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Rust - Ortenau


Rust liegt im Rheintal. Im Westen befinden sich die Vogesen, östlich der Schwarzwald. Rust grenzt an das Naturschutzgebiet Taubergießen. Durch Rust fließt der Fluss Elz. Westlich von Rust befindet sich der Rhein, und somit die Grenze zu Frankreich. Im Norden grenzt Rust an die Gemeinde Kappel-Grafenhausen, im Osten liegt die Gemeinde Ringsheim. Im Süden grenzt Rust an Rheinhausen im Landkreis Emmendingen und im Westen an das gemeindefreie Gebiet Rheinau.
Lage im Ortenaukreis - Symbol anklicken: Lageplan Gemeinde Rust


Schloss Baltasar |  Über die Jüdische Gemeinde4 |  Europapark Rust


Ein Streifzug durch die Ortsgeschichte von Rust

Das Ruster Schloss
Das Ruster Schloss
Erste schriftliche Erwähnung

Der Name des Ortes Rust taucht zum ersten Mal im sogenannten Eddo-Testament von 762 auf. Darin macht Bischof Eddo von Straßburg den Benediktinermönchen des Klosters Ettenheimmünster für deren Lebensunterhalt verschiedene Schenkungen. Darunter befinden sich auch Mühlen-, Weide- und Fischereirechte und die Kirche im Dorf Rust, geweiht dem Hl. Apostel Petrus. Zweifellos war in dieser Schenkung die erste urkundliche Nachricht über den Ort Rust greifbar.

Vorgeschichte und Frühzeit - Die Entstehung des Oberrheingrabens

Das letzte erdgeschichtliche Ereignis, das die Oberflächenform unserer Region bestimmte, war die Bildung des Rheintalgrabens. Es mögen 40 bis 50 Millionen Jahre her sein, als auf einer Länge von 300 km und in einer Breite von 35 bis 40 km die mittleren Teile des von Schwarzwald und Vogesen gebildeten großen Gebirges bis zu 2000 m in die Tiefe absanken. Seither haben mächtige Sand- und Kiesablagerungen der Meere, die einst das weiten Becken ausfüllten, sowie der Flüsse und Bäche, die von allen Seiten herbeiflossen, den Graben allmählich aufgefüllt. Auf der Sohle dieses Rheintalgrabens sind zwischen Vorbergrand und Flusslauf drei deutlich zu unterscheidende Zonen landschaftlicher Eigenart in der Ost-Westrichtung feststellbar, nämlich das Bruchgebiet vor den Hügeln des Gebirgsrandes und deren Ausläufer, das Hochufer am Flussgelände und die eigentliche Niederung, in der der Strom einst in ungezügeltem Lauf ein weites Gebiet mit zahlreichen Seitenarmen und Altrheinwässern beherrschte.

Erste Besiedelung

Die ersten menschlichen Niederlassungen unserer Raumschaft entstanden am Rande der Vorbergzone. Dort fanden sich die günstigsten Wohnplätze, aber auch Ackerland und Weide, da ja die ganze Ebene von Sümpfen bedeckt war. Man darf daher Orte wie Kenzingen, Herbolzheim, Ringsheim, Ettenheim, Altdorf und Kippenheim zu den ältesten der Umgebung zählen. In einer weiteren Siedlungsperiode entstanden Niederlassungen auf dem Hochgestade der Rheinniederung, wo es schon früh trockene Plätze für die Anlage von Gehöften gab und in den nahen fischreichen Gewässern Nahrung und Auskommen für die Familien. Das Hochufer, das die frühen Siedler anlockte, war in jenen Zeiten noch ausgeprägter ausgebildet, als man sich das nach Jahrhunderten intensivster Bebauung und Veränderung durch Menschenarbeit sich noch vorstellen kann. So entstanden unter ähnlichen Voraussetzungen Ober- und Niederhausen, Rust, Kappel, Wittenweier usw. Zuletzt in einer schon mittelalterlichen Ausbauperiode, entstanden mitten im Bruchgebiet Grafenhausen oder Kippenheimweiler.

