Kommunen in der Ortenau


Die Landschaft Ortenau gränzt gegen Morgen, an die Schneeschmelze des Schwarzwalds, gegen Abend, in der Nachbarschaft von Straßburg an den Rheinstrom, gegen Mittag, bey dem kleinen Bleichfluß, an das Breysgau, gegen Mitternacht aber, mittelst des bey Rastatt in die Murg fallenden Osbachs, an das Uffgau.

(Geographische Beschreibung der Landvogtey Ortenau, S. 19 - Josef Johann Nepomuk Pehem, Karlsruhe 1795)


Die Territtorien der Ortenau von Hans Dietrich Siebert, Karlsruhe - Badische Heimat, die Ortenau 1930, S. 80 ff.

Seit der Niederwerfung der Alemannen durch die Franken um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert ist die Ortenau zum fränkisch-alemannischen Grenzgau geworden. Ihre Nordgrenze, zugleich die bekannte Stammesgrenze, führt demnach: die Murg aufwärts von ihrer Mündung bei Rastatt bis zur Aufnahme des Oosbaches; dann längs desselben bis zu seinem Quellgebiet auf der Badener Höhe, über dieselbe und schließlich längs der Schönmünzach wieder zur Murg. Die bedeutendsten Plätze des Murgtals, ebenso Baden-Baden, blieben demnach noch fränkisch. Die Südgrenze der Ortenau, für welche wir die ersten urkundlichen Nachrichten allerdings erst für die Jahre 926 bzw. 1155 besitzen, erfuhr in ihrem westlichen Verlauf mit der Zeit eine kleine Änderung. Ursprünglich, ungefähr in der Linie Rust-Ringsheim-Kahlenberg, dann hart nördlich Broggingen vorbei zum Buchgraben und zur Quelle des Schwarzbaches, von hier über die via Snette, einem alten, heute erhaltenen Hochweg, welcher dem Gebirgskamm entlang läuft, zum Streitberg (Stephanes virst) führend, wird seit 1155 bis hierher die in gleicher Richtung, etwas südlich gelegenen Bleich bis in ihr Quellgebiet die Grenze gegen den Breisgau. Vom Streitberg geht die Linie westlich zum Hünersedel (Stoufinberc); dann über Rotzeleck, Höhehäuser Biereck, Schloßhof, Heidburg, Heidenacker, Finsterkapf, Lehrscheide, Landwassereck, von dort fast nördlich über Büchereck, Schorenbühl, am Schänzle, Herusenbühl, Matenseppenhof, Farrnstein nach dem Kaiserwald, und mündet dann westlich ins Kinzigtal.

Der als Ostgrenze genannten Schneeschmelze des Schwarzwaldes, einer aus der Römerzeit stammenden, aber erst um 1540 urkundlich belegten Bezeichnung, ist für die Frühzeit keine eigentliche Bedeutung zuzumessen, zumal das Gebiet des Hochschwarzwaldes so gut wie unbesiedelt war. Indessen sind wir zu der Annahme berechtigt, daß die seit dem 11. Jahrhundert bekannten, aber wohl in viel frühere Zeit zurückreichenden Grenzen der Bistümer Konstanz und Straßburg mit den alten Stammesgrenzen zusammenfallen. Demnach verlief die Westgrenze zwischen den jeweiligen straßburgischen bzw. konstanzischen Ortschaften, nämlich in folgender Linie:

längs des Höhenrückens westlich der Wolfach über Brandenkopf, Reiherskopf, Littwegerhöhe, Lettstädterhöhe, Graseck, nach dem Kniebis. Von hier über Zuflucht, Schliffkopf, Ruhstein, Hornisgrinde, Hochkopf, Hundseck, Sand, um auf der Badener Höhe wieder in die alte Stammesgrenze einzumünden. Die Westgrenze bildete der Rhein mit seinen zahllosen Nebenarmen und sumpfigen Niederungen.

Tritt uns die Ortenau in der deutschen Frühzeit als ein einheitliches politisches Teilgebiet im alemannischen Raum entgegen, innerhalb dessen die Landschaft schon längst vor ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im 8. Jahrhundert einen geschlossenen Gau bildete, so erfolgte im Verlaufe der Jahrhunderte gerade hier eine territoriale Zersplitterung, wie sie das alte Reich auf derart begrenztem Raume kaum irgendwo mehr hervorgebracht hat. Entweder waren gewisse Teilgebiete der Ortenau an die benachbarten Territorien übergegangen, wie z. B. an die Markgrafschaft Baden-Baden, das Hochstift Straßburg und das Fürstentum Fürstenberg; oder es waren selbständige, allerdings teilweise wieder in andere Hände übergegangene Staatengebilde entstanden, wie die Landvogtei Ortenau, die Herrschaften Hanau-Lichtenberg, Geroldseck, Lahr-Mahlberg; die Reichsstädte Offenburg, Gengenbach, Zell a. H.; das freie Reichstal Harmersbach und schließlich die Reichsritterschaft Ortenau.

Besteht weder die Aufgabe noch die Möglichkeit, im Rahmen dieser knappen Darstellung einen historischen Überblick über jedes einzelne dieser Territorien zu geben, so soll in erster Linie, wenn auch in aller Kürze, wenigstens die Entstehung derselben und die hierbei treibenden Kräfte, trotz des oft lückenhaften Materials, veranschaulicht werden.

Als die Franken nach ihrem entscheidenden Sieg über die Alemannen um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert sich anschickten, nunmehr auch das gesamte alemannische Gebiet ihrer Herrschaft einzuverleiben, traten ihnen die Ostgoten unter Theoderich entgegen. Letzterer nahm die restlichen Alemannen unter seine Schutzherrschaft. Aber schon um die Mitte des 6. Jahrhunderts war der mit dem oströmischen Reiche in schwerem Kampfe stehende Ostgotenkönig Witiges gezwungen, zur Sicherung seiner Flanke, den Franken in förmlichem Vertrage endgültig die alemannischen Gebiete einzuräumen.

Trotz dieser Einverleibuug ins fränkische Reich wahrten die Alemannen auch im kommenden Jahrhundert, unter der schwächlichen merowingischen Königsherrschaft ihre Selbständigkeit; und nach wie vor war die eigentliche Herrschaft den Stammesherzögen vorbehalten. Mit dem Übergang der fränkischen Königsmacht an die Pippiniden änderte sich die Lage. Nun wurde auch das Alemannenland planmäßig dem fränkischen Reiche eingegliedert, allerdings nicht ohne Widerstand, denn in den Jahren von 709 bis 712 führte der mittlere Pippin dreimal den fränkischen Heerbann gegen die Scharen der letzten und einzigen uns mit Namen überlieferten alemannischen Stammesherzöge Gottfried und Willehar, von denen letzterer ausdrücklich als Beherrscher der Ortenau genannt wird. Die nunmehr diesen Kämpfen auf dem Fuße folgende karolingische Machterweiterung gab Sonderbestrebungen keinen Raum, und der jüngere Pippin beseitigte 748 endgültig das Stammesherzogtum. Das bisher in loser Abhängigkeit fast selbständig regierte Gebiet wird zum fränkischen Krongut, - zur staatlichen Domäne. Obwohl die Mitte des 8. Jahrhunderts verfaßten Stammesgesetze das Christentum schon wenigstens formell weitgehend begünstigten, und vielleicht schon im 7. Jahrhundert iro-schottische Missionare den Versuch gemacht hatten klösterliche Niederlassungen in Ettenheimmünster und Schuttern zu gründen; so wurde erst jetzt die eigentliche Christianisierung des der neuen Lehre nur äußerst schwer zugänglichen Alemannenvolkes planmäßig, gerade hier in der Ortenau in Angriff genommen.

