Die Stadt- und Grundherrschaften der Bischöfe von Straßburg im Bereich der mittelalterlichen Ortenau
Von Hans-Martin Pillin - Die Ortenau 1977, S. 35 ff.
In meinen Ausführungen will ich Ihnen die Entstehung und die Wesensmerkmale der bischöflich-straßburgischen Stadtherrschaft auf rechtsrheinischem Gebiet sowie die bischöflich-straßburgische Herrschaft über die von den Straßburger Bischöfen erworbenen ländlichen Gebiete in der Ortenau aufzeigen.
Diese Gegenüberstellung darf jedoch von vornherein nicht den Anschein erwecken, als handle es sich in diesem Referat - entsprechend der älteren Stadtgeschichtsschreibung - um eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Stadt, verstanden als urbaner Korporationsverband mit demokratischer, gleichberechtigter Mitbestimmung aller Bürger, und Land, verstanden als der agrarische Herrschaftsverband mit despotischem Einweg-Verhältnis von Befehl und Gehorsam. Die Verhältnisse in den bischöflieh-straßburgischen Stadt- und Grundherrschaften der Ortenau sind anders gelagert, differenzierter und vielschichtiger als dies die genannte Typisierung wiedergibt.
Fragen wir also nach den Bestimmungsmerkmalen der ortenauischen Stadt- und Grundherrschaften der Bischöfe von Straßburg. Sie können vorab durch die Skizze ihrer Entwicklung herausgestellt werden.
Bei den ehemaligen bischöflich-straßburgischen Städten der Ortenau handelt es sich um ETTENHEIM, RENCHEN, OBERKIRCH und OPPENAU.
So sehr sich die vier genannten Städte seit ihrer Übernahme durch das Bistum Straßburg in ihrer Verfassungsnorm und auch in ihrer Verfassungswirklichkeit ähnelten, so unterschiedlich ist ihre Entstehungsgeschichte.
Die älteste bischöflich-straßburgische Stadt der Ortenau ist zweifellos die südlich des Ettenbachs bei dessen Austritt aus den Vorbergen gelegene Stadt Ettenheim, die kaum viel später entstanden sein dürfte als das im hinteren Unditztal erbaute Benediktiner-Kloster Ettenheimmünster. Die Anfänge dieses Klosters sind im ersten Drittel des 8. Jahrhunderts zu suchen, Als Gründer hat die Überlieferung Bischof Widigern von Straßburg festgehalten, der dieses Kloster um das Jahr 728 in der Mark Ettenheim errichten ließ und es mit einem Gut ausstattete, das Graf Ruodhar und seine Gemahlin Wisigardis zuvor der Straßburger Marienkirche geschenkt hatten. Das mit der Ruodhar’schen Schenkung dotierte Kloster kam jedoch bald in Verfall, mußte neu gegründet und mit größerem Besitz versehen werden. Diesmal war es Bischof Eddo von Straßburg (734 - 775), der diese Neugründung vornahm. Dabei verlegte er das Kloster an den Sterbeort des hl. Landolin. Dort erhielt es auch den Namen "monasterium divi Ettonis", aus dem später Ettenheimmünster wurde.
Das neue Ausstattungsgut bestand aus der Schenkung, die Herzog Ernst von Alemannien dem Bistum Straßburg gemacht hatte. Zu dieser Schenkung gehörten auch Güter, die im Bannbezirk von Ettenheim lagen.
Diese frühesten Quellenhinweise zum Kloster Ettenheimmünster bestätigen hinsichtlich Ettenheims lediglich dies, daß dieser Ort bereits im 8. Jahrhundert existierte, Dieser Sachverhalt wird übrigens auch durch den Ortsnamen bekräftigt, da Ettenheim zu den alten heim-Orten gehört.
Alle weiteren Aussagen zur Geschichte Ettenheims jener frühen Zeit basieren auf Vermutungen. So soll sein Gründer Ettiko II. aus dem elsässisch-alemannischen Herzogsgesschlecht der Ettikonen sein, dessen Tod in die Zeit zwischen 712 und 715 fällt und dessen Besitz in der Mark Ettenheim nach seinem Tode auf den oben genannten Grafen Ruodhar übergegangen sein soll, der seinen Ettenheimer Besitz der Straßburger Marienkirche vermachte.
Von entscheidendem Interesse dürfte nunmehr die Frage sein, wann die Bischöfe von Straßburg den Ort Ettenheim, der im 8. Jahrhundert im Bereich der bischöflich-straßburgischen Ausstattungsgüter für das Kloster Ettenheimmünster lag, in Besitz nahmen und unter welchen Umständen dies geschah.
Die beiden Straßburger Bischöfe Otto von Hohenstaufen (1082 - 1100) und Cuno von Michelbach (1100 - 1123) hatten sich das Ziel gesetzt, das weltliche Herrschaftsgebiet des Bistums Straßburg zu vergrößern, das rechts des Rheins seit der Schenkung des fränkischen Adligen Siegfried aus dem Jahre 1070 im Sasbach-, Acher- und Renchtal bereits beträchtliche Ausmaße angenommen hatte. In den Jahren zwischen 1098 und 1111 gelang es den beiden genannten Inhabern des Straßburger Bischofstuhles, durch Gewaltmaßnahmen dem Kloster Ettenheimmünster den westlichen Teil seiner Besitzungen in der Mark Ettenheim und andere Besitzungen des Klosters in der südlichen Ortenau wegzunehmen. Den Hauptort der geraubten Güter bildete Ettenheim, wo die Bischöfe von Straßburg in der Folgezeit ihren Verwaltungssitz für die neuen bischöflich-straßburgischen Besitzungen in der südlichen Ortenau einrichteten. Die Mönche von Ettenheimmünster hatten sich zwar energisch gegen die Eroberungspolitik des Bistums Straßburg gewehrt und erreicht, daß Kaiser Heinrich V. am 2. Oktober 1111 durch ein Edikt dem Bistum Straßburg weitere widerrechtliche Aneignungen klösterlichen Gebietes von Ettenheimmünster untersagte. Die Mönche mußten sich aber dennoch mit den neuen Gegebenheiten abfinden.
Die nächste Nachricht über Ettenheim nach der Inbesitznahme durch das Bistum Straßburg datiert vom 25. August 1221. An diesem Tag verpflichtete sich der letzte Stauferkönig, Friedrich II., den von ihm nach Mahlberg verlegten Markt wieder in Ettenheim abhalten zu lassen. Diese Mitteilung berechtigt zu der Feststellung, daß Ettenheim schon im 12. Jahrhundert das Marktrecht besaß und als Ort, der Handel und Gewerbe förderte und außerdem ein fester, sicherer Stützpunkt für Handel und Verkehr sein mußte, bereits in diesem Jahrhundert wesentliche Merkmale einer mittelalterlichen Stadt aufwies.
Eine offizielle Stadtrechtsverleihung an Ettenheim scheint nie erfolgt zu sein, denn keine der überlieferten Quellen zu Ettenheim erwähnt diesen wichtigen Sachverhalt. Ein solcher Rechtsakt war offensichtlich nicht erforderlich, da Ettenheim als befestigte Marktstadt und als politischer und grundherrlicher Verwaltungsmittelpunkt des Bistums Straßburg in der südlichen Ortenau schon früh alle Qualifikationen einer Stadt aufweisen konnte.
Die Bedeutung Ettenheims als Stadt konnten die Bischöfe von Straßburg überdies auch insofern vergrößern, als sie Ettenheim zum "Hauptstädtchen" eines geschlossenen bischöflich-straßburgischen Herrschaftsgebietes bestimmten, das sich auf die Stadt Ettenheim und die Dörfer Kappel a. Rh., Ringsheim, Burgbach, Trisloch, Grafenhausen, Reichenweier und Nonnenweier erstreckte. In diesem Herrschaftsgebiet übten die Bischöfe von Straßburg, vertreten durch ihren in Ettenheim residierenden Herrschagtsvogt, nicht nur grund- und ortsherrschaftliche Befugnisse aus, sondern nahmen auch alle landesherrlichen Befugnisse über alle Untertanen dieses Gebietes wahr. Die Entwicklung der Ettenheimer Landesherrschaft war, begünstigt durch die beiden Privilegien Kaiser Friedrichs II. von 1220 und 1232, nämlich die Konföderation mit den geistlichen Fürsten und das Statut zugunsten der weltlichen Fürsten, spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts abgeschlossen, wie beispielsweise das Ettenheimer Weistum aus dem Jahre 1319 zu erkennen gibt.
