich gut markgräfisch Herz wie seine Vorältern habe, und seiner fürstlichen Gnade nach äusserstem Vermögen alle unterthänigen und angenehmen Dienste zu erweisen begierig sey." Die Theilung selbst ließ er sich nach den etwas unbilligen Bestimmungen der badischen Rathe "in Gottes Namen" gefallen, und schien froh zu seyn, durch seinen Verlust wenigstens den Frieden zu erkaufen(18).
Eilf Jahre nach der bühlischen Abtheilung verstarb Junker Georg, nachdem er alle Windeker hatte zu Grabe gehen sehen, bis auf den eigenen Sohn. Dieser war Jakob, ein minderjähriger Knabe, dessen heranblühende Jugend inzwischen eine sichere Bürgschaft für die Fortdauer seines Geschlechtes zu werden versprach. Es sollte jedoch das siebzehnte Jahrhundert nicht mehr erreichen; unerbittlich hatte ihm das Schicksal den Untergang bestimmt. Um seine edelmännische Bildung zu vollenden, machte Jakob im Jahre fünfzehnhundert zwei und neunzig eine Reise nach Italien. Da wurde er zu Venedig plözlich von einer Krankheit ergriffen, welche ihm auf der fremden Erde, fern von der geliebten Heimath, sein Grab bereitete. Der lezte Hoffnungsanker lag also zerbrochen, das Haus Windek hatte abgeblüht, eine lange Reihe mannhafter Ritter, Kirchen- und Fürstendiener war in die Gruft gestiegen.
Nur zwei junge Schwestern hatte Junker Jakob zurückgelassen, deren Pfleger sich in einer rührenden Vorstellung an kaiserliche Majestät wendeten, um ihnen ausser den wenigen Allodialstücken das bühlische Reichslehen noch zu erhalten. Nach Vermeldung der Todesnachricht sagten sie darin: "Da unser Vetter selig zwei minderjährige Schwestern hinterlassen, auf welchen der uraltadeliche Namen einzig und allein beruht, hingegen die Lehenbriefe von unvordenklicher Zeit so allgemein lauten, daß sie weder des Mannsstammes noch der Lehens- oder anderer Erben einige Meldung thun, so haben wir die Hoffnung gefaßt, Euer Majestät werden solche Investituren aus hochberühmten Gnaden als ein Ziehbrunnen der Gerechtigkeit also interpretiren, daß unsere lieben Basen mit solchem Stammlehen vor allen Andern gnädigst bedacht werden mögen; in der besondern Erwägung, daß dieser uralt adelig Stamm von Windek vor viel hundert Jahren in diesen Landen des Rheinstroms hergekommen und weiland Euerer Majestät Vorfahren am Reich mit Darstreckung Leibs, Guts und Bluts oft und viel Ritterdienst erzeigt, und inmittelst durch den Segen des Allmächtigen und fleißige Haushaltung seinem Stand nach seine eigenthümliche Güter an sich gebracht, deren Absonderung von den Lehen ohne mühsame Weiterung nicht abgehen kann, ja sich gegen seine Lehnsunterthanen in vorfallenden gemeinen Nöthen und Anliegen dermaßen mitleidig und väterlich bewiesen, daß dieselben vom lieben Gott nichts erflehet, als bei dem adeligen Geblüt von Windek verbleiben zu können."(19).
Der Kaiser entschied aber nicht für die beiden Schwestern. Von ihm beauftragt, sandte der Bischof von Speier einen Kommissär nach Bühl, welcher die Beamten windekischen Theils ihrer Verpflichtung enthub, und für das Reich beeidigte. Das Lehen aber fand man bestehend in einem Drittel des Gerichts und der Frevel, einem Antheile an der Beet, und im halben Zoll, Jahrmarkt, Ohm- und- Pfenniggeld. Natürlich wendete Baden, welchem die übrigen Theile bereits zugehörten, Alles an, um dieses von seinem Gebiet eingeschlossene "Kleinod"(20) nicht in eine fremde Hand gelangen zu lassen. Es machte jedoch nur geringe Fortschritte, und erst hundert Jahre nach Erlöschung der windekischen Familie erlangten die Verdienste Markgraf Ludwig Wilhelms, was die lange Bemühung der Sachwalter nicht hatte erringen können.(21)
Er hat sie erreicht und erlabt sich jezt im Genusse kühlenden Schattens, erfrischender Luft und einer Aussicht, welche das Herz in die angenehmsten Empfindungen versenkt. Welch' ein Garten ist diese Gegend! Das Füllhorn der Natur scheint über sie ausgeschüttet; sie prangt im Schmucke landschaftlicher Schönheit; sie athmet Reichthum und Gedeihen; sie wiederhallet friedlich und freudig vom regen Leben ihrer Bewohner.
Still entzückt von der blühenden Gegenwart wendet sich der Wandrer endlich zu den Trümmern der Vergangenheit. Das öde, gewaltige Gemäuer erfüllt ihn mit seltsamen Schauern, dunkle Bilder der Vorzeit steigen auf in seiner Seele, und abermals frägt er: Wer mögen sie gewesen seyn, die als gute oder böse Genien der Gegend einst aus diesen Mauern hervorgegangen? Da erzählen ihm die Bewohner einer benachbarten Hütte: "Die Burg, auf deren Trümmern Ihr steht, nennt man die alte Windek oder das Waldmatter-Schloß, und jenes dort ist Neuwindek. Vor mehreren Jahren feierte man hier ein Fest zu Ehren des adeligen Geschlechtes, welches diese Schlösser ehedem bewohnt hat(1). Es sollen stattliche Rittersleute gewesen seyn, welche in der Gegend reichbegütert waren und zu den Vasallen der mächtigen Grafen von Eberstein gehörten.
Wirklich waren die Windeker unter dem ebersteinischen Lehenadel lange Zeit der zahlreichste und ausgezeichnetste. Die Eiche ihres Geschlechtes wurzelte im Herzen der Ortenau und beschattete mit reichbelaubten Aesten weithin die Umgebung des Stammsizes. Aber die wuchernde Kraft erschöpfte sich, der Sturm der Jahrhunderte entzweigte einen Ast nach dem andern, und die Wurzeln vertrockneten. Jezt lebt in der Heimath der edelfesten Ritter kaum noch eine Erinnerung ihres einstigen Daseyns, und auch diese wäre im Zeitenwechsel verschwunden, klammerte sie sich nicht wie eine Epheuranke an das trozende Gemäuer der alten Stammburg. Wir wollen sie auffrischen aus den wenigen Pergamenten, welche sich im Schuz der Archivgewölbe erhalten haben. Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, und die Arbeit eines nüzlichen Vergnügens. Denn wer auch nur Einiges für die Kultur des vaterländischen Bodens, für die Aufnahme der heimathlichen Orte beigetragen, verdient das Andenken der Nachkommenschaft, und diese muß es ebenso erfreuen als belehren, von den Freuden und Leiden, von den Bemühungen und Thaten Derjenigen einige Kunde zu erhalten, welche uns da voraus gegangen sind, wo wir mit unserer Familie, mit unsern Freunden und Mitbürgern die Mühen und Ergebnisse des Lebens theilen.