Die Hauptstützpunkte für die Missionierung bildeten neben dem fränkischen Königshofen, dem Hauptsitz der staatlichen Domänenverwaltung, mit seiner durchweg dem fränkischen Staatsheiligen Martin geweihten Kapelle, in erster Linie die Klöster; so neben den genannten noch Schwarzach und Gengenbach, sowie das später auf die linke Rheinseite verlegte Honau. Die eigentliche Bedeutung dieser Klöster lag in ihrer Eigenschaft als ausschließliche Vollzugsorgane der fränkischen Staatsgewalt in erster Linie auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiete; denn durch die Annahme des christlichen Glaubens wurde der Täufling schlechthin fränkiseher Untertan; die kolonisatorische Tätigkeit aber, welche auf Erweiterung vorhandener und Schaffung neuer Siedelungen abzielte, mehrte nicht nur in kurzer Zeit den Untertanenverband, sondern erhöhte auch zu Zeiten ausschließlicher Naturalwirtschaft die wirtschaftliche Intensität des betreffenden Landstriches. Daher stattete die fränkische Staatsgewalt ihre königlichen Stifter mit umfangreichen Reichsgütern aus und verlieh ihnen ausgedehnte Freiheiten, so namentlich die Immunität, d. h. der ganze Klosterbezirk und seine Besitzungen sollte vom obersten Gerichtsbeamten, dem Grafen, nicht betreten werden; zum mindesten konnte der Abt die höchste richterliche Person selbst ernennen. Die Reichsgewalt, an welche die Stifter andererseits um so mehr gebunden waren, suchte aus rein wirtschaftlichen Gründen, schon damals dieselben dem Übergriffe der Lokalgewalten zu entziehen. Als Heinrich II. 1007 das für die Kolonisierung des Ostens neugegründete Bistum Bamberg reichlich ausstattete, waren auch die beiden ortenauischen Klöster Gengenbach und Schuttern dazu ausersehen der Neugründung für ihre Anfänge finanziellen Rückhalt zu verleihen. Noch im gleichen Jahrhundert fanden gerade in diesen Klöstern die kluniazensischen Reformbestrebungen Eingang, welche zunächst auf vollkommene Unabhängigkeit der kirchlichen Institute von der staatlichen Gewalt abzielten, und später sogar eine weitgehende Unterordnung der staatlichen unter die kirchlichen Belange forderten. So erwachsen dem Staate in kürzester Zeit aus seiner bisherigen Gefolgschaft die schärfsten Gegner, namentlich in den Stiftern. Als die bisherigen Gegensätze zu Ende des 11. Jahrhunderts im Investiturstreit im offenen Kampfe zum Ausbruch kamen, waren es nicht umsonst, namentlich hier in der Ortenau, gerade die Stifter welche im Verlauf desselben ihre Selbständigkeit mit Ausnahme von Gengenbach restlos einbüßten, und für die weitere territoriale Entwicklung keinerlei Bedeutung mehr gewannen. Schon seit dem beginnenden 12. Jahrhundert einfache Grundherrschaften, wurden sie auch in kirchenpolitischer Hinsicht von den radikaleren Zisterziensern abgelöst. Selbst das 1192 gegründete Prämonstratenserkloster Allerheiligen gewann keine größere Vedeutung. Angemerkt muß werden, daß sämtliche Ortenauer Stifter dem Bistum Straßburg unterstanden, welchem daher schon in frühester Zeit Möglichkeiten gegeben waren, im rechtsrheinischen Gebiet eigene Interessen geltend zu machen.

Jede territorialgeschichtliche Bewegung geht zwangsläuftg auf die karolingische Staatsverfassung zurück; welche auf der Idee des ausschließlichen Einheitsstaates gegründet war, öffentlich-rechtlichen Charakter beanspruchte und infolge römisch-absolutistischer Einflüsse im Gegensatz zu dem nicht allgemeinen Staatsbürgertum der germanischen Zeit, durchweg auf dem restlosen Untertanenverhältnis beruhte. Leisten die Untertanen den Treueid, so stehen sie andererseits wieder unter Königsschutz. Aufgabe des Staates ist die Wahrung der öffentlichen Wohlfahrt und Sicherstellung der Ordnung. Allerdings gelang es dem fränkischen Reich keineswegs in der Folgezeit die letzten Reste des Stammesbewußtseins zu beseitigen, und gerade die noch in Geltung bleibenden Stammesrechte - auch in der Ortenau galt noch lange die Lex Alamannorum - bildeten später eine die Verfassung stark beeinträchtigende Kraft. Von umso nachhaltiger Bedeutung blieb indessen die karolingische Verwaltungsorganisation, welche das ganze Reich gleich einem Netz überspann, in erster Linie aber die Grafschaftsverfassung.

Das Grafenamt in seiner fertigen Ausbildung, welche noch in fränkischer Zeit erfolgte, zeigt seinen Träger als einen richterlichen und militärischen Beamten, der im Auftrage des Königs seines Amtes waltet. Im Gau gebietet er das ordentliche Ding, führt den Vorsitz, und vollstreckt das nach Stammesrecht gefundene Urteil. Zu Zeiten des Krieges leitet der Graf die auf den Gau entfallende Aushebung der Heerespflichtigen und wird deren Befehleshaber. Weiterhin führt er die Polizeiaufsicht, nimmt den Untertanen den Treueid ab für den König, vollzieht Acht und Bann, überwacht das gesamte Verkehrswesen, treibt die Abgaben und Steuern ein, und empfängt die Bann- und Bußgelder. Als Entgelt für seine Tätigkeit enthält der Graf ursprünglich ein Amtsgehalt, in Form eines Amtsgutes aus königlichem Besitze, und einen Teil der staatlichen Einkünfte. Auf Dienstreisen stehen ihm Herberge und Beförderung zu. Stand ursprünglich die Ernennung des Grafen im freien Ermessen des Königs, so war er selbst ein absetzbarer Beamter. Indessen erschien es bald zweckmäßig den bedeutendsten Verwaltungsbeamten eines Gaues aus den, den Untertanen näher stehenden Nachkommen der Stammesherzöge, oder sonstigen vermögenden Großen zu entnehmen; zumal die Zentralgewalt darauf bedacht sein mußte, daß der durch seine Amtsbefugnisse in hohem Maße selbständige Graf, in weit abgelegenen Gegenden, letzten Endes die Interessen des Gesamtreiches vertrat; denn es lag in der Natur der Dinge, daß sobald die Zentralgewalt, sei es durch innere Zerrissenheit oder äußere Bedrängnisse eine Schwächung erfuhr, die mächtigeren Lokalgewalten sofort selbständig die höchste staatliche Gewalt für sich in Anspruch nahmen, und ausübten. Zwar büßte Graf Burkhard, welcher nach dem Niedergang des karolingischen Reiches den Versuch das alte alemannische Stammesherzogtum wiederherzustellen noch im Jahre 911 mit dem Leben; indessen konnte sein gleichnamiger Sohn die Herzogswürde wieder an sich bringen, wenn dieselbe auch keineswegs der ursprünglichen Machtfülle gleichkam.

Unmittelbar nach Erledigung des Stammesherzogtums durch Pippin den Mittleren, wurde die Ortenau vorübergehend einem größeren Grafschaftsverband eingegliedert, denn die ersten hier auftauchenden Grafen Warin und Ruthard verwalteten zugleich den Thur-, Argau und Linzgau. Als selbständige Grafschaft erscheint die Ortenau erst 888 unter einem Eberhard, der wohl mit dem gleichnamigen Sülchgaugrafen identisch ist. Weitere Nennungen erfolgen dann erst wieder zu Ende des 10. Jahrhunderts, nämlich zu 971 und 973 ein Konrad; 994 - 1004 ein Kuno und 1007 ein Hessius. Kurze Zeit darauf ging die Grafschaft Ortenau an die Zähringer über, in deren Hand sie, mit kleinen Ausnahmen bis zu ihrem Aussterben im beginnenden 13. Jahrhundert Verblieb.

Inzwischen hatte sich eine bedeutende Wandlung hinsichtlich des Grafenamtes vollzogen. War der Graf zwar früher der höchste, aber immerhin absetzbare Beamte, so läßt die seit 1016 auch in der Ortenau nachweisbare Erblichkeit des Grafenamtes deutlich erkennen, daß ihre Inhaber es verstanden hatten nunmehr die staatlichen Hoheitsrechte im eigenen Namen auszuüben. Wollte die weit entfernte und durch ein mangelhaftes Verkehrswesen in ihrer Schlagfertigkeit stark beeinträchtigte Zentralgewalt ihre eigentlichen Stützen nicht von vorneherein zu ihrem eigenen Verderben aufgeben, so blieb ihr nichts anderes übrig als im Hinblick auf das Gesamtreich auch hier nachzugeben.

Das nun entstehende und das ganze staatliche Leben des Mittelalters kennzeichnende Lehenswesen, welches seinen staatsrechtlichen Ausdruck im Heerschild mit seinen verschiedenen Abstufungen fand, war in Wirklichkeit lediglich ein höchst loses Treuverhältnis, sowohl der Fürsten zum Kaiser oder König als zu ihren Lehensleuten, und gegebenenfalls suchte jeder seine eigenen Interessen auf Kosten des anderen nach Möglichkeit zu erweitern. Hierzu kam noch die langsam aber stetig fortschreitende Durchbrechung des Reichsgutes sowie der alten Grafschaftsverbände durch die immer häufiger entstehenden geistlichen und weltlichen Immunitäten; infolge deren eine stets wachsende Zahl von Grundherrschaften der ordentlichen Gerichtsbarkeit der zuständigen Grafen entzogen, und die richterliche Funktionen auf einen frei gewählten Vogt übertragen wurden. Um so begreiflicher war es daß gerade die mächtigeren Großen, ja namentlich die Grafen selbst, wieder darnach strebten um in den erblichen oder vorübergehenden Besitz solcher Vogteien zu gelangen, um dadurch ihre Verluste wieder wettzumachen oder ihre Machtbefugnisse zu erweitern.

