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Rust - Ortenau
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Rust
Aus: alemannia-judaica.deIn Rust bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in das 17. Jahrhundert zurück. Erstmals wird 1676 ein Jude Samuel aus Rust genannt. 1740 werden bereits zehn jüdische Haushaltungen aufgeführt, doch ging deren Zahl in den folgenden Jahrzehnten nochmals zurück: 1809 lebten nur fünf jüdische Familien am Ort.
In den nächsten 50 Jahren nahm die Zahl der Juden wieder stark zu, sodass vor der beginnenden Abwanderung in die Städte um 1864 die höchste Zahl jüdischer Einwohner mit 219 Personen erreicht wurde (etwa 12 % der Gesamteinwohnerschaft). Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren aller Art, zunehmend auch von der Landwirtschaft.
Auch gab es eine koschere Metzgerei und Gastwirtschaft sowie noch um 1933 mehrere Handlungen und Läden in jüdischem Besitz (darunter ein Manufakturwarengeschäft und Altmaterialienhandlungen). Auf Grund der Judenverfolgungen und -ermordungen in der NS-Zeit kamen von den 1933 in Rust wohnhaften 26 jüdischen Personen mindestens vier ums Leben.
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Nachdem die Zahl der Juden am Ort zur Feier von Gottesdiensten groß genug, konnte 1746 in einem Privathaus ein Betsaal eingerichtet werden. Dies geht aus einer Klage des christlichen Bürgers Johannes M. aus dem Jahr 1749 gegen die Ruster Judenschaft hervor. Demnach hielten die Juden von Rust bereits seit drei Jahren in seinem Haus "Schule", das heißt Gottesdienste, ohne aber die Jahresmiete von drei Gulden zu bezahlen. Am 19. August wurde entschieden, dass die Juden die Miete für die vergangenen drei Jahre nachzuzahlen hatten. In der Judenverordnung des Ortsherrn Franz Friedrich Böcklin von Böcklinsau wird 1768 der Betsaal als "Synagoge" bezeichnet. § 9 dieser Ordnung bestimmte im Blick auf jüdische Hochzeiten und Beschneidungen, dass "derlei actus in der Synagoge oder ihren Behausungen [...] in der Stille" vollzogen werden müssen. An die Ortsherrschaft war von der jüdischen Gemeinde ein jährliches Synagogengeld zu bezahlen. Es wurde an Weihnachten erhoben und betrug zuletzt 12 Gulden. 1828 wurde das Synagogengeld aufgehoben.
Wie lange der 1746/1768 genannte Betsaal genutzt wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise war es noch derselbe Raum, der bis in das 19.Jahrhundert hinein als "alte Synagoge" bezeichnet wurde. Das Gebäude stand auf dem Grundstück Klarastraße 14 (Flurstück Nr. 106, Hof- und Gebäudefläche 2,41 ar). Um 1835 war das Gebäude in sehr schlechtem Zustand. Nach mehrmaligen Reparaturen und Vergrößerungen wurde damals festgestellt, dass aus Mangel an Platz eine weitere Vergrößerung nicht mehr möglich war. Gottesdienstbesucher mussten immer wieder auf der Treppe Platz nehmen. Da die Juden in Rust noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als "bettelarm" galten, konnten sie den Neubau einer Synagoge finanziell nicht alleine bewältigen. 1835 bat die Gemeinde den Oberrat der Israeliten in Karlsruhe um Bewilligung einer landesweiten Kollekte, um das Geld für einen Synagogenbau zusammen zu bekommen. Im Oktober 1835 konnte man ein Grundstück für eine neue Synagoge in der Ritterstraße kaufen (heutiges Grundstück Ritterstraße 11). Samt einem darauf stehenden Haus mit Scheuer und Stallung kostete es 1.800 Gulden und hat schon sämtliche bis dahin angesammelten Gelder aufgebraucht. Drei Jahre danach waren noch 300 Gulden an Schulden für den Grundstückskauf vorhanden.