Kelten - Römer - Alemannen - Franken

Einige wenige Funde in Rust weisen mit denen aus dem bedeutenden Fürstengrab von Kappel auf eine intensive Besiedlung des Rheinhochufers durch die Kelten seit Beginn der Hallstattzeit, also ab etwa 650 v. Chr., hin. Vom zweiten vorchristlichen Jahrhundert an, dem Beginn der sogenannten La-Tène-Zeit, wurden die Kelten von neuen Völkerstämmen verdrängt, die, auf der Landsuche aus dem Osten und Norden Europas kommend, am Oberrhein mit dem Weltreich Roms zusammenstießen. Es begann eine Jahrhunderte andauernde Auseinandersetzung, in der zeitweise auch unsere Gegend von römischen Truppen besetzt und in ihre Verwaltung einbezogen wurde. Über den Fund römischer Münzen auf Ruster Boden ist nur wenig nachweisbar. Lediglich einige Münzen wurden Ende des letzten Jahrhunderts im Kirchenopfer gefunden. Daneben behauptet Baron Ruprecht von Boecklinsau, dass während eines Umbaus in den Fundamenten des Schlosshofes römische Legionsziegel zutage gefördert worden seien, die aber leider nicht aufbewahrt wurden. Im Ringen um den Besitz der Oberrheinlande zwischen den Römern und den einwandernden germanischen Völkern siegten schließlich die Eroberer. Um 260 n. Chr. ergossen sich nach dem Fall des Limes die Alemannen nach dem Süden. Um etwa 350 n. Chr. waren weite Teile zwischen Oberrhein, Donau und Neckar von ihnen besetzt und besiedelt. Nach schweren und langwierigen Kämpfen errangen allerdings die Franken die Herrschaft über die Alemannen. Hand in Hand mit dieser militärischen Eroberung ging die kirchliche Missionierung. Es folgte eine weitgehende Vernichtung und Entmachtung der alemannischen Oberschicht. Eine völlige staatliche und kirchliche Neuordnung gliederte auch unsere Heimat in das Frankenreich ein. Das Elsass und mit ihm besonders die Stadt Straßburg spielten bei der Eroberung des mittelbadischen Raumes für die fränkische Ausdehnungspolitik im 7. bis 9. Jahrhundert eine große Rolle. Einflussreiche und begüterte Adelsgeschlechter im Elsass beschenkten aus ihren auf rechtsrheinischem Gebiet eroberten Ländereien die Kirche, gründeten Pfarreien und Klöster und statteten sie zur Sicherung ihres Unterhalts mit Rechten und Einkünften aller Art aus.


Der Taubergießen
Erste schriftliche Erwähnung

Zu diesen Stiftern gehörten auch Graf Rudhard aus dem Elsass und Bischof Eddo von Straßburg, die dem Kloster St. Landolin die Mark Ettenheim und viele andere Güter im Breisgau und in der Ortenau übergaben. Unter den Schenkungen von Bischof Eddo anlässlich der Neugründung des Klosters in Ettenheimmünster im Jahre 762 haben sich auch verschiedene Rechte und die Kirche im Dorf Rust befunden. Die eigentliche Ortsherrrschaft war in dieser Stiftung aber nicht enthalten. Sie beschränkte sich auf einzelne, fest umrissene Rechte an der Mühle, an einer Weide und an Fischgewässern, die in der Hauptsache aus bestimmten Abgaben der Dorfbewohner an das Kloster bestanden. Mit dieser Schenkung, dem sogenannten Eddo-Testament, wird nun die erste urkundliche Nachricht über den Ort Rust greifbar.