Wie der meiste niedere oder Dienstadel treten auch die Herren von Windek mit dem dreizehnten Jahrhunderte allmälig aus der Masse des Volkes hervor. Das Lehenwesen und die Ritterwürde, welche damals Hand in Hand die Vorrechte der adeligen Geburt schon vollkommen begründet und mit dem Glanz einer besondern Ehre umgeben hatten, bereiteten den Lehen- und Dienstmännern der Fürsten, Grafen und Dynasten eine breite Grundlage ihres Gedeihens und Emporblühens. Der niedere Adel vermehrte sich in dem Maße, daß man bald keine Stadt, keinen Flecken, kein Dorf mehr zählte, welches nicht sein eigenthümliches Herren-Geschlecht besaß, und daß die Burgen und Säßhäuser dieser Herren beinahe das ganze Land bedeckten.
Von der gewöhnlichen Menge dieses Adels zeichneten sich aber, wie es bei allen menschlichen Dingen der Fall ist, eine Reihe von Familien mehr oder weniger aus. Mehr oder weniger treten in jedem Gau einige Namen unterscheidend hervor und überglänzen durch Besizthum und Ansehen, durch Schicksale und Verdienste den Kreis ihrer Umgebung. So erscheint in der Menge des ortenauischen Vasallen- und Dienstadels die Familie von Windek wenigstens als eine der ältesten, reichsten und ausgebreitetsten. Sie besaß theils eigenthümlich, theils als Lehen von Eberstein, Vom Reich, Vom Hochstift Straßburg und andern, ausser den Burgen ihres Namens die Stadt Stollhofen und den Marktflecken Bühl, alsdann die Orte Niederschopfen, Hügelsheim, Nonnenweier, und Sellingen, ferner die Schlösser Wendelbach und Sand, endlich in verschiedenen Zeiten zu Altsweier, im Bühlerthal, zu Kappel, Neusaz, Waldmatt, Lauf, Sasbach und Sasbachwalden, zu Renchen, Achern, Gams- und Unzhurst, zu Hessenweiler, Ottersweier, Vimbuch, Schwarzach, Steinbach zahlreiche Leibeigene, Güter, Zehnten und Rechte; dreihundert Jahre hindurch verwaltete sie die Schuz- und Kastvogtei des Klosters Schwarzach; zu ihren Lehnleute gehörten die von Birken, von Speckbach und Diersburg; geblüht aber hat sie bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts, nachdem ihr Stamm zu Anfang des Vierzehnten in zahlreiche Aeste und Zweige ausgewachsen, worunter sich die zwei Hauptlinien von Alt- und Neuwindek namentlich ausschieden.
Aus diesen Vermögens- und Geschlechtsverhältnissen der Herren von Windek schließen wir leicht auf den Einfluß, welchen sie in ihrer Heimathgegend ausgeübt haben. Daß derselbe mehr schädlich als wohlthätig war, würde man ohne Grund annehmen. In den Chroniken ihrer Zeit treten die Windeker freilich mit Handlungen auf, deren Quelle nur jene ungezügelte Willkür seyn konnte, welche die Schattenseite des mittelalterlichen Adels bildet. Aber die Chronikschreiber waren großentheils ungerecht; das Auffallendere, Ungewöhnlichere, die Gräuel und Gewaltthaten haben sie getreulich verzeichnet, während das stille Verdienst des alltäglichen Wirkens ihrem Blicke und Griffel entgieng.
Seit Herrn Melchior, einem persönlich sehr angesehenen Mann, welcher mit dem Jahre zwölfhundert und zwölf die Reihe der urkundlich bekannten Namen von Windek eröffnet(2), bis in die Zeiten König Rudolf des Ersten kennen wir beinahe nichts von der Familie, als ihre Mishellungen wegen der Schirmvogtei über die Abtei Schwarzach. Es war dieses Amt ein Lehen des Reichs in der Hand des Burggrafen von Nürnberg, welcher dasselbe den Windekern als Untervögten oder After-Schuzherren verliehen hatte, bei denen es nach altem Herkommen, nicht wie anderwärts an den ältesten, sondern an alle zugleich lebenden Mannssprößlinge des Geschlechtes vererbte. Hiedurch aber entstund eine unabsehbare Kette von Irrung und Hader. Denn während die Vögte das reiche Stift mit Erpressungen und Anmaßungen aller Art bedrängten(3), zerfielen sie auch unter sich selbst, und die getheilten Interessen führten zu Ausbrüchen der gereizten Leidenschaft, welche für das Gotteshaus, für die Familie und die Umgegend gleich verderblich seyn mußten. Das Uebel wurde endlich so arg, daß der König den windekischen Brüdern und Vettern bei Strafe des gänzlichen Verlustes der Schirmvogtei befahl, sie einem Einzigen aus ihnen zu überlassen(4).
Die Folgen jener Familienzwiste bei der großen Zertheiltheit des Stammgutes thaten sich bald genug auf eine traurige Weise kund, und wurden die Quellen neuer Zerwürfnisse und Uebelstände. Schon im Beginne des vierzehnten Jahrhunderts war Herr Eberhard genöthigt, die Stadt Stollhofen mit den Dörfern Sellingen und Hügelsheim an den Markgrafen von Baden zu verkaufen(5).
Mit dieser Veräusserung eines so wichtigen Theiles der Stammerbschaft war der erste Schritt zum Zerfalle des windekischen Wohlstandes gethan. Es folgten ihm mit jeder Generation neue und häufigere(6), und mochte andrerseits durch Heirathen, Erbschaften und Ankäufe auch manch' schöne Erwerbung gemacht werden(7), so gieng der Gewinn derselben in den Verlusten wieder auf, welche die Folge einer zersplitterten und leichtfertigen Wirthschaft waren. Für das Zusammenhalten des Besizthums sorgte weder ein bestimmtes Hausgesez, noch ein altes Herkommen; die Zweige der Familie wurden immer zahlreicher, ihre Erwerhältnisse immer verwickelter, ihre Bedürfnisse gesteigerter und ihre Güter an Werth geringer. Zu dieser innern Fäulniß kam alsdann noch der Sturm äusserer Ereignisse, welcher das lockere Gebäude vollends erschütterte, und beim Erlöschen der Familie nichts als ein Paar Trümmerstücke in die Hand der Erben gelangen ließ!