Mehrere Baupläne für die neue Synagoge wurden in den folgenden Jahren erstellt: Ein erster stammte von Werkmeister Brüchle von Riegel (1838). Er wurde allerdings von Hofbaumeister Künzle als "ganz schlecht" bezeichnet. Im Frühjahr 1839 lieferte Maurermeister Leppert von Emmendingen einen neuen Plan mit Kostenvoranschlag. Leppert errechnete 7.000 Gulden für den Neubau, was die israelitische Gemeinde jedoch angesichts ihrer leeren Kassen damals beim besten Willen nicht aufbringen konnte. Man beschloss daraufhin, mit dem Synagogenbau noch einige Jahre zu warten und über eine Umlage zunächst das notwendige Grundkapital anzusparen. Unglücklicherweise hatte Synagogenrat Löb Günzburger die alte Synagoge bereits 1834 für 450 Gulden an Marx Epstein verkauft. Man hatte zwar vereinbart, den Betsaal noch weitere sieben Jahre benutzen zu dürfen, dennoch war man nun gezwungen, das Gebäude für 600 Gulden zurückzukaufen. 1841 beschloss die Gemeinde, innerhalb von fünf Jahren 2.000 Gulden durch Umlagen einzutreiben. Danach sollten die Synagogenstühle des Neubaus versteigert werden, um einen weiter notwendigen Betrag zu erhalten. Die Kreisregierung machte 1844 zur Bedingung, dass wenigstens die Hälfte des Bauaufwandes durch vorhandene Mittel der Gemeinde gedeckt sein müssten. Im April 1846 war ein Kapital von 3.000 Gulden zusammengespart. Wegen der Baufälligkeit der alten Synagoge konnte der Neubau nicht länger verschoben werden. Da der Gemeinde inzwischen der von Maurermeister Leppert angefertigte Plan nicht mehr gefiel, legte sie 1846 einen neuen, von Bauführer Watterlohn gefertigten Plan vor. Das Bezirksamt bat den Schmieheimer Bezirksrabbiner Kaufmann Roos und Hofbaumeister Künzle um Stellungnahme. Beide sprachen verschiedene Empfehlungen zur Verbesserung und Verschönerung des geplanten Bauvorhabens aus. Im Dezember 1847 gab der Israelitische Oberrat seine Zustimmung zum Synagogenbau. Auf Grund der schwierigen politischen Verhältnisse Ende der 1840er-Jahre verzog sich die Bauausführung nochmals um einige Jahre. Im Januar 1853 wurde in der jüdischen Gemeinde eine neue Synagogenbaukommission gewählt, die nochmals neue Ideen hatte und den bekannten Architekten Jakob Schneider aus Freiburg bat, einen Synagogenplan zu entwerfen. Ein Hauptinteresse war dabei, die von Watterlohn errechneten Kosten zu erniedrigen. Schneider konnte einen Plan erarbeiten, der auch Rabbiner Roos und Hofbaumeister Künzle überzeugte, zudem er mit 6.500 Gulden deutlich günstiger ausfiel. Im Oktober 1853 erfolgte die Genehmigung zum Bau durch den Oberrat. 1855 bis 1857 wurde der Neubau an der Ritterstraße erstellt und am 4. September 1857 feierlich eingeweiht.
Die "Breisgauer Zeitung" pries in ihrer Ausgabe vom 13. September 1857 den Neubau der Ruster Synagoge in einem Bericht zur Einweihung als ein "wahres Meisterstück der modernen Baukunst". Die Einweihung habe "beim herrlichsten Wetter unter dem Zuströmen des Publikums aller Konfessionen aus nah und fern in bester Ordnung" stattgefunden: "Wahrhaft erhebend war hierbei der Abschied aus der alten Synagoge und der Zug der festlich geschmückten Gemeinde sowie der dazu eingeladenen Großh. Bezirks- und Ortsbehörden und sonstigen geistlichen und weltlichen Honoratioren vor die Stufen der neuen Synagoge...".