Aber gerade diese Vorgänge müssen wir als die eigentlichen treibenden Kräfte ansprechen, welche zur Bildung der Territorialherrschaften führten, deren Grundlagen eine große Grundherrschaft bildete, deren Besitzer noch zugleich bedeutende staatliche Hoheitsrechte ausübt. Wie anderwärts, so gilt dies auch für die Ortenau, und der schon seit dem 11. Jahrhundert offen zutage tretende Plan der Zähringer, welcher auf die Bildung eines ausgedehnten selbständigen Herzogtums im alemannischen Raum abzielte, in welches auch die Ortenau einbeschlossen werden sollte, werfen auf die Vorgänge ein helles Licht. - Noch Kaiser Heinrich II., welcher das neugegründete Bistum Bamberg mit ausgedehnten Immunitäten in der Ortenau, nämlich den Klöstern Schuttern und Gengenbach, zu welchen damals überdies Offenburg, Ortenberg, Gengenbach, Zell a. H., Nußbach bei Oberkirch sowie Mahlberg und Ichenheim gehörten, belehnte den Stammvater des zähringischen Hauses Bezelin von Villingen mit der Grafschaft der Ortenau und auch wohl mit der Vogtei der genannten bambergischen Besitzungen.

Die Ortenau und umliegende Gaue um des 10te Jahrhunder
Zu dem ausgedehnten Grafschafts- und Vogteigebiet kam noch weiterer in seiner Herkunft nicht mehr feststellbarer, vielleicht erst durch Neubesiedelung erschlossener Besitz im Renchtal, namentlich um Schauenburg und Ullenburg, letztere als Lehen des Hochstiftes Straßburg. Bezelins Sohn, Berthold I., der neben der Grafschaft der Ortenau noch diejenige im Breisgau, Thurgau und Albgau innehatte, und 1061 von der Kaiserin Agnes, der Mutter Heinrich IV., das Herzogtum Kärnten verliehen bekam, hat keine nennenswerten Spuren in der Ortenau hinterlassen. In den Wirren des kurz darauf ausbrechenden Investiturstreites, der alle Bande der staatlichen Ordnung löste, wurde auch die Ortenau, namentlich deren Klöster, in Mitleidenschaft gezogen. Leider fließen die Quellen zu spärlich um eingehendere Aufschlüsse zu erhalten. Indessen scheint es sehr wahrscheinlich, daß die mit dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden verschwägerten Zähringer als eifrige Parteigänger des Papstes wenigstens vorübergehend ihrer Grafschaft in der Ortenau verlustig gingen, zumal die Herzöge Berthold II. und Konrad I. von Zähringen, welche ihr Hauptinteresse überdies ihren schweizerischen und burgundischen Besitzungen zuwandten, hier in der Ortenau ihre Rechte mit dem Schwerte wahren und verteidigen mußten. Ein zum Jahre 1092 genannter Graf Burkhard von Schauenburg bei Durbach hatte vielleicht vorübergehend die Grafschaft erhalten.

In der Mitte des 12. Jahrhunderts treten indessen wieder die Zähringer in erster Linie in den Vordergrund. Ein Bruder Herzog Bertholds IV. nennt sich Hugo Von Ullenburg und ist an der Stiftung von Allerheiligen mit Uta von Schauenburg beteiligt. Die engen Beziehungen die sowohl Berthold IV. und sein Sohn Berthold V. mit den Staufern verbanden, berechtigen überdies, daß die Zähringer bis zu ihrem Aussterben 1218 die eigentlichen Herren der Ortenau waren, welche allmählich die Bezeichnung Grafschaft verliert. In engster Anlehnung an das staufische Vorbild förderten auch die Zähringer, neben den städtischen Siedelungen, namentlich zur Sicherung und Verwaltung ihrer ausgedehnten Besitzungen, die Ministerialen und Ritter. Ursprünglich einfache Knechte und Gefolgsmänner erlangten die Ritter als Hauptträger der militärischen Lasten in den Kreuzzügen erhöhte Bedeutung. Als Entgelt für ihre Heeresdienste erhalten sie neben ihrer Burg, kleinere Güter mit Grundherrenrechte, welche sich bald über ganze Dorfmarken in dem durch die Besiedelung immer mehr erschlossenen Landstrich erstrecken. Waren gerade die Ritter und Ministerialen die eigentlichen Stützen der staufischen Weltpolitik, so wuchs mit ihnen aber auch eine neue, selbstbewußte und vielfach hemmungslose Schicht empor, die ihren Sitz in den damals so zahlreich entstandenen Burgen hatten, deren Ruinen noch heute teilweise auch unserer Landschaft ihr eigenes Gepräge verleihen.

Ihre Söhne und Enkel sind es dann, welche mit dem Zusammenbruch der staufischen Vormachtstellung auch hier in der Ortenau im Verfolg ihrer ureigensten Interessen die eigentliche Bildung der kleinen Herrschaften während knapp eines Jahrhunderts vollziehen.

Eine der ersten Folgen der Wiederbelebung des karolingischen Staatsgedankens in der Stauferzeit, welche ihre Macht entgegen den bisherigen Gewohnheiten wieder auf eine Reichsbeamtenschaft (Ministerialen) gründete, war die Sorge um die Rückgewinnung des durch das Lehenswesen verschleuderten Reichsgutes. Aus diesem Grunde wurde das Todesjahr des kinderlosen Herzog Berthold V. von Zähringen (1218) der Ausgang zu einer umfangreichen Verschiebung der Machtverhältnisse in der Ortenau. Unter Hintansetzung jeglicher Erbansprüche, sei es der Herzöge von Teck oder der Markgrafen von Baden, gliederte Friedrich II. den Zähringer Besitz kurzerhand dem Reichsgut an. Die Bamberger Kirchenlehen werden für 400 Mark Silber zurückgekauft; die Lehen des Bischofs von Straßburg um Offenburg bleiben in der Hand des Reichs.

Offenburg wird endgültig Reichsstadt und mit einer Münze ausgestattet. Hier und auf dem Schlosse in Mahlberg, wohin der bischöflich-straßburgische Markt von Ettenheim verlegt wurde, ist der Sitz je eines königlichen Schultheißen, welche beide wieder einen königlichen Landrichter, einem Herrn von Bodman, unterstellt sind, welcher den Titel eines procurators = Statthalter führt, und seinen Sitz zu Ortenberg hat. Seine Amtsbefugnisse decken sich ziemlich mit denen eines karolingischen Grafen, auch ist er wiederum absetzbarer Beamter, überdies der Vorgänger des späteren Landvogtes. Allerdings bleibt dieser letzte Versuch der restlosen Angliederung der Ortenau an das Reichsgut nicht von nachhaltender Dauer. Schon mußte Friedrich II., um für seine weltpolitischen Ziele freie Hand zu bekommen, geistlichen und weltlichen Großen des Reiches Privilegien erteilen, die sie zu selbständigen Landesherren machten.

Nicht alle konnten einen solchen Rang erringen, aber jeder strebte nach Möglichkeit darnach. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die staufische Weltmacht in jähem Sturze zusammenbrach, begann nach Absetzung (1240) und Tod (1245) Friedrichs II. "jene kaiserlose schreckliche Zeit", d.h. eine Zeit der Darniederliegung jeglicher staatlicher Autorität und der Willkür einzelner Machtgruppen. Auch für die Ortenau bedeutete das Interregnum eine wahre Revolution, welche den Lokalgewalten freie Bahn schuf. Von allen Seiten fällt man nun über das Reichsgut her: geistliche und weltliche Fürsten, Ritter und Ministerialen. Unzählige Kriege und das Land verheerende Fehden sind die Folge.

Die Bischöfe von Straßburg in der nachstaufischen Zeit, neben den Habsburgern die mächtigsten Herren im oberrheinischen Gebiet, verdanken ihre Territorialherrschaft auch rechts des Rheins einer klugen Ausnutzung der Immunität. Zwar war es ihnen nicht möglich bei der weitgehenden Zersplitterung, welche die rechtsrheinische Territorialentwicklung charakterisiert, eine Erwerbspolitik größten Stiles zu treiben; zumal der bischöfliche Territorialherr seinen weltlichen Mitbewerbern gegenüber durch das Ausscheiden von Heiratskombinationen ungünstiger gestellt ist; während andererseits sein Besitzstand wiederum keiner Erbteilung unterworfen ist. Mit zäher Energie haben die Straßburger Bischöfe durch Schenkungen, Käufe, Tauschhandlungen oder in Kriegen und Fehden von der gegebenen Grundlage aus weiter gebaut; auch den, meist aus den Edelgeschlechtern hervorgegangenen Bischof beherrschte gleich dem Dynasten der Wille zur Macht und Herrschaft. Schon vom 8. bis 10. Jahrhundert lassen sich in den ebenen Teilen der Ortenau straßburgische Besitzungen nachweisen, so in:

Kippenheim, (Nieder-) Schopfheim, Rust, Mietersheim, Auenheim, Gamshurst, Kork, Ottenheim und Altheim. Um 1070 ist die Ullenburg bei Oberkirch mit Ulm, Sasbach, Sasbachwalden, Renchen, Spring, Schwend, Ringelbach, Waldulm, Tiergarten, Stadelhofen in Händen des Bischofs. Im beginnenden 13. Jahrhundert erfolgte ein Rückschlag durch Verpfändung weiter rechtsrheinischer Gebiete an den Markgraf von Baden, und den Einzug der Reichslehen durch Friedrich II. Um so begreiflicher daß sämtliche Bischöfe dieser Zeit als die schärfsten Gegner der Staufen, und die Hauptträger der nach der Jahrhundertmitte einsetzenden Gegenbewegung austreten.