Aus diesem Weistum, d.h. aus den Aufzeichnungen der Rechtsgewohnheiten Ettenheims, geht aber auch hervor, daß die Stadt Ettenheim eine weitere Aufwertung dadurch erhalten hatte, daß sie auf dem Gebiet der Blutgerichtsbarkeit, vielleicht in Anlehnung an karolingische Verhältnisse, Mittelpunkt für einen Gerichtsbezirk geworden war, der sich nicht um Territorialgrenzen kümmerte, da er sowohl die zum Kloster Ettenheimmünster gehörenden Ortschaften Ettenheimmünster und Münchweier als auch die oben genannten bischöflich-straßburgischen Orte der Herrschaft Ettenheim und außerdem die teils vom Bistum Straßburg, teils von anderen Herrschaften zu Lehen ausgegebenen Dörfer Rust, Orschweier, Altdorf, Wallburg und Wittenweier umfaßte.
Später als in Ettenheim und früher als in Oberkirch und Oppenau verschafften sich die Bischöfe von Straßburg ihren Einfluß und die Ortsherrschaft in Renchen.
Die in den Jahren 1877 und 1893 im Ortsbereich von Renchen gefundenen römischen Eisenluppen und Reste von römischen Glasgefäßen lassen den Schluß zu, daß daselbst bereits in römischer Zeit eine kleine Siedlung bestand, die jedoch den Niedergang der Römerherrschaft nicht überstanden zu haben scheint.
Der mittelalterliche urkundliche Ausgangspunkt für die Besitz- und Herrschaftsverhältnisse im Gebiet der heutigen Stadt Renchen datiert vom 7. Oktober 1070. An diesem Tag vermachte ein fränkischer Adeliger namens Siegfried, der ohne Nachkommen geblieben war, dem Bistum Straßburg auf Betreiben Bischof Werners II. sein Erbgut Ulm und die Ullenburg mit allem Zubehör. Teile der weitausgedehnten Ulmer bzw. Ullenburger Besitzungen, die sich sehr genau aus dem Urbar (= Güterverzeichnis) Bischof Bertholds II. von Straßburg vom Jahre 1346 ermitteln lassen, lagen im Bannbezirk von Renchen. Der bischöflich-straßburgische Besitz in Renchen übertraf an Größe und Umfang bei weitem denjenigen anderer Herrschaften auf der Gemarkung Renchens. Dieser Sachverhalt muß mit Nachdruck herausgestellt werden, denn die bischöflich-straßburgischen Besitzungen in Renchen wurden die Voraussetzung für die Ausbildung der Ortsherrschaft der Bischöfe von Straßburg über Renchen, die sich schon für das Jahr 1228 eindeutig nachweisen läßt.
Die Entwicklung zur bischöflichen Ortsherrschaft in Renchen war nicht zwangsläufig, zumal in einem Schenkungsbuch des Klosters Reichenbach im Murgtal für das Jahr 1115 erstmals ein Ortsadel bezeugt ist, der sich "von Reinecheim" nannte und sich neben den bischöflichen Besitzungen in Renchen einen Burgsitz erbaute, um den sich im 12. Jahrhundert das eigentliche Dorf Renchen bildete.
Möglicherweise handelte es sich bei den Rittern von Renchen um zähringische Ministerialen bzw. Lehensleute, die im Laufe des 12. Jahrhunderts auch die ullenburgischen Güter in Renchen mitverwalteten, da diese vom Bistum Straßburg als Lehen an die Herzöge von Zähringen vergeben worden waren. Letzteres sei mit dem Hinweis untermauert, daß in einer Bulle Papst Innocenz III. vom 5. Februar 1203, in der die Stiftung des Klosters Allerheiligen bestätigt wurde, Herzog Hugo von Zähringen, der jüngste Bruder Herzog Bertholds IV. von Zähringen, als Herzog von Ullenburg aufgeführt wird.
Als im Jahre 1218 mit Berthold V. der letzte Herzog von Zähringen gestorben war, fiel der an die Zähringer verliehene Ulmer Besitzkomplex, innerhalb dessen bekanntlich Renchen lag, an das Bistum Straßburg zurück. Zehn Jahre später, am 5. Juli 1228, wurde dann jene Urkunde ausgestellt, die uns als erste volle Klarheit über die politische Zugehörigkeit des Dorfes Renchen vermittelt. Es heißt in dieser Urkunde nämlich, Renchen und Ullenburg mit allem Zubehör (Reinecheim et Ulmeburce cum suis attinentiis) seien vom Bistum Straßburg an die Markgrafen von Baden verpfändet und sollten bis zur Osteroktav 1228 wieder eingelöst werden. Renchen war infolgedessen ein wichtiger Bestandteil der ullenburgischen Besitzungen geworden - der Ort wird ja unter allen anderen namentlich erwähnt - und stand in enger Verbindung mit der Ullenburg unter bischöflich-straßburgischer Oberhoheit.
Die wachsende und schließlich dominierende Stellung Renchens innerhalb der im 13. Jahrhundert noch auf die ullenburgischen Besitzungen beschränkte bischöflich-straßburgische Herrschaft im Gebiet des Sasbach-, Acher- und Renchtales wird besonders deutlich im Zusammenhang mit dem "Walther’schen Krieg" von 1262 dokumentiert: Nachdern die Stadt Straßburg ihren Gegner, den jugendlichen Straßburger Bischof Walther von Geroldseck, besiegt und die wichtigsten Stützpunkte der bischöflichen Macht in ihre Hände bekommen hatte, verpflichtete die Stadt Straßburg am 5. März 1263 die Bürgerschaft von Renchen (universitas civium in Reinicheim) als Repräsentantin der Herrschaft Ullenburg dazu, daß Renchen in Zukunft nur einem der Stadt Straßburg genehmen Bischof zu huldigen habe. Da Renchen in der Urkunde von 1263 mit dem Begriff "civitas" näher gekennzeichnet wird, darf angenommen werden, daß dieser Ort zu diesem Zeitpunkt bereits den Status einer kleinen Stadt angenommen hatte. Diese Vorstellung wird mit einem Quellenhinweis aus dem Jahre 1313 erhärtet, denn Renchen wird nunmehr als "oppidum", d.h. als ein durch Mauern geschützter Marktflecken, aufgeführt.
Die nächste wichtige Etappe auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Renchen und dem Bistum Straßburg war in den Jahren 1316 und 1321 erreicht. Bischof Johann I. hatte in diesen Jahren durchgesetzt, daß sein Gönner, König Friedrich von Habsburg, durch zwei Urkunden den Rückzug der Reichsgewalt aus dem Sasbach-, Acher- und Renchtal anordnete und damit den Weg zur Landesherrschaft der Bischöfe von Straßburg über die drei genannten Täler ebnete.
Zur Sicherung der anfänglich gefährdeten und von anderen Machtträgern in Frage gestellten Landesherrschaft suchte Bischof Johann I., aus seinen Besitzungen Kristallisationspunkte der Herrschaftsbildung im Sasbach-, Acher- und Renchtal zu machen. Speziell die Marktstädte dieses Gebietes sollten eine merkliche Aufwertung erfahren. Deshalb wurde Bischof Johann I. bei König Friedrich dem Schönen von Habsburg vorstellig, der dann am 10. Mai 1326 sowohl für Renchen als auch für Oberkirch eine Urkunde ausstellen ließ, in der er diesen beiden Kommunen offiziell die in Offenburg praktizierten Stadtrechte verlieh.
