
<<< zur Galerie
Der historische Ablauf des Minnesanges
Als erster Trobador gilt Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien (1071-1127). Die Kunst der Trobadors erreicht in der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Bernart de Ventadorn ihre reinste Darstellung und breitet sich nach Norden ("Trouv?res") und Osten (deutscher Minnesang) aus.
Wichtige Trobadors waren: Jaufre Rudel, Marcabru, Bernart de Ventadorn, Giraut de Bornelh, Beatriz de Dia, Peire Vidal.
Wichtige nordfranz?sische Trouv?res waren: Gace Brul?, Colin Muset, Jean Bodel, Thibaut de Champagne, Conon de B?thune, Blondel de Nesle, Adam de la Halle, aber auch Chr?tien de Troyes (der als Artus-Epiker wesentlich bekannter ist denn als Lyriker).
Der ?lteste deutsche Minnesang ist mit dem Dichter "K?renberger" nachweisbar; ber?hmt ist das Falkenlied in der 'Nibelungenstrophe': "Ich zoch mir einen falken..." (zur Versform vgl. das Nibelungenlied).
Dieser 'donaul?ndische' Minnesang (1150-1170, geographisch: Passau, Linz, der Gegend also, aus der auch das Nibelungenlied stammt), vertreten z.B. durch Dietmar von Aist, hat ?ltere deutsche Wurzeln und ist von der verfeinerten provenzalischen Trobador-Kunst noch unbeeinflusst. Die Lieder sind gepr?gt durch eine nat?rliche und ungek?nstelte Auffassung von Liebe. Die Eigenarten, die Frau in Ich-Form oder im 'Wechsel' Mann und Frau sprechen zu lassen, werden durch den sp?teren provenzalischen Einfluss aus dem Minnesang getilgt. ?u?eres formales Kennzeichen ist die der epischen Dichtung nahestehenden Langzeile. In dieser Phase hat der deutsche Minnesang gewisserma?en noch keine eigene Form gefunden. Die Wurzeln dieser einheimischen Minnelyrik liegen weitgehend im Dunkel.
Der neue Minnesang nach provenzalischem Vorbild (unter anderen nachweisbar importiert durch den weitgereisten Friedrich von Hausen) bl?ht im alemannischen und fr?nkischen Westen ab 1170 auf. Ab dieser Zeit entsteht eine Lyrik, die formal wesentlich diffenzierter ist und inhaltlich das Ideal der Hohen Minne enth?lt (und in aller Regel die Verzicht-Haltung des Mannes und die Unerreichbarkeit der Frouwe betont). Zu nennen sind hier Vertreter wie Albrecht von Johansdorf, Reinmar der Alte und Heinrich von Morungen.
Walther von der Vogelweide geht als erster weg vom Ideal der Hohen Minne und singt Lieder der "gleichberechtigten Liebe" ('niedere Minne', genauer gesagt, Lieder der "Herzeliebe", auch "M?dchenlieder" genannt). Allerdings sind die Begriffe 'hohe' wie 'niedere' Minne nicht zeitgen?ssisch belegt - nur eine Formulierung bei Walther wird von der Literaturwissenschaft als Beleg genommen - , sondern Konstrukte der Romantik, die von sp?teren Forschergenerationen wom?glich noch nicht ausreichend hinterfragt wurden. So muss zumindest fraglich bleiben, inwieweit das von der Germanistik angenommene Ideal der unerf?llten Liebe in der sog. 'Hohen Minne' nicht eine Vorstellung der Romantik darstellt, die auf die Zeit des Hochmittelaters projiziert wurde. Insbesondere die Dichtung Heinrichs von Morungen erlaubt nicht nur eine Interpretation. Die neuere Forschung hat jedenfalls das bislang vorherrschende Bild teilweise energisch in Frage gestellt (so etwa Eva Willms).
Im 13. Jahrhundert verliert sich das zun?chst scheinbar klare Bild v?llig: W?hrend in der Schweiz noch nach 1300 Hohe Minne in klassischer Tradition (wenn auch weniger originell) besungen wird, greifen andernorts bereits ab 1220/30 parodierende und erotisierende Tendenzen (Neidhart, Tannh?user). Der Begriff "Minne" selbst ?ndert sich zum Synonym f?r den Geschlechtsakt.
Kennzeichen des Minnesangs
Ein gro?er Teil des 'deutschen Minnesangs', d.h. der mittelhochdeutschen Lyrik ist genaugenommen kein Minnesang und sollte darum nicht so bezeichnet werden. Hinsichtlich ihrer Thematik und ihres Sitzes im Leben m?ssen zwei gro?e Gattungen unterschieden werden: die ritterlich-adlige Liebeslyrik (Minnesang) und die Spruchdichtung oder Sangspruchdichtung, die ausschlie?lich von Berufsdichtern und -s?ngern vorgetragen wurde und die sich mit politischen, moralischen und religi?sen Themen aller Couleur befasste.
Minnedichtung reflektiert programmatisch unerf?llte Liebe, preist die Angebetete oder schildert erotische Erlebnisse (ab Mitte des 13. Jahrhunderts).
Spruchdichtung fordert zu religi?s und ethisch richtigem Handeln auf, propagiert g?ngige Lebensweisheiten oder kritisiert das Zeitgeschehen.
Da der gesellschaftliche Status von Minnesang (hochadelige Repr?sentationskunst und Luxus) und Spruchdichtung (auf Bezahlung angewiesene 'Gebrauchs'kunst) verschieden ist, bet?tigen sich Dichter nur sehr selten auf beiden Gebieten zugleich; die bekannteste Ausnahme von dieser Regel ist Walther von der Vogelweide, der auf beiden Gebieten Hervorragendes geleistet hat und darum mit Recht als der bedeutendste Vertreter der mittelhochdeutschen Lyrik gilt.
Die inhaltliche Gattungsdifferenzierung l?sst sich auch in den lyrischen Formen wiederfinden: Formal gibt es die Gattungen Lied, Spruchstrophe und Leich:
Das Lied (nur im Minnesang!) hat die bis heute ?bliche strophische Wiederholungsform, oft mit drei oder f?nf Strophen. Die Liedstrophe gliedert sich ihrerseits in den meisten F?llen in zwei gleichgebaute 'Stollen' und einen 'Abgesang' (Kanzonenform).
Spruchdichtung verwendet oft komplexere und umfangreichere Strophenformen. Dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil die gleiche Form f?r verschiedene Inhalte immer wieder genutzt und auch ohne strophische Wiederholung eindeutig erkannt und dem Dichter-Komponisten zugeordnet werden sollte (z.B. Walthers Philipps-Ton oder Reichs-Ton). Das Minnelied ist hingegen immer ein festes abgeschlossenes Ganzes mit 2 bis 7 Strophen. Einige Dichter (z.B. Heinrich von Morungen) pflegen aber auch im Minne-Genre die einstrophige Form.