Den empfindlichsten Schlag von Außen hatte die windekische Familie im Schleglerkriege zu erleiden. Wir wissen, daß dieser Krieg aus der Eifersucht des niedern Adels gegen die überhand nehmende Macht der Fürsten entstanden war, und in seinem Verfolge einer Menge von Privatinteressen als willkommenes Mittel diente. Welchen Zusammenhang die persönliche Feindschaft zwischen dem straßburgischen Domprobst Hamann von Kyburg und dem Dekan Johann von Ochsenstein mit der politischen Verbindung der Schlegler auch haben mochte, jedenfalls erscheinen die Windeker auf Seiten der leztern, und Herr Reinhard ließe sich zum Werkzeug eines Fauststreiches gebrauchen, der seine ganze Familie in die Gefahr des entzündeten Krieges stürzte. Es war im Jahre dreizehnhundert und siebzehn, als er einstmals nächtlicher Weile jenen Domdekan von Ochsenstein in seiner Wohnung zu Straßburg festnahm und heimlich nach Windek führte. Dieser Vorfall erregte großes Aufsehen und traf namentlich den Ehrgeiz der Straßburger, welche ob einer so frechen Verlezung ihres Stadtfriedens in erbitterten Unwillen geriethen. Sobald sie den Thäter erkundigt hatten, stund schon ihre Mannschaft gerüstet, eine blutige Rache zu nehmen. Windek aber hatte starke Mauern und muthige Vertheidiger. Nachdem zwei volle Wochen in vergeblicher Belagerung der Burg und in nuzloser Verwüstung der Umgegend verflossen, verglichen sich die Partheien und es ward Friede. Doch nur ein fauler Friede; denn er erzeugte auf's neue den Krieg. Abermals zog die straßburgische Waffenmacht vor Windek, und da sie auch diesmal an der Stärke des Schlosses scheiterte, entschädigte sie sich durch die grausamste Verwüstung der windekischen Besizungen. Herr Reinhard hinwiederum mit seinen Helfern rächte sich hiefür auf jede mögliche Art, und der kleine tägliche Krieg währte ein volles Jahr, ohne ein anderes Resultat zu haben, als die beiderseitige Ermüdung. Im Frühlinge tausend dreihundert drei und siebzig endlich kam ein definitiver Friede zu Stand, welcher die Windeker mit der Stadt versöhnte, und ihnen eine Summe von viertausend Gulden als Azungsvergütung für den gefangenen Domdekan auswarf, aber auch die Bedingung auflegte, innerhalb dreier Jahre keinen Schlegler in ihrer Burg mehr zu hausen und zu hofen(8).
Die alte Windek aber, welche in diesem Kriege ihrer zweimal angedrohten Zerstörung glücklich entgangen war, sollte dennoch das fünfzehnte Jahrhundert nicht ohne einen merklichen Unfall erreichen. Eine Brunst, deren Ursache man nicht mehr kennt, raubte ihr einen Theil der Wohngebäude, was für die Familie um so empfindlicher seyn mochte, da sie ziemlich gedrängt darin wohnen mußte. Denn nicht einem Zweige allein etwa gehörte sie als Behausung an, sondern sie war getheilt unter mehrere, welche einander gegenseitig ihre Antheile je nach Umständen und Bedürfnissen käuflich, pfand- oder miethweis abtraten oder selbst in fremde Hände veräusserten(9), wie solches fortwährend auch mit ihren Leibeigenen, Zehnten nnd Gülten geschah. Man hat keinen Begriff mehr von dem sonderbaren Kleinhandel mit diesen Vermögensstücken, worin sich die damalige Gesellschaft aus Mangel an Metallgeld und wegen des Zinsverbots(10) bewegen mußte. Indem der geschraubte Finanzzustand uralt und allgemein war, durchkreuzten sich die verschiedenartigsten Interessen, Rechte und Ansprüche, welche unaufhörlich neue Mishellungen, Prozesse, Vergleiche oder Gewaltstreiche herbeiführten. Die Urkunden über diese Verhältnisse waren daher von äusserster Wichtigkeit und wurden mit großer Sorgfalt ausgefertigt, verwahrt und vererbt. Da bei dem Brande zu Altwindek ein Theil des dortigen Archives ein Raub der Flammen geworden, so war es eine besondere Angelegenheit der Familie, die eingebüßten Urkunden möglichst wieder herzustellen und für ein neues gemeinschaftliches Briefgewölbe zu sorgen (11).
Mit dem Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts trat für die windekische Familie eine folgenreiche Veränderung ein. Derjenige Theil nämlich der Grafschaft Eberstein, welcher damals an das Haus Baden gelangte, zog auch die ebersteinischen Lehenrechte Über Windek nach sich, und wir sehen von dem an die Enkel Herrn Melchiors völlig in die badischen Vasallenverhältnisse verwebt und in verschiedenen Diensten des markgräflichen Hofes erscheinen(12). Zu Altwindek aber, welches damals zwischen Markgraf Jakob, Wyrich von Hohenburg und Hans Reimbold von Windek getheilt war, entstund sofort auch eine Burgfriedens-Einung(13), wie Solches bei den meisten Schlössern von Belange der Fall war, um den überhand genommenen Irrungen und Händeln ihrer zahlreichen und stets wechselnden Besizer zu steuern.