Bezüglich Renchen läßt sich dies erhellen aus dem Schreiben der Bürgerschaft Renchens vom 4. Juli 1327, in dem sie Bischof Johann I. verspricht, ihre Stadtrechte nicht gegen den bischöflichen Stadt- und Landesherrn zu gebrauchen.
Leider konnte Renchen nur wenige Jahre ungestört im Genuß der königlich verbrieften Stadtrechte verbleiben, denn im Jahre 1331 wurde die Stadt im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen der Partei Ludwigs des Bayern und den Habsburgern von den Parteigängern des Bayern, dem Grafen von Württemberg, den Rittern von Schauenburg und dem von Ludwig zum Grafen der Ortenau ernannten Grafen von Oettingen, gestürmt. Dabei steckte ein Renchener Bürger bei seiner Flucht die Stadt in Brand, um sie für die Partei Ludwigs des Bayern wertlos werden zu lassen.
Dieser Brand war zweifellos die entscheidende Ursache dafür, daß Renchen in der Folgezeit keine weiteren Ansätze zu städtischer Entwicklung mehr zeigte. Damit soll jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß Renchen nach seinem Wiederaufbau gänzlich den Charakter einer Stadt verloren hatte. Der Ort hob sich auch weiterhin von den Dörfern des bischöflichen Herrschaftsgebietes ab, spielte aber gegenüber Oberkirch und Oppenau eine zweitrangige Rolle.
Die Heraushebung Renchens gegenüber den bischöflichen Dörfern wird nicht zuletzt damit dokumentiert, daß die Bischöfe von Straßburg bei der im endenden 14. Jahrhundert vollzogenen Einrichtung von Gerichtsbezirken Renchen zum Mittelpunkt eines Gerichtsbezirkes machten, der neben Renchen auch Wagshurst und Honau a. Rh. umfaßte.
Außerhalb des 1070 an das Bistum Straßburg gelangten Ullenburger Besitzkomplexes und im direkten Einflußbereich der Herzöge von Zähringen lag ursprünglich Oberkirch. Es verwundert demnach nicht, daß die Bischöfe von Straßburg erst im Zusammenhang mit dem Rückzug der Zähringererben aus großen Teilen des Renchtales hier Fuß fassen konnten.
Ausgangspunkt für die Entstehung Oberkirchs war der Nußbacher Hof, den Kaiser Heinrich II. im Jahre 1007 mit allem Zubehör dem Bistum Bamberg verlieh. Im endenden 10. oder im beginnenden 11. Jahrhundert entstand von Nußbach aus nördlich der Rench, und zwar dort, wo diese sich von den Vorbergen wegwendet und einen breiteren Taltrichter bildet, auf Reichsboden jene Siedlung, die bald nach der dortigen Nußbacher Tochterkirche Oberkirch benannt wurde, da diese Tochterkirche oberhalb der Mutterkirche zu Nußbach erbaut worden war. Als Vögte des Nußbacher Hofes und damit auch Oberkirchs wurden die Grafen des Breisgaus und späteren Herzöge von Zähringen eingesetzt, die nachweisbar seit 1016 auch das Grafenamt der Ortenau innehatten. Die Besiedlung des Dorfes Oberkirch, das erstmals in einem Kirchenkalender des Klosters Honau aus dem 11. Jahrhundert mit dem Namen Oberkirch aufgeführt wird, wurde von den Zähringern nachhaltig gefördert. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß Oberkirch bereits im Jahre 1225 urkundlich als "civitas", d.h. Bürgergemeinde bzw. Stadt, bezeichnet wird und in diesem Jahre angesichts seiner Größe den Rang einer selbständigen Pfarrei erhielt. Die Gründe, die die Zähringer zur Vergrößerung Oberkirchs bewogen haben, liegen auf der Hand:
Einmal lag der Ort an der wichtigen West-Ost-Verbindungsstraße, die durch das Renchtal über den Kniebis nach Schwaben führte, zum andern war zu Beginn des 12. Jahrhunderts die im 11. Jahrhundert durch Herzog Berthold II. von Zähringen erbaute Schauenburg der unmittelbaren Besitzherrschaft der Zähringer entglitten, denn Luitgard von Zähringen brachte sie als Mitgift ihrem Gemahl Gottfried von Calw. Letzteres hat wohl den Ausschlag dafür gegeben, daß die Zähringer bzw. deren Erben südlich der Rench zum Schutze Oberkirchs eine neue Burg erstellen ließen, die im Laufe des 13. Jahrhunderts den Namen Fürsteneck erhielt.
Die politisch-militärische Bedeutung Oberkirchs wuchs noch, als die Markgrafen von Baden, die als Zähringererben Oberkirch und die Burg Fürsteneck nach dem Tode des letzten Zähringers im Jahre 1218 als Reichslehen erhalten hatten, Oberkirch mit einer Schutzmauer umgeben ließen und diesen Ort zur Marktstadt des vorderen Renchtales erhoben.
Im Jahre 1246 wurde Oberkirch, das inzwischen die wesentlichen Eigenschaften einer mittelalterlichen Stadt aufwies, von Gegnern der Markgrafen von Baden zerstört.
Das neuerstandene Oberkirch hatte seinen Mittelpunkt nicht mehr am Abhang der nördlichen Bergseite bei der Schauenburg (heute Gewann Leimen-Hungerberg), sondern dort, wo heute der historische Stadtkern von Oberkirch angetroffen wird.
Einen Dokument aus dem Jahre 1286 ist zu entnehmen, daß König Rudolf I., von Habsburg die Reichslehen Oberkirch und Fürsteneck eingezogen hatte und sie am 20. April dieses Jahres seinen treuen Gefolgsleuten, den Grafen Friedrich und Egino von Fürstenberg, für immer und als freies Eigentum übertrug.
Die Marktstadt Oberkirch, die nunmehr Privatbesitz der Grafen von Fürstenberg geworden war, wechselte jedoch bald wieder den Besitzer, denn die finanziellen Schwierigkeiten zwangen die Fürstenberger, unter anderem Oberkirch und Fürsteneck zu verkaufen. Als Käufer bot sich Bischof Friedrich I. von Straßburg an, der am 3. Januar 1303 Oberkirch und Fürsteneck für 600 Mark Silber für das Bistum Straßburg erwarb. Wenige Monate später verzichteten die Fürstenberger auch auf das vertraglich festgelegte Rückkaufsrecht, wobei sie jedoch den Verkaufspreis für die Marktstadt Oberkirch und die Burg Fürsteneck auf 1.150 Mark Silber erhöhten. Der relativ hohe Verkaufspreis hängt ursächlich damit zusammen, daß der Grund und Böden, der als Zubehör zu Oberkirch und Fürsteneck von den Fürstenbergern an das Bistum Straßburg verkauft wurde, beträchtliche Ausmaße hatte. Er erstreckte sich als Streubesitz auf das gesamte Renchtal.
Die Erwerbung Oberkirchs durch das Bistum Straßburg war Teil der hei Renchen schon erwähnten territorialpolitischen Zielsetzung der Straßburger Bischöfe, die bekanntlich darin bestand, die Landesherrschaft über das Sasbach-, Acher- und Renchtal zu erlangen.
Als Bischof Johann I. dieses Ziel in den Jahren 1316 und 1321 aufgrund einer Gunsterweisung seines Gönners, des Königs Friedrich von Habsburg, verwirklicht hatte, sollte Oberkirch eines der Zentren der bischöflichen Herrschaftsbildung im Sasbach-, Acher- und Renchtal werden. Bischof Johann I. erwirkte deshalb am 10. Mai 1326, daß König Friedrich anläßlich seines Besuches in Offenburg nicht nur Renchen, sondern auch Oberkirch mit den Stadtrechten der Reichsstadt Offenburg bedachte. Hinsichtlich Oberkirchs war die Stadtrechtsverleihung nichts anderes als die offizielle Bestätigung schon bestehender Rechte, denn Oberkirchs Bürger genossen, was urkundlich nachweisbar ist, schon vor 1326 die Freiheit und die Gewohnheiten einer Stadt.