Die Herrschaft der Boecklin von Boecklinsau - Ursprung und Bedeutung der Familie Boecklin

Sichere Nachrichten über die Herrschaftsrechte in Rust haben wir erst ab Beginn des 14. Jahrhunderts. Es gab einen 1309 "von Rust" genannten Ortsadel, Lehensnehmer der Straßburger Bischöfe. Ferner werden Herren von Eichstetten, von Mülnheim und schließlich von Endingen als Inhaber des bischöflichen Lehenshofes zu Rust bekannt. Rust ging Mitte des 15. Jahrhunderts in den Besitz der Boecklin über, als sie in der Person des Edelknechts Bernhard Böckel das bischöflich-straßburgische Mannlehen für 2000 Gulden von den Herren von Endingen erwarben. Daraufhin wurden sie am 22. Januar 1442 durch den Bischof von Straßburg mit dem Dorf belehnt. Freilich hatten die Boecklin bereits seit 1424 in Rust gewisse Einkünfte, ebenfalls ein bischöflich-straßburgisches Lehen, von den Brüdern Rudolf und Thoman von Endingen übernommen, so dass man dieses Jahr als den eigentlichen Beginn der Boecklin-Ära in Rust bezeichnen kann.

Die Boecklin sind ein zum elsässischen Uradel zählendes, regimentsfähiges Geschlecht der Freien Reichsstadt Straßburg, als deren Stammvater Ruprecht Bock gilt, der um 1200 Besitzer der Ruprechtsau (heute Robertsau) war, einer Rheininsel nördlich von Straßburg. Die Familie Boecklin spielte im 1226 vom Bischof unabhängig gewordenen und zur Reichsstadt erhobenen Straßburg eine wichtige Rolle. Die Belehnung mit Rust war allerdings nur ein Glied in einer Kette von zahlreichen Erwerbungen der Boecklin diesseits und jenseits des Rheins. In der Mitte des 15. Jahrhunderts vereinten sie etwa 30 Lehen in ihren Händen. Die Boecklin hatten verschiedene Privilegien, die sie ursprünglich vor allem Kaiser Maximilian I. verdankten. Das wichtigste Vorrecht war, daß die Boecklin einzig der höchsten Gerichtsbarkeit vor dem Kaiser und dem Reichskammergericht unterstanden. In ihren Herrschaften übten sie die Landeshoheit aus, deren wesentlichster Bestandteil die hohe und niedere Gerichtsbarkeit war; ferner hatte die Familie Boecklin auch die Militärgewalt.

Ende der Herrschaft

Schon seit 1789 gingen als Folge der Französischen Revolution die linksrheinischen Besitzungen der Boecklins verloren. 1806 beendete Napoleon die Boecklin’sche Herrschaft in Rust. Nachdem in diesem Jahr der ehemalige Besitz der Reichsritterschaft an Baden gekommen war, wurde die Grundherrlichkeit Rust durch Verordnung vom 22. Juli 1807 zum Oberamt Mahlberg geschlagen und kam schließlich 1810 zum Amt Ettenheim. Im Rahmen der nun im Großherzogtum Baden einsetzenden Bauernbefreiung beseitigten der badische Landtag und der Großherzog 1825 die Leibherrschaft, samt den damit verbundenen Angaben und der Schollenbindung. Außerdem wurden die Frondienste aufgehoben. Sodann entfiel eine Reihe von Geld- oder Naturalabgaben an den Grund- herren. Mit der Zehntablösung, die 1833 beschlossen wurde und die den zwanzigfachen Betrag eines mittleren Jahrzehnts ausmachte, wurden alle noch bestehenden grundherrlichen Abgabepflichten und der Kirchenzehnte beseitigt. Just in dem Jahr, in dem die Boecklin von Großherzog Leopold Güter und Gefälle in Rust erhielten, die bis 1803 dem Kloster Ettenheimmünster zustanden, nämlich den Pfarrsatz und das Patronatsrecht zu Rust, das Meiergut, Bodenzinse und auch den Zehnten.

