Die Hammerschmiede im Litschental - Seelbach
Erich Emil Reiser: Das uralte Hammerwerk im Litschental (Geroldsecker Land, Heft 2 - 1959/60), Seite 112-115
Dort, wo einst die Streitäxte römischer Soldaten durch Wildnis einen Weg den Sohlgraben hinab bahnten, um dann entlang des Bachlaufes zur Schutter vorzustoßen, in jenem Engpaß zwischen Grassert und Hasenberg ist schon vor vielen hundert Jahren kultivierte Bauernheimat geworden. Von der alten Römerstraße sind nur noch wenige Spuren zu entdecken. Die Welt ist draußen geblieben. Nur das engumgrenzte Leben der Hofgüter pulst nahe beieinander. Verträumt ruhen die grünen Forsten unter dem Himmelsdom. Alles ringsum ist so anheimelnd bescheiden und dabei doch so gottnahe wie jedwede Herrlichkeit der Schöpfung. Erst seit jüngster Zeit geht der motorisierte Verkehr auch durch diese ehedem so schweigende Einsamkeit.
Litschental nannten unsere Altvordern diesen Erdenwinkel, der heute mit zu den bekanntesten Ausflugszielen unserer Wanderer und Heimatfreunde zählt. Lützelschutter (kleine Schutter) hießen sie das silberhelle Wässerlein, das munter plauschend der größeren Schwester, der Schutter, entgegeneilt. Nun sind es aber schon gut fünfhundert Jahre her, seitdem dieses Wasser zu Frondiensten gezwungen wurde, oft Tag und Nacht, im Sommer wie im Winter, wenn die Frühlingslüfte durch das Tal säuseln und auch im Herbst, wenn in vieldutzend Farben die Wälder leuchten. Da stand nämlich im Wiesengrund, dort, wo das Tal die Sohl verläßt, schon lange ehe die Buchdruckerkunst erfunden war, das Hammerwerk, dessen Schaufelräder das trotzig schäumende Bergkind antreiben muß. Mit seinen jungen Kräften werden die schweren Hämmer in Bewegung gesetzt, die in jenen längst entschwundenen Zeiten glühendes Eisen zu Schwertern formten und heute - lange nachdem - land- und forstwirtschaftliche Geräte fertigen.
Wann die Hämmer erstmals durch das aufgeschreckte Wiesental dröhnten, weiß niemand mehr. Nicht immer kann der Heimatforscher in das Dunkel der Vergangenheit vordringen, alte Urkunden aufstöbern und die geschichtlichen Unterlagen zu einer geschlossenen Chronik vereinen. Was aber mündliche Überlieferungen berichten, gehört nicht selten in das Reich der Sagen und Legenden, oft sind es auch nur Mutmaßungen, die Schmetterlingen gleich um ein Wunschbild gaukeln, verwehte Blätter, von denen man nicht sagen kann, von welchen Bäumen sie die Winde wegtrugen.
So liegen die Dinge auch um die Geschichte der ehemaligen geroldseckischen Waffenschmiede im Litschental. In zahlreichen Schriften wird wohl von ihr einiges erzählt; die Chronik des Marktfleckens Seelbach von Josef Himmelsbach widmet ihr sogar mehrere Stellen, und doch fehlt das entscheidende Faktum. Wohl werden wiederholt auch in Erbschaftsangelegenheiten, Pfandbriefen und Beleihungen das Litschental, die Königshub, der Tretenhof, der Omersbach und viele andere geroldseck-dautensteinische Grundstücke, Rechte und Pfründen erwähnt, doch von der alten Schwertschmiede liegen weder Urkunden noch ein Meisterbrief vor. Nur wenige alte Zeugnisse deuten auf ihre Existenz hin. Durch den Dreißigjährigen Krieg und den Abbrand des früheren Pfarrhauses (1694) gingen zahlreiche Akten verloren. Es steht daher auch nicht fest, wann aus der Waffenschmiede die heutige Geräteschmiede geworden ist. Jedoch ist anzunehmen, daß das Litschental schon unter den Lützelhardtern urbar gemacht worden war. Die Geroldsecker zogen um 1220 n. Chr. auf der neuen Burg auf. Seelbach wurde später Hauptort der Grafschaft und schließlich Residenz des kleinen Fürstentums von der Leyen. In jener Zeit, als die Geroldsecker Reichsgrafen herrschten, waren zuweilen unruhige Zeiten. Umherziehende Bettler und Vagabunden, vor allem aber die Kriege und Fehden machten eine Waffenwerkstätte in Dorf und Herrschaft notwendig. Die Welt wußte noch nichts vom Schießpulver. Da aber jegliches Schriftstück von Hand geschrieben wurde, die hochherrlichen Secretare auch keineswegs schreibwild waren und das Kreuzle- und Strichlemachen, abgesehen von den Zins- und Fronbüchern, den Untertanen, in der Hauptsache den Vögten überließen, gibt es inbezug auf die Schwertschmiede nichts Schriftliches. Und dort wird man wohl die Aufträge des Grundherrn an die schwarzen Wände geschrieben haben.