Berthold von Teck (1233 - 1244), Heinrich von Stahleck (1245 - 1250) und deren Nachfolger im 14. Jahrhundert, so der waffengewaltige Berthold von Buchegg (1328 - 1353) und Johann von Lichtenberg (1353 bis 1363) sind die eigentlichen Gründer und Organisatoren des Territoriums. Zunächst wird das verpfändete Renchtal wieder gewonnen; 1274 allerdings nur vorübergehend das ganze vordere Kinzigtal sowie das kaiserliche Schloß Mahlberg. Durch den Erwerb von Schloß Fürstenegg bei der Ullenburg erfolgt die Angliederung des gesamten hinteren Renchtales, welchem zu Beginne des 14. Jahrhunderts das Oppenauer Tal folgte. Oberkirch erhält 1326 die bischöflichen Stadtrechte. Als Ludwig der Baier um diese Zeit nochmals den Versuch macht, staufische Reichslehensrechte zur Geltung zu bringen, ist es zu spät.

Sämtliche Reichsrechte, namentlich auch die volle Gerichtsbarkeit, sind zu dieser Zeit schon in den Händen der Bischöfe, deren Expansionsdrang noch höhere Ziele verfolgte, allerdings ohne den gewünschten Erfolg, denn trotz Erlangung der Reichspfandschaft der gesamten Landgrafschaft durch den Bischof, welche über hundert Jahre beim Bistum blieb (1351 - 1453), mußte man auf die geplante Einverleibung der gesamten Ortenau schließlich doch verzichten. Über die Entwicklung der Verwaltungsorganisation sind wir im allgemeinen nur schlecht unterrichtet bis ins 18. Jahrhundert. Die fürstbischöflichen Besitzungen im Rench-, Acher- und Oppenauertal wurden neben dem Stadtgericht in Oberkirch in fünf weiteren Gerichtsbezirken zufammengefaßt. Zu Oberkirch gehörten(1) Lautenbach, Oedsbach, Butschbach; zu Kappelrodeck: Seebach, Furschenbach, Waldulm, Ringelbach; zu Sasbach: Sasbachried, Obersasbach, Malchhurst und Sasbachwalden; zu Oppenau: Ibach, Ramsbach, Peterstal, Griesbach; zu Ulm: Stadelhofen, Tiergarten, Mösbach, Erlach, Haslacn und zu Renchen: Wagshurst und Hanau a. Rh.

Dem jeweiligen Gerichtsbezirk stand ein Schultheiß vor, derjenige der Stadt Oberkirch führte die Bezeichnung Amtsschultheiß. Zu ihm traten der Statthalter und je zehn, von den Bürgern des Gerichtsbezirkes jährlich gewählte sogenannte Zwölfer (Schöffen).

Weit weniger umfangreich waren die im Süden der Ortenau gelegenen Teile der bischöflich straßburgischen Landesherrschaft. Liegen über die Entwicklung des Amtes Ettenheim bis zum 14. Jahrhundert so gut wie keine Nachrichten vor, so läßt sich feststellen, daß das Vordringen des Bistums in erster Linie auf seine engen Beziehungen zu Ettenheimmünster zurückzuführen ist. Das im beginnenden 8. Jahrhundert wiederhergestellte Kloster wurde namentlich von Bischof Hetto von Straßburg, welcher demselben auch den Namen gab, reich ausgestattet, und seine Aufgabe bestand darin, die Kolonisierung in die östlichen angrenzenden Schwarzwaldgebiete vorzutragen. Eine weitere selbständige Entwicklung der Abtei wurde schon im Investiturstreit unterbunden, währenddessen die kaiserfreundlichen Bischöfe den größten Teil der klösterlichen Besitzungen wieder an sich brachten, und in denen sie dann während des 13. Jahrhunderts endgültig die Landeshoheit erwarben. Später umfaßte die Herrschaft Ettenheim mit Ausnahme der gleichnamigen Stadt, über deren Stadtrechtverleihung von Straßburg keine urkundlichen Nachrichten vorliegen, neben Ettenheimweiler und Wallburg noch die Gemeinden Ringsheim, Grafenhausen, Kappel a. Rh., sowie das Stiftsgebiet von Ettenheimmünster mit Wittelbach, Dörlinbach und Schweighausen; ferner Münstertal und Münchweier. Die Stadt Ettenheim, sowie jede der drei Gemeinden bildete für sich einen eigenen Gerichtsbezirk.

In ersterer bestand das Gericht aus dem Amtsschultheißen, dem Bürgermeister, Stadtschreiber und acht Mitgliedern, in letzteren aus den Ortsvorstehern (herrschaftlicher Schultheiß und je ein Vertreter der Bürgerschaft) sowie aus fünf bis sechs Beisitzern. Weit unübersichtlicher gestalteten sich die Verhältnisse im Stiftsgebiet von Ettenheimmünster, woselbst hohe und niedere Gerichtsbarkeit entweder vom Abte des Klosters, der übrigens noch im 18. Jahrhundert den Versuch machte Reichsunmittelbarkeit zu erlangen, oder von Geroldseck dann wieder von Straßburg beansprucht wurde. Tatsächlich besaß letzteres fast überall die Landeshoheit; indessen die Streitigkeiten hörten bis zum Übergang des ganzen Gebietes an Baden nicht auf.

In unmittelbarer Beziehung zur territorialen Entwicklung des rechtsrheinischen Teiles des Bistums Straßburg stehen die Anfänge der Herrschaft (Hanau-)Lichtenberg, und gehören ebenfalls dem 13. Jahrhundert an. Das wohl aus Schwaben nach dem Elsaß unter Barbarossa gekommene und 1197 erstmals urkundlich bezeugte
Geschlecht der Herren von Lichtenberg gewann hier schon bald bedeutenden Einfluß.

Ein Ludwig von Lichtenberg wird 1237 mit der Vogtei von Straßburg belehnt, die nach seinem Tode auf seine Söhne Heinrich und Ludwig übergeht, während seine beiden Brüder Konrad (III.) und Friedrich (I.) hintereinander den Straßburger Bischofsstuhl innehaben. Nicht umsonst treten daher die Lichtenberger 1274 erstmals als Inhaber bischöflicher Lehensgüter rechts des Rheins auf, so in (Rhein-) Bischofsheim, Freistett, Linx, Bodersweier, Diersheim, Auenheim und Leutesheim. 1293 ist Kork ein altes Reichslehen in ihren Händen. Auch Willstätt mit den umliegenden Dörfern ist wohl in dieser Zeit dazugekommen. Die zur Sicherung ihrer rechtsrheinischen Besitzungen von den Grafen von Lichtenberg erbaute Tiefburg Lichtenau wird schon 1300 zur Stadt erhoben, und gibt später einer Lichtenberger Nebenlinie, den Lichtenauern, den Namen.

Anläßlich der erstmals erfolgten Erbteilung des kleinen Territoriums im Jahre 1335 lassen sich deutlich die beiden späteren bis zum beginnenden 19. Jahrhundert bestehenden Ämter Lichtenau und Willstätt erkennen, deren Umfang etwa dem heutigen Amtsbezirk-Kehl entsprach. Auch späterhin fanden weitere Teilungen statt. So kamen nach dem Aussterben der Lichtenberger ihre rechtsrheinischen Gebiete 1480 an die Grafen von Hanau und die Grafen von Zweibrücken. 1570 vereinigte Graf Philipp von Hanau-Lichtenberg wieder das gesamte Gebiet in einer Hand. 1736 nach dem Erlöschen der Hanauer erbte Hessen-Darmstadt die Grafschaft, bei welchem sie bis 1802 verblieb.