Folgen der Mediatisierung

Für Rust hatten diese Veränderungen Folgen, die nur teilweise eine Verbesserung der Lage brachten. Die bisherige Besteuerung, die die Boecklin auferlegt hatten, verringerte sich zwar, doch verengte sich der Lebensraum des Dorfes durch die Vergrößerung des landwirtschaftlichen Eigenbetriebs der Boecklin in den nachfolgenden Jahren, wodurch diese den linksrheinischen Verlust ihrer Ländereien auszugleichen suchten. Sie kündigten den Pächtern und zogen die Güter in dem Maße an sich, wie sie selbst die Bewirtschaftung erweiterten. Da seit etwa 1750 die Bevölkerung sehr rasch angewachsen war und diese Aufwärtsentwicklung unvermindert anhielt, wirkte sich natürlich die Einschränkung der Nutzungsflächen für die Bevölkerung besonders schlimm aus. Für die kinderreichen Familien konnte die Arbeit im Gutsbetrieb der Boecklin nur eine geringe Verdienstmöglichkeit bieten. Auch ging der Fischfang, von dem sich viele Ruster Familien ernährten, als Gewerbe seit der Rheinregulierung durch Johann Gottfried Tulla ständig zurück. Eine einheimische Industrie kam erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. So ist es nur allzu begreiflich, dass großes Elend im Dorf herrschte. Manchem blieb nur noch die Reise nach Amerika als letzter Ausweg vor der völligen Verarmung.

Beim Ruster Schloss
Beim Ruster Schloss
Ende der Ära Boecklin Rust

Auch nach der Beseitigung grundherrlicher Bindungen blieb in Rust eine gewisse Abhängigkeit der Menschen von der Familie Boecklin weiter bestehen, denn sie war immerhin die weitaus größte Grundbesitzerin im Ort. Die Ära der Boecklin ging in Rust zu Ende, als nach dem Tode des letzten in Rust lebenden Stammherrn Ruprecht Ludwig Ernst Moritz im Jahre 1955, sein in den USA lebender Sohn die vormalige Grundherrschaft samt der Balthasarburg 1956 an Graf Karl Wolff Metternich zu Gracht veräußerte. Im Jahre 1965 hat Herr Dr. Fuchs das Schloss und einen Teil des Parkes erworben. Dieser verkaufte es 1977 an die Firma Mack aus Waldkirch.

Die jüdische Gemeinde Rust

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass es in Rust über Jahrhunderte hinweg eine intakte Jüdische Gemeinde gab. Die ausführliche Schilderung ihrer Geschichte und letztlich ihres Leidensweges, ist für diesem Rahmen zu umfangreich, deshalb soll hier nur ein grober Abriß gegeben werden.

Nach den grausamen Judenverfolgungen des Mittelalters, blieben die Juden für lange Zeit aus den Städten verbannt. Deshalb ließen sie sich mit Vorliebe in der Nähe der Städte, auf den ritterschaftlichen Dörfern nieder, deren kleine Herren sie der Abgabe wegen zuließen. So auch in Rust. Vermutlich siedelten sich die ersten Juden nach dem Dreißigjährigen Krieg hier an. Vor dem 19. Jahrhundert haben wir nur eine Angabe über die Stärke der israelitischen Gemeinde von Rust. Anno 1740 werden 10 Judenhaushaltungen verzeichnet, 1809 lassen sich in Rust 5 Familien feststellen. Die Zahl der jüdischen Einwohner steigt seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa 1840 steil an, bleibt auf diesem Höchststand bis Mitte der 1860er Jahre, wobei die Israeliten 1852 mit 245 Personen rund 13% der Einwohner des Dorfes stellten, um dann kontinuierlich bis zum Jahre 1933 abzufallen.