Seit dem Uebergange der windekischen Lehnherrlichkeit an Baden und dem hierauf errichteten Burgfrieden gestalteten sich die Verhältnisse der Familie allmählig wieder ruhiger und fester. Die alte Stammburg war aus ihrem Brandschaden wieder hergestellt; stolz erhoben ihre Zwillingsthürme das Haupt in die Ferne, während sie zunächst die bescheidenen Wohngebäude überschatteten, welche Ringmauer und Graben schüzend umzogen. Ohnweit des Burgthors lag ein kleiner Garten, am Bergabhange wechselte üppiges Buchengehölz mit Aeckern und Weingärten(14), deren Saum die Gefilde der Ebene berührten. Die herrliche Veste war auf weithin eine Zierde der Gegend, und mochte manchen wandernden Rittersmann in ihre gastlichen Mauern gelockt haben. Aber freilich diente sie jezt eher dem landesherrlichen Interesse, als den Gliedern der eigenen Familie, welche sich beinahe ganz auf ihre zweite Heimath, auf Neuwindek beschränkt sah. Zum Glück verminderte sich dieselbe im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts wieder etwas, nachdem sie es unter nicht weniger als sieben Häuptern mit mehr oder weniger Nachkommenschaft angetreten hatte(15). Die Söhne theilten sich gleichmäßig in die Stamm-Erbschaft, welche nach dem Verluste der Herrschaft Stollhofen, des Dorfes Nonnenweiler und mehrerer altwindekischen Erbstücke, noch hauptsächlich in Neuwindek, in einem Theile des Reichslehens zu Bühl, den Kirchensäzen zu Ottersweier und Kappel und der schwarzachischen Kastvogtei bestand. Viele Familienglieder waren daher genöthigt, in geistliche Stifte zu treten, oder Kriegs- und Civildienste zu suchen, um durch Pfründen und Besoldungen das fehlende Vermögen zu ersezen. Den Ruhm ihres uralten Adels erhielten sie übrigens immer noch in möglichstem Glanze, machten fromme Stiftungen zum dankbaren Gedächtnisse ihrer Vorältern, erschienen auf Turnieren und andern Ritterfesten, giengen mehrere glückliche Verbindungen ein, und konnten sich geschmeichelt fühlen, daß der markgräfliehe Hof sie gerne in seiner Umgebung sah(16).
In diesen Verhältnissen erreichte die windekische Familie noch mit zwei Hauptästen das sechzehnte Jahrhundert, als ihr greiser Stamm sich plözlich entlaubte und abzusterben drohte. Er beruhte allein noch auf Herrn Wolf, bis ihm dessen Gemahlin in vier Söhnen wieder neue Stüzen zu verleihen schien. Aber grausam vernichtete der Tod diese Hoffnung, indem er die drei ältern ereilte, bevor sie noch seine Nachkommenschaft gewonnen hatten, und auch Herrn Georg, den jüngsten, auf das Siechbette warf, als ihm seine dritte Gemahlin erst einen Erben geschenkt. Ueberhaupt war das Leben Georgs voll trauriger Vorzeichen des nahenden Falles seiner Familie. Denn nicht allein mußte er sehen, wie die Burgen seiner Väter, Alt- und Neuwindek, in Schutt und Asche sanken(17), sondern auch, wie das Vermögen der Familie durch unselige Verhältnisse beinahe vollends ein Raub fremder Hände ward. So hatten namentlich die Markgrafen von Baden die öftere Geldnoth derselben klug benüzt, und bereits einen großen Theil der windekischen Stammherrschaft an sich gebracht. Das bisherige gute Vernehmen zwischen den Vasallen und ihrer Lehnherrschaft wurde mehrfach gestört, es erhoben sich Irrungen wegen der betreffenden Antheile, und als Georg im Jahre fünfzehnhundert sieben nnd siebzig zur endlichen Hebung derselben eine spezielle Abtheilung eingieng, geschah es unter Ausdrücken, welche seine bedrängte Lage deutlich genug verrathen. "Es hätten, sagte er gegen Markgraf Philipp auf eine fast rührende Weise-, seine geliebten Vorältern nicht allein diesen Flecken Bühl und Bühlerthal, sondern auch andere ansehnliche Dörfer und Orte, neben ihren bewiesenen Treuen, an das fürstliche Haus Baden um ein ganz Geringes kommen lassen. Nun wüßte er sich nicht anders zu berichten, als daß er ein gleich gut markgräfisch Herz wie seine Vorältern habe, und seiner fürstlichen Gnade nach äusserstem Vermögen alle unterthänigen und angenehmen Dienste zu erweisen begierig sey." Die Theilung selbst ließ er sich nach den etwas unbilligen Bestimmungen der badischen Rathe "in Gottes Namen" gefallen, und schien froh zu seyn, durch seinen Verlust wenigstens den Frieden zu erkaufen(18).
Eilf Jahre nach der bühlischen Abtheilung verstarb Junker Georg, nachdem er alle Windeker hatte zu Grabe gehen sehen, bis auf den eigenen Sohn. Dieser war Jakob, ein minderjähriger Knabe, dessen heranblühende Jugend inzwischen eine sichere Bürgschaft für die Fortdauer seines Geschlechtes zu werden versprach. Es sollte jedoch das siebzehnte Jahrhundert nicht mehr erreichen; unerbittlich hatte ihm das Schicksal den Untergang bestimmt. Um seine edelmännische Bildung zu vollenden, machte Jakob im Jahre fünfzehnhundert zwei und neunzig eine Reise nach Italien. Da wurde er zu Venedig plözlich von einer Krankheit ergriffen, welche ihm auf der fremden Erde, fern von der geliebten Heimath, sein Grab bereitete. Der lezte Hoffnungsanker lag also zerbrochen, das Haus Windek hatte abgeblüht, eine lange Reihe mannhafter Ritter, Kirchen- und Fürstendiener war in die Gruft gestiegen.
Nur zwei junge Schwestern hatte Junker Jakob zurückgelassen, deren Pfleger sich in einer rührenden Vorstellung an kaiserliche Majestät wendeten, um ihnen ausser den wenigen Allodialstücken das bühlische Reichslehen noch zu erhalten. Nach Vermeldung der Todesnachricht sagten sie darin: "Da unser Vetter selig zwei minderjährige Schwestern hinterlassen, auf welchen der uraltadeliche Namen einzig und allein beruht, hingegen die Lehenbriefe von unvordenklicher Zeit so allgemein lauten, daß sie weder des Mannsstammes noch der Lehens- oder anderer Erben einige Meldung thun, so haben wir die Hoffnung gefaßt, Euer Majestät werden solche Investituren aus hochberühmten Gnaden als ein Ziehbrunnen der Gerechtigkeit also interpretiren, daß unsere lieben Basen mit solchem Stammlehen vor allen Andern gnädigst bedacht werden mögen; in der besondern Erwägung, daß dieser uralt adelig Stamm von Windek vor viel hundert Jahren in diesen Landen des Rheinstroms hergekommen und weiland Euerer Majestät Vorfahren am Reich mit Darstreckung Leibs, Guts und Bluts oft und viel Ritterdienst erzeigt, und inmittelst durch den Segen des Allmächtigen und fleißige Haushaltung seinem Stand nach seine eigenthümliche Güter an sich gebracht, deren Absonderung von den Lehen ohne mühsame Weiterung nicht abgehen kann, ja sich gegen seine Lehnsunterthanen in vorfallenden gemeinen Nöthen und Anliegen dermaßen mitleidig und väterlich bewiesen, daß dieselben vom lieben Gott nichts erflehet, als bei dem adeligen Geblüt von Windek verbleiben zu können."(19).