Aus strategischen Überlegungen heraus ließ Bischof Johann I. im Anschluß an den königlichen Rechtsakt Oberkirch mit einem massiven Mauergürtel versehen und am West- und Osteingang der Stadt je einen mächtigen Torturm errichten. Der Nachfolger Bischof Johanns I. Berthold II. von Buchegg, sorgte schließlich dafür, daß die Oberkircher Befestigungsanlagen durch die Aushebung zweier Stadtgräben und durch die Erbauung weiterer Stütz- und Schutzmauern vervollständigt wurden.
Wie Ettenheim, so war auch Oberkirch von den Straßburger Bischöfen dazu auserkoren, das Hauptstädtchen eines bischöflich-straßburgischen Herrschaftsgebietes zu werden. Diese Entwicklung war im endenden 14. Jahrhundert abgeschlossen, als der bischöflich-straßburgische Herrschaftsvogt von der Ullenburg nach Oberkirch übersiedelte, wo er zusammen mit seinen Unterbeamten die oberste Verwaltung des Herrschaftsgebietes im Sasbach-, Acher- und Renchtal wahrnahm, das von da an "Amt Oberkirch" hieß.
Verbunden mit der Übersiedlung des Ullenburger Vogtes nach Oberkirch war die Einteilung des Amts Oberkirch in 6 Gerichtsbezirke. Für die Stadt Oberkirch bedeutete dies, daß das dortige Stadtgericht jetzt auch zuständig war für: Oberdorf, Altstadt, im Loh, Winterbach, Wolfhag, Butschbach, Hesselhach, Sendelbach, Diebersbach, Giedensbach, Ödsbach, Wälden, Schlatten. Im Jahre 1665 wurde dem Oberkircher Gerichtsbezirk noch Lautenbach eingegliedert.
Die jüngste Erwerbung einer ortenauischen Stadt durch das Bistum Straßburg datiert vom Jahre 1319. Es handelt sich dabei um die Stadt Friedberg, die noch im 14. Jahrhundert den Namen des benachbarten Dorfes Oppenau annahm. Zur Entstehungsgeschichte dieser Stadt und bezüglich der Art und Weise, wie der Übergang Friedbergs bzw. Oppenaus an das Bistum Straßburg vonstatten ging, seien folgende Hinweise gegeben:
Der Grund und Boden, auf dem die Stadt Oppenau entstand, gehörte ursprünglich den Herren von Schauenburg. Dies entnehmen wir einer Urkunde vom 9. Dezember 1299, in der sich das Kloster Allerheiligen bestätigen ließ, daß Friedrich von Schauenburg dem Kloster 5 1/2 Hufen in der Oppenauer Talmulde entlang dem Talgrund des Lierbachs geschenkt habe. Ferner wird in dieser Urkunde von 1299 mitgeteilt, daß auf besagtem Grund und Boden augenblicklich zerstreut 7 Einzelgehöfte stünden.
Als Bischof Johann I. von Straßburg 20 Jahre nach Ausstellung dieser Urkunde die 5 1/2 Hufen in der Oppenauer Talmulde käuflich erwarb, standen darauf eine kleine Stadt, die von einer Schutzmauer umgeben war, sowie eine Burg, die die Stadtsiedlung und den Kniebisweg kontrollieren und schützen sollte. Sowohl die Stadt als auch die Burg hatte den Namen "Friedberg" erhalten. Mit anderen Worten heißt dies, daß die Stadt Friedberg bzw. Oppenau in den beiden Jahrzehnten zwischen 1299 und 1319 unter der Regierung und Regie des Propstes Heinrich II. von Allerheiligen erbaut worden war. Die Ursachen, die zu dieser stadtgründung führten, sind hauptsächlich im wirtschaftlichen Bereich zu suchen:
Für den Kniebisweg, der als frühester wirtschaftlicher Lebensnerv Oppenaus anzusehen ist, war diese Stadt Einkehr-, Einstell- und Vorspannstation und ein Ort für bescheidenen Handelsverkehr. Erst in zweiter Linie hatte diese Stadt eine strategische Rolle zu übernehmen, und zwar insofern, als sie den Zugangsweg für das obere Lierbachtal und in späterer Zeit damit auch für das Kloster Allerheiligen sperrte und den Übergang über den Kniebis verhindern konnte.
Das genaue Datum für die offizielle Stadtrechtsverleihung an die zwischen 1299 und 1319 erbaute Stadt Friedberg-Oppenau ist nicht überliefert. Sicher ist nur dies, daß das Bistum Straßburg Friedberg-Oppenau im Jahre 1319 als Stadt übernahm und nicht um die Stadtrechtsverleihung nachsuchen mußte.
Um die beiden Verträge des Jahres 1319, welche die Übernahme von Stadt und Burg Friedberg-Oppenau regelten, besser verstehen zu können, bedarf es einer Vorbemerkung: Den Grund und Boden, auf dem zwischen 1299 und 1319 Stadt und Burg Friedberg entstanden, hatten Propst und Konvent des Klosters Allerheiligen einem Meier, sprich Verwalter, mit dem Namen Konrad auf der Grundlage der Erbpacht übertragen. Dieser Meier Konrad, der noch vor 1319 gestorben ist, muß der wirtschaftliche Unternehmer der Stadtanlage von Anfang an gewesen sein. Das Kloster Allerheiligen hatte infolgedessen nur die ideelle Trägerschaft für den Bau von Stadt und Burg Friedberg übernommen.
Die 15 Namen umfassende Nachkommenschaft des Meiers Konrad verkaufte am 5. Juli 1319 für 34 Pfund Straßburger Pfennige dem Bistum Straßburg ihr auf dem Eigen des Klosters Allerheiligen im Oppenauer Tal gelegenes Erbgut, auf dem Burg und Stadt Friedberg erbaut worden waren. Gleichzeitig vereinbarten die Verkäufer mit Bischof Johann I. von Straßburg, daß sie besagtes Erbgut in die Hände des Propstes von Allerheiligen zurückgäben, damit dieser es dem Bistum Straßburg verleihe, Etwa 3 Wochen später, am 21. Juli 1319, übergab dann Propst Heinrich II. von Allerheiligen das Erbgut Friedberg-Oppenau im Tausch gegen ein bischöflich-straßburgisches Eigengut in Tiergarten bei Oberkirch an das Bistum Straßburg.
Die Erwerbung von Friedberg-Oppenau durch das Bistum Straßburg ist im Zusammenhang mit dem Bemühen des Straßburger Bischofs Johann I. zu sehen, der zielbewußt aufgrund der königlichen Privilegien von 1316 und 1321 die Errichtung und den Ausbau der bischöflich-straßburgischen Landesherrschaft im Sasbach-, Acher- und Renchtal betrieb. Durch den Besitz Oppenaus konnte das Bistum Straßburg das gesamte hintere Renchtal, das besitzrechtlich größtenteils nicht zum Bistum Straßburg gehörte, kontrollieren und schließlich auch beherrschen.
Im endenden 14. Jahrhundert war diese Zielsetzung nahezu verwirklicht. Das Oppenauer Stadtgericht war jetzt auch Gerichtsinstanz für alle Dörfer, Weiler und Gehöfte des hinteren Renchtales geworden, von wo aus mit Zustimmung des Bischofs viele nicht erbberechtigte Bauernkinder in die Stadt Oppenau übersiedelten.
Nachdern nunmehr die entstehungsgeschichtlichen Leitlinien der vier bischöflich-straßburgischen Städte der Ortenau aufgezeigt sind, soll es jetzt unsere Aufgabe sein, einige allen vier Städten gemeinsame Bestimmungselemente und Aufgaben
herauszustellen, die sich ergeben aufgrund des intensiven Studiums der Quellen zur Oberkircher Stadtgeschichte und nach der Lektüre wichtiger Dokumente der drei übrigen ehemals bischöflich-straßburgischen Städte.