Die Synagoge war massiv gebaut. Sie hatte die folgenden Außenmaße: Länge 18,07 m, Breite 10,64 m und Höhe 11,86 m. Der Betsaal hatte eine Grundfläche von 14,47 m mal 9,44 m. An den Schmalseiten hatte das Gebäude Giebel und First. Charakteristisch waren der das Eingangsportal und die Fenster prägenden Hufeisenbögen ("maurischer Stil"). Über dem Eingangsportal war die hebräische Inschrift zu lesen: "Hüte deinen Fuß, wenn du in das Haus Gottes gehst. Er ist nahe zu hören" (Prediger 4,17). Über dem Toraschrein fand sich als Giebelinschrift: "Gedenket der Lehre meines Knechtes Mosche, die ich ihm am Horeb aufgetragen habe (Maleachi 3,22). Über das gottesdienstliche Leben in der Synagoge liegen nur wenige Berichte vor. Am 26. Juni 1928 war die Hochzeit des Viehhändlers Moritz Meier mit Martha Abraham. Über die Feier in der Ruster Synagoge berichtete Irma Grumbacher: "Es waren viele Menschen da, auch Nichtjuden, wie dies bei uns üblich war, und - da keine Orgel eingebaut war - brachte man ein Harmonium...". Hierauf sei unter anderem mit Sologesang das Lied gespielt worden: "Wo du hingehst, geh auch ich hin, dein Land ist mein Land, dein Gott ist auch mein Gott".
Die Synagoge in Rust diente der jüdischen Gemeinde als gottesdienstliches Zentrum bis um 1930. Mit dem Wegzug vieler jüdischer Einwohner war es jedoch immer schwieriger, den zum Gottesdienst nötigen Minjan zusammen zu bekommen. So wurden in Rust keine regelmäßigen Gottesdienste mehr gefeiert; die jüdischen Männer besuchten die Gottesdienste in Altdorf.
Im Sommer 1938 war der Verkauf der Synagoge an die katholische Gemeinde geplant, die darin ihren Kindergarten unterbringen wollte. Bald danach ereignete sich jedoch die Pogromnacht im November 1938, in der auch die Ruster Synagoge verwüstet wurde. Sämtliche Fensterscheiben wurden eingeschlagen. Auch alles andere, was nicht mit dem Mauerwerk verbunden war, wurde zerschlagen. Die Brüstung der Emporen wurde gewaltsam entfernt, Bretter und Türen wurden gestohlen. Es kam dadurch nicht mehr zum Verkauf des Gebäudes an die katholische Kirchengemeinde. Im Frühjahr 1940 wurde das Gebäude durch französischen Artilleriebeschuss schwer beschädigt. Am 8. April 1941 kaufte die Gemeinde Rust das Grundstück mit dem Synagogengebäude zum Kaufpreis von 5.000 RM.
Nach 1945 wurde das Gebäude beschlagnahmt und der jüdischen Vermögensverwaltung JRSO übertragen. Von ihr aus kam es an die Israelitische Landesgemeinde Südbaden, die beim Restitutionsverfahren am 17. Januar 1950 das Gebäude zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.000 DM wieder an die Gemeinde Rust verkaufte. Diese ließ das Gebäude soweit instandsetzen, dass es als Lager für Holz und Geräte verwendet werden konnte. Im Juni 1963 wurde das Grundstück mit der "Synagogenruine" zum Preis von 8.005 DM an die Raiffeisengenossenschaft in Rust verkauft. Die Synagoge sollte abgebrochen werden, um Platz für die Erstellung eines Vorratshauses für Düngemittel zu gewissen. Einige Monate vor dem Abbruch wurde von Seiten des Landesdenkmalamtes überlegt, das Gebäude zu retten. Auf Grund von falschen Eintragungen in Gebäudeversicherungsunterlagen wurde damals freilich von der Gemeinde Rust angegeben, dass das Gebäude erst 1895 erbaut worden sei und somit keine Eintragung in das Denkmalbuch zu rechtfertigen sei. Bis April 1965 war die Synagoge abgebrochen. Das Grundstück wurde wie geplant mit einem Lagerhaus der Raiffeisenbank überbaut, an dem eine Gedenktafel für die Synagoge angebracht wurde. Die Portalinschriften vom Eingangsportal und die Inschrift über dem Toraschrein wurden auf den Friedhof nach Schmieheim gebracht. 1988 wurden sie von dort nach nach Rust zurückgebracht.
Weitere Informationen auf alemannia-judaica.de