Der Kaiser entschied aber nicht für die beiden Schwestern. Von ihm beauftragt, sandte der Bischof von Speier einen Kommissär nach Bühl, welcher die Beamten windekischen Theils ihrer Verpflichtung enthub, und für das Reich beeidigte. Das Lehen aber fand man bestehend in einem Drittel des Gerichts und der Frevel, einem Antheile an der Beet, und im halben Zoll, Jahrmarkt, Ohm- und- Pfenniggeld. Natürlich wendete Baden, welchem die übrigen Theile bereits zugehörten, Alles an, um dieses von seinem Gebiet eingeschlossene "Kleinod"(20) nicht in eine fremde Hand gelangen zu lassen. Es machte jedoch nur geringe Fortschritte, und erst hundert Jahre nach Erlöschung der windekischen Familie erlangten die Verdienste Markgraf Ludwig Wilhelms, was die lange Bemühung der Sachwalter nicht hatte erringen können.(21)
1.) Vergl. Kolb, topogr. Lexik. von Baden. III, 387. ▲
2.) Diplom. Geschichte der Abtei Schwarzach I, 41. II, num. 19. ▲
3.) Ebendas. I, 43, 46. II, num. 23, 24, 25, 26, 27, 32. In einer dieser Urkunden sagt der Bischof von Straßburg: "Antiquâ Abbatis de Swarzahe et conventus sui gravi et enormi advocatorum ejusdem ecclesiae persecutione inspecta, ac super eadem apud nos et antecessores nostros lacrimabilibus querimoniis frequentius iterata, tandem et malitiis et insolentiae predictae possemus evicaciter obviare, inter abbatem et advocatos pacem et concordiam studuimus reformare." ▲
4.) Ebendas. I, 49. II, num. 41, 42. Spieß, Archival. Nebenarbeit. I, 26. ▲
5.) Schöpflin histor. bad. V, 328. Der Ort Stollhofen, dessen Pfarrkirche und Dinghof von Alters her dem Stifte Schwarzach zugehörte, war unter den windekischen Kastvögten, während des großen Zwischenreichs, zu einer Burg und Stadt erwachsen, und bildete mit den Dörfern Sellingen und Hügelsheim eine kleine Herrschaft, welche aus einem sonderbaren Gemengsel theils wohlerworbenen, theils angemaßten nnd erschlichenen Besizthumes bestund, und später mancherlei Streitigkeiten hervorrief. ▲
6.) Verschiedene Urkunden von den Jahren 1318, 1327, 1334, 1336, 1431, 1439, 1494, 1500, 1549, 1550, 1554, 1573, und die unten Note 11 bezeichneten. ▲
7.) Urkunden von 1393, 1419, 1422, 1423, 1430, 1450, 1522, und Hattstein, Hoheit des deutsch. Reichsad. III, 344. ▲
8.) Wenker de Ussburg. pag. 124. Königshofen, in seiner bekannten elsäßischen Chronik (S. 147), erzählt diesen Krieg folgender Maßen:
"Do man zalte 1370 Jor, do was zu Strosburg ein Dechan uf der Stift, genannt Her Johans von Ochsenstein, und ein Domprobest, hies Her Hannemann von Kyburg. Diese zwene Prelaten hettent grose Fientschaft miteinander. Darumbe so trug der vorgenannte Probest an mit sinen Dieneren und mit Hern Reinhart Von Windecke, daß sie den Dechan heimelichen fiengent in sime Hofe zu Strosburg in Brantgaße, und trugent ihne mit Gewalt und mit Geschreige, one alle Gewer siner Dienere, Richtersgeßelin abe in ein Geßelin, das sie do bestellt hettent. Dies beschach by Nacht, noch der dritten Wachtglocken. Do reit man zu Strosburg zu Stund us, her und dar, und suchte den Dechan. Also kunde Nieman wissen, wer ihn gefangen hette, und do zogete man wieder heim. Denoch an dem dritten Tage, do bekant man, daß es der Probest von Kyburg geton hette. Der was geflohen in ein Hus in Oleigeßelin by Sant Stephan und lag darine heimelich verborgen. Do lief der Ammanmeister hin und fieng den Probest und leit jn in einen Turn. Do inne lag er gefangen zwei Jor und drie Wochen. Donoch wart er ledig usgelossen ohne Schazunge, dann daß er 400 Pfund Pfennige gab vor den Atz."
"Do nu der Dechan von Ochsenstein alsus gefangen wart und man befant, daß er gen Windecke gefüret was, do zogetent die von Strosburg mit groser Macht vor Windecke und logent dovor uf 14 Tage. Dann es verdros die von Strosburg gar sere, daß man ohne jr Wissen hette Einen in der Statt gefangen und us der Statt gefüret, und meintent der Stette Friheit were domit gebrochen. Darumbe woltent sy es nüt ungerochen lossen und zogetent vor die Vesten Windecke, also vor geseit ist, und verbergetent und verbrantent die Gegene dorumbe. Donoch möchtent sy der Vesten nüt getun, do wart ein Friede gemachet zwüschen jn’n, und die von Strosburg zogetent wieder heim."