Die besondere Stellung der vier Städte Ettenheim, Renchen, Oberkirch und Oppenau gegenüber den nichtstädtischen Untertanen des Bistums Straßburg wird in der überlieferten Verleihungsurkunde der Stadtrechte an Oberkirch sowie in denjenigen Urkunden, durch die sich die genannten Stadtgemeinden bis ins 18. Jahrhundert ihre Stadtrechte von den jeweiligen Stadtherren bestätigen ließen, stets mit den Begriffen "Freiheit, Rechte und Gewohnheiten" umschrieben. Der gewichtigste dieser drei Begriffe ist zweifellos der Freiheitsbegriff, dessen Hauptinhalt die persönliche Freiheit ist, die im Gegensatz zur Unfreiheit der außerhalb der Stadt ansässigen leibeigenen Bauern gesehen werden muß und durch die namentlich jeweils das freie Zugrecht der Stadtbewohner garantiert wurde. Ein weiterer Bestandteil des Freiheitsbegriffes ist die städtische Selbstverwaltung, aus der sich eine Reihe von Rechten ableiten läßt, wie z.B. die Wahl der städtischen Beamten, die Ausübung der städtischen Gerichtsbarkeit, die Erhebung von Steuern und Abgaben, die Setzung und Interpretation von Recht, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Handel und Handwerk, die Fürsorge für Arme und Kranke, die Verteidigung der Stadt durch Bürgeraufgebote sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Friedens in der Stadt.
Unter dem Begriff "Gewohnheiten" verstanden die vier Stadtgemeinden das von Generation zu Generation tradierte Herkommen der Stadt, das der Stadtherr bei seinen Entscheidungen nicht übergehen durfte.
Tatsächlich respektierten die bischöflichen Stadtherren bis ins 16. Jahrhundert die Freiheiten und Gewohnheiten ihrer ortenauischen Städte weitgehend, d.h. also, daß die von den Bischöfen ernannten Armtmänner, die in Oberkirch und Ettenheim residierten, kaum Einfluß nahmen auf die städtischen Belange. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:
Die Wahl des Zwölferrates, der den harten Kern der Stadtregierung bildete, das städtische Gemeinwesen nach außen vertrat, Mittler zwischen dem Stadtherrn und der Stadtbevölkerung war und auch als Gerichtsorgan fungierte, wurde stets so durchgeführt, daß der Schultheiß, der Amtmann, die Zwölferräte und andere Amtsträger der Stadt den Zwölferrat aus den anwesenden bzw. vorgeschlagenen Bürgern der Stadt aufgrund der Mehrheitswahl ergänzten. Der herrschaftliche Amtmann hatte demnach nur eine Stimme unter vielen.
Auch die Wahl des Stadtoberhauptes, d.h. des Schultheißen bzw, Vogtes, erfolgte durch den Zwölferrat, wobei jedoch dem Stadtherrn ein aufschiebendes Veto eingeräumt war. Vom Jahre 1500 an bis weit in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein verzichteten die Straßburger Bischöfe nachweisbar für Oberkirch und Oppenau sogar auf ihr Vetorecht bei der Wahl des Schultheißen und der übrigen städtischen Bediensteten.
Erwähnt sei überdies noch die Praxis der Steuerfestsetzung. Diese besorgten maßgeblich der Schultheiß und der Zwölferrat der Stadt. Der Amtmann hatte hierbei lediglich eine beratende Funktion. Der Stadtherr billigte in der Regel die von den städtischen Gremien getroffenen Steuerentscheidungen, denn er wußte, daß die örtlichen Gremien die Einkommens-, Besitz- und Vermögensverhältnisse der einzelnen Bürger genau kannten und von diesen Gegebenheiten aus die Höhe des Steueraufkommens bestimmten.
Im 17. und 18. Jahrhundert veränderten sich die geschilderten Verhältnisse grundlegend. Der herrschaftliche Amtmann gewann durch viele bischöfliche Verordnungen immer mehr an Einfluß und Macht in den Stadtgemeinden und unterhöhlte somit den Freiheitsbegriff der bischöflichen Städte im Einverständnis mit dem Stadtherrn völlig. Vorarbeit dazu hatten im 16. Jahrhundert zuerst die Bischöfe Wilhelm III. von Honstein (1506 - 1541) und Erasmus von Limburg (1541 - 1568) geleistet, die durch ihre Statuten der städtischen Entwicklungsmöglichkeiten aus eigener Initiative Grenzen setzten und den Freiheitsbegriff nicht mehr nur nach den Vorstellungen der Stadtbewohner, sondern eher nach ihrem Gutdünken interpretierten.
Ein weiteres Bestimmungselement für die bischöflich-straßburgischen Städte der Ortenau liefern zwei Urkunden vom 4. und 13. Juli 1327, in denen die beiden Städte Renchen und Oberkirch Bischof Johann I. von Straßburg gegenüber versichern, daß die Freiheit, die Gnade und das Recht, die ihnen der hohe und ehrwürdige Herr, ihr Herr Bischof Johannes von Straßburg, von König Friedrich von Habsburg erworben habe, der Herrschaftsgewalt und dem Recht des Bistums Straßburg und des Bischofs von Straßburg in Renchen und Oberkirch keinerlei Schaden zufügen solle. Die beiden Kommunen, die in diesen beiden Urkunden auf die ihnen verliehenen Stadtrechte von 1326 Bezug nehmen, bekennen hiermit unmißverständlich, daß die Stadtrechte und damit die städtische Freiheit für sie keineswegs äußere Autonomie bzw. Reichsfreiheit bedeuten würden. Anders ausgedrückt heißt dies, daß die bischöflichen Städte der Ortenau sich nicht von der bischöflichen Hoheitsgewalt freimachen wollten bzw. durften und infolgedessen auch nicht die volle Staatlichkeit als freie Reichsstadt beanspruchen konnten, die beispielsweise die benachbarten Städte Offenburg, Gengenbach und Zell retten konnten. An dieser Rechtsposition, aufgrund deren die vier Städte des Bistums Straßburg in der Ortenau reichsmittelbare landesherrliche Städte waren, änderte sich bis zum Ende der bischöflich-straßburgischen Herrschaft im Jahre 1803 nichts.
Untersucht man die wirtschaftliche Struktur der vier Städte näher, dann ergibt sich ein zusätzliches wichtiges Bestimmungselement dieser Kommunen. Die meisten Stadtbewohner waren Handwerker oder einem anderen städtischen Beruf zugehörig und daneben Landbesteller. Die Bürger versorgten sich weitgehend selbst mit den nötigen Lebensmitteln, und ihre gewerbliche Produktion wurde, soweit sie nicht für Kunden bestimmt war, von einem verhältnismäßig engen Marktbereich aufgenommen. Die vier Städte gehörten demnach zur Gruppe der sogenannten Ackerbürgerstädte mit Lokal- und Regionalmärkten.
In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß die Stellung der Gewerbetreibenden in den vier bischöflichen Städten der Ortenau gegenüber den politischen Organen der Stadt bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht sonderlich stark war, denn die leitenden Organe der Stadt übten auf sie einen nicht unbedeutenden Einfluß aus. Die Gewerbetreibenden mußten beispielsweise stets einen Eid auf die von den leitenden städtischen Organen verfaßten Handwerksordnungen ablegen; sie waren ferner verpflichtet, vor den leitenden Organen der Stadt die während des Jahres innerhalb ihres Handwerks vorgekommenen Vergehen zu rügen, schließlich diktierten und überwachten die Inhaber der höchsten städtischen Ämter die Preise und Marktvorschriften.