Die Verwaltungsorganisation war einfach. Für jedes der beiden Ämter, deren Sitze und Kanzleien von Willstett nach Kork, bzw. von Lichtenau nach Rheinbischofsheim verlegt worden waren, gab es eine Amtsschreiberei und einen Amtsschultheißen, von denen der zu Willstätt zugleich das Amt eines Landeskommissars versah. An der Spitze beider Ämter stand ein Regierungsrat; der Fiskal und der Amtsadvokat war beiden gemeinsam. Eigene Landesgesetze bestanden nicht. Bei Rechtsfällen von über 20 fl. konnte schon an das Oberhofgericht nach Darmstadt appelliert werden. Der Bestand der beiden Amter war etwa folgender:

zu (Rhein)bischofsheim gehörten: Bodersweier, Diersheim, Altfreistett, Neufreistett, Grauelsbaum, Hausgereuth, Helmlingen, Holzhausen, Hanau, Leutesheim, Lichtenau, Linx, Memprechtshofen, Muckenschopf, Scherzheim und Zierolshofen; zum Amt Kork: Auenheim, Eckartsweier, Hesselshurst, Hohnhurst, Legelshurst, Neumühl, Adelshofen, Querbach, Sand und Willstett. Eine ganze Reihe von Ortschaften oder kleinen Siedelungen wurden im Laufe der Zeit vernichtet. So der zu Sand gehörige Bichhof, das ehemalige Dorf Schweighausen, und die zu Legelshurst gehörigen Orte: Dachshurst, Hofhurst, Schönhurst, Hildratshofen, Wesenrode und Sitzenhofen. Überdies zählten jahrhundertelang die linksrheinischen ehemaligen lichtenbergischen Dörfer Drusenheim, Kurzenhausen, Offendorf, Herlißheim, Rohrweiler und Oberhofen dem Bischofsheimer Amte an, - ein Zeichen, welch kleine Rolle der Rhein als kulturelle Grenze spielt. -

Die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Süden der Ortenau auftretenden Herrschaftsbezirke Geroldseck, Lahr und Mahlberg gehörten ursprünglich einem einzigen, in seiner Einheit allerdings nur kurze Zeit bestehenden Territorium an: der Grafschaft Geroldseck, deren Inhaber, welche nicht mit dem gleichnamigen linksrheinischen Geschlecht zu verwechseln sind, etwa seit Anfang des 12. Jahrhunderts in der Ortenau nachweisbar sind. Mittelpunkt ihrer Herrschaft war die gleichnamige Burg. In unverhältnismäßig schneller Zeit verstanden es die bisher unbedeutenden Herren, während des Interregnums auf Kosten des Reichsgutes und der städtischen Freiheiten ihre Machtstellung mit allen nur verfügbaren Gewaltmitteln zu erweitern und für sich die Reichsfreiheit zu erlangen. So bemächtigt sich Graf Walter der Stadt Lahr, und 1250 bringt er die Reichsfeste Mahlberg mit allen Zubehörden an sich. 1261 gebietet sein Sohn Hermann als Landvogt in der Ortenau, im Breisgau und im Elsaß, währenddessen sein jüngerer Bruder Walter seit 1260 den Straßburger Bischofsstuhl innehatte. Dann erfolgt eine Gegenbewegung der benachbarten Mächte unter Führung der Stadt Straßburg. Die Schlacht bei Hausbergen (1262) setzt dem Expansionsdrang der Geroldsecker ein endgültiges Ziel und beschränkt sie auf das bisher Erworbene.

Schon 1277 zerfiel die Herrschaft durch Erbteilung in eine obere und untere Hälfte. Zur ersteren, der Herrschaft Hohengeroldseck, gehörten das gleichnamige Schloß, die Vogteien Schönberg (Schimberg), Prinzbach und Dautenstein; die Dörfer Sulz, Selbach, Schuttertal, Berghaupten; die Hälfte von Reichenbach, die Hälfte von Ottenheim, Zunsweier und Schutterwald. Hierzu die Vogteirechte über die Klöster Ettenheimmünster und Schuttern. Nach dem Aussterben der Geroldsecker im Jahre 1634, deren Schloß zeitweise in kurpfälzischem Besitz war; kam die Herrschaft durch Österreich, unter Hintansetzung der Erbansprüche der mit Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach vermählten Tochter des letzten Geroldseckers, an die Grafen von der Leyen. Erst 1819 trat Osterreich die Grafschaft an Baden ab. Die untere Herrschaft, nach ihren Hauptorten Lahr-Mahlberg genannt, bestand zunächst aus Schloß und Stadt Lahr, mit Dinglingen und Hursterhof, Burgheim, Wallburg, Hugsweier, Schutterzell, Mietersheim, Schmieheim, Broggingen, Langenwinkel und Wagenstadt; dann Schloß und Stadt Mahlberg mit Kippenheim, Kippenheimweiler, Orschweier, Wittenweier, Almannsweier, Nonnenweier, Kürzell, Ichenheim, Dundenheim, Altenheim, die Hälfte von Ottenheim, Friesenheim, Heiligenzell, Oberweier (Friesenheim) und Oberschopfheim.

Später traten einige Änderungen ein. Broggingen ging an die Markgrafschaft Hachberg über, Schmieheim an die Ritterschaft, Wagenstatt und Schutterzell an Mahlberg, Altenheim hingegen von letzterem an Lahr. Nach dem Erlöschen dieser Seitenlinie der Geroldsecker (1426) kam die Herrschaft an die Grafen von Mörs und Saarwerden, welch letztere infolge langer Erbschaftsstreitigkeiten stark verschuldet, die Hälfte des umstrittenen Gebietes 1442 an Markgraf Jakob I. von Baden verpfändeten. 1497 erfolgte die käufliche Erwerbung durch Christof I. Über den restlichen Teil führten seit 1535 Baden-Baden mit den Nachfolgern der Grafen von Mörs und Saarwerden, nämlich den Grafen Nassau-Saarwerden, und später mit den Grafen Nassau-Weilburg gemeinschaftlich die Regierung über das kleine Ländchen. 1629 findet eine Teilung statt, nach welcher Nassau-Saarbrücken die Herrschaft Lahr; Baden-Baden die Herrschaft Mahlberg erhält. Erstere war dann wieder von 1659 bis 1727 an Baden-Baden verpfändet. 1799 folgte in Lahr nochmals Nassau-Usingen. Vier Jahre später ging das kleine Territorium endgültig an Baden über.

Der südöstliche Teil der Ortenau, teilweise schon über die alten Stammesgrenzen hinausgreifend, umfaßt den oberen Lauf der Kinzig und der Wolfach mit ihren Seitentälern. Obwohl spät besiedelt, besaß das Flußtal der Kinzig als einziger Durchgang von der Rheinebene nach den Höhen der Baar schon im frühen Mittelalter erhöhte verkehrspolitische und strategische Bedeutung. Überdies lagen hier eine Reihe wertvoller Bergwerke. Daher suchten die diesem Gebiet benachbarten Fürstenberger nach dem Aussterben der ihnen verwandten Zähringer hier sofort festen Fuß zu fassen, zumal sie ihre Ansprüche auf die zähringischen Besitzungen im vorderen Renchtal, in Oberkirch, Fürstenegg, Ullenburg, Ramstal und Nußbach nicht aufrechterhalten konnten. Haslach, Steinach und Biberach sowie deren Umgebung sind schon 1234 beim Tode Egino V. von Urach in der Hand der Fürstenberger, denen König Heinrich VII. eines der vornehmsten Reichsrechte - das Bergregal - einräumte, d. h. die Rechte zur Gewinnung von Gold und Silber in den Flußtälern der Wolfach, Kinzig und Rench sowie ihren Seitentälern. Nach dem Tode Friedrichs von Wolfach (1296) wird die kleine gleichnamige Herrschaft im Erbgang hinzugewonnen, und die in der gleichen Zeit erfolgte Erwerbung von Hausach schloß schließlich die Lücke zu einem einheitlichen Ganzen.

Trotz der vielfachen Verzweigung der Fürstenberger in verschiedenste Linien, auf deren Geschichte hier nicht näher eingegangen werden kann, verstanden sie es, ihre Kinzigtäler Besitzungen unverändert bis zu ihrer Meditiasierung zu wahren. Auch Haslach ist nicht in der Lage, trotz Einräunumg von Stadtrechten nach Freiburger Vorbild, die Reichsfreiheit zu erreichen. Nach Vorübergehender Verleihung an Straßburg durch König Wenzel, bleibt es seit 1393 endgültig ein fürstenbergisches Landstädtchen. Einen genauen Überblick über den Umfang der Herrschaft Kinzigtal und der fürstenbergischen Hoheits- und Grundeigentumsrechte gewinnen wir erst aus den Urbaren von 1484, 1488, 1493 und 1508. Demnach besaß Fürstenberg in all den nachgenannten Orten sowohl hohe und niedere Gerichtsbarkeit, und war in den meisten Fällen Grundherr. So in Bollenbach, Breitenbach, Einbach, auf Neuenbach, Osterbach, Fronau, Eschau und Weiler, Gechbach, Stadt Haslach, Stadt Hausach, Hauserbach, Schloß Heidburg mit Herrschaft, Hofstetter Tal und den Tälern: Ullerst, Salmensbach, Breitebene, Altersbach und Dorf Hofstetten; Kinzigtal mit Vorderlangenbach und Übelbach; Mühlenbach mit Hagsbach, Bärenbach, Büchern, Dietental, Gürtenau, Pfaus, Flachenberg, Windenbach, Schulersberg. Oberwolfach mit Fronbach, Selbach, Schwarzenbruch, Rankach, Erzenbach. Hierzu kamen noch Steinach und Welschensteinach, Sulzbach, Adlersbach, die Stadt Wolfach, die Vogtei über Kloster Rippoldsau, und in Gemeinschaft mit Baden-Durlach die Herrschaft Prechtal, bestehend aus Dorf Prechtal mit Landwasser und Hintertal, Reichenbach, Frischnau und Ladhof.