"Zehant aber gieng der Krieg wieder uf, und die von Strosburg machtent eine Brucke mit Schiffen über den Rin und saztent etwie viel gerittens Volckes über Rin uf den von Windecke, und die verhergetent Bühlertal und was dem von Windecke zugehorte. Do schedigte der von Windecke die Statt hinwiederumb, wie er möchte. Do nu dirre Krieg vil by ein Jor gewerte, do wart er verrichtet und dem von Windecke wart die Stat ewekliche verteilet, und ein Schade wart gegen dem andern glich ufgehoben. Hiezwüschent war der Dechan geschezet uf Windecke umbe vier tusent Gulden und umbe 60 Pfunt Pfennige für den Atz, und wart ledig gelassen. Also nam dirre Krieg ein Ende." ▲
9.) So z. B. verträgt ein Schiedsgericht die Streitigkeit, welche Reinhard von Windek mit den Gebrüdern Reinbold und Peter von Neuwindek wegen ihres Antheils an der Burg Altwindek gehabt. Diese leztern nämlich wollten das Haus mit der Küche wieder einlösen, welches ihr Großvater weiland Herrn Konrad von Windek versezt hatte. Reinhard aber entgegnete, daß Haus und Küche vor Zeiten verbrannt und von ihm wieder neu erbaut worden wären, wofür er 400 Gulden zugesichert erhalten. Diese Zusicherung läugneten aber die Gebrüder und forderten weiters einen Theil auch an dem Thurm und Vorhof, nebst Garten außerhalb der Burg, und die Hälfte desjenigen Theils, welcher von ihrem Großvater an Herrn Brun von Windek gefallen sey. Reinhard indessen behauptete standhaft, sie hätten nichts zu fordern, als besagtes Haus mit der Küche, alles Uebrige habe er bisher als väterliches Erbe unangefochten innegehabt. (Urk. von 1410.) ▲
10.) Um dem Wucher der Geldmäklerei zu steuern, verboten die damaligen Geseze, Geld auf Zinsen auszuleihen. Man erfand daher den Ausweg des Gültenkaufs, d. h. wer Jemanden 100 Gulden ausleihen wollte, sagte, er kaufe ihm eine jährliche Gülte von 5 Gulden Gelds um die Summe von 100 Gulden auf Wiederlösung ab. Solche Gülten bestunden ursprünglich in Naturalien, in bestimmten jährlichen Maßabgaben an Frucht und Wein, welche auf einem Grundstück oder einem Hause lasteten, und sich aber immer mehr in Geldzinse verwandelten. ▲
11.) Urk. von 1400 und 1415 In der leztern werden 35 windekische Pergamentbriefe von gemeinschaftlichem Interesse aufgezählt, welche einstweilen bei Junker Reinhard von Grosweiler hinterlegt seyen. ▲
12.) Im Jahre 1387 hatte der kriegerische Graf Wolf von Eberstein wegen Schuldendruck seinen Antheil der Grafschaft an Markgraf Rudolf VII. von Baden verkauft, nach dessen bald hierauf erfolgtem Tod derselbe an Markgraf Bernhard I. fiel, dem sich die Windeker als ihrem rechten Lehnherrn Verpflichteten. Urk. von 1400 und altes Verzeichniß in der Badener Kanzlei gefundener windekisch. Lehnbriefe. Vergl. Sachs, II, 299. ▲
13.) Urk. von 1429 und 1430, worin es heißt: "Es ist auch beredt, daß der Burgfriede, den wir (die Markgr. Bernhard und Jakob) und Wyrich und Reinbold mit einander zu Windek haben, in sinen Krefften bliben soll." ▲
14.) Vrgl. oben Note 9. Eine Urk. von 1325 nennet "Reben by der alten Burge", und nach einer andern von 1373 verkaufte das Kloster Schwarzach an Albert Kesse von Lichtenau den Ertrag von jährl. 220 amarum vini nobilis et albi melioris ab seinem Gut am "alten Berg unter Windek." Kraft Urk. von 1422 wird Burkhard von Windek durch Markgr. Bernhard belehnt "mit seinem Theil an der Burg zu alten Windek, mit Wald, Wasser und Waide im Schwarzwald; mit seinem Theil an der Lache, den breiten Reben unten an der Burge, mit der Hellhalde ob dem Burgweg, und mit dem Garten an Windek gelegen." ▲
15.) Es waren Reimbold und Brun von Windek, Reinhard und Hans Reimbold Von Altwindek, Reimbold, Kaspar und Peter von Neu-Windek. ▲
16.) Urk. von 1349, 1376, 1386, 1431, 1478, 1535; die in Note 11 und 12 genannten Urkunden-Verzeichnisse; Herzog’s elsässische Chron. VI, 217; Hattstein’s Hoheit des deutschen Reichsadels III, 344 und Kremer’s Friedr. der Siegr. 442. ▲
17.) Auf welche Weise dies geschah, ob durch Krieg, und durch welchen, ist mir unbekannt. Jedenfalls aber lagen die beiden Windek, das alte vor 1561 und das neue vor 1580 schon in Ruinen. Gibt in dortiger Umgegend nicht vielleicht eine Sage nähern Aufschluß hierüber? ▲
18.) Abscheid zwischen M. Philipp von Baden und J. Georg Von Windek über die Rechte der Oberkeit zu Bühl vom 13. Dez. 1577. ▲
19.) Vorstellung der windekischen Pfleger Friedrich Bok von Gerstheim und Hans Philipps von Kippenheim vom 7. März 1592. ▲
20.) Der heutzutage so blühende Amtsflecken Bühl war vor dem 14ten Jahrhundert noch ein unbedeutender Ort und nach Ottersweier eingepfarrt, bis seine 1319 fundirte Kapelle 1370 zu einer eignen Pfarrkirche erhoben ward. Aus dieser Erhebung läßt sich auf eine inzwischen ziemlich angewachsene Bevölkerung schließen. Seine spätere Aufnahme verdankt Bühl aber hauptsächlich dem 1438 daselbst errichteten Wochenmarkt, womit Kaiser Albrecht II. die Herren Von Windek belehnte, und welcher noch gegenwärtig als einer der beträchtlichsten im Lande die vorzüglichste Nahrungsquelle der bühlischen Bevölkerung ist. ▲
21.) Einmal waren die windekischen Vormünder dem Ziel sehr nahe gewesen. Der Kaiser hatte seinen Reichshofs-Vizekanzler Kurz von Senftenau für geleistete Dienste mit dem bühlischen Lehen begnadigt, und dieser zeigte sich geneigt, dasselbe an die Schwestern von Windek um 11.000 Gulden zu übertragen. Er starb aber vor Beendigung der Sache. Indessen waren auf windekischer Seite zwei neue rüstige Kämpfer aufgetreten, Friedrich von Flekensrein und Johann Heinrich Hüffel, welche sich 1594 mit den windekischen Fräulein vermählt hatten; doch gelangten sie um nichts weiter als früher die Vormünder. Denn 1602 bekam der kaiserl. Geheimrath von Hornstein die Anwartschaft, welcher die kurzischen Erben anderwärts befriedigte, und von dessen Familie der Bischof zu Speier den fraglichen Lehensantbeil zu Bühl an sein Bisthum erwarb.