Innerhalb der vier Städte gelang es einzelnen Bürgerfamilien, sich solide wirtschaftliche Grundlagen zu erarbeiten. Dies führte dazu, daß das Prinzip wirtschaftlicher Gleichheit, auch wegen der relativ späten Machtausweitung der Zünfte, in den vier Kommunen nicht verwirklicht werden konnte und daß sich deshalb eine gewisse ständische Gliederung herausbildete, die sich auch auf politischem Gebiet bemerkbar machte. Die führende Gruppe innerhalb der vier Städte waren die ratsfähigen Familien, die immer wieder Familienmitglieder in den Zwölferrat entsandten. Deutlich unterschied sich von ihnen die große Zahl der nichtratsfähigen Bürger, die sich ihrerseits wieder abhoben von der Unterschicht, die sich aus sogenannten Dienstleuten, wie Tagelöhnern, Hilfsarbeitern, Knechten und Mägden, rekrutierte.
Eine Sonderstellung innerhalb der vier Städte nahmen die Angehörigen der landesherrlichen Verwaltung ein, die das Privileg der Steuerfreiheit genießen durften. Eine Sonderstellung beanspruchten aber auch die Angehörigen der Kirchen und Klöster, die Juden und vor allem die Adligen von Schauenburg, Neuenstein, Röder, Bodeck und andere, die sich allesamt seit dem 15. Jahrhundert Wohnsitze in den mauerbewrehrten ortenauischen Städten des Bistums Straßburg erbauten. Die Adligen beanspruchten für sich das Vorrecht der Steuerfreiheit, die Unabhängigkeit von den städtischen Gerichten und verweigerten überdies die Leistung des landesherrlichen Treueides. Gegen diese Privilegien protestierten die Stadtbewohner immer wieder, besonders während des Bauernkrieges von 1525, und erreichten schließlich, daß die bischöflichen Stadtherren des 16. Jahrhunderts energisch gegen die Sonderstellung des Adels angingen und diese auch abbauen konnten.
Die mehr oder weniger ständisch gegliederte Stadtbevölkerung, deren größten Anteil die Mittelschicht stellte, vergrößerte sich im Laufe der Jahrhunderte nur unwesentlich. Bereits im endenden 14. Jahrhundert hatten die vier bischöflichen Städte mit etwa 500 - 800 Einwohnern jene Bevölkerungszahl erreicht, die nicht zuletzt wegen der Stadtmauern als Expansionsschranken bis zum Ausbruch des 30jährigen Krieges im Jahre 1618 nahezu konstant blieb. Nur für das 14. Jahrhundert läßt sich von seiten der Bischöfe von Straßburg hinsichtlich ihrer ortenauischen Städte eine aktive Peuplierungspolitik nachweisen, die ursächlich mit dem Bemühen der Bischöfe um die Schaffung von starken städtischen Bollwerken gegen die Gegner der bischöflichen Landeshoheit zusammenhängt. Beispielsweise heißt es in einem bischöflichen Weistum von 1383, die unter der Lehnsherrschaft der Markgrafen von Baden stehenden freien Bauern der Mark Oppenau sollten ihre Lehnsgüter verlassen und in die bischöflichen Städte ziehen, wo sie den Bürgereid leisten und dieselben Bürgerpflichten wie die bereits ansässigen Stadtbewohner übernehmen müßten. Vergleicht man damit das an viele Bedingungen zeknüpfte Bürgerannahmeverfahren, das im 16. Jahrhundert in den vier Städten praktiziert wurde, dann wird klar, daß die Bischöfe angesichts ihrer gestärkten landesherrlichen Position keinen Wert mehr auf eine große Zuwanderung aus ländlichen Gebieten legten.
Aus der Gruppe der Bestimmungselemente der vier ortenauischen Städte des Bistums Straßburg sei abschließend noch dasjenige herausgegriffen, das Aufschluß über die kirchlich-religiösen Verhältnisse gibt. Alle vier Stadtgemeinden bildeten schon recht früh infolge ihrer stets wachsenden Bedeutung den Mittelpunkt einer Pfarrei mit einem relativ großen Pfarrsprengel: die Pfarrei Ettenheim entstand allem Anschein nach schon im 8. Jahrhundert unter der Patronatsherrschaft des Klosters Ettenheimmünster, Oberkirch und Oppenau (d. h. das Dorf Oppenau, das im 14. Jahrhundert mit der neugegründeten Stadt Friedberg zur Stadt Oppenau wurde) erhielten 1225 die Pfarrechte und unterstanden der Patronatsherrschaft des Klosters Allerheiligen. Renchens Pfarreigründung erfolgte ebenfalls im Laufe des 13. Jahrhunderts. Patronatsherr war zunächst der Bischof von Straßburg, später die Äbtissin von Säckingen.
Alle vier Pfarreien blieben auch während der Reformationszeit katholisch, obgleich einzelne lutherische Prädikanten einige Gläubige für die Sache der Reformation gewinnen konnten. Die Hauptursache für die Beibehaltung des katholischen Glaubens in den vier städtischen Pfarreien ist darin zu suchen, daß die Bischöfe von Straßburg des 16. und 17. Jahrhunderts die Luther’sche Lehre ablehnten und durch eine Reihe von Vorschriften in ihren "Polizeiverordnungen" das kirchlich-religiöse Leben der Gläubigen der vier Gemeinden im Sinne des Katholizismus reglementierten.
HERRSCHAFT übten die Bischöfe von Straßburg in der Ortenau nicht nur über die soeben skizzierten Städte aus, sondern auch über Burgen, Dörfer, Weiler und Einzelgehöfte, die meistens auf dem GRUND und BODEN standen, den die Bischöfe seit dem 8. Jahrhundert bis etwa in die Mitte des 14. Jahrhunderts im Gebiet der Ortenau auf verschiedenste Art und Weise erwerben konnten, Die Besitzschwerpunkte lagen - wie nicht anders zu erwarten - im Unditztal mit dem Mittelpunkt Ettenheim sowie im Sasbach-, Acher- und Renchtal.
Ihren Grundbesitz ließen die Bischöfe nur zum geringsten Teil im Selbstbetrieb bewirtschaften. Der weitaus größte Teil desselben war an einzelne Personen zur Bebauung und Nutzung ausgegeben. Die Inhaber des Straßburger Bischofstuhles sicherten sich ihr Eigentumsrecht lediglich durch einen Anteil an den Erträgnissen in Form von Leistungen und Diensten verschiedenster Art.
Dadurch, daß die Bischöfe durch die Landleihe Personen an ihren Grund und Boden heranzogen, waren sie nicht nur Herren über Land, sondern gingen damit auch ein bestimmtes Rechtsverhältnis mit den auf den einzelnen Landparzellen ansässigen Leihegutinhabern ein, aber auch mit denjenigen, die ihr bischöflich-straßburgisches Leihegut von grundhörigen Bauern bestellen ließen. Das Rechtsverhältnis war durch die Art der Leihe gekennzeichnet:
Einen bedeutenden Raum im Eigenbesitz des Bistums Straßburg innerhalb der Ortenau nahm die Benefizialleihe ein, die in erster Linie auf die Erfüllung eines Dienstes, teils in Burghut (= Dienst auf einer Burg), teils in Heeresfolge, abzielte. Für die Mitte des 14. Jahrhunderts lassen sich über 80 bischöflich-straßburgische Vasallen nachweisen, die auf rechtsrheinischem Gebiet bischöflich-straßburgische Lehen innehatten. Es waren dies hauptsächlich Angehörige des ortenauischen Niederadels, wie z.B. die Adligen von Staufenberg, Windeck, Schauenburg, Neuenstein und die Röder von Rodeck.
In enger Beziehung zur Benefizialleihe standen die Formen der freien Leihe, deren Träger die Gemeinfreien waren. Die persönliche Rechtsstellung des freien Mannes wurde durch die Annahme von bischöflichem Leiheland genauso wenig beeinträchtigt wie bei der Benefizialleihe. Das gegenseitige Verhältnis zwischen dem Straßburger Bischof und dem freien Landnehmer war folglich ein rein wirtschaftliches und sachenrechtliches. Im Bereich der ortenauischen Grundherrschaften des Bistums Straßburg ist grundsätzlich zwischen solchen Freien zu unterscheiden, die in grundherrliche Beziehungen eingetreten waren, also auf festen, dem Fronhof anhangenden Gütern saßen, und solchen, die außerhalb der Fronhofsverfassung standen und nur durch Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Geldzahlung zur Wirtschaft des Bistums Straßburg beitrugen. Erstere bezeugt das um 1346 entstandene Urbar Bischof Bertholds II. von Straßburg als "fri man" in Kappelrodeck; zum zweitgenannten Personenkreis zählte um 1346 beispielsweise der Soldat Arnold Rüßen, der ein bischöfliches Hofgut in Ulm innehatte.