Die Durchführung einer einigermaßen geordneten Verwaltungsorganisation gehörte erst dem 18. Jahrhundert an. Damals wurde Wolfach der Sitz eines Oberamts für die Herrschaften Hausach und Wolfach, und Haslach derjenige eines Obervogteiamtes. Der jeweilige Oberamtmann mit einem oder zwei Oberamtsräten, bzw. der Obervogt, waren die für die Justizpflege und Verwaltung verantwortlichen Beamten. Die noch vorhandenen Ortsgerichte waren hiergegen bedeutungslos, im Gegensatz zu den sogenannten "Landschaften", deren Umfang etwa einem Amte gleichkam, und deren Vertreter sich meist aus den Gemeindevorstehern zusammensetzten. Den Landschaften lag der Einzug der Steuern und die Verwaltung der Landschaftskasse ob, welche wiederum für die Reichs- und Kreisabgaben, Kriegskontributionen und sonstigen außerordentlichen Ausgaben aufkommen mußte.

Zu den merkwürdigsten der vielen selbständigen politischen Gebilde im südwestdeutschen Reichsgebiet, welchen der Reichsdeputationshauptschluß ein Ende bereitete, gehörten die drei ortenauischen freien Reichsstädte Offenburg, Gengenbach, Zell a. H. sowie das freie Reichstal Harmersbach. Bildeten sie auch in allen äußeren Angelegenheiten, d. h. in der Wahrung ihrer Reichsrechte eine Einheit (Vereinsstädte), so waren sie andererseits in ihrer Verfassung und Verwaltung vollkommen getrennt. Auch in ihrer gesellschaftlichen Struktur kommt dies zum Ausdruck. Offenburg ist reine Bürgerstadt, während die Einwohner der anderen städtischen Gemeinwesen überwiegend aus Bauernschaften bestanden. Das freie Reichstal Harmersbach glich in seiner Verfassung am ehesten einem Schweizer Bauernkanton. Da fast alle Reichsstädte ihre Privilegien eifersüchtig zu wahren suchten, standen die "Vereinsmitglieder" nicht nur mit ihren Nachbarn, sondern auch untereinander in unentwegten Streitigkeiten. Offenburg, im Schnittpunkt von Schwarzwald und Rheinebene gelegen, blieb auch künftighin schon aus verkehrspolitischen Gründen die bedeutendste der Städte; wird erstmals 1233 als Stadt genannt, und ist wahrscheinlich im Rahmen der vielfachen Städtegründungen Friedrichs II. während seines Aufenthalts in Deutschland entstanden; im Anschluß an die in unmittelbarer Nähe gelegene uralte Dingstätte Kinzigdorf.

Bei dem mehrfach erwähnten Versuch der Rückgewinnung des Reichsgutes in der Ortenau durch die Staufer erhielt die neben der Feste Mahlberg zum Hauptstützpunkt der staufischen Verwaltungsorganisation ausersehene Stadt eine besondere Förderung ihrer baulichen Angelegenheiten. Wann die Stadtrechte und die Reichsfreiheit erlangt wurden, ist nicht genau überliefert, beide sicher nicht vor der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts; zumal der erste bekannte Schultheiß, Konrad von Offenburg, welcher später in den Aufruhr und Sturz Heinrichs VI. verwickelt wurde, neben den städtischen Interessen noch die Reichsrechte wahrzunehmen hat. Die Reichssteuer betrug 60 Mark Silber, und noch 1241 darf die Hälfte dieser Summe zum Stadtbau, d. h. für die Mauern und Befestigungen, aufgewandt werden. Im Interregnum suchen sich die Lokalgewalten, namentlich der Bischof von Straßburg und Graf Konrad von Freiburg, der Stadt zu bemächtigen.

Dauernden Erfolg hatten sie nicht davongetragen; im Gegenteil, während die Ortenau der Zersplitterung anheimfiel, konnte die Stadt die Reichsfreiheit gewinnen, und seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert spätestens bildete sie ein eigenes, indessen nur auf das eigentliche Stadtgebiet begrenztes, Territorium. Die Verpflichtungen, die der neue Reichsvogt eingehen mußte, bedeuteten nicht viel mehr als ein Versprechen, die Reichssteuern pünktlich zu erlegen, und im gegebenen Falle entsprechende militärische Unterstützungen bei der Landesverteidigung zu leisten. Auf allen anderen Gebieten, namentlich hinsichtlich der Gerichtsbarkeit, war die Stadt völlig selbständig. Seit ihrem Übergang an das Reich stand an der Spitze des Stadtgerichtes der Reichsschultheiß, welcher von den Vertretern der Reichsgewalt, oder wenn die Landvogtei verpfändet war von den Pfandinhabern nach Vorschlag von den Zwölfen des Rates auf Lebenszeit ernannt wurde. Die Bildung des letzteren gehört noch dem 13. Jahrhundert an, und läßt sich 1288 erstmals nachweisen. Im 14. Jahrhundert tritt zum alten noch der sogenannte junge Rat (Städtemeisterrat). Die Aufgabe des ihm vorstehenden Bürgermeisters bestand ausschließlich in der Wahrnehmung der Interessen der städtischen Bürgerschaft gegenüber dem alten Rat als Oberhaupt der Reichsstadt. Für die gesamte Entwicklung der drei Reichsstädte blieben indessen die Befugnisse des alten Rates das Hauptstück ihrer Verfassung, und seine wiederholte Bestätigung durch die Reichsgewalt im Laufe der Zeit, machten alle anderen geschriebenen Privilegien nahezu überflüssig. Auf dem Reichstag nahm die bei ihrem Anfall an Baden 2.390 Einwohner zählende Stadt die 29. Stelle unter den schwäbischen Städten ein.

Zu den ältesten Siedlungen der Ortenau gehört Gengenbach, und auf den Grundmauern und Wällen einer römischen Militärstation entstand hier schon im 8. Jahrhundert ein fränkisches Kolonisationskloster, welches vermutlich im Anschluß an eine bäuerliche Siedlung in der Nachbarschaft eines fränkischen Königshofes errichtet wurde, zumal hier in den erzreichen Gebirgstälern noch lange nach der Landnahme durch die Alemannen eine wohl absichtlich geschonte romanische Bevölkerung sich erhalten konnte. Auch späterhin lag in der Gewinnung der Edelmetalle das wirtschaftliche Schwergewicht. Die Bergwerke von Prinzbach und Haslach gewinnen im 13. und 14. Jahrhundert erhöhte Bedeutung, und der Metallzehnten von Biberach ist schon 1225 der Gegenstand heftigster Streitigkeiten. Lag ursprünglich mitten im römischen Kastellviereck das Kloster, und außerhalb desselben die Siedlung, wie aus der Lage der Leutkirche zu schließen ist, so fand auf dem großen Platz vor dem ersteren der Markt statt, dessen Errichtungszeit infolge Mangels einer Urkunde nicht bekannt ist; aber gleich Radolfzell oder Allensbach vollzog sich die Gründung Gengenbachs als klösterliche Marktstadt. Aber bei der schon erwähnten Verleihung Gengenbachs an Bamberg ging wohl das Kloster, nicht aber die Stadt, an das Hochstift über, und in letzterer treten allerdings von den Äbten und Mönchen mit Widerwillen betrachtet, die Herzöge von Zähringen als Herren auf.

Nach deren Aussterben gelangte die Stadt, deren Gebiet sich mit der Zeit auf das des Klosters erweiterte, an das Reich und blieb von da an freie Reichsstadt. Wie in Offenburg, werden alter und junger Rat eine ständige Einrichtung. Beim Reichstag besetzte sie auf der Bank der schwäbischen Reichsstädte die 32. Stelle, das Stadtgebiet selbst bestand außer Stadt noch in den sieben Stäben: Ohlsbach, Reichenbach, Haigerach, Schwaibach, Fußbach, Strohbach und Bermersbach, und zählte beim Übergang an Baden etwa 4.000 Seelen.