Zwischen 1616 und 1639 starben die Ehemänner der windekischen Schwestern, und fortan bemerkt man von dieser Seite keine Bewerbungen mehr. Der Bischof aber übertrug das Lehen mit kaiserl. Bewilligung auf den Freiherrn Von Sötern, dessen Familie zu verschiedenen Zeiten damit belehnt wurde, bis endlich der Kaiser mittelst eines Instruments vom 13. November 1686 dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, "in Anerinnerung sowohl des gesammten fürstlichen Hauses, als auch seiner hochfürstlichen Durchlaucht selbsten, Ihrer Majestät und dem Reich bezeugender treugehorsamster Devotion, sonderlich aber dero bei diesem wider den Erbfeind christlichen Namens führenden schweren Krieg und Eroberung unterschiedlicher Pläze rühmlich erwiesener Tapferkeit und annoch wirklich continuirenden, sehr ersprieslichen Diensten" die Exspectation ertheilte. Die badische Regierung hat sich hierauf unterm 22. Mai 1688 mit dem Grafen von Sötern über die Abtretung des Lehens für die Summe von 20.000.Gulden abgefunden und dasselbe in Besiz genommen. ▲
2.) Diplom. Geschichte der Abtei Schwarzach I, 41. II, num. 19. ▲
3.) Ebendas. I, 43, 46. II, num. 23, 24, 25, 26, 27, 32. In einer dieser Urkunden sagt der Bischof von Straßburg: "Antiquâ Abbatis de Swarzahe et conventus sui gravi et enormi advocatorum ejusdem ecclesiae persecutione inspecta, ac super eadem apud nos et antecessores nostros lacrimabilibus querimoniis frequentius iterata, tandem et malitiis et insolentiae predictae possemus evicaciter obviare, inter abbatem et advocatos pacem et concordiam studuimus reformare." ▲
4.) Ebendas. I, 49. II, num. 41, 42. Spieß, Archival. Nebenarbeit. I, 26. ▲
5.) Schöpflin histor. bad. V, 328. Der Ort Stollhofen, dessen Pfarrkirche und Dinghof von Alters her dem Stifte Schwarzach zugehörte, war unter den windekischen Kastvögten, während des großen Zwischenreichs, zu einer Burg und Stadt erwachsen, und bildete mit den Dörfern Sellingen und Hügelsheim eine kleine Herrschaft, welche aus einem sonderbaren Gemengsel theils wohlerworbenen, theils angemaßten nnd erschlichenen Besizthumes bestund, und später mancherlei Streitigkeiten hervorrief. ▲
6.) Verschiedene Urkunden von den Jahren 1318, 1327, 1334, 1336, 1431, 1439, 1494, 1500, 1549, 1550, 1554, 1573, und die unten Note 11 bezeichneten. ▲
7.) Urkunden von 1393, 1419, 1422, 1423, 1430, 1450, 1522, und Hattstein, Hoheit des deutsch. Reichsad. III, 344. ▲
8.) Wenker de Ussburg. pag. 124. Königshofen, in seiner bekannten elsäßischen Chronik (S. 147), erzählt diesen Krieg folgender Maßen:
"Do man zalte 1370 Jor, do was zu Strosburg ein Dechan uf der Stift, genannt Her Johans von Ochsenstein, und ein Domprobest, hies Her Hannemann von Kyburg. Diese zwene Prelaten hettent grose Fientschaft miteinander. Darumbe so trug der vorgenannte Probest an mit sinen Dieneren und mit Hern Reinhart Von Windecke, daß sie den Dechan heimelichen fiengent in sime Hofe zu Strosburg in Brantgaße, und trugent ihne mit Gewalt und mit Geschreige, one alle Gewer siner Dienere, Richtersgeßelin abe in ein Geßelin, das sie do bestellt hettent. Dies beschach by Nacht, noch der dritten Wachtglocken. Do reit man zu Strosburg zu Stund us, her und dar, und suchte den Dechan. Also kunde Nieman wissen, wer ihn gefangen hette, und do zogete man wieder heim. Denoch an dem dritten Tage, do bekant man, daß es der Probest von Kyburg geton hette. Der was geflohen in ein Hus in Oleigeßelin by Sant Stephan und lag darine heimelich verborgen. Do lief der Ammanmeister hin und fieng den Probest und leit jn in einen Turn. Do inne lag er gefangen zwei Jor und drie Wochen. Donoch wart er ledig usgelossen ohne Schazunge, dann daß er 400 Pfund Pfennige gab vor den Atz."
"Do nu der Dechan von Ochsenstein alsus gefangen wart und man befant, daß er gen Windecke gefüret was, do zogetent die von Strosburg mit groser Macht vor Windecke und logent dovor uf 14 Tage. Dann es verdros die von Strosburg gar sere, daß man ohne jr Wissen hette Einen in der Statt gefangen und us der Statt gefüret, und meintent der Stette Friheit were domit gebrochen. Darumbe woltent sy es nüt ungerochen lossen und zogetent vor die Vesten Windecke, also vor geseit ist, und verbergetent und verbrantent die Gegene dorumbe. Donoch möchtent sy der Vesten nüt getun, do wart ein Friede gemachet zwüschen jn’n, und die von Strosburg zogetent wieder heim."