Der größte Teil des bischöflich-straßburgischen Grundbesitzes war um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu unfreier Leihe ausgegeben. Diese stellte den Leihegutinhaber in eine Wirtschafts- und Rechtsorganisation hinein, die man im allgemeinen als engeren Hofverband bezeichnet. Charakteristisch für diesen Personenkreis war nicht nur die sachlich-wirtschaftliche, sondern auch die persönliche Abhängigkeit vom Straßburger Bischof. Die persönliche Abhängigkeit, zu der die unfreien Hofleute sich in einem besonderen Treueschwur bekennen mußten, läßt sich wie folgt kennzeichnen:
Sie äußerte sich einmal darin, daß die Eigen- oder Hofleute mit dem Boden, auf dem sie saßen, rechtlich verbunden waren, d.h. als Pertinenz der Scholle galten und nur mit dieser veräußert werden konnten. Aus der Zahl der vielen verfügbaren diesbezüglichen Belegstellen sei diejenige des Ettenheimer Weistums von 1319 zitiert. Sie lautet: Der Bischof von Straßburg "hett mit sinen lüten dehein recht, sie zu bezwingende, die hinder im sitzent, sie sijent dann recht eigen, sie sollent ziehen, war sie wöllent, mit wibe, mit kinden und mit güte".
Aber nicht nur die Schollengebundenheit charakterisierte im 14. Jahrhundert die Rechtsstellung der bischöflichen Leibeigenen, sondern auch das Recht der freien Heirat war ihnen von bischöflicher Seite aus noch nicht zugestanden worden. Diese Ehebeschränkung betont mit Nachdruck das angeführte Urbar von 1346 mit dem Satz, daß es keinern Leibeigenen, der zum Ulmer oder Sasbacher Fronhof gehöre, gestattet sei, ohne die Zustimmung des Herrn Bischofs ("sine licencia demini episcopi") eine Ehe einzugehen ("per nuptias convolare").
Die bischöflichen Leibeigenen ermangelten aber nicht nur des freien Zugs und der freien Heirat, sondern waren darüber hinaus angehalten, eine jährliche Abgabe, Leibzins, Leibbede oder Hauptzins genannt, für das mit der Hofhörigkeit verbundene Anrecht auf Schutz zu entrichten, wozu sie sich dem Bischof von Straßburg als ihrem Leibherrn gegenüber eidlich verpflichten mußten. Beispielsweise forderte der Bischof von Straßburg um die Mitte des 14. Jahrhunderts von den Renchtäler Eigenleuten, die auf dem Wolfharts-Gut saßen, das zu diesem Zeitpunkt Burkhard von Bärenbach innehatte, 12 Schillinge Hauptzins. Von dieser Personallast waren die unfreien Hofbauern des Bistums Straßburg in der Ortenau im 16. Jahrhundert noch nicht entbunden. Dies entnehmen wir einem Dokument vom Jahre 1533, in dem es heißt: "Es soll aber meim gnedigen herren von Straßburg unnd seiner gnaden stifft die leibeigenschafft derselben dermassen vorbehalten sein, das sein gnadenn von denselben ein jerliche leib beth vom man ein schilling pfennig unnd einer frauwen ein henne jerlich sampt den dottfallenn ungeirrt gevolgt werden in die gericht, dahin sie gehören".
Zu den aufgeführten Beschränkungen und Verpflichtungen der bischöflichen Eigenleute kam noch der sogenannte Todfall hinzu, der als Nachlaßsteuer von einem verstorbenen Leibeigenen gefordert wurde. Der Todfall bestand nach dem Ettenheimer Weistum von 1319 gewöhnlich darin, "das der, den der dot begriffet, unserm herren dem Bischof sol gen das beste, das er fürt, Ross oder Rint; fürt er der nit, so sol er geben das beste kleyt, das er hett".
Entscheidende Veränderungen hinsichtlich der leibeigenen Bauern des Bistums Straßburg in der Ortenau hätten die Vorgänge des Bauernkrieges von 1525 und speziell der Renchener Vertrag vom 22. Mai 1525 gebracht, wenn die aufrührerischen Bauern als Sieger aus dem Bauernkrieg hervorgegangen wären. Im Artikel III des Renchener Vertrags lesen wir nämlich, die Schollengebundenheit und die Ehebeschränkung der Leibeigenen sollten ab sofort wegfallen, sie seien mit der Heiligen Schrift unvereinbar, da diese keinen Unterschied zwischen Freien und Unfreien kenne.
Obgleich die Unternehmungen der Bauernschaft gescheitert waren, griffen die Straßburger Bischöfe nach 1525 Teilforderungen der Bauern auf und setzten sie in die Tat um. Dazu gehörte unter anderem das freie Zugrecht, das die bischöflichen Leibeigenen der Ortenau noch unter der Herrschaft Bischof Wilhelms III., der 1541 starb, größtenteils zugebilligt bekamen.
Der an freie und leibeigene Bauern verliehene Grundbesitz des Bistums Straßburg im Sasbach-, Acher- und Renchtal wurde im 14. Jahrhundert in 9 Wirtschaftsverbände, auch Fronhofsverbände genannt, aufgeteilt, deren Verwaltungszentren in Sasbach, Renchen, Waldulm, Ulm, auf der Ullenburg, in Kappelrodeck, auf der Burg Fürsteneck, in Oppenau und auf der Burg Bärenbach lagen. Für die bischöflichen Grundbesitzungen in der Herrschaft Ettenheim lassen sich zum genannten Zeitpunkt 3 Wirtschaftsverbände nachweisen; ihre Verwaltungsmittelpunkte waren Ettenheim, Burgbach und Ringsheim.
In jedem dieser ökonomischen Mittelpunkte, die in den Quellen meistens Fronhöfe, Dinghöfe, Salhöfe oder Meierhöfe heißen, hatten die Bischöfe von Straßburg je einen grundherrlichen Verwaltungsbeamten, der die Bezeichnung Meier führte, eingesetzt. Er war im Auftrag des betreffenden Bischofs mit der Wahrnehmung sämtlicher grundherrlicher Verwaltungsaufgaben beauftragt. Im einzelnen hatte er die Ackerzinsen und sonstigen Abgaben zu erheben, überdies war es ihm zur Pflicht gemacht, die freiwerdenden Hofgüter neu zu verteilen und die Aufsicht über die dem Fronhof zugehörigen Liegenschaften und Leute zu führen; zu seinem Geschäftskreis gehörte aber auch die Aufgabe, die Leihegutinhaber dreimal im Jahr zu einem sogenannten Hofding zusammenzurufen, in dem er den Vorsitz führte. Als Entgelt für seine Dienste hatte er Anspruch auf ein festes Gehalt oder einen Anteil an den bischöflichen Einnahmen. In Kappelrodeck beispielsweise war um 1346 jeder Leihegutinhaber verpflichtet, dem Meier jährlich zwei Pfennige zu seiner Entlohnung zu geben. Von den Bärenbacher, Kappelrodecker, Ullenburger und Oppenauer Meiern erfahren wir, daß sie zum genannten Zeitpunkt außerdem mit der Nutznießung mehrerer bischöflicher Hofgüter entschädigt wurden.
Die unter der Aufsicht des Fronhofmeiers stehenden Bebauer der Hofgüter werden in den zur Verfügung stehenden Quellen vielfach als Huber bezeichnet, gleichgültig, ob sie eine ganze Hube bzw. Hufe oder nur einen Teil einer solchen in Leihe besaßen. Weit verbreitet war auch die Bezeichnung "Lehen" für das in den engeren Hofverband eingegliederte Leiheland. Beispielsweise führt das Urbar Bischof Bertholds II. von 1346 die zur Burg Fürsteneck gehörigen Güter durchweg unter dieser Bezeichnung auf.