Die freie Stadt Zell a. H. hatte schon Mitte des 16. Jahrhunderts ihren ganzen Urkundenbestand durch einen Brand verloren, und als damals die städtischen Privilegien von der Reichskanzlei erneuert wurden, geschah dies erst nach Versicherung der beiden Nachbarstädte, daß die Verfassung der geschädigten Stadt der ihren von jeher gleich war. Urkundliches Material über die Stadtgründung oder Verleihung von Stadtrechten liegt nicht vor, doch gehören die Vorgänge zweifelsohne der Stauferzeit an. Später zählte Zell, welches auf dem Reichstag an 33. Stelle kam, mit seinem Stadtgebiet, nämlich den Stäben Nordrach, Biberach und Entersbach etwas über 2.000 Einwohner, und war die kleinste unmittelbare Stadt des Reiches. Etwas über ein Drittel entfiel auf die städtische Bevölkerung, welcher in wirtschaftlicher Hinsicht allmählich in völlige Abhängigkeit von den wohlhabenderen Bauern gelangte. Noch im 17. Jahrhundert versuchten letztere, ähnlich wie im Harmersbacher Tal, auch Herren des Stadtgebietes zu werden. Die Verfassung glich derjenigen der übrigen Vereinsstädte, mit der Ausnahme, daß der junge Nat keine ständige Einrichtung blieb, und nur in besonderen Fällen einberufen wurde. Seine Aufgabe bestand lediglich in der Ausführung der vom alten Rat beschlossenen Verordnungen für das Reichsgebiet.

Den Anlaß zur Bildung des eigenartigsten Territoriums nicht nur der Ortenau, sondern des gesamten Reiches, des "freien Reichstales Harmersbach", boten die mannigfachen Verpfändungen. Als Kaiser Ludwig der Baier im 14. Jahrhundert begann, "Stücke aus der Ortenau herauszubrechen", wie er selbst diese Verpfändungen bezeichnete, kam das Tal Harmersbach mit allen Seitentälern 1330 an die Grafen von Fürstenberg. Das Bistum Straßburg, das gleichzeitig Pfandherr in der Landgrafschaft geworden war, suchte nun auch das Harmersbacher Tal an sich zu bringen. Noch während die Unterhandlungen mit den geldbedütftigen Fürstenbergern im Gange waren, griff 1363 die letzteren widerstrebende bäuerliche Bevölkerung selbst ein. Eine wüste Fehde mit Besetzung des Tales und harter Gefangenschaft der Bauern waren die Folge. Durch Vermittlung der Städte Straßburg, Freiburg und Offenburg kam 1367 zu Gunsten des Bischofs von Straßburg ein Vergleich zustande. Das Tal galt nunmehr als eine von der Landvogtei "gesonderte Pfandschaft" und gedieh bald an das Straßburger Bürgergeschlecht von Bock, deren Erben und Nachfolger über dreihundert Jahre die Pfandherren des Tales blieben. Die durch die vielen Verpfändungen äußerst beschränkten Gerechtsame der jeweiligen Pfandherren beliefen sich lediglich auf einen Anteil an den Gerichtsgefällen (40 Mark Silber, später 100 fl.) und einige Naturalabgaben. Obwohl wirtschaftlich an Zell gebunden, gelang es den bäuerlichen Obrigkeiten des Tales, sich die gesamte hohe Gerichtsbarkeit zu sichern, welche jeweils von den neuen Pfandherren bestätigt werden mußte.

Als im 17. Jahrhundert die Pfandschaften ein Ende nahmen, führte gerade die Hochgerichtsbarkeit gleichsam zwangsläusig zur Reichsunmittelbarkeit, welche erst 1718 ausdrücklich anerkannt wurde. So hatten in diesem einzelnen Falle die Bauern des Harmersbacher Tales noch kurz vor Ende des alten Reiches ein Ziel erreicht, welches ihnen seit dem 14. Jahrhundert vorschwebte: sie standen gleich Fürsten und Städten unter Kaiser und Reich. 1778 betrug die Einwohnerzahl des Reichsgebiets etwa 2.000, und umfaßte die folgenden Orte und Zinken: Ober- und Harmersbach, Birach, Funkenstatt, Hippersbach, Roth, Kirnbach, Grün, Schottenhöfen, Vorder- und Hinterhambach, Mühlstein, Hagenbach, Jedensbach, Waldhäuser, Bolinsberg, Hub, Engelberg, Limrain, Wickersbach, Löcherberg, Langhard, Wald, Riersbach, Holdersbach. Die Regierung bestand aus dem Reichsvogt und den Zwölfern. In besonders wichtigen Fällen wird ein Ausschuß der Bauernschaft hinzugezogen. Wie in Zell und Gengenbach steht die Ernennung des Reichsvogtes, auf Vorschlag des Reichstales, dem Abt von Gengenbach zu. - Zur Wahrung ihrer Reichsunmittelbarkeit gegen die auf die Ausweitung ihrer Landesherrschaft bedachten Territorialherren vereinigten sich - ähnlich den Reichsstädten - auch der niedere Adel und die freien Herren zu verschiedenen Ritterbünden.

In der Ortenau gab vermutlich die Bedrohung der Herren von Schauenburg durch den berüchtigten burgundischen Landvogt Peter Von Hagenbach ersteren besonderen Anlaß, sich mit dem Markgrafen von Baden und mit den benachbarten Rittergeschlechtern, wie die Neuenstein, Bach, Hummel, Wiedergrün, v. Staufenberg und anderen, im Jahre 1474 zusammenzutun. Zehn Jahre später schloß sich der erneuerte Bund, mit Ausschluß des Markgrafen von Baden, als Reichsritterschaft Ortenau dem Ritterbezirk Neckar-Schwarzwald an und gehörte gleichfalls zum schwäbischen Ritterkanton. Die Ritterschaftsmitglieder selbst unterschieden sich in Realisten, Propriisten und Personalisten, je nachdem sie über Grundbesitz mit oder ohne Untertanen oder überhaupt keinen Grundbesitz verfügten. Nur ersteren stand volles aktives und passives Wahlrecht zu den Ämtern ihrer Ritterschaft zu, welche in dem Ritterhauptmann auch Präsident genannt, den vier Ritterräten bestand. Hierzu kamen noch die Ausschüsse und die Beigeordneten. Meistens besaßen die Realisten in ihren oft unter mehrere Geschlechter geteilten Dörfern die Hochgerichtsbarkeit, welche indessen nach dem Tode eines Inhabers wiederum neu vom Reich verliehen werden mußte. Immerhin bildeten tatsächlich diese Ritterschaftsdörfer kleine und kleinste selbständige Herrschaften mit einer, wenn auch nur auf örtliche Verhältnisse zugeschnittenen Landeshoheit. Beim Ubergang an Baden gehörten nachfolgende Dörfer der Reichsritterschaft an: Almansweier gemeinsam den v. Boecklin, v. Frankenstein und v. Montprison. Altdorf und Orschweier den v. Türckheim; Diersburg den v. Röder; Meisenheim den Wurmser von Vendenheim; Niederschopfheim den v. Frankenstein; Wittenweier den v. Boecklin, v. Berckheim und v. Frankenstein; Rust den v. Boecklin; Schmieheim den v. Waldner, v. Berstett und v. Frankenstein; der Ottenweiherhof bei Ichenheim den v. Dungern. Die Herrschaft über Berghaupten hatten die v. Schleiß; über Gaisbach die v. Schauenburg; über halb Schutterwald, halb Höfen und das ehemalige Langshurst wiederum die v. Frankenstein; über Nonnenweier die v. Boecklin und v. Montprison. Der Mörburger Hof bei Schutterwald gehörte den v. Weitersheim und das ehemalige Rohrburg bei Altenheim den V. Türckheim.

Der Versuch Rudolfs von Habsburg, auch im oberrheinischen Gebiet das Ansehen des Reiches wieder zur Geltung zu bringen, scheiterte am Widerstand des emporstrebenden Fürstentums, und nachdem im ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhundert die Ortenau in eine Reihe von selbständigen staatlichen Gebilden zerfallen war, blieb als Rest des ursprünglich einheitlichen Reichsgebietes die sogenannte Landgrafschaft übrig. Rudolfs Nachfolger, Adolf von Nassau, setzte zunächst einen Grafen von Katzenelnbogen, später seinen in der Schlacht bei Göllheim gefallenen Parteigänger Hermann von Geroldseck zum Landvogt ein. Unter Albrecht von Österreich bekleidet ein Otto von Ochsenstein das Amt. In den Wirren des Thronstreites zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Baiern mußte ersterer zur Deckung seiner Kriegskosten umfangreiche Reichsgüter in der Ortenau, namentlich im Renchtal, zu Gunsten des Bistums Straßburg opfern; während letzterer, nach seinem endgültigen Sieg über den Habsburger und einer vorübergehenden Einsetzung des Grafen Ludwig von Öttingem 1334 die ganze Ortenau mit den Reichsstädten an Markgraf Rudolf von Baden verpfändete.