"Zehant aber gieng der Krieg wieder uf, und die von Strosburg machtent eine Brucke mit Schiffen über den Rin und saztent etwie viel gerittens Volckes über Rin uf den von Windecke, und die verhergetent Bühlertal und was dem von Windecke zugehorte. Do schedigte der von Windecke die Statt hinwiederumb, wie er möchte. Do nu dirre Krieg vil by ein Jor gewerte, do wart er verrichtet und dem von Windecke wart die Stat ewekliche verteilet, und ein Schade wart gegen dem andern glich ufgehoben. Hiezwüschent war der Dechan geschezet uf Windecke umbe vier tusent Gulden und umbe 60 Pfunt Pfennige für den Atz, und wart ledig gelassen. Also nam dirre Krieg ein Ende." ▲
9.) So z. B. verträgt ein Schiedsgericht die Streitigkeit, welche Reinhard von Windek mit den Gebrüdern Reinbold und Peter von Neuwindek wegen ihres Antheils an der Burg Altwindek gehabt. Diese leztern nämlich wollten das Haus mit der Küche wieder einlösen, welches ihr Großvater weiland Herrn Konrad von Windek versezt hatte. Reinhard aber entgegnete, daß Haus und Küche vor Zeiten verbrannt und von ihm wieder neu erbaut worden wären, wofür er 400 Gulden zugesichert erhalten. Diese Zusicherung läugneten aber die Gebrüder und forderten weiters einen Theil auch an dem Thurm und Vorhof, nebst Garten außerhalb der Burg, und die Hälfte desjenigen Theils, welcher von ihrem Großvater an Herrn Brun von Windek gefallen sey. Reinhard indessen behauptete standhaft, sie hätten nichts zu fordern, als besagtes Haus mit der Küche, alles Uebrige habe er bisher als väterliches Erbe unangefochten innegehabt. (Urk. von 1410.) ▲
10.) Um dem Wucher der Geldmäklerei zu steuern, verboten die damaligen Geseze, Geld auf Zinsen auszuleihen. Man erfand daher den Ausweg des Gültenkaufs, d. h. wer Jemanden 100 Gulden ausleihen wollte, sagte, er kaufe ihm eine jährliche Gülte von 5 Gulden Gelds um die Summe von 100 Gulden auf Wiederlösung ab. Solche Gülten bestunden ursprünglich in Naturalien, in bestimmten jährlichen Maßabgaben an Frucht und Wein, welche auf einem Grundstück oder einem Hause lasteten, und sich aber immer mehr in Geldzinse verwandelten. ▲
11.) Urk. von 1400 und 1415 In der leztern werden 35 windekische Pergamentbriefe von gemeinschaftlichem Interesse aufgezählt, welche einstweilen bei Junker Reinhard von Grosweiler hinterlegt seyen. ▲
12.) Im Jahre 1387 hatte der kriegerische Graf Wolf von Eberstein wegen Schuldendruck seinen Antheil der Grafschaft an Markgraf Rudolf VII. von Baden verkauft, nach dessen bald hierauf erfolgtem Tod derselbe an Markgraf Bernhard I. fiel, dem sich die Windeker als ihrem rechten Lehnherrn Verpflichteten. Urk. von 1400 und altes Verzeichniß in der Badener Kanzlei gefundener windekisch. Lehnbriefe. Vergl. Sachs, II, 299. ▲
13.) Urk. von 1429 und 1430, worin es heißt: "Es ist auch beredt, daß der Burgfriede, den wir (die Markgr. Bernhard und Jakob) und Wyrich und Reinbold mit einander zu Windek haben, in sinen Krefften bliben soll." ▲
14.) Vrgl. oben Note 9. Eine Urk. von 1325 nennet "Reben by der alten Burge", und nach einer andern von 1373 verkaufte das Kloster Schwarzach an Albert Kesse von Lichtenau den Ertrag von jährl. 220 amarum vini nobilis et albi melioris ab seinem Gut am "alten Berg unter Windek." Kraft Urk. von 1422 wird Burkhard von Windek durch Markgr. Bernhard belehnt "mit seinem Theil an der Burg zu alten Windek, mit Wald, Wasser und Waide im Schwarzwald; mit seinem Theil an der Lache, den breiten Reben unten an der Burge, mit der Hellhalde ob dem Burgweg, und mit dem Garten an Windek gelegen." ▲
15.) Es waren Reimbold und Brun von Windek, Reinhard und Hans Reimbold Von Altwindek, Reimbold, Kaspar und Peter von Neu-Windek. ▲
16.) Urk. von 1349, 1376, 1386, 1431, 1478, 1535; die in Note 11 und 12 genannten Urkunden-Verzeichnisse; Herzog’s elsässische Chron. VI, 217; Hattstein’s Hoheit des deutschen Reichsadels III, 344 und Kremer’s Friedr. der Siegr. 442. ▲
17.) Auf welche Weise dies geschah, ob durch Krieg, und durch welchen, ist mir unbekannt. Jedenfalls aber lagen die beiden Windek, das alte vor 1561 und das neue vor 1580 schon in Ruinen. Gibt in dortiger Umgegend nicht vielleicht eine Sage nähern Aufschluß hierüber? ▲
18.) Abscheid zwischen M. Philipp von Baden und J. Georg Von Windek über die Rechte der Oberkeit zu Bühl vom 13. Dez. 1577. ▲
19.) Vorstellung der windekischen Pfleger Friedrich Bok von Gerstheim und Hans Philipps von Kippenheim vom 7. März 1592. ▲
20.) Der heutzutage so blühende Amtsflecken Bühl war vor dem 14ten Jahrhundert noch ein unbedeutender Ort und nach Ottersweier eingepfarrt, bis seine 1319 fundirte Kapelle 1370 zu einer eignen Pfarrkirche erhoben ward. Aus dieser Erhebung läßt sich auf eine inzwischen ziemlich angewachsene Bevölkerung schließen. Seine spätere Aufnahme verdankt Bühl aber hauptsächlich dem 1438 daselbst errichteten Wochenmarkt, womit Kaiser Albrecht II. die Herren Von Windek belehnte, und welcher noch gegenwärtig als einer der beträchtlichsten im Lande die vorzüglichste Nahrungsquelle der bühlischen Bevölkerung ist. ▲
21.) Einmal waren die windekischen Vormünder dem Ziel sehr nahe gewesen. Der Kaiser hatte seinen Reichshofs-Vizekanzler Kurz von Senftenau für geleistete Dienste mit dem bühlischen Lehen begnadigt, und dieser zeigte sich geneigt, dasselbe an die Schwestern von Windek um 11.000 Gulden zu übertragen. Er starb aber vor Beendigung der Sache. Indessen waren auf windekischer Seite zwei neue rüstige Kämpfer aufgetreten, Friedrich von Flekensrein und Johann Heinrich Hüffel, welche sich 1594 mit den windekischen Fräulein vermählt hatten; doch gelangten sie um nichts weiter als früher die Vormünder. Denn 1602 bekam der kaiserl. Geheimrath von Hornstein die Anwartschaft, welcher die kurzischen Erben anderwärts befriedigte, und von dessen Familie der Bischof zu Speier den fraglichen Lehensantbeil zu Bühl an sein Bisthum erwarb.
Zwischen 1616 und 1639 starben die Ehemänner der windekischen Schwestern, und fortan bemerkt man von dieser Seite keine Bewerbungen mehr. Der Bischof aber übertrug das Lehen mit kaiserl. Bewilligung auf den Freiherrn Von Sötern, dessen Familie zu verschiedenen Zeiten damit belehnt wurde, bis endlich der Kaiser mittelst eines Instruments vom 13. November 1686 dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, "in Anerinnerung sowohl des gesammten fürstlichen Hauses, als auch seiner hochfürstlichen Durchlaucht selbsten, Ihrer Majestät und dem Reich bezeugender treugehorsamster Devotion, sonderlich aber dero bei diesem wider den Erbfeind christlichen Namens führenden schweren Krieg und Eroberung unterschiedlicher Pläze rühmlich erwiesener Tapferkeit und annoch wirklich continuirenden, sehr ersprieslichen Diensten" die Exspectation ertheilte. Die badische Regierung hat sich hierauf unterm 22. Mai 1688 mit dem Grafen von Sötern über die Abtretung des Lehens für die Summe von 20.000.Gulden abgefunden und dasselbe in Besiz genommen. ▲