Die Abnahme der jüdischen Bevölkerung seit dem Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ist ein Folge der Abwanderung in die Städte. Sie hatte ihre Ursache im 1862 ergangenen "Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten", das ihnen den freien Zuzug in alle Städte des Landes ermöglichte. Auf dem Offenburger Judenfriedhof finden sich in Grabstätten Zeugnisse dafür, dass Ruster Juden dorthin zogen. Die Abwanderungsbewegung in die Städte setzte sich auch im 20. Jahrhundert weiter fort. Das 19. Jahrhundert war die kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit der Ruster Judengemeinde. Sie erbaute 1850 ein neues Frauenbad, weihte 1857 einen neuen Synagogenbau ein - der 1964/65 abgebrochen wurde - und unterhielt eine israelitische Schule. Durch einen Bericht des Judenvorstehers vom 4. 10. 1817 haben wir die Möglichkeit uns von den Verhältnissen der Israeliten zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Bild zu machen. Darin finden wir unter der Rubrik Handwerk: 2 Metzger, 1 Weinhändler und 1 Viehhändler. Unter Freyhandel steht: 1 Person handelt mit Zucker, Kaffe, Musselin; 1 Person mit Eisen, Geschirr, Federn; 3 Personen handeln nur mit Musselin.

Den Nothandel betreiben 12 Personen. Schon seit mindestens 1835 gab es eine jüdische Gaststätte "zum Hirschen" in der Karl-Friedrich-Straße, die gegen Endes des Jahrhunderts aufgegeben wurde. 1872 wurde Gustav Johl die Erlaubnis zur Eröffnung des Gasthauses "Blume" (heute Cafe Lang) erteilt, die bis 1938 bestand. Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts spielte die jüdische Bevölkerung der Gemeinde Rust wirtschaftlich keine bedeutende Rolle. Von den 22 Haushaltungen des Jahres 1900 sind 2 ausschließlich Viehhändler, 2 sind es im Hauptberuf, 5 haben einen Handel mit Zugvieh, 7 sind hauptberuflich Ackerbauern und 2 hauptberufliche Handwerker; 5 betreiben hauptberuflich ein Warengeschäft und 2 im Nebenerwerb; 7 verdienen sich ihren Unterhalt als Hausierer. 1909 verzeichnet das Landesadressbuch für Baden in Rust eine Brennerei, einen Kolonial- und Gemischtwarenladen, eine Manufaktur und eine Weinhandlung. Die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Zeit nach dem 1. Weltkrieg und die immer stärker werdende antisemitische Hetze, führten zu einer verstärkten Auswanderung. Auch die Fluktuation vom Land in die Stadt hatte sich verstärkt.

Vor allem die wohlhabenden jüdischen Geschäftsleute zogen nach dem 1. Weltkrieg einer nach dem anderen in die Städte, die ihnen bessere geschäftliche Möglichkeiten boten. Das bedeutende Manufakturwaren- und Damenkonfektionsgeschäft Hauser verlegte 1919 seinen Geschäftssitz nach Lahr, Albert Abraham löste seinen Kolonial- und Gemischtwarenladen auf und zog nach Freiburg. Auch die sogenannte "Reichskristallnacht" des Jahres 1938 ist an der Ruster Judengemeinde nicht spurlos vorübergegangen. Außer der Beschädigungen der Synagoge wurden die drei einzigen noch in Rust lebenden erwachsenen männlichen Juden für sechs Wochen nach Dachau verbracht. Nach und nach wurden jetzt die Konzessionen für kleinere Unternehmen eingezogen. Dieses Schicksal traf den Viehhändler Max Moch, den Weinhändler Leopold Grumbacher und den Blumenwirt Bernhard Johl.

Als die Verfolgten die volle Tragweite der Maßnahmen erfassten, versuchten diejenigen, die es möglich machen konnten, Deutschland zu verlassen, so natürlich auch in Rust. Die Zahl der jüdischen Auswanderer aus Rust zwischen 1931 und 1939 beläuft sich auf 13. Sie gingen überwiegend in die USA, aber auch nach Frankreich, England und in die Schweiz. Am 15. 10. 1940 wurde die Ausweisung aller sogenannten "Volljuden" aus Baden, der Pfalz und dem Saarland angeordnet. Auch in Rust wurden die letzten neun Juden verhaftet und in das Lager Gurs in den Pyrenäen gebracht. Damit hat die jüdische Gemeinde Rust aufgehört zu bestehen.