Doch beschauen wir uns einmal dieses uralte Litschentäler Hammerwerk, dieses brüchige, von tausend Wettern zernagte Gemäuer - von dem der Vater des derzeitigen Hammerschmiedmeisters, Hermann Fehrenbach, sagt: "Viel Sorge het des alt Glumpp do unte uns schun g'macht" -! Höchst interessant ist die alte Wasserkraftanlage. Durch die Enge des Zulaufes wird das Wasser des Baches buchstäblich bergwärts getrieben. Ein langer Holzkähner führt an die Hinterfront des Gebäudes. Beinahe aus Dachhöhe stürzen die Wasser auf das Schaufelrad herab. Sind die Hämmer angeschlossen, dann herrscht hier eine ohrenbetäubende Musik. Die Hämmer poltern auf den Hammerstock nieder. Aus Eschenholz ist der Hammerbalken, aus Granit der Hammerstock, in dessen Mitte der stählerne Aufschlag eingetrieben ist. Das mächtige eichene Hammergerüst gibt den beiden Hämmern Halt und Richtung. Der eine der Hämmer wird als Streckhammer, der andere als Platthammer bezeichnet. Hinter dem Hammergerüst befinden sich die Heberäder, welche die Hämmer in Bewegung setzen und ihren gleichmäßigen Schlag regeln. Mit ungeheuerer Wucht donnern diese auf die mit Zangen gehaltenen weißglühenden Eisenstücke nieder. Helle Funken sprühen nach allen Seiten. Das stärkste Eisen wird zu dünnen Platten geschlagen, welche dann zu Kärsten und Säsle zugehauen werden. Auf die rohe Bearbeitung folgt dann das Zuschleifen und Polieren auf dem riesigen Schleifstein im abgesonderten Arbeitsraum.
Die Erzeugnisse der Litschentäler Hammerschmiede sind vielseitig und weit über das Schuttertal hinaus bekannt. Als. besonderes Gütezeichen tragen sie ein eingehauenes vierblättriges Kleeblatt.
Wer einmal mit dem Meister dieser schweren Kunst vor den Hämmern oder neben der Esse steht, dessen handwerkliches Können sieht, vor allem die Fixigkeit, mit der er das glühende Eisen unter den schlagenden Hämmern wenden, drehen und spalten muß, der bewundert ihn nicht nur seiner Berufstreue wegen. Die Arbeit der Hammerschmiede erfordert gerade heute viel Hingabe und ein langes Tagewerk, wollen sie mit der fabrikmäßigen Herstellung der gleichen Erzeugnisse konkurrieren. Und unser Meister wehrt sich gar um die Erhaltung dieses uralten aussterbenden Handwerkes, das schon seine Urgroßväter ausgeübt haben.
Die Hammerschmiede Fehrenbach stammen aus St. Peter im Schwarzwald. Der Hammerschmied Josef F., Sohn des im Jahre 1697 in St. Peter geborenen und dort verstorbenen Hammerschmieds Johannes Fehrenbach, heiratete im Litschental die Tochter Barbara des Hammerschmieds Michael Mayr und übernahm die dortige Schmiede. Er übergab sie seinem mit Maria Anna Müllerleile vom Kasperhof im Schuttertal verheirateten Sohn Anton Fehrenbach. Dieser erbaute 1821 das neben der Hammerschmiede stehende Gasthaus "Zum Schwert". Auf dem ehemaligen Gottesacker neben der Pfarrkirche begrub man die alten Meister der Schmiedekunst, ehe der neue Bergfriedhof angelegt wurde. Auf dem alten Kirchhof steht ein verwitterter Grabstein, auf dem zu lesen ist: "Franz Xaver Fehrenbach, geboren 1796, gestorben 1836, gewesener Hammerschmied und Schwertwirt". Dieser, und nach ihm sein Bruder Benedikt betrieben die Hammerschmiede nach dem Tode ihres Vaters Anton. Der Sohn des Benedikt, der Hammerschmied Ludwig Fehrenbach, verließ das Litschental und übernahm die letzte heute noch im nördlichen Schwarzwald befindliche Hammerschmiede in Kappelrodeck im Achertal.
Bernhard Fehrenbach übernahm die Litschentäler Schmiede nach dem Tode seines Vaters Matthias, eines weiteren Sohnes des Anton Fehrenbach und dessen Ehefrau Maria Anna geb. Müllerleile. Es war dies im Jahre 1886. Dessen Sohn, Hermann Fehrenbach, wurde 1907 Vollwaise. Er verehelichte sich mit Amalia Himmelsbach vom Hasenhof auf dem Hasenberg. Diese verschied 1955. Hermann Fehrenbach begeht dieses Jahr sein 50 jähriges Meisterjubiläum. Drei Söhne des allseits wertgeschätzten Meisters haben ebenfalls das väterliche Handwerk erlernt; der eine, Josef Fehrenbach, verunglückte jedoch vor 25 Jahren in der Schleiferei tödlich. Der große Schleifstein zerriß und erdrückte ihn. Hermann Fehrenbach ist vor einigen Jahren neuer Schwertwirt geworden, so daß jetzt nur noch Hammerschmiedemeister Ludwig Fehrenbach dem Betrieb vorsteht.
Wie oft in dem Hammerwerk bauliche Veränderungen vorgenommen werden mußten, ist nicht genau zu sagen. Nach alldem, wie die Werkstätte heute noch aussieht, dürften innen und außen größere Renovierungen wohl selten vorgenommen worden sein. Geheimnisvolle Düsterheit umgibt das ganze niedergeduckte Gebäude, das so seltsam mit den rauschenden Wassern und der festen Erde verbunden ist. Selbst die vielen kleinen Fenster an der Vorderfront erhellen das Dunkel in der Schmiede nur wenig. Aus starken Bruchsteinen sind die Wände zusammengefügt. Mit allerlei Ziegelsorten ist das Dach gedeckt. Einige zusätzliche Maschinen stehen neben den schweren Riesenhämmern, die aber zum Teil auch schon eine gewisse Museumsreife haben. Mit viel Sinn und Liebe hat man die Ursprünglichkeit des vielbewunderten, uralten Werkes erhalten. Zahlreiche Schulklassen, hunderte von Kurgästen aus der ganzen Umgebung besuchen alljährlich diese historische Stätte, und sie staunen, daß es so etwas in unserem Zeitalter der höchsten technischen und maschinellen Vervollkommnung überhaupt noch gibt.