Hinsichtlich des Umfanges der in Bewirtschaftung genommenen Hofgüter, die vererblich waren, wurden von bischöflicher Seite aus Einschränkungen nur dahingehend vorgenommen, daß kein Huber mehr als zwei Unterlehen haben durfte. Dem Bauern, der bischöfliche Ländereien bewirtschaftete, wurde ferner vorgeschrieben, daß er nur dann eigenen Grundbesitz haben dürfe, wenn er ihn mit Hilfe des Hofrechts erworben habe.
Dem Katalog der Pflichten, die der bischöfliche Leihegutinhaber nach dem Urbar Bischof Bertholds II. von 1346 zu erfüllen hatte, ist zu entnehmen, daß im 14. Jahrhundert alle Huber angehalten waren, dem Bischof bzw. seinem Meier einen Treueschwur zu leisten, aufgrund dessen sie dann als Geschworene in der grundherrlichen Gerichtsbarkeit den urteilsfindenden Umstand bildeten.
Das Hofding tagte gewöhnlich dreimal im Jahr; in Kappelrodeck wurden außerdem noch drei Nachding abgehalten, auf denen die noch nicht ausgemachten bzw. neu anfallenden Sachen entschieden wurden. Wollte ein Huber die offiziellen Gerichtstermine nicht abwarten, dann hatte er grundsätzlich die Möglichkeit, ein Gericht zu kaufen. Jeder Huber des engeren Hofverbandes mußte bei Strafe die drei Hofversammiungen aufsuchen. Gewöhnlich forderte der Fronhofmeier die Gesamtheit der Huber auf, in grundherrlichen Fragen Recht zu nehmen und zu geben. Bei der Urteilsfindung brachte stets der Mehrheitsbeschluß die Entscheidung.
Über den Verlauf der Hofversammlungen, die alle aus der Leihe der Hofgüter entspringenden Rechtsfälle, wie das bischöfliche Recht am Gut, an Abgaben, Zinsen und Diensten von demselben zum Gegenstand hatten, schweigen sich unsere Quellen aus. Er mag jedoch im 14. Jahrhundert so geregelt gewesen sein, daß der Meier als Vorsitzender des Gerichts über die einzelnen Punkte, die zur Diskussion standen, die Huber um ihre Meinung fragte, welche dann die Form des Urteils annahm. Die Richtlinien zur Rechtsfindung fanden die Huber und Meier in dem althergekommenen Recht, das in den örtlichen Fronhöfen in sogenannten Rodeln bzw. Weistümern festgehalten wurde.
Übergeordnete Instanz der grundherrlichen Fronhofgerichte in der bischöflichen Grundherrtschaft des Sasbach-, Acher- und Renchtales war das bischöfliche Gericht Oberkirch, wohin auch der Rechtsweg ging.
Zu den Zwangsmitteln des Fronhofgerichts gehörten in der Regel Geldbußen, die vielfach für Zinssäumnis gezahlt werden mußten. Kam ein Schuldner längere Zeit seiner Verpflichtung nicht nach, dann entschied das Hofgericht für den Heimfall des Leihegutes.
Eine wichtige Aufgabe der Huber bestand stets in der Ableistung von Frondiensten auf denjenigen bischöflichen Ländereien, die nicht als Leihegut ausgegeben waren, sondern vom Bischof in herrschaftlicher Eigenbewirtschaftung mit den Fronden der Hofbauern genutzt wurden. Das bischöfliche Eigenbauland, das gegenüber dem Zinsland nur einen kleinen Teil ausmachte, setzte sich aus allen Arten nutzbaren Bodens zusammen. Mit Vorliebe ließen die Bischöfe die Weinberge durch Frondienste bewirtschaften. Um das Jahr 1346 mußten beispielsweise die Waldulmer Hofbauern Spanndienste für die zum bischöflichen Eigenbedarf bestimmten Ullenburger Weinberge erbringen. Diejenigen Bauern, die keine Spanndienste leisten konnten, waren verpflichtet, in den besagten Weinbergen Handfrondienste zu tun, und zwar sollten sie dort düngen und hacken.
Mancherorts konnten die Frondienste gegen Entrichtung einer Geldsumme abgelöst werden. Von dieser Möglichkeit machten nach dem Urbar Bischof Bertholds II. von 1346 mehrere Renchtäler Hofbauern Gebrauch. Für das übertragene Bewirtschaftungsrecht hatten die Hofbauern jeweils festgesetzte Zinsen an die einzelnen Fron- oder Dinghöfe zu entrichten, die in Geld oder Naturalien bezahlt wurden. Die als Zins zu leistenden Abgaben zerfielen in laufende, die also in der Regel jährlich zu bestimmten Terminen zu entrichten waren, und solche, die bei Gelegenheit des Besitzwechsels gegeben werden mußten.
Die wichtigste und ertragreichste der laufenden grundherrlichen Abgaben war der Acker- oder Bodenzins, Der Ackerzins, gleichviel ob in Naturalien oder in Geld, war um die Mitte des 14. Jahrhunderts in den ortenauischen Hofverbänden des Bistums Straßburg nicht sehr hoch. So hatten beispielsweise die 34 zinspflichtigen Hofleute des Ulmer Fronhofs jährlich nur 6 Pfund Pfennige und 8 Schillinge zu bezahlen.
Zu den Leistungen, die nur zu bestimmten Gelegenheiten entrichtet werden mußten, gehörte der sogenannte Erschatz. Da er gewöhnlich dann gefordert wurde, wenn ein bischöfliches Leihegut den Inhaber wechselte, kann er als Entgelt für die Aufnahme in den engeren Hofverband gewertet werden. Verantwortlich für die Erhebung dieses Einstandsgeldes war der Meier des örtlichen Fronhofes.
Außer dem Ackerzins und dem Erschatz konnte der Bischof von Straßburg auch überall dort den grundherrlichen Zehnten eintreiben, wo er sich als Zehntherr behaupten konnte. Dies war unter anderem in Waldulm der Fall.
Endlich sei noch vermerkt, daß die örtlichen bischöflich-straßburgischen Hofverbände unter übergeordneten Verwaltungszentren, den sogenannten Oberhöfen, zusammengefaßt wurden. In den Hofverbänden des Sasbach-, Acher- und Renchtales war der Sasbacher Fronhof dieser ökonomische Mittelpunkt, in den Hofverbänden rund um Ettenheim war dem Ettenheimer Fronhof diese Aufgabe zugedacht worden.
Vorstehende Erläuterungen zum bischöflich-straßburgischen Fronhofsystem des Mittelalters erlauben es, folgende Definition eines Hofverbandes zu geben. Unter dem Hofverband soll demnach eine Verbindung von herrschaftlichkem Eigenbetrieb und zinsbäuerlicher Güterbebauung verstanden werden, die dadurch bewerkstelligt wird, daß die Bauern für ihr vom Straßburger Bischof erhaltenes Leiheguf nicht nur Zinsen und sonstige Abgaben aufbringen, sondern auch auf dem nicht zu Leihe ausgegebenen Land Frondienste leisten müssen; eine Verwaltungseinheit aber stellt der Hofverband dar, indem die an den wirtschaftlichen Verwaltungsmittelpunkt, den Fron- oder Dinghof, gebundenen Bauern unter der Regie eines Meiers zu einer herrschaftlichen Zwangsgemeinde und unter dessen Vorsitz zu einem grundherrlichen Gericht in Leihesachen zusammengefaßt werden.
Ich habe versucht, Ihnen in der Kürze der Zeit in gedrängter Form einen Überblick darüber zu verschaffen, wie geartet die Entwicklungs-, Lebens- und Herrschaftsverhältnisse in den bischöflich-straßburgischen Städten und Landgebieten der mittelalterlichen Ortenau waren.