Die Fischerzunft

Das Dorf hatte für seine Bedürfnisse stets ein ausreichendes Handwerk, wobei die Fischer und die Weber an Zahl an der Spitze standen. Über die Weber ist uns bis heute leider noch wenig bekannt. Wohl dokumentiert und erforscht ist die Geschichte der Fischer und ihrer Zunft. Schon die erste urkundlicher Erwähnung weist Rust bereits als Fischerdorf aus. Aufgrund handfester Beweise und eingetragener Jahreszahl 1583 auf der Zunftlade konnte die Fischerzunft im Jahre 1983 ihr 400jähriges Bestehen feiern. Die älteste noch vorhandene Zunftordnung wurde am 22. August 1588 erlassen. Da es sich dabei um eine Erneuerung einer älteren, nicht mehr auffindbaren Ordnung, handelt, steht fest, dass sich die Fischer im Ort schon viel früher in einer Zunft zusammenschlossen.

Die Geschichte der Ruster Fischerzunft ist sehr bewegt. Bereits Ende des 15. Jahrhunderts begannen Grenzstreitigkeiten mit benachbarten Zünften. Nach uralten Satzungen wird das Zunftrecht bis heute an die Fischerwitwen und deren Söhne vererbt. Ein jeder Fischersohn hat das Recht im Zunftgewässer zu fischen, nachdem er das 25. Lebensjahr erreicht und die Fischerprüfung abgelegt hat. Jährlich im Oktober wird der Fischertag gehalten, der wie in all den Jahren mit einer Messfeier zu Ehren der verstorbenen Zunftgenossen eingeleitet wird. Der Zunftvorstand besteht aus dem Zunftmeister, Zunftrechner, Zunftschreiber sowie zwei Beisitzern und hat die Aufgabe die Belange der Zunft wahrzunehmen.

Protokolle, Verträge und Urkunden - die älteste aus dem Jahr 1425 - werden in der Zunftlade aufbewahrt. Der Mechanismus ist so gestaltet, dass sich die Lade nur mittels zweier Schlüssel öffnen lässt. Einer ist im Besitz des Zunftmeisters, der andere in der Obhut des Rechners. Zu besonderen Anlässen wird die Truhe in einem feierlichen Zeremoniell geöffnet. Das Zunftschild schmückt eine Wand in der Zunftstube. Die Fischerzunft zählt gegenwärtig etwas über 100 Mitglieder.

Das Buch "Geschichte der Fischerzunft Rust" ist auf dem Verkehrsamt Rust und unter www.fischerzunft-rust.de für 12,50 Euro erhältlich.

Die Landwirtschaft in Rust - Hanf und Flachs

Bedingt durch die naturräumlichen Voraussetzungen bildeten Landwirtschaft und Fischerei seit altersher die Grundlage der Versorgung unserer Dorfbewohner. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche war durch den vielverzweigten Rhein mit seinen Nebenarmen, Gießen und Bächen sehr gering. Allerdings bot die Gemarkung dadurch geradezu ideale Voraussetzung zum Hanfanbau und vor allem zu dessen aufwendiger Verarbeitung. Hanf und Flachs waren deshalb in Rust, und natürlich in der gesamten Umgegend, die frühestens Handelsgewächse, die bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts eine große Bedeutung für das Dorf hatten. Wie wir dem "Zinsbuch der Ruster Bürger" der Jahre 1434-1456 entnehmen können, wurde in Rust mindestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts Hanf und Flachs angebaut, zubereitet und verarbeitet.

Aus den gesponnenen Fasern wurde nicht nur Stoff für den Eigenbedarf gewoben. Darüber hinaus sollte der Hanf noch Geld einbringen. Deshalb wurden die Gewebe auf dem Markt im nahen Ettenheim feilgeboten. Daneben wurde aber auch der noch unbearbeitete Faserstoff sowie das fertig gesponnene Garn verkauft. Heute erinnert nur noch der Name der 1954 gegründeten Narrenzunft "Hanfrözi" an die fast vergessene Nutzpflanze. Er entstand in Anlehnung an eine angebliche Geistergestalt, die in vergangenen Zeiten auf den Hanfrötzen ihr Unwesen getrieben haben soll. Diese wurde in der Narrenfigur des "Rözi-Hansele" wiederbelebt. Damit hat sich, wenn auch nur im Brauchtum, die Erinnerung an die für unsere Vorfahren wichtige Pflanze erhalten.