Die Hoffung des Markgrafen auf endgültigen Erwerb des Pfandobjektes schwand indessen schon zwei Jahrzehnte später. 1351 ist der Straßburger Bischof Berthold von Buchegg Inhaber der Pfandschaft, deren eine Hälfte 1405 durch König Rupprecht an das kurpfälzische Haus überging; welches sie aber 1504 nach dem ungünstig verlaufenen Landshuter Erbfolgekrieg an die Fürstenberger verlor. Ein halbes Jahrhundert später gelingt es König Ferdinand I., sowohl die pfälzische, als Straßburger Hälfte wieder zu vereinen und dem Haus Österreich zu unterstellen, welches die Landgrafschaft seit 1701 den Markgrafen von Baden-Baden bis zu ihrem Aussterben zu Lehen gibt. Nach dem Reichsdeputationshauptschluß wird die Ortenau zunächst dem Herzog von Modena, dann 1805 endgültig Baden zugesprochen. Aber die in weit ältere Zeit hinaufteichende Verwaltungsorganisation unterrichtet erst das Stockurbar von 1721 eingehender. Der Sitz des Landvogtes und des Oberamtes mit seinen Oberamtsräten und dem Kanzleipersonal befand sich anfangs im Schloß zu Ortenberg, später in der Reichsstadt Offenburg, und unterstand seit der österreichischen Zeit der Regierung in Freiburg.

In ihren sämtlichen Gerichtsbezirken, so in Achern, mit Aftergericht Ottersweier, Ortenberg; Griesheim mit Aftergericht Zunsweier und Appenweier, welchen jeweils wiederum ein Vogt oder Schultheiß vorstand, besaß die Landgrafschaft die volle Landeshoheit. Die Zusammenfassung der einzelnen Gerichte wurde durch die Streulage der zu ihren Bezirken zählenden Ortschaften bedingt. Zu Achern gehörten: Ober- und Unterachern, Fernach (heute zu Oberkirch), Fautenbach, Gamshurst, Önsbach, Litzloch, Michelbuch und Illenbach. Zum Aftergericht Ottersweier-: das gleichnamige Dorf mit Marielinden, Haft, Walzfeld, Lauf, Hatzenweier, Hub, Niederhofen sowie die Höfe und Weiler Weiherhof, Aspich, Wendelbach, Aubach, Hornenberg, Walzfeld, Bresteneck (heute zu Baiersbronn), Grimnis, Lochhof, Rieberhof, Krafteneck, Kammerhof, Aubach und Schloß Neuwindeck. Zum Gericht Ortenberg: das gleichnamige Schloß und Dorf, Fessenbach, Zell b. Offenburg, Marlen, die Hälfte von Rammersweier, Goldscheuer, Kittersburg, die noch im 18. Jahrhundert bestehenden drei Straßburger Höfe, Weiherbach b. Zell, Riedle, Hasengrund, Albersbach, Käfersberg und Rießhof. Zum Gericht Griesheim: das Dorf, Windschläg, Bohlsbach, Bühl (Offenburg), Weier (Offenburg), Waltersweier, Ebersweier und die andere Hälfte von Rammersweier. Im Aftergericht Zunsweier war die Herrschaft mit dem Grafen von der Leyen als Inhaber der Grafschaft Geroldseck geteilt, und in den dazugehörigen Orten Elgersweier, Schutterwald, Höfen und Langhurst mit den Freiherren von Erthal. Zum Gericht Appenweier schließlich gehörten: das Dorf, Unter-Nesselried, Zimmern, Urloffen, Nußbach (Oberkirch), Zusenhofen, Müllen, Herztal, Maisenbühl, Kernenhof, Bottenau, Rohrbach (Gem. Durbach), Rohrberg, Froschhof und Bächlehof. Die Gesamteinwohnerschaft der Landvogtei betrug im Jahre 1785 etwa 17.300 Seelen.

Schon seit Jahrhunderten bestrebt, eine territoriale Verbindung zu ihren breisgauischen Besitzungen zu erwerben, gelang es den Markgrafen von Baden, schon längst vor dem endgültigen Aufgehen der Landvogtei in dem neugegründeten Staate, namentlich im Norden, dem eigenen Territorium zunächst gelegenen Teil der Ortenau weite Gebietsteile an sich zu bringen. Den Verlust der vielversprechenden schon erwähnten Pfandschaft der Landvogtei im Jahre 1351 konnte Markgraf Rudolf VI., wenn auch in bescheidenerem Rahmen, wieder ausgleichen durch den Erwerb aller Lehensgüter und Lehensleute nördlich der Bleich von Graf Egon von Freiburg im Jahre 1366; sowie durch den gleichzeitigen Ankauf der ganzen Herrschaft Staufenberg mit gleichnamigem Schloß, Durbach, Stöcken, Bühl, Hespengrund, Wiedergrün, Obernesselried, Illental, Bottenau, Spring, Heimsbach, Stürzelbach, Engersbach, Lautenbach, Neuweg, Vollmersbach, Halsbach, Gral, Ober- und Unterweier. Das Vordringen im Norden wurde den Markgrafen als Inhaber der Vogteien über die Klöster Schwarzach und Lichtental und ihren zugehörigen Dörfern erleichtert. 1387 fällt überdies die teilweise im ortenauischen Gebiet gelegene halbe Grafschaft Eberstein an Markgraf Bernhard I., den eigentlichen Begründer des badischen Territotialstaates. Von den um 1400 bestehenden 13 Ämtern der Markgrafschaft gehören zwei vollständig, nämlich Iburg (später nach dem 1258 zur Stadt erhobenen Steinbach verlegt) und Stollhofen; das dritte Baden, teilweise der Ortenau an. Der Versuch die Schauenburg mit ihren dazugehörigen Gebieten zu erwerben war 1460 mißlungen, andererseits vermehrte sich etwa hundert Jahre später der badische Besitz um ein Beträchtliches durch den Anfall von Alt-Windeck. Nach der Vereinigung der beiden Markgrafschaften und vor dem Übergang der Landvogtei an den neugegründeten Staat vereinigte letzterer seine in der Ortenau gelegenen Herrschaftsgebiete in fünf Ämtern, deren Amtssitze sich schon seit 1535 nachweisen lassen, wenn ihre Bezirke im Verlauf der Zeit auch einige kleine Änderungen erfahren hatten.

Das Amt Bühl mit Bühlertal, Plättig, Herrenwies, Hundsbach, Liehenbach, Steckenhalt, Büchelbach; dann Altschweier, Kappel unter Windeck, Rittersbach, halb Hatzenweier und Waldmatt. Das Amt Großweier mit Hesselbach, Unzhurst, Oberwasser, Breithurst, sowie Neusatz mit Waldsteg und Gebersbach. Das Amt Steinbacb mit zwei Stäben, nämlich Steinbach, Stadt; Umweg, Varnhalt, Gallenbach, Nägelsfirft, Neuweier, Schneckenbach, Mühlental, Affental, Eisental, dem Horbacher Hof; hierzu Weitenung mit Ottenhofen, Etzenhofen und Witschtung; sowie den Stab Sinzheim mit Litzlung, Duttenhurst, Büchtung, Tiefenau, Altenburg, Ebenung, Bürgerhof, Liedelshof, Vormberg, Winden, Kartung, Halberstung, Müllhofen, Schiftung und Leiberstung. Das Amt Stollhofen umfaßte: das gleichnamige Dorf, Söllingen, Hügelsheim, Iffezheim und die Rieddörfer Ottersdorf, Wintersdorf und Plittersdorf; hierzu das Amt Schwarzach mit Ulm, Greffern, Hildmansfeld, Moos, Vimbuch, Oberbruch, Balzhofen, Zell und Oberweier sowie der heute ausgegangene Warmersbrucher Hof. - Die Hoheitsrechte wurden in jedem Amte von einem Amtmann wahrgenommen.

Die grundstürzenden Umwälzungen des beginnenden 19. Jahrhunderts wirkten sich naturgemäß im oberrheinischen Raum am stärksten aus. So brachte der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 dem neugegründeten badischen Kurstaat gerade in der Ortenau seinen ersten Gebietszuwachs durch Anfall der Herrschaften Hanau-Lichtenberg, Lahr, den straßburgischen Ämtern Oberkirch und Ettenheim, die Klöster Gengenbach, Schwarzach, Ettenheimmünster, Allerheiligen, die Reichsstädte und das Reichstal. 1805 kamen die Landvogtei Ortenau und Kloster Schuttern hinzu, während 1806 bei der Gründung des Rheinbundes die reichsritterschaftlichen Besitzungen und fürstenbergischen Gebiete im Kinzigtal an Baden fielen. Durch den 1819 erfolgten Austausch der Grafschaft Geroldseck mit den Grafen von der Leyen fand die mannigfaltige Staatengeschichte der Ortenau ihr Ende.

Hineingewachsen in einen größeren Staat erfüllen gleich ihren Vorfahren, die gegenwärtigen und künftigen Generationen ihre wesenhafte und volkhafte Sendung: deutsch zu sein und zu bleiben.

1.) Im Folgenden sind jeweils nur die Hauptorte genannt. Die Anführung aller Höfe, Weiler und Sinken würde zu weit führen.

Literatur: Die umfangreiche Literatur findet sich am ausführlichsten in der Bibliographie der Badischen Geschichte Bd. I, 2 unter dem Stichwort des jeweiligen Territoriums verzeichnet - Hierzu kam die Benützung, namentlich für die Reichsritterschaft und Lahr-Mahlberg, von einschlägigen Archivalien aus dem Generallandesarchiv.

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