Karl List - Ein Denkmalpfleger wird 100 Jahre - von Wolfgang Stopfel / Peter Schmidt-Thome


Der Kollege und ehemalige Mitarbeiter des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege in Südbaden, Karl List, wurde im Jahre 2005 100 Jahre altNachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege BW - I / 2005

Die Denkmalpfleger in Baden-Württemberg, besonders die in Freiburg beschäftigten, konnten einen höchst ungewöhnlichen Glückwunsch aussprechen: Der Kollege und ehemalige Mitarbeiter des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege in Südbaden, Karl List, wurde 100 Jahre alt. Als der "dritte Mann" neben Elfriede Schulze-Battmann und Martin Hesselbacher verstärkte er seit Anfang der 1960er Jahre die Bau- und Kunstdenkmalpflege in Freiburg. Drei Personen vertraten damals alle Aufgabengebiete von der Inventarisation über Beratung und Betreuung der Denkmaleigentümer bis zur Bauforschung. Karl List kam aus dem Stadtbauamt in Lahr und hatte schon manche Jahre als ehrenamtlicher Beauftragter der Denkmalpflege gewirkt, als er in eines der vier Zimmer einzog, die das Amt in der Freiburger Holbeinstraße belegte. Der (Mit-)Verfasser, seit 1966 vierter Mann, hatte dies kleine Zimmer mit ihm zu teilen, ständig bedroht vom temperamentvoll linkshändig Zeichnenden, aber höchst instruktiv eingeführt in den Umgang mit Baudenkmälern und deren Besitzern. Begeisterung für seine neue Aufgabe konnte er bei niemandem besser lernen als bei Karl List.

Neben seiner Tätigkeit in der Bau- und Kunstdenkmalpflege nahm Karl List auch in gewissem Umfang die Aufgaben der Archäologie des Mittelalters wahr, obwohl diese formal in der Struktur des Amtes noch gar nicht existierte. Erst mit der Neuordnung der stattlichen Denkmalpflege wurde sie ab 1971 in allen vier Denkmalämtern als eigenes Referat eingerichtet.

Den aktuellen Bedürfnissen folgend wurde in den 60er Jahren in immer mehr Kirchen eine moderne Heizung installiert, zumeist verbunden mit umfangreichen Aufgrabungen. Das seinerzeitige staatliche Amt für Ur- und Frühgeschichte kümmerte sich nur in wenigen Ausnahmefällen um diese Baustellen. Ohne fachlich geschulte Hilfskräfte und angemessene technische Ausrüstung führte Karl List Notgrabungen durch oder beriet die örtlichen Laienarchäologen. Die Ergebnisse wurden im Nachrichtenblatt der Denkmalpflege oder in Regionalzeitschriften und Festschriften publiziert. Allerdings beschränkte sich diese Tätigkeit aufgrund der damaligen Sonderstellung der Denkmalpflege in der katholischen Kirche in Südbaden fast ausschließlich auf evangelische Kirchen. Wichtige Beispiele sind die Kirche St. Peter in Lahr-Burgheim, die Pfarrkirchen in Seefelden-Betberg, Fischingen usw. Ebenso begleitete er die archäologische Erforschung der Tiefburg Lahr.

Einen besonderen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete seit 1962 die Restaurierung und teilweise Rekonstruktion der ehem. Stiftskirche St. Cyriak in Sulzburg. Aufbauend auf den archäologischen Untersuchungen von Ernst Adam 1956 / 57 und den Untersuchungen von Arnold Tschira setzte er diese fort und legte 1964 eine Publikation seiner Forschungsergebnisse vor. Schon vor Abschluss der Arbeiten entbrannte um diese ein heftiger Expertenstreit. Heute darf die gesamte Maßnahme, die in wesentlichen Teilen ein bereits von Josef Schlippe entworfenes Konzept umsetzte, bereits als Denkmalpflegegeschichte bezeichnet werden.

Ein seit langem gehegter Wunsch wurde Karl List erfüllt, als er 1972 - bereits als Ruheständler - mit einer archäologischen Sondierung in der ehem. Klosterkirche von Schuttern beauftragt wurde. Der sensationelle Fund der Überreste eines romanischen Fußbodenmosaiks war letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung des soeben neu entstandenen Landesdenkmalamtes, den gesamten Innenraum der Kirche im Vorgriff auf die anstehende Restaurierung archäologisch zu untersuchen. Karl List wurde mit der Grabungsleitung beauftragt. Die zunächst in Aussicht gestellten Sondermittel blieben allerdings aus, sodass auch hier mit vielfach unzureichendem Personal und Ausrüstung gearbeitet werden musste. Über die bis 1975 dauernden Grabungen legte Karl List mehrere kurze Vorberichte vor.

Die angestrebte abschließende Publikation ist leider nicht erfolgt. Zu kontrovers waren die Diskussionen und die Standpunkte des Ausgräbers innerhalb der Archäologen- und Historikerkreise. Karl List hat bis ins hohe Alter mit unermüdlicher Begeisterung seine Forschungsziele verfolgt und mit lebhaftem Temperament seinen Standpunkt vertreten.

Nachruf auf Karl List * 31.1.1905 - † 2.12.2005


Am 2.12.2005 verstarb Karl List im Alter von fast 101 Jahren in Lahr. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde seine Tätigkeit als Denkmalpfleger im Nachrichtenblatt 1 / 2005 gewürdigt.

Karl List wurde als Sohn eines Gärtnermeisters in Witzenhausen geboren. Nach dem Abschluss der Volksschule besuchte er wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten die Kunstschule in Kassel. Dort wurde er zum Grafiker ausgebildet und besuchte außerdem gleichzeitig eine Architektenschule. Während des Zweiten Weltkrieges leitete er zunächst eine Baueinheit bei der Erstellung von Westwallanlagen in der Ortenau. Gegen Kriegsende wurde er an der Ostfront als Berichterstatter eingesetzt.

Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Lahr, wo seine Familie seit 1939 lebte, verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst als Illustrator und Autor von Jugendbüchern beim Verlag Moritz Schauenburg in Lahr.

Ab 1955 arbeitete er im Planungsamt der Stadt Lahr. In seiner Freizeit betätigte er sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter des staatlichen Amtes für Denkmalpflege. 1962 erhielt er dort eine feste Anstellung.

Er betreute zahlreiche Restaurierungen und Umbauten im ganzen Regierungsbezirk Südbaden. Im Besonderen wirkte er auch mit bei der Ausweisung von Gesamtanlagen. Einen wesentlichen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete die Durchführung oder Betreuung von archäologischen Notgrabungen in Kirchen anlässlich des Einbaus moderner Heizungsanlagen. In unterschiedlichen Publikationen berichtete er über diese Grabungen, so im Falle der Kirche St. Peter und Paul in Lahr-Burgheim, den Kirchen in Fischingen oder Höllstein und vielen anderen.

Besonders hervorzuheben sind seine Arbeiten an der ehemaligen Klosterkirche von Sulzburg, deren Ergebnisse er auch als Buch publizierte.

Bereits als Pensionär leitete Karl List - im Auftrag des Landesdenkmalamtes - von 1972 bis 1975 die Ausgrabungen in der ehemaligen Klosterkirche in Schuttern, die er wohl als Krönung seiner Arbeit betrachtete.

Karl List war ein nimmermüder Streiter für die Anliegen der Denkmalpflege und der landesarchäologischen Forschung. Mit Begeisterung und Temperament vertrat er seinen Standpunkt und war dadurch ein ebenso geschätzter wie manchmal unbequemer Anwalt dieser Aufgabe.

Peter Schmidt-Thome

zurück