Zuckerrüben und Tabak

Vermutlich wurde der Hanf durch das Aufkommen des Tabakanbaus nach und nach aus der hiesigen Landwirtschaft verdrängt, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts auch dem Zuckerrübenanbau ein Ende bereitete. Dazu schreibt die Lahrer Zeitung vom 18. Oktober 1892: "Das Abliefern der Zuckerrüben an die Zuckerfabrik Waghäusel geht ihrem Ende entgegen. Die Pflanzer sind sehr unzufrieden mit diesem Artikel, da er erstlich keinen hohen Ertrag abwirft und zweitens das Reinigen der Rüben, die nicht geschabt, nicht an der Haut verletzt und nicht gewaschen werden dürfen, unsäglich viele Mühe macht, und es drittens an der Bahn beim Einwiegen durch hohe Prozentabzüge nicht lobend zugeht. So wurden von 4 bis 16 Prozent Abzüge gemacht, weshalb denn von Rust aus klagend vorgegangen wird. Im ganzen Bezirk wird das nächste Jahr kein Accord mehr gemacht werden, denn jeder erkennt, dass das Tabakpflanzen angenehmer und lohnender ist."

Mit dem Tabakanbau erhielten die Bauern eine neue Verdienstmöglichkeit. Die Gemeinde Rust gehörte zu den ersten Orten in Mittelbaden, in denen Tabak angepflanzt wurde. Die Anregung zum Tabakanbau ging, wie in manch anderen umliegenden Orten, von den Gebrüdern Lotzbeck aus, die schon 1774 in Lahr eine Schnupftabakfabrik gegründet hatten. Mit schier unermüdlichem Eifer wurden die Landwirte durch gedruckte Anweisungen, unentgeltliche Austeilung von Tabaksamen, Abgabe von Setzlingen und durch Prämien zum Anbau der Tabakpflanze ermuntert. Dies führte dazu, dass sich der Tabakanbau innerhalb weniger Jahre in den Rieddörfern in der Umgebung von Lahr einbürgerte. Da der Tabakanbau und dessen Verarbeitung sehr arbeitsintensiv ist, war ein großflächiger Anbau allerdings nicht möglich.

Tabakverarbeitung

Mitte der Zwanziger Jahre stand der Tabak in Baden unter den angebauten Handelsgewächsen an erster Stelle, wobei das Hauptanbaugebiet die untere und mittlere Rheinebene war, die mit ihrem ziemlich warmen und gleichmäßigen Klima sowie ihren sandigen und kiesigen Böden für den Anbau der Tabakpflanze gut geeignet ist. Der größte Teil des im Badischen angebauten Rohtabaks wurde von den Fabriken verarbeitet, die sich in den wichtigsten Tabakanbaugebieten niedergelassen haben. Die Verarbeitung geschah von Anfang an in der Hauptsache rein fabrikmäßig. Fabrikgründungen sind schon früh nachweisbar. Die badische Tabakindustrie reicht mit ihren Anfängen bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Die ersten Fabriken waren ausschließlich Rauch- und Schnupftabakfabriken.

Mitte des 19. Jahrhunderts setzte in der Tabakindustrie eine wichtige Veränderung ein. Die Tabakspfeife und mit ihr auch der sogenannte Rauchtabak wurde in breiten Bevölkerungsschichten zugunsten der Pfälzer Zigarre in den Hintergrund gedrängt. Infolgedessen war auch die Tabakindustrie auf eine Umstellung angewiesen. Mit dem Übergang zur Zigarrenindustrie begann der Bedarf an Arbeitskräften zu wachsen, da die Fabrikation in den Zigarrenfabriken in der Hauptsache Handarbeit war. So entstanden auf der Suche nach billigen Arbeitskräften auf dem Lande, in den Ortschaften zahlreiche ländliche Zweigfabriken, bis im Jahre 1925 von 43 Gemeinden im Bezirk Lahr 35 eine größere Tabak- und Zigarrenfabrik besaßen. Allein in der Gemeinde Rust waren zu diesem Zeitpunkt von 1779 Einwohnern 574 Personen, das sind 48,8 % aller Erwachsenen, in der Tabakindustrie beschäftigt. Die Gemeinde gehörte somit zu den sogenannten "Zigarren und Tabakdörfern", in denen ein Großteil der gesamten erwachsenen und erwerbsfähigen Bevölkerung, meist waren es Frauen oder Mädchen, von der Tabakindustrie lebten, oder wie man sagte, "in die Zigarrenfabrik gingen". Die erste Zigarrenfabrik in Rust hatte 1870 ihren Betrieb aufgenommen. Ihr waren bis zum Jahre 1934 fünf weitere gefolgt. Die letzte Ruster Zigarrenfabrik stellte im Jahre 1993 endgültig ihren Betrieb ein. Weil in den Zigarrenfabriken hauptsächlich Frauen und Mädchen arbeiteten, ist es nicht verwunderlich, dass in Rust schon zu Beginn der 1870er Jahre der Gedanke aufkam, eine Kleinkinderschule oder Kleinkinderbewahranstalt einzurichten, die dann auch 1891 ihren Betrieb aufnahm.

Backsteinmacherei

Im Jahre 1858 begann Matern Sauter mit der Backsteinherstellung; er fand in der Gemarkung günstige Voraussetzungen, da der Boden mit seinen kalkarmen Lehmen und Sanden, die vielfach nur wenig unter der Oberfläche lagen, ein vortreffliches Material bot. Als das Geschäft sich günstig entwickelte, folgten bald andere seinem Beispiel nach. Die Ruster Backsteine fanden in allen umliegenden Ortschaften ihre Abnehmer, besonders die Orte am Kaiserstuhl bezogen ihre Backsteine von hier, auch ins Elsass von Erstein bis Schlettstadt wurde geliefert. Die Backsteinmacher wurden allerdings nicht reich bei ihrem Geschäft, wenn auch viele von ihnen sich ein eigenes Haus bauen konnten. Aber die Umstellung auf eine modernere, maschinelle Fabrikationsweise gelang ihnen nicht. So gingen die einzelnen Betriebe schließlich nacheinander ein, bis das einst blühende Gewerbe nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zum Erliegen kam.

Das Wappen der Gemeinde Rust

Das Wappen zeigt in gespaltenem Schild von rechts in blauem Feld einen pfahlweise gestellten silbernen Fisch und hinten links in rotem Feld eine goldene Pflugschar. Das Wappen geht auf ein Siegel aus dem Jahre 1703 zurück. Die Farben wurden 1898 vom Generallandesarchiv in Karlsruhe vorgeschlagen. Die beiden Figuren des Wappenschildes, Pflugschar und Fisch, deuten auf die beiden Berufsstände hin, welche das dörfliche Leben und Schaffen seit alten Zeiten bestimmt haben.

Quelle: Ortssippenbuch Rust / A. Köbele

Der Autor: Dr. paed. Karl-Heinz Debacher


Dr. Karl-Heinz Debacher















Dr. Karl-Heinz Debacher
geb. 1955 in Rust
Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg
(Hauptfach: Geschichte)

- 1981: Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-
und Hauptschulen

- 1983: Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-
und Hauptschulen

- 1989: Erweiterungsprüfung im Fach "Museumspädagogik"
an der PH-Freiburg (Schwerpunkt: Historisches Museum)

- 1990: Prüfung im Promotions-Aufbaustudiengang an der
PH-Freiburg

- 1996: Promotion, seit 1984 im Schuldienst,
Rektor der Grund- und Hauptschule Rust.
Autor mehrerer Veröffentlichungen zur lokalen Sozial- und Kulturgeschichte.
Mitglied im Gemeinderat Rust für die